Das Ende der ital. Beuteschiffe und-boote in der sowjetischen Seekriegsflotte

[hillus]

Das Ende der italienischen Beuteschiffe und-boote in der sowjetischen Seekriegsflotte TEIL 1

Nach dem Willen der Siegermächte sollten auch italienische Kriegsschiffe zur Auffüllung der Kriegsverluste an die Siegermächte ausgeliefert werden. Deshalb erließ der damalige Chef des Marinehauptstabes (bei uns Admiralität) der Seekriegsflotte, Admiral Golowko, Anfang Februar 1947 an den Militärrat der Schwarzmeer Flotte und der Kaspi Kriegsflottille die Direktive, ein Kommando für alle zukünftigen Kommandanten der italienischen Beuteschiffe und –boote zu bilden. Es ging um 45 Schiffe und Boote, darunter ein Linienschiff, einen Kreuzer, Zerstörer, Geleitzerstörer, U-Boote, TS-Boote, Wachboote, Landungsboote, Militärtransporter, Tanker, Schlepper und ein Segelschulschiff.

Am 11.02.1947 begannen dann die Gespräche der Marinekommission der vier Siegermächte in Paris, deren Vertreter für die USA Captain Price, für Großbritannien Captain Beverley, für Frankreich Admiral Robouffel und für die Sowjetunion Konteradmiral Karpunin, einem alten U-Bootstrategen, waren. Der Sowjetunion wurden 45 Schiffe und Boote zugesprochen.

Die für die Sowjetunion bestimmten Schiffe und Boote sollten in drei Gruppen vom 15.12.1947 bis zum 15.07.1948 unter ziviler Besatzungen, Zivilkapitänen und unter Führung der italienischen Handelsflagge überführt werden. Zunächst liefen die Gruppen, von verschiedenen Ausgangshäfen die albanische Hafenstadt Vlora (italienisch Valona) an, um von dort weiter nach Sewastopol bzw. Odessa weiterzufahren. Das waren die Verhandlungsergebnisse in Kurzfassung.

Was man zunächst nicht beachtet hatte war die Tatsache, dass allein 40 Einheiten überholt werden mussten, da sie nicht zu einer Überführung zum Zeitpunkt in der Lage waren. Sie alle wurden zwischen 40 Tagen und 18 Monaten in verschiedenen italienischen Werften wiederhergestellt. Dazu wurden die Werften in Genua, Verazzo, Livorno, Neapel, Castellammare di Stabia und Breda beauftragt. Alle Schiffe sollten bis spätestens Januar 1949 fertig und ausgeliefert sein. Anfang Januar 1949 landete letztlich ein Zivilflugzeug der sowjetischen zivilen Luftflotte in Augusta und brachte 56 der neuen sowjetischen Besatzungen für die 1. Gruppe von Schiffen.

Welche Schiffe gingen an die sowjetische Seekriegsflotte??
1.   Linienschiff:
   GIULIO CESARE, Auslieferung als Z-11, dann NOVOROSSIYSK
2.   Kreuzer:
   EMANUELE FILIBERTO DUCA D'AOSTA, Auslieferung als Z-15, dann Namen ADMIRAL USHAKOV und ODESSA geplant, aber zuletzt Name KERCH vergeben
3.   Zerstörer:
   ARTIGLIERE, ex CAMICIA NERA, Auslieferung als Z-12, dann Name NEULOVIMYY, später BESPOSHCHADNYY und sein letzter Name LOVKIY
   FUCILIERE, Auslieferung als Z-20, dann NASTOYCHIVYY, später BEDOVYY und sein letzter Name LEGKIY
4. Geleitzerstörer:
   ANIMOSO, Auslieferung als Z-16, dann NEUGOMONNYY, BEZOTKAZNYY und sein letzter Name LADNYY
   ARDIMENTOSO, Auslieferung als Z-19, dann NEPREKLONNYY, BEZZHALOSTNYY, LUKAVYY und letzter Name
        LYUTNYY
   FORTUNALE, Auslieferung als Z-17, dann NEUYAZNYMYY, BESPOKOYNYY, LAZURNYY und letzter Name LETNYY.

Ende Teil 1!

Bis bald!

hillus

[Trimmer]

Hallo Jochen - das ist ja wirklich ein sehr interessantes,zumindest für mich unbekanntes Kapitel -  bitte weiter machen

Gruß - Achim-Trimmer

[smutje505]

Hallo Jochen könnte das auch ein Beuteschiff sein?

[Glasisch]

Hallo Jochen könnte das auch ein Beuteschiff sein?

Hallo,
glaube ich kaum, das ist hier ein ziemlich alter Kahn. Den Namen kann ich nicht entziffer. Der Russe bekam relativ neue Boote, wovon der Kollegen oben schon schrieb.
Gruß
Micha

[Schorsch]

Hallo zusammen!

Bei der Frage, welches Schiff im Beitrag von smutje505 zu sehen ist, könnte u.U. diese site weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch

[smutje505]

Danke Schorsch 

[Urs Heßling]

moin,

könnte das auch ein Beuteschiff sein?

das ist hier ein ziemlich alter Kahn. Den Namen kann ich nicht entziffer.

Es handelt sich um den Zerstörerführer (esploratore) SPARVIERO (mM recht gut zu lesen), gebaut in rumänischem Auftrag, 1915 von Italien beschlagnahmt bzw. übernommen, 1920 doch an Rumänien verkauft als MARASTI.

Demnach müßte diese Aufnahme im Zeitraum 1915-1919 entstanden sein.

Gruß, Urs

[t-geronimo]

Da die Thementitel leider nur eine begrenzte Anzahl Buchstaben zulassen, habe ich den hiesigen mal leicht modifiziert. 

[smutje505]

Urs ich danke für die Aufklärung -auf der Rückseite stand nur ..Schiff ital.Beute..

[hillus]

Hallo Thorsten,

danke für Deine Hilfe.

Gruß

Jochen

[hillus]

Hallo Hartmut,

Du hast mit dem Foto eine Frage aufgeworfen und wie man sieht, waren viele Leser an einer Aufklärung interessiert. das ist eben immer wieder das Schöne am FMA. Auch ich will noch meinen Senf dazugeben, wie sich das gehört, hattest mich ja auch gefragt.

Von dieser AQUILA-Klasse, damals als SCOUTS bezeichnet, wurden 1913 vier Boote von Rumänien geordert. Nach den Plänen des Ingenieurs Luigi Scaglia wurden sie bei der Werft Pattison in Neapel geordert, aber mit Kriegsbeginn von Italien beschlagnahmt. Sie waren für einige Jahre die schnellsten Schiffe der italienischen Marine und auch in der Welt! Es handelte sich um:
1.   AQUILA ex rumänisch VIFOR, 11.03.1914 a. St., 26.07.1916 Stapellauf, 08.02.1917. Am 05.06,1915 von Italien übernommen und als AQUILA fertiggebaut, am 05.09.1938 Klassifizierung als Zerstörer, am 05.01.1939 gestrichen und an die nationale Marine Spaniens als MELILLA. 1950 dort aus der Schiffsliste gestrichen.

2.   FALCO ex rumänisch VISCOL, 19.08.1916 a. St., 16.08.1919 Stapellauf und am 20.01.1920 i. D. der italienischen Marine als FALCO, am 05.09.1938 Klassifizierung als Zerstörer, 05.01.1939 gestrichen und an die  nationale Marine Spaniens als CEUTA. 1948 dort aus der Schiffsliste gestrichen.

3.   NIBBIO ex rumänisch VARTEZ, 15.07.1914 a. St., Stapellauf 30.01.1918, 15.05.1918 i. D. der italienischen Marine als NIBBIO. Am 01.07.1920 Rückgabe an Rumänien als MARASESTI. 1965 dort aus der Schiffsliste gestrichen.

4.   SPARVIERO ex VIJELIE, 29.01.1914 a. St., Stapellauf 25.03.1917, Am 05.06,1915 von Italien übernommen und als SPARVIERO fertiggebaut, 15.07.1917 i. D. der italienischen Marine. Am 01.07.1920 Rückgabe an Rumänien als MARASTI. 1964 dort aus der Schiffsliste gestrichen. (Das war der Zerstörer auf dem Foto!)

Ich hoffe, Du kannst das ein wenig gebrauchen.

Schönen Abend

Jochen

[smutje505]

Jochen vielen Dank für deine Mühe der Auflistung der Aquila-Klasse 
Schönen Rest-Abend noch Hartmut

[hillus]

Teil 2
Weiter gingen an die sowjetische Seekriegsflotte:

5.   Militärtransporter:
   MONTE CUCCO, als INGUL an die sowjetische Seekriegsflotte (weiter als SKF), späterer Name MIUS

3.   Motor Torpedo Boote:
   MS 52 als TK-970 an die SKF
   MS-61 als TK-972 an die SKF
   MS-65 als TK-973 an die SKF
   MS-75 als TK-974 an die SKF

4.   Schnellboote (auch Special Motor Torpedo Boot)
   MAS 513 als TK-975 an die SKF
   MAS 519 als TK-979 an die SKF
   ME 40 ex AS 27ex MAS 440 als TK-978 an die SKF

5.     Landungsfahrzeuge:
   MZ 772 als BDB-69 an die SKF,(russisch БДБ= Быстроходная десантная баржа-deutsch Marinefährprahm),
        später BDB-75
   MZ 780 als BDB-70 an die SKF, später BDB-76
   MZ-781 als BDB-71 an die SKF, später BDB-77

6.   Wassertanker:
   ISTRIA als VODOLEY N° 1 an die SKF, später VODOLEY N° 4
   BASENTO als VODOLEY N° 4 an die SKF, später VODOLEY N° 3
   LIRI als VODOLEY N° 5 an die SKF
   POLCHEGERA als VODOLEY N° 6 an die SKF

7.   Schlepper:
   CAPO D'ISTRIA als TSCHF-58 (russisch ЧФ-58) an die SKF, später ЧФ-49
   TALAMONE als TSCHF-59 (russisch ЧФ-59) an die SKF, später ЧФ-52
   PORTO ADRIANE als TSCHF-61 (russisch ЧФ-61) an die SKF, später ЧФ-50
   SAN ANGELIO als TSCHF-62 (russisch ЧФ-62) an die SKF, später ЧФ-51
   BIGOROSO als TSCHF-63 (russisch ЧФ-63) an die SKF, später ЧФ-53
   TIFEO als TSCHF-65 (russisch ЧФ-65) an die SKF, später ЧФ-54

Teil 3 folgt demnächst!

hillus

[de domenico]

MARASTI  served in the VMF from 1945 onwards for some years before being returned to the Rumanian Navy, so she was anyway a (kein Italienisch, aber) "Beuteschiff in der sowjetischen Seekriegsflotte".

[hillus]

Teil 3

Teil 2 endete mit den Schleppern, die an die sowjetische Seekriegsflotte gingen. Es fehlen noch die U-Boote und ein Segelschulschiff von den bekanntgewordenen Beuteschiffen und-booten.
Ich betone hier an dieser Stelle, dass nicht alle Einheiten, die an die Sowjetunion gingen, mit ihrem Namen oder Pennant numbers bis heute bekannt sind.
Ich verweise weiterhin darauf, dass das Spravochnik (Handbuch) von S. S. Bereschnoj ,,TROFEI I REPARATSII VMF SSSR" (Jakutsk 1994) nur noch für einige Einheiten als Vergleich herangezogen werden kann. Ich halte diesen Hinweis für wichtig, weil es natürlich noch andere Kenner auf diesem Gebiet gibt und sie die von mir erwähnten kleineren Einheiten nicht finden. Sie werden nur MZ-780 und MZ-781 bzw. die größeren Einheiten nachverfolgen können. Selbst das Segelschulschiff CHRISTOFARO COLOMBO ist nicht enthalten wie auch die von mir bearbeiteten Schnell- und Wachboote sowie alle Hilfsfahrzeuge!!

8.   U-Boote:
   Ich führe nur die U-Boote nicht nochmals auf. Sie wurden bereits bei ,,Wie endeten die
   deutschen Beute-U-Boote..." komplett abgehandelt.

9.   Segelschulschiff:
   CHRISTOFARO COLUMBO, als DUNAY an die sowjetische Seekriegsflotte

Am 03. Oktober 1949 kam die Weisung des Chefs des Marinehauptstabes zur Umbenennung der übriggebliebenen Schiffe und Boote. Dabei erhielten auch eine Reihe von Booten, die bereits neue Namen erhielten, wiederum eine Umbenneung.

1.   Schnellboote:
   MS 52, MS 61, MS 65 und MS-75 wurden als Torpedofangboote neu klassifiziert und
   erhielten die Bootsnummern TL-31, TL-33, TL-34 und TL-35. As TL steht für
   ,,torpedolow" – Torpedofangboot (russisch тopпeдoлoв)

   MAS 516, MAS 519 und ME-40 ex MAS 440 wurden als Schießatrappen neu
   klassifiziert und erhielten die Bootsnummern SHCHM-1, SHCHM-2 und SHCHM-3.
   Das SHCHM steht für Shchit maket Schießatrappe (russisch щит мaкeт).

2.   Wachboote:
   VAS 245 und VAS 248 (ex SK-750) erhielten die Bootsnummern SK-748 und SK-749
   (russisch CK=cтopoжeвoй кaтep= Wachboot)

3.   Landungsfahrzeuge:
   MZ 778 , MZ 780 und MZ 781 erhielten die neuen Bootsnummern TDC-113, DK-75
   und DK-76 (TDS=tankodesantnoe sudno=russisch тaнкoдecaнтнoe
   cуднo=Panzerlandungsschiff und desantnyj kater=russisch дecaнтный кaтep=
   Landungsboot)

4.   Wassertanker:
   ISTRIA umbenannt in VODOLEY N° 6
   BASENTO, LIRI und POLCHEGERA wurden als Tender neu klassifiziert und erhilten
   die Schiffsnummern TDN-3, TDN-4 und TDN-5 (TDN=Tender= russisch
   TДH=тeндep)

5.   Schlepper:
   BIGOROSO als Rettungsschiff AY-PETRI neu klassifiziert
   TIFEO als Hochseeschlepper MB-46 neu klassifiziert
   SAN ANGELIO, PORTO ADRIANE und TALAMONE als Reedeschlepper RB-95,
   RB-97 und RB-98 neu klassifiziert
   CAPO D'ISTRIA als Hafenschlepper GB-53 neu klassifiziert

6. In Italien verblieben zunächst noch 12 Schiffe und Boote:
Zerstörer:
AUGUSTO RIBOTY als NEPRISTUPNYY, später LYOBOPYTNYY für die Übergabe vorgesehen, aber keine Abnahme durch die sowjetische seekriegsflotte

Schnellboote:
N° 53, später TK-971, N° 520, später TK-977, N° 521, später TK-978

Wachboote:
N° 246, später SK-749

Hilfsschiffe:
Tanker SOZH, später MYSKHAKO (Nicht verwechseln mit EK-39, einem ex japanischen UAW-Schiff)

6 Schlepper, die sich in einem sehr schlechten technischen Zustand befanden und keiner Überführung standhielten, wurden nicht mehr als Beuteschiffe ausgeliefert, da die Sowjetunion ihren Verzicht erkärte.

Bekannt gewordene Kommandanten:
GIULIO CESARE      Kapitän zur See Ju. K. Sinowjew
EMANUELE FILIBERTO DUCA D'AOSTA   Fregattenkapitän S. M. Lobow
LOVKIY      Korvettenkapitän I. Miroschnitschenko
LEGKIY      Korvettenkapitän K. Starizyn
LADNYY      Korvettenkapitän T. Schinelew
MIUS              Korvettenkapitän D. Sasonow
LYUTYY      Kapitänleutnant S. Naljotow
LETNYY      Kapitänleutnant I. Filipytschew
DUNAY      Kapitänleutnant N. Korsun

Ende Teil 3

Ich bin auch am Ende!

hillus