Heute vor 105 Jahren - die Skagerrak-Schlacht

Begonnen von Rheinmetall, 31 Mai 2021, 23:43:23

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Urs Heßling

moin,

Zitat von: maxim am 07 Januar 2023, 14:36:52
Scheer und Hipper hatten über eine Stunde ihre Kurse zu koordinieren und zu überlegen, was sie machen würden, wenn sie Kontakt herstellen. Was ist passiert? Nichts. Hipper ist nach Süden gefahren, Scheer ihm entgegegen.
Stimmt. aber dazu schrieb ich schon
Zitat von: Urs Heßling am 07 Januar 2023, 14:21:45
Hipper mußte vor Beattys 6+5 Überlegenheit mit Höchstfahrt nach Süden ausweichen. Das ließ Scheer nur wenig Gelegenheit, so weit nach Westen zu kommen, daß sich eine Zange ergeben hätte.
Außerdem mußte er mAn Hipper zu Hilfe kommen, da dieser immer noch in Gefahr war, durch das Eingreifen des 5. Schlachtgeschwaders "von hinten aufgerollt" zu werden.

Zitat von: maxim am 07 Januar 2023, 14:36:52
Es gab keinerlei Vorbereitung einen größeren Teil von Scheers Schlachtschiffen in Schussreichtweite zu bekommen oder Beattys Schiffe von zwei Seiten anzugreifen, keinerlei Vorbereitungen um britische Aufklärer abzudrängen (entsprechend wurde Scheer auch früh entdeckt!), keinerlei eigene zusätzliche Aufklärung Scheers, nichts.
Das hätte beinhaltet, die HSF zu teilen, allein mit dem 3. Geschwader zu agieren und die Hex-Schiffe und die Pre-Dreadnoughts zurückzulassen ... da zögert, glaube ich, jeder Flottenchef.
und die brit. Aufklärer abdrängen ? Womit ? Wie Du selbst schon schriebst, es fehlten dazu weitere moderne leichte Kreuzer.

Zitat von: maxim am 07 Januar 2023, 14:36:52
Praktisch wie die gesamte Schlacht: immer nur relativ kopflos reagiert (wobei die Aktionen nach dem ersten Aufeinandertreffen der Hauptflotten noch schlimmer waren, also das zweite Mal sich das T kreuzen zu lassen und der "Todesritt der Schlachtkreuzer").
Eher "unüberlegt" als "kopflos", aber sicher nicht gut. Interessant wäre die Frage, welche Rolle FKpt Erich Raeder als Hippers 1. Berater (AStO) bei den Überlegungen spielte ... :wink:

Scheers Fahrt ins 2. Crossing the T hatte allerdings - im Nachhinein betrachtet - den Effekt, daß er nach Einbruch der Nacht in einer Position war, die es ihm ermöglichte, hinter der Grand Fleet durchzubrechen und zu entkommen. Wenn er das nicht gemacht hätte, wäre er in einer unangenehmen Stellung westlich der Grand Fleet geblieben.

Zitat von: maxim am 07 Januar 2023, 14:36:52
Jellicoe hat 20 Minuten gebraucht, um von der Marschordnung in eine Ordnung zu kommen, um ein Crossing the T-Manöver zu machen. Es gab Aufklärer auf beiden Flügeln. Es gab Manöver von Beatty, um Jellicoes Aufmarsch zu verschleiern. Das war alles alles andere als perfekt und nicht sehr erfolgreich - aber im Vergleich zu Hipper und Scheer war es fast genial.
Da sind wir einer Meinung :O/Y

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

maxim

Um in eine ähnliche Situation wie Beatty und Jellicoe später zu kommen, hätte es keine große Kursänderung benötigt. Wie gesagt: eine Stunde Zeit, eine Stunde Fahrt. In dieser Zeit kann man den Kurs um ein paar Grad ändern, um eine andere Konstellation zu erreichen. Da braucht man nicht die Geschwindigkeit erhöhen, da muss man niemand zurücklassen... Und es hätte diverse Möglichkeiten gegeben. Ob sie erfolgreich gewesen wären, ist eine andere Frage.

Aber erstaunlich ist, dass zwei Admirale mit entsprechend langer Ausbildung und taktischer Schulung plus deren Stäbe nicht in der Lage waren, sich irgendetwas zu überlegen.

Ich hatte ja ganz am Anfang geschrieben, dass es Herausforderungen gab, z.B. den Mangel an modernen (schnellen) Leichten Kreuzern. Gegen Aufklärer vorzugehen, gibt es aber auch mehrere Möglichkeiten, nicht nur die eigenen Aufklärungsstreitkräfte bzw. Zerstörer ("Torpedoboote") gegen diese anzusetzen. Wenn man sich anschaut, wo die Aufklärer von Beatty standen, ist das sehr, sehr klassisch, kein Stück überraschend. Alternativen zu dem Einsatz der Aufklärer Scheers (Scheers hatte sie so positioniert, dass sie vollkommen nutzlos waren und es niemand zu diesem Zeitpunkt aufgefallen wäre, wenn sie nie existiert hätten), wäre gewesen, dass Hipper Scheers Aufmarsch verdeckt oder Scheer sich von einem überraschenden Winkel annähert. Wie gesagt: eine Stunde Zeit um etwas zu planen. Und eine Stunde Zeit, dass Leute, die eigentlich so etwas gelernt haben sollten und das beruflich gemacht haben, sich etwas überlegen. Aber sie haben sich einfach nichts überlegt und dann war die Situation natürlich so, dass Beattys Aufklärer Scheer entdeckt haben und Beatty abgedreht ist - und wenn die 5th Battle Squadron das rechtzeitig mitbekommen hätte, hätte keines der Schiffe Scheers das Feuer eröffnen können.


Der Punkt mit der der 2. Gefechtswende verstehe ich nicht: ist die HSF nicht nach Südwesten abgedreht und damit sicher westlich von der Grand Fleet geblieben, siehe z.B. hier und hier?

Urs Heßling

moin, maxim,

Zitat von: maxim am 07 Januar 2023, 16:26:17
Um in eine ähnliche Situation wie Beatty und Jellicoe später zu kommen, hätte es keine große Kursänderung benötigt. Wie gesagt: eine Stunde Zeit, eine Stunde Fahrt. In dieser Zeit kann man den Kurs um ein paar Grad ändern, um eine andere Konstellation zu erreichen. Da braucht man nicht die Geschwindigkeit erhöhen, da muss man niemand zurücklassen... Und es hätte diverse Möglichkeiten gegeben. Ob sie erfolgreich gewesen wären, ist eine andere Frage.
Ich sehe diese Möglichkeiten definitiv nicht. Kannst Du sie einmal gezeichnet verdeutlichen ?

Zitat von: maxim am 07 Januar 2023, 16:26:17
Der Punkt mit der der 2. Gefechtswende verstehe ich nicht: ist die HSF nicht nach Südwesten abgedreht und damit sicher westlich von der Grand Fleet geblieben, siehe z.B. hier und hier?
Ja. Aber die Grand Fleet ist dadurch sukzessive in eine Position südlich der HSF gekommen.
... und ... wenn man sich die Karten anschaut, stellt sich die Frage : Was treibt Bödeckers 2. AG da fern vom Feind im Süden ?

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

maxim

#48
Scheer hätte den Kurs ein paar Grad den Kurs nach West ändern können und Hipper parallel ein paar Grad nach Osten, so dass Scheer Beatty dann von Westen angreifen konnte (eventuell über eine Drawslinie aus der dann wieder eine Schlachtlinie gebildet wird); Scheer hätte den Kurs ein paar Grad nach Osten ändern können, so dass Hipper seinen Aufmarsch besser verdeckt, um dann überraschender aufzutauchen, z.B. Crossing the T, was durch eine plötzliche Kursänderung Hippers ihren Feuerbereich bekommt; Scheer ähnlich ebenfalls nach Osten aber dann nicht Crossing the T, sondern eine parallele Schlachtlinie... Hätte natürlich alles gute zeitlich Koordination erfordert... Sprich, durch eine leichte Kursänderung lange vor dem Aufeinandertreffen eine versetzte Annäherung erreichen, die weitere Möglichkeiten bietet...

Jemand wie Scheer und Hipper, die das beruflich gemacht haben, hätten sicher noch ein paar mehr Möglichkeiten sich ausdenken und erwägen müssen.

Ok, das mit der 2. Gefechtswende verstehe ich dann. Erst einmal ist die HSF dadurch ja weiter westlich von der Grand Fleet gewesen, aber sie konnte so nördlich durch die Nachhut der Grand Fleet brechen (war das geplant, nee oder?).


Ergänzung: Die Hochseeflotte wollte ja immer einen Teil der Grand Fleet, der aus irgendeinem Grund von der Hauptflotte isoliert ist, einzeln stellen und vernichten. Diese sollten durch die Schlachtkreuzer auf die Hochseeflotte gelockt werden. Hat man sich nie überlegt, wie man das dann tatsächlich gemacht hätte? Oder wäre man immer einfach aufeinander zugefahren und die britischen Schiffe hätten bei der Entdeckung der HSF gewendet und wären entkommen?

Urs Heßling

#49
moin,

Zitat von: maxim am 07 Januar 2023, 17:16:48
Scheer hätte den Kurs ein paar Grad den Kurs nach West ändern können und Hipper parallel ein paar Grad nach Osten,
OK, das verstehe ich jetzt.
Das Problem, das ich damit sehe, ist, daß jede Kursänderung nach Osten das 5. Schlachtgeschwader in eine aus britischer Sicht bessere Position zum Angriff bringt, und Hipper mußte die gut schießenden QEs mehr fürchten als Beattys miserabel schießende Schlachtkreuzer

Bei einer von Dir als Möglichkeit angesprochenen Dwarslinie sehe ich den Nachteil, daß Scheer damit - aufgrund der Aufstellung der Türme auf seinen Schiffen - seine Gesamt-Feuerkraft um mehr als 50 % reduziert

Zitat von: maxim am 07 Januar 2023, 17:16:48
Ok, das mit der 2. Gefechtswende verstehe ich dann. Erst einmal ist die HSF dadurch ja weiter westlich von der Grand Fleet gewesen, aber sie konnte so nördlich durch die Nachhut der Grand Fleet brechen (war das geplant, nee oder?)
geplant nein, bestenfalls "Gelegenheit genutzt"
Hier liegt ein weiterer, schwerer Kritikpunkt zu britischer Seite : das Verschweigen bzw. das Nicht-Senden einer Meldung an Jellicoe über die von mehreren britischen Schiffen erfolgte Sichtung deutscher Schiffe in seinem Kielwasser

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

maxim

Zitat von: Urs Heßling am 08 Januar 2023, 13:08:19
Das Problem, das ich damit sehe, ist, daß jede Kursänderung nach Osten das 5. Schlachtgeschwader in eine aus britischer Sicht bessere Position zum Angriff bringt, und Hipper mußte die gut schießenden QEs mehr fürchten als Beattys miserabel schießende Schlachtkreuzer

Das stimmt, wenn das 5. Schlachtgeschwader eine leichte Kursänderung nach Osten rechtzeitig bemerkt hätte, hätte sie etwas aufschließen können. Dieses Risiko gab es. Wenn ich mir anschaue, dass dieses Geschwader die Wende von Beatty verpasst hat, war das Risiko wohl eher gering, aber das konnte man nicht wissen. Aber wenn man anschaut, in welchem Umfang Scheer später die Schlachtkreuzer riskiert hat (fast wie billige Wegwerfdrohnen behandelt), wäre es wohl eher wert gewesen, dieses Risiko einer leichten Kursänderung zu versuchen.

Zitat von: Urs Heßling am 08 Januar 2023, 13:08:19
Bei einer von Dir als Möglichkeit angesprochenen Dwarslinie sehe ich den Nachteil, daß Scheer damit - aufgrund der Aufstellung der Türme auf seinen Schiffen - seine Gesamt-Feuerkraft um mehr als 50 % reduziert

Auch das stimmt, aber einerseits bezog sich die Idee der Dwarslinie bei dieser Option nur auf eine Annäherungsphase, also ein Wechseln von einem Kurs nach Norden in Schlachtlinie, in Dwarslinie dann nach Osten auf Beatty zu und dann wieder eine Schlachtlinie nach Norden oder Süden - abhängig davon, wie Beatty reagiert. Andererseits wäre die Feuerkraft der HSF in Dwarslinie wesentlich größer gewesen, als die Feuerkraft nur der vordersten Schiffe der Schlachtlinie der HSF, während diese sich Beatty bzw. dem 5. Schlachtgeschwader bzw. später der Grand Fleet näherten.

Zitat von: Urs Heßling am 08 Januar 2023, 13:08:19
Hier liegt ein weiterer, schwerer Kritikpunkt zu britischer Seite : das Verschweigen bzw. das Nicht-Senden einer Meldung an Jellicoe über die von mehreren britischen Schiffen erfolgte Sichtung deutscher Schiffe in seinem Kielwasser

Das ist auch ein erstaunliches Versäumnis der dafür verantwortlichen Kommandeure. Es war sicher eine verwirrende Situation, aber spätestens als Schlachtschiffe der HSF gesichtet wurden, hätte dies gemeldet werden müssen. Eventuell waren diese Erlebnisse eine der Gründe, warum die Nachtkampffähigkeiten der Royal Navy im Zweiten Weltkrieg, auch von Schlachtschiffen, dann wesentlich besser war?

Impressum & Datenschutzerklärung