Vor 75 Jahren: Meuterei und Standgericht

Begonnen von Urs Heßling, 05 Mai 2020, 12:04:53

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Urs Heßling

moin,

Zitat von: TW am 05 Mai 2020, 18:50:47
Wo ist den nun das von Dir zitierte "Versagen der Gerechtigkeit" ?
Das Urteil als solches war sehr hart, aber korrekt.
Die Ausführung war unter den gegebenen Umständen das "Versagen der Gerechtigkeit".
Hier hätte die Menschlichkeit vorangehen müssen.


Zitat von: TW am 05 Mai 2020, 18:50:47
Ist doch aus Deiner Sicht alles prima gerecht gelaufen, wie ?
ach, Thomas,
was sollen denn solche Anwürfe und Unterstellungen (die ich mir nachdrücklich verbitte)
Die Antwort auf deine Frage ist: nein.
EDIT: diese Antwort bezog sich auf "prima".

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

TW

#16
Urs, Du sagst:
Es wurde der Wehrmacht und der Wehrmachtsjustiz nicht grundsätzlich vorgeworfen, daß man für ein Terrorregime gekämpft hatte.

Nein, umgekehrt wird ein Schuh daraus:
Die Berufung auf Befehl und Gehorsam hat die Täter nicht aus der Eigen-Verantwortung für ihr Handeln entlassen. Und zwar zu Recht (aus nachträglicher Sicht!).

Man darf die Dinge auch nicht auf die zeitgenössische Sicht beschränken.

TW

"Hier hätte die Menschlichkeit vorangehen müssen."
Meinst Du damit Gnade vor Recht?

Urs Heßling

moin, Thomas,

Zitat von: TW am 05 Mai 2020, 19:05:30
Die Berufung auf Befehl und Gehorsam hat die Täter nicht aus der Verantwortung für ihr Handeln entlassen. Und zwar zu Recht (aus nachträglicher Sicht!).
Einverstanden.
Aber ist "Täter" aus deiner Sicht auch zB der Geschützführer des Schnellboots, dessen Geschoß im Gefecht Robert Hichens tötete ?

Zitat von: TW am 05 Mai 2020, 18:50:47
Es ist die einzige Möglichkeit des "Schützen Arsch", sich zu widersetzen.
Nein. siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_J%C3%A4gerst%C3%A4tter

Zitat von: TW am 05 Mai 2020, 19:08:01
"Hier hätte die Menschlichkeit vorangehen müssen."
Meinst Du damit Gnade vor Recht?
Nein, mehr.
Der Gerichtsherr hätte das Urteil ablehnen können.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

TW

Zitat von: Urs Heßling am 05 Mai 2020, 19:12:55

Aber ist "Täter" aus deiner Sicht auch zB der Geschützführer des Schnellboots, dessen Geschoß im Gefecht Robert Hichens tötete ?
Ja, er muss sein Tun und Lassen vor sich und vor Gott verantworten.

Die Geschichte von Franz Jägerstätter ist sehr berührend.
Aber sie endete in seiner "Ermordung" (nicht im juristischen Sinne) und nicht in seiner Freiheit.

Zitat von: TW am 05 Mai 2020, 19:08:01
"Hier hätte die Menschlichkeit vorangehen müssen."
Meinst Du damit Gnade vor Recht?

Du antwortest: Der Gerichtsherr hätte das Urteil ablehnen können.
Ist das denn nicht Gnade vor Recht ?

Gruß, Thomas

Urs Heßling

moin,

Zitat von: TW am 05 Mai 2020, 19:25:15
Ja, er muss sein Tun und Lassen vor sich und vor Gott verantworten.
Gut, das müssen wir alle.
Aber nun hast Du, meine ich, Deine "Täter"-Verantwortungs-These auf eine andere, nicht juristische, sondern fast metaphysische Ebene verschoben


Zitat von: TW am 05 Mai 2020, 19:25:15
Die Geschichte von Franz Jägerstätter ist sehr berührend.
Aber sie endete in seiner "Ermordung" (nicht im juristischen Sinne) und nicht in seiner Freiheit.
... und der Deserteur, der "in die Freiheit" flieht, welche Verantwortung hat der, wenn zB nach seinem Verlassen eines Flakgeschützes ein Tiefflieger einen Zug mit Frauen und Kindern in Brand schießt ?  Keine ?


Zitat von: TW am 05 Mai 2020, 19:25:15
Du antwortest: Der Gerichtsherr hätte das Urteil ablehnen können.
Ist das denn nicht Gnade vor Recht ?
Nein, mehr.
Gnade vor Recht wäre: Anerkennung des Urteils, keine Durchführung
Gerechtigkeit wäre: Erkennen des juristisch korrekten Urteils als verfehlt.

Denn: Gerechtigkeit ist mehr als juristische Korrektheit.

Gruß, Urs
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TW

#21
Hier sind wir in allen 3 Punkten nicht so weit auseinander.

"Täter" sind für mich tatsächlich nicht nur solche, die juristisch dazu erklärt wurden.
Das ist aber keine metaphysische Ebene, sondern eine politische.

Nicht der, der das Flakgeschütz nicht mehr bedienen will, ist der Mörder von Frauen und Kindern (immer noch dieses Vorschieben von Frau und Kind ?), sondern der Flugzeugführer. -- Nicht die Meuterer sind verantwortlich dafür, dass der Kurlandkessel nicht rechtzeitig geräumt wurde.

Gerechtigkeit ist mehr als juristische Korrektheit. Ja! - Aber warum ist (in Deinen Augen) das juristisch korrekte Urteil ungerecht=verfehlt?
Ich kann Deinen Gedankengang noch immer nicht nachvollziehen.

Arche

Hallo zusammen,

ich habe hier gerade mal mitgelesen. Grundsätzlich habe ich immer mal wieder mit dem Urteil auseinandergesetzt und wenn man viele Gerichtsakten durchgelesen hat, fallen doch schon einige Sachverhalte auf, die nicht korrekt waren.
Wir haben es mit Marinesoldaten zu tun, die in der Regel ihren militärischen Werdegang hatten. 2 Soldaten waren vorher beim Heer, einer bei der Luftwaffe und alle anderen haben keine Auffälligkeiten in ihren Kommandos. Bei Rust gab es ein Bruch während der Ausbildung zum Bachstelzenpiloten (wohl aus disziplinarischen Gründen). Auffällig ist aber das verstärkte Mitdenken und auf die Eigenständigkeit der Entscheidungen. Sie waren also nicht mehr bereit, jeden Befehl auszuführen, wenn sie dessen Logik nicht verstanden oder sich durch diesen Befehl bedroht fühlten. Auf der anderen Seite war es gerade für die Offiziere kein gutes Zeichen, wenn jeder Befehl hinterfragt wurde. Neben den Todesurteilen gab es ja noch 4 Verurteilungen wegen Aufruhr. Es war also auch eine Versammlung/Zusammenrottung gegen die Staatsmacht. Wegen Aufruhr wurden verurteilt Hieronymus Czak, Paul Schwirtz, Johann Mittelhauser und der Marinesoldat Müller. Sie mussten nach jeder Erschiessung den Hingerichteten mit Gewichten ins Meer versenken. Eine vergleichbare Tat ist mir nicht bekannt. Üblich war, dass die letzte Einheit eines zum Tode verurteilten Soldaten das Erschiessungskommando stellt und den Leichnam "abtransportierte". Hier sollte sicherlich auch Exempel durchgeführt werden. Leutnant Süß war im Prozeß derjenige, der die Soldaten an Messer lieferte und danach das Erschiessungskommando leitete. Das er der Erste war, der das Boot verließ und auch später nie wieder auftauchte, gibt Rätsel auf (sollte ich mich hier irren, würde ich mich freuen, mehr über Leutnat Süß zu erfahren). Außerdem waren Marineoberstabsrichter Berns und Marinestabsrichter Holzwig nicht alleine. Es gab noch die Beisitzer Korvettenkapitän Mettenheimer und ObBtsMt Röder. Nur der Gerichtsherr Hugo Palm kam ja nach dem Krieg vor ein Gericht und das Verfahren wurde eingestellt.
Aus meiner Sicht war das Urteil nicht korrekt, da es schon eine Vorverurteilung gab.

Heinz-Jürgen

Urs Heßling

moin,

Zitat von: TW am 05 Mai 2020, 19:52:43
Nicht der, der das Flakgeschütz nicht mehr bedienen will, ist der Mörder von Frauen und Kindern (immer noch dieses Vorschieben von Frau und Kind ?), sondern der Flugzeugführer. --
Da bleiben wir dann unterschiedlicher Meinung.
Gut, lassen wir Frauen und Kinder weg.
Der Deserteur ist für die höhere Gefährdung und den evt. Tod seiner Kameraden aufgrund seines Fehlens mit-verantwortlich - zumindest, wie Du sagst, vor Gott und sich selbst.

Das juristisch korrekte (ich sehe da schon eine andere Meinung von Arche) Urteil ist verfehlt, weil es in meinen Augen nicht gerecht ist. Besser kann ich es nicht erklären.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Aquarius

Liebe Diskutanten,

genau dieses Austauschen von Argumenten bei respektvollem Verhalten gegenüber einer abweichenden Meinung des Gegenübers macht den Wert unseres Forums aus. Ich danke allen Beteiligten für diesen Beitrag. Krieg ist m. E. niemals ein Zustand, der den Anspruch daß Gerechtigkeit waltet auch nur in Ansätzen erfüllt. Alle Beteiligten (eines Krieges) erfahren einen Zustand der Gerechtlosigkeit, den die geweiligen Machtinhaber durch eine "Pseudogerechtigkeit" zu ersetzen beabsichtigen. Eide sind in diesem Kontext nichts Anderes als ein perfides Mittel von Machtausübung.
Ich halte mich für einen Realisten und erkenne, das Menschen leicht zu unmenschlichem Verhalten gegenüber ihren Mitmenschen gebracht werden können. Dankbar nehmen sie dann die gebotene "Pseudogerechtigkeit" zur Rechtfertigung gegenüber dem eigenen Gewissen an. Mir ist auch klar,  dass Kriege zur Natur von Menschen gehören. Weil das so ist, sollten wir aber erkennen, dass es alle Mühe wert ist, gegen diesen Aspekt unseres Seins anzukämpfen. Ein Gewissen (vulgo. Selbstreflektion) ist dabei extrem hilfreich.  Lasst uns auch im Forum dazu beitragen, in dem wir im Gegenüber auch immer uns selbst sehen.  Mit etwas Geschick und Glück bleibt uns dann das erspart, was hier gerade diskutiert wird. Möge uns unser Glück (Geschick) noch lange erhalten bleiben.

Aquarius

Gebirgsmarine

Hallo Zusammen!

Hat nichts mit der Seefahrt zu tun, aber passt zum Thema Deserteure.

Habe gerade am vergangenen Sonntag einen längeren Bericht über die Kämpfe der 2. Gebirgsdivision an der Eismeerfront gelesen. Die Frontlinie war dort oben an nur wenigen kurzen Stellen durchgängig besetzt. Ansonsten nur durch einsame Kampfstützpunkte, meist in Zugstärke, jeweils mehrere Kilometer Zwischenraum zum nächsten Stützpunkt. Der Raum dazwischen wurde Tag und Nacht durch Spähtrupps überwacht. Hier mußte sich jeder auf seinen Kameraden unbedingt verlassen können. Ein Verwundeter mußt oftmals bis zu 21 Stunden von acht Mann zurück getragen werden. Der Russe hat fast durchweg jeden Verwundeten erschlagen, erschossen, ermordet.
Um für Unwissende die Dimensionen zu zeigen. An der rechten Front klaffte eine Lücke von ca. 500 Km zu den Finnen runter. Und dies fast drei Jahre lang.
Der Berichter teilte also, als einer der wenigen Überlebenden eines solchen Stützpunktes, folgendes mit. Um eine Annäherung des Feindes rechtzeitig mitzubekommen und um für die Alarmierung des Stützpunktes etwas Zeit zu gewinnen, wurden ca. 20 -30 Meter vor der zur Rundumverteidigung ausgebauten Stellung sogenannte Horchposten vorgeschickt. Bei Annäherung des Feindes konnten sie mittels einer Schnur die bis zum Bunker führte, und an derem Emde eine Konservendose mit kleinen Steinen befestigt war, stillen Alarm geben. Wenn der Feind dann den Graben erreichte wurde er schon erwartet. Zeit hatte man durch diesen Alarm gewonnen, da der Gegner ja leise Anschlich und dies dauerte auch. 
Ein wahres Himmelsfahrtskommando. Sie waren stets ein begehrtes Ziel des Feindes wenn sie einen Gefangenen zur Informationsgewinnung brauchten.
Ein solcher Horchposten setzte sich heimlich aus ihrem Stützpunkt zum Russen ab. Keiner der Nachbarposten hatte etwas mitbekommen.
Schon in kürzester Zeit fiel der Russe über den Stützpunkt her. Nur drei überlebten den Angriff, der völlig überraschend und unvorbereitet die Verteidiger traf.

Soviel zum Deserteur.

Übrigens was ich über das Stützpunktsystem geschrieben habe galt auch für den Gegner. Der hatte genau so ein elendes Leben wie die Deutschen und Österreicher. Nur eine erheblich bessere Winterausrüstung und einen kurzen Nachschubweg von Murmansk her. Seine Schiffsartillerie mischte sich auch sehr oft ein. Dies kann man gut in "Chronk des Seekriegs" nachlesen.

1944 beim entscheidenden Großangriff der Russen bei Petsamo sicherte ein Gebirgsgeschütz an einer noch nicht gesprengten Brücke. Die kleine Kanone war die die als letzte der Batterie zurückblieb um den Rückzug zu decken. Der Chef selbst, ein Hauptmann, blieb bei dieser gefährlichen Arbeit bei seinen Kanonieren vorn. Der Batterieoffizier, ein Leutnant führte die Batterie zurück. Plötzlich tauchten Panzer auf. In dieser panzerfeindlichen Region mit Fels und Sümpfen eher selten. Aber dank, der kurz vorher angekommenen Spezialgranaten, die extra für die Panzerbekämpfung geliefert wurden, behielt der Chef die Nerven und beruhigte seine Männer. Das Kanönchen war völlig ungeeiget zur Panzerbekämpfung. war es doch keine Pak. Aber die neue Muni gab Hoffnung. Zu dieser Zeit herrschte bereits im ganzen Abschnitt Panik. Alles flutete zurück, teilweise waren die Waffen schon weggeworfen. Rette sich wer kann.
Die neue Munition war so kurzfristig geliefert worden daß noch nicht ein Probeschuß abgefeuert werden konnte. Siebenmal wurden Panzer getroffen. Erst die achte Granate zündete. Aber der Hauptmann und seine paar Hansel hielten mit ihrer Kanone solange durch bis keine eigenen Leute mehr kamen und die Brücke gesprengt werden konnte.
Genau dieser Hauptmann, und dazu sein Batterieoffizier ein Leutnant, wurden im April 1945 in Norwegen, wenige Tage vor Schluß, von einem Obergefreiten in der Nacht erschossen. Mir liegen über diesen Vorfall die Kriegsgerichtsakten des AOK 20 vor. (Der fleißige Kriegstagebuchleser. Vielen Dank auch noch für die Geburtstagsgrüße Urs und andere).
Der Obergefreite erklärte sich zum Chef und forderte die Mannschaften auf mit ihm zur nahen schwedischen Grenze zu flüchten. Etliche gingen mit ihm.
Aber die Jäger der angesetzten Gebirgsjägerkompanie in der Nähe waren eben in den Bergen besser und schneller als die Artilleristen. Und ihr Zorn war groß ob dieser Tat, als sie alarmiert zur Verfolgung ansetzten.

Auch ein Deserteur

So, nun bleibt gesund und viele Grüße
Gerhard
     

Rheinmetall

Hallo liebe Mitglieder !

Auch ich habe diesen Thread mitgelesen und fand ihn hochinteressant.
Von den Meutereien wusste ich bislang nichts !
Ist auf weiteren, hier nicht explizit genannten Einheiten, kurz vor Kriegsende auch noch gemeutert worden ?
Bei der U-Boot Waffe sind mir solche Vorfälle jedenfalls nicht bekannt.

Ebenfalls interessant finde ich die verschiedenen Blickwinkel der hier schreibenden Mitglieder.
Einzig was bei mir regelmäßig die Nackenhaare zu Berge stehen lässt, sind die Begriffe "Hitler- oder Nazi-Deutschland" (letzterer hier genannt).
Denn es gab meiner Meinung (vorallem bei der Kriegsmarine) etliche Männer, die als Soldaten ihre Pflicht erfüllten und hierfür auch den teuersten Preis bezahlten, ohne Nazi zu sein, oder irgendetwas auf Hitler zu halten.
Bestes Beispiel hierfür war mein Großonkel, welcher kriegsversehrt und mit einem massiven PTBS, welches sich kurz vor seinem Tod mir gegenüber in seiner vollen Hässlichkeit zeigte, aus dem Krieg zurückkehrte.
Diese Männer haben es nicht verdient, das man sie mit den oben genannten Begriffen in Verbindung bringt.

Aber jetzt wieder zurück zum eigentlichen Thema.  top

Beste Grüße,

Matze
Ab Kapstadt ohne Kreiselkompass - Jürgen Oesten, U 861

Arche

Hallo zusammen,

wir sind ja in unseren Gesellschaftssystem mittlerweile bei der Freiwilligkeit angelangt. Die Gewissensentscheidung, ob ich eine Waffe in die Hand nehme oder darauf aus Gewissensgründen verzichte ist auch schon Geschichte. Ich finde den Vergleich, der hier gezogen wird, dass die Meuterei gleichsetzt mit einer "Fahnenflucht", nicht richtig. Die Soldaten haben die Offizieren entwaffnet und sich bewaffnet, um nicht weiter zu kämpfen. Auf jeden Fall war einigen Offizieren nach der Entwaffnung, das Stangericht wichtiger als sofort nach Kurland zu fahren. Das die meuternden Soldaten im Endeffekt sich und die anderen Soldaten vor weiteren Kriegshandlungen schützen wollten, geht hier vöölig unter, wenn die Handlung als eine Art Fahnenflucht sehe. Ich kann die Argumentationskette von Urs und Gerhard schon nachvollziehen, aber am Ende haben wir alle nur ein Leben, auch der Soldat. Es gab natürlich in den letzten Kriegstagen auch Prozesse gegen fahnflüchtige Marinesoldaten, die anders ausgingen. In der Kenntnis der Kriegslage wurde dort anders geurteilt. Es kam also eher darauf an, wie der Einzelne dachte. Es muß eine Zukunft geben oder ein anderes Leben ist nicht vorstellbar. Die Befehlsstruktur muß auf jeden Fall erhalten bleiben. Das menschliche Gehirn ist so strukturiert, dass es kontinuierlich dazulernt. Das gilt auch für Marinesoldaten. Je länger die Erfahrungen sich summieren, desto stärker wird der eigenständige Gedanke und Befehle werden analysiert. Hier kommt es dann auch zu Konflikten oder in seltenen Fällen zur Meuterei.

Zu Matze:
Es gab wohl ein Fall der Meuterei auf U 994. Auch hier machte der Kommandant vor Gericht aus meiner Sicht keine gute Figur. Auch hier waren Soldaten, die schon Erfahrungen hatten und den Entschluß gefasst haben, zu meutern. Es gab ein Todesurteil und drei unbestätigte Todesurteile, da der Krieg zu Ende war.

Heinz-Jürgen

maxim

Zitat von: Rheinmetall am 06 Mai 2020, 12:39:29
Einzig was bei mir regelmäßig die Nackenhaare zu Berge stehen lässt, sind die Begriffe "Hitler- oder Nazi-Deutschland" (letzterer hier genannt).
Denn es gab meiner Meinung (vorallem bei der Kriegsmarine) etliche Männer, die als Soldaten ihre Pflicht erfüllten und hierfür auch den teuersten Preis bezahlten, ohne Nazi zu sein, oder irgendetwas auf Hitler zu halten.
Es hat auch solche Leute gegeben, aber man sollte zwei Punkte nicht vergessen:
a) die Kriegsmarine war Teil eines Terrorregimes, einer faschistischen Willkürherrschaft. Sie stand nicht außerhalb der Gesellschaft, sondern war ein Teil davon. Sehr deutlich wird dies vielleicht auch dadurch, dass mit Dönitz ein Offizier der Kriegsmarine von Hitler zum Nachfolger auserwählt wurde. Dönitz war ein fanatischer Nazi. Insbesondere bei den jüngeren Offizieren gab es außergewöhnlich viele fanatische Nazis.

b) egal was die Einstellung des einzelnen Kriegsmarine-Angehörigen gewesen war, sie kämpften tatsächlich für dieses Terroregime - außer, sie stellten sich bewusst dagegen, wie es diese Meuterer vor 75 Jahren machten. "Nur ihre Pflicht erfüllen" bedeutete damals für den Erhalt eines Terroregimes zu kämpfen.

Das Argument, dass diesen Offizieren offensichtlich das Umbringen der Meuterer wichtiger als der Einsatz war, finde ich übrigens interessant. Das sollte man betonen!

Urs Heßling

moin,

Zitat von: maxim am 06 Mai 2020, 14:21:49die die Kriegsmarine war Teil eines Terrorregimes
Dieses Gesamturteil geht Dir leicht von der Hand.
Das gilt dann auch für jeden Funktionär, wie einen Schwellenleger, der Schienen reparierte, auf denen dann ein Transportzug nach Auschwitz fuhr ?


Zitat von: maxim am 06 Mai 2020, 14:21:49
b) egal was die Einstellung des einzelnen Kriegsmarine-Angehörigen gewesen war, sie kämpften tatsächlich für dieses Terroregime - außer, sie stellten sich bewusst dagegen, wie es diese Meuterer vor 75 Jahren machten.
Einspruch !!!  Das ist eine schlimme Verdrehung der Tatsachen !
Die Angehörigen der verschiedenen Widerstandsgruppen (Stichworte Rote Kapelle, Weiße Rose, Kreisauer Kreis, 20. Juli) stellten sich bewußt und unter Inkaufnahme des damit verbundenen Risikos für ihr eigenes Leben und das ihrer Angehörigen gegen das NS-Regime.
Die Meuterer von M 612 versuchten nur ihr eigenes Leben zu retten.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

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