Operation Hailstone am 17./18. Februar 1944

Begonnen von hoch-am-wind, 15 September 2019, 16:37:49

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hoch-am-wind

Hallo Forum Teilnehmer,

ich möchte Euch im folgenden von einer Reise nach Chuuk Lagoon, vormals Truk, Federated States of Micronesia (FSM) berichten.

Warum Chuuk und warum an dieser Stelle im Forum? Chuuk, ein zur Inselgruppe der Karolinen gehörendes Atoll mit der Hauptinsel Weno, vormals Moen (07°26'N, 151°51'E), war seit dem 16. Jhdt. in spanischem Besitz und wurde 1899 (andere Quellen sprechen von 1898) deutsche Kolonie. 1914 wurden die Inseln des Atolls von Japan besetzt. Vor und während des zweiten Weltkriegs wurde Chuuk von Japan zu einem großen Marinestützpunkt ausgebaut- ein signifikanter Teil der japanischen Pazifikflotte war zumindest zeitweise hier stationiert. Am 17./18. Februar (Ortszeit) wurden in einem groß angelegten U.S. Trägerangriff, der ,Operation Hailstone' , wesentliche Teile der japanischen Basis, eine große Anzahl von Versorgungsschiffen und zahlreiche Flugzeuge zerstört. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Chuuk Teil des Treuhandgebietes Pazifische Inseln der USA. Zusammen mit Yap, Pohnpei und Kosrae wählten die Einwohner von Chuuk 1978 in einem Referendum für die Gründung der Federated States of Micronesia (FSM). Am 10.05.1979 wurde dann die Verfassung der Föderierten Staaten von Mikronesien in Kraft gesetzt, denen Chuuk als Chuuk State, Federated States of Micronesia betrat. Chuuk umfasst 290 Inseln, von denen 250 unbewohnt sind und hat eine Landfläche von knapp 135 km2 (Quellen: Webseite des Chuuk Visitors Bureau und Webseite Visit Micronesia)

Heute ist das Atoll ein beliebtes Tauchziel, wahrscheinlich sogar das bekannteste Ziel für Wracktaucher im pazifischen Raum mit einer sehr großen Anzahl an betauchbaren Wracks auf kleinem Raum, die zum großen Teil während der Operation Hailstone versenkt wurden. Der große Nachteil für Deutsche ist die aus Europa sehr weite und etwas mühsame Anreise.

Ich werde im Folgenden über den US Angriff am 17./18. 02. 1944 sowie die heutige Situation der Wracks berichten. Für Fehler in der Darstellung bitte ich im Voraus um Entschuldigung und Richtigstellung. Quelle zu den Schiffen ist dabei vor allem Klaus Lindemanns Buch Hailstorm Over Truk Lagoon. Das Fotomaterial ist mein eigenes und ich nehme dafür mein Copyright in Anspruch.

Fortsetzung folgt...

Viele Grüße,

Ralf

Urs Heßling

moin,

ich erinnerte mich an diesen alten Artikel in PROCEEDINGS : Hellcats over Truk

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

hoch-am-wind

Hallo Urs,

das ist genau der Angriff, der uns die heute schönen Wracks beschert hat. Hier meine (kurze) Zusammenfassung:

Teil 2: Operation Hailstone und die Vorgeschichte

Am 07.12.1941 findet bekanntermaßen ein großer Luftangriff Japans auf die US Flottenbasis in Pearl Harbor statt. Bis Juni 1942 bringt die japanische Flotte dann weite Teile des pazifischen Raumes südlich und südöstlich von Japan unter ihre Kontrolle. Dazu gehören Landungen in Thailand und Malaysia sowie auf den Philippinen. Japan besetzt u.a. Guam, Wake Island, Rabaul und viele weitere Inseln Melanesiens und Micronesiens.

Chuuk ist ein wichtiger Versorgung- und Flottenstützpunkt für die japanische Marine, um dieses weitläufige Seegebiet zu kontrollieren. In der Lagune ankern häufig die großen japanischen Schlachtschiffe und Flugzeugträger, hier werden Reparaturen an Schiffen durchgeführt und der Nachschub organisiert. Auf den Inseln wurden einige Startbahnen sowie eine Seeflugzeugbasis gebaut. Insgesamt sind auf den Inseln eine stattliche Anzahl von Jagd- Bomben- und Seeflugzeugen stationiert.

Als Wendepunkt im pazifischen Krieg wird oft die Schlacht von Midway vom 4. bis zum 7. Juni 1942 gesehen, die im Wesentlichen eine Auseinandersetzung japanischer und amerikanischer Flugzeugträger und deren Flugzeuge war. Japan erlitt große Verluste an Trägern und Flugzeugen, von denen es sich im Laufe des Krieges nicht mehr erholt hat. In der Folge wird Japan im Pazifik-Raum immer weiter zurückgedrängt und verliert im ersten Halbjahr 1943 die Lufthoheit. Die USA besetzten einige strategisch wichtige Inseln, u.a. die Salomons, Tarawa, und die Gilbert Islands sowie Teile der Marshall Islands.

Chuuk als Flottenbasis auszuschalten war Anfang 1944 ein weiteres strategisches Ziel. Dieses wurde als Operation Hailstone mit einer groß angelegten Flottenoperation der Task Force 58, unterteilt in 3 Task Groups mit den Flugzeugträgern Enterprise, Yorktown, Belleau Wood, Essex, Intrepid, Cabot, Bunker Hill, Monterey, sowie Cowpens gesichert durch die Schlachtschiffe Iowa, New Jersey, Massachusetts, North Carolina, South Dakota und Alabama sowie einer stattlichen Anzahl von Kreuzern und Zerstörern verfolgt.

Zur Vorbereitung des Angriffs wurde am 4. Feb. 1944 ein Aufklärungsflug einer PB4Y (Aufklärungsversion des B24 Bombers) über Chuuk durchgeführt. Der Flug bestätigte die Anwesenheit von Teilen der japanischen Flotte mit dem Flaggschiff Musashi, mindestens einem Träger, acht bis zehn Kreuzern, 20 Zerstören und 12 U-Booten. Eine Vielzahl von Frachtschiffen wurde gesichtet und die Existenz von 5 Landebahnen auf verschiedenen Inseln bestätigt.

Dieser Flug wurde auf Chuuk bemerkt und Flak sowie Jagdflugzeuge versuchten, die PB4Y abzuschließen - ohne Erfolg. Die japanische Marine laß die Zeichen richtig- die zweite Flotte verließ kurz darauf Chuuk, etwas später die meisten anderen großen Kriegsschiffe. Zurück blieben kleinere Kampfeinheiten und eine Vielzahl an Versorgungs- und Reparaturschiffen.

Am 17. und 18. Februar erfolgte dann in mehreren Wellen der Angriff der amerikanischen Trägerflugzeug auf Chuuk, bei dem eine große Anzahl japanischer Flugzeuge, davon viele noch am Boden, sowie Versorgungslager auf den Inseln zerstört wurden. Insgesamt wurden bei der Operation Hailstone auch mehr als 30 Fracht- und Passagierschiffe sowie einige kleinere verbliebene Marineeinheiten versenkt. Die japanische Flotte kehrte nie nach Chuuk zurück. Die USA haben die Inseln im Krieg nicht besetzt, durch den Angriff und die sich ändernde Gesamtlage verlor Chuuk aber seine strategische Position als japanische Flottenbasis.

Fast alle der bei der Operation Hailstone versenkten Schiffe liegen heute noch auf den Grund der Lagune und können betaucht werden.

Fortsetzung folgt...

Darius

Hallo Ralf,

nur eine kleine Ergänzung zu den Büchern/Links zum Thema (bzw. nicht nur auf diesen Angriff beschränkt):
--/>/> http://www.combinedfleet.com/book0301.htm
--/>/> http://combinedfleet.com/battles/Destruction_of_Truk


:MG:

Darius

hoch-am-wind

Hallo Darius,

vielen Dank für die Hinweise.

Viele Grüße,

Ralf

hoch-am-wind

Teil 3: Ausgewählte Wracks in Chuuk Lagoon

Wir haben in 10 Tagen insgesamt 16 verschiedene Schiffswracks (manche davon mehrmals) und 3 Flugzeugwracks betaucht. Die Wracks sind zumindest an der Außenseite zu Riffen geworden und mehr oder weniger mit Korallen bewachsen. Im Inneren sind auch nach so langer Zeit noch erstaunlich viele Details erhalten - seien es Teile der Ladung, der Schiffsmaschinen oder des täglichen Lebens der Seeleute. Im Folgenden möchte ich exemplarisch einige der Wracks in Wort und Bild vorstellen.

Fujikawa Maru
Die Fujikawa Maru ist mit Sicherheit eines der bekanntesten Wracks in Chuuk. Das Schiff wurde 1938 bei Mitsubishi gebaut und verdrängte 6'938 ts. Sie war in der Wasserlinie 132,60m lang und lief max. 16 kn. Die Fujikawa wurde 1940 für den Kriegseinsatz umgebaut und bekam dabei je ein 6'' (15,2cm) Geschütz am Bug und am Heck sowie Flak Bewaffnung. Sie wurde am 17.02.1944 von einem Torpedo von Flugzeugen der Träger Bunker Hill und Monterey mittschiffs auf der Steuerbordseite getroffen und sank.

Heute liegt das Wrack auf ebenem Kiel in max. 34m Tiefe. Die großen Geschütze am Bug und am Heck sind noch vorhanden, wenn auch stark mit Korallen bewachsen. Am interessantesten am Wrack ist wohl die Ladung im Laderaum Nr. 2: Hier liegen Rümpfe und Tragflächen von Zero Jagdflugzeugen. Die Maschinen waren in Teilen geladen worden und waren nicht flugbereit - u.a. sind die Motoren nicht im Rumpf montiert. Faszinierend sind insbesondere die Cockpits der Flugzeuge. In den Laderäumen findet man weitere Flugzeugzeile wie z.B. Propellerblätter. In den zahlreichen Fässern an Bord könnte damals  wohl Flugzeugbenzin transportiert worden sein. In den Aufbauten des Schiffes ist Ausrüstung des täglichen Lebens zu sehen - von Waschbecken und Toiletten bis hin zu einem Herd. Auch der Maschinenraum kann betaucht werden, man erkennt zwei Reihen mit je 3 Zylindern.

Soweit zur Fujikawa Maru - Fortsetzung folgt...

t-geronimo

Das sieht nach optimalen Tauchbedingungen aus. Vielen Dank für die schönen Bilder - auch wenn sie schon wieder extrem Lust auf Urlaub erzeugen...  :TU:)
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Urs Heßling

"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

hoch-am-wind

Hallo Thorsten, Urs,

Chuuk bietet tatsächlich super Tauchbedingungen - meiner Meinung nach sind die ganz zurecht in den TOP 10.

Viele Grüße,

Ralf

hoch-am-wind

Teil 4: Nippo Maru

Als weiteres Beispiel für die Wracks in Chuuk Lagoon möchte ich hier die Nippo Maru vorstellen. Die Nippo Maru wurde bei Kawasaki gebaut und lief am 16.09.1936 vom Stapel. Sie war mit 3763 BRT vermessen und hatte eine Länge von 107,30m. Ihre 3'600 PS Maschine erlaubte eine Fahrt von max. 16kn. Vor dem Krieg fuhr die Nippo Maru als Frachter für den Transport von Früchten, insbesondere von Bananen.

Heute liegt das Schiff aufrecht, aber mit Schlagseite auf dem Grund in max. 38m Tiefe. Insgesamt sind der Rumpf und die Aufbauten noch gut erhalten, insbesondere das Brückenhaus, in dem man sehr schön einen Maschinentelegraph und das Steuerrad (d.h. den noch erhaltenen Metallring um das im Laufe der Jahre verschwundene Holz-Rad) sehen kann. Ihre Laderäume sind noch teilweise mit verschiedener Ladung gefüllt, u.a. erkennt man Geschosshülsen, Gasmasken und Fässer. Sehr beeindruckend ist die Decksladung: Dort steht ein Panzer vom Typ 95 Ha-Go, drei Panzer-Abwehrgeschütze vom Typ-1 mit 4,7cm Kaliber sowie ein LKW Chassis. Ein weiteres LKW Chassis ist wohl beim Sinken vom Deck gefallen und liegt direkt neben der Nippo Maru auf dem Grund. Durch ihre aufrechte Lage mit Schlagseite und die nur leichten äußerlichen Beschädigungen wirkt die Nippo Maru etwas surreal, so, als ob sie gerade eben erst aus dem Leben gerissen wurde.

Eine weitere Fortsetzung folgt noch...


Spee

Servus,

schöne Bilder!
Allerdings ein Einwand: Der Panzer ist m.E. eine Type 97 Tankette. Ein Ha-Go ist es keinesfalls.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

hoch-am-wind

Hallo Thomas,

vielen Dank für Deinen Input. Die Anordnung der Laufrollen in zwei Zweiergruppen spricht gegen einen Typ 97. Der Panzer war recht klein, kleiner als ich mir den Typ 97 vorstelle. Es ist auf jeden Fall ein leichter Panzer...

Viele Grüße,

Ralf

hoch-am-wind

Teil 5 - Abschluss

Zum Abschluss der Serie möchte ich aus der Vielzahl an Wracks in Chuuk hier kurz 4 weitere vorstellen.

Die Gosei Maru (1'931 ts) wurde im Krieg als Tender für die 6. japanische Flotte (U-Boote) eingesetzt. Heute liegt das Wrack auf der Seite in max. 33m Tiefe. Im Bugbereich sieht man noch das Loch des Torpedotreffers, der sie auf den Grund geschickt hat. Interessant ist ihre Ladung - man erkennt gut Teile von Torpedos wie z.B. einen Antrieb sowie Aussenhüllen.

Die Heian Maru war ein stattliches Fracht- und Passagierschiff mit 155m Länge, bevor sie im Krieg als U-Boot Tender eingesetzt wurde. Die Heian Maru liegt heute auf max. 34m Tiefe, auch sie auf der Seite. Die noch vorhandenen Teile der Ladung und Ausrüstung belegen ihre Verwendung als U-Boot Tender - neben Torpedos, Torpedorohren und Kartuschen sind insbesondere einige sauber nebeneinander im Seitengang liegende Periskope erwähnenswert. Man erkennt noch gut die Sichtöffnung am auszufahrenden Ende der Periskope sowie am anderen Ende die Optik und die Bediengriffe für den Beobachter. Auch sehr schön: Die Heian Maru gibt ihre Identität durch den auf dem Rumpf noch vorhandenen Namenszug in lateinischer und japanischer Schrift preis. Dieser wird von den lokalen Tauchguides immer wieder aufs Neue poliert...

Mit spannender Ladung wartet das auf ebenem Kiel liegende Wrack der Hoki Maru (ex. Hauraki) auf: Hier findet man Chassis von LKWs, eine Dampfwalze, Planierraupen sowie Autoreifen und weitere Bauausrüstung. Gut sichtbar ist, dass das Vor- und Mittschiff durch Bomben beim Angriff stark beschädigt wurden.

Auch die Sankisan Maru wurde beim Angriff stark beschädigt und liegt heute auf ebenem Kiel in max. 46m Tiefe. Wie so oft in Chuuk ist hier die Ladung interessant: Man sieht LKW Chassis, Flugzeugmunition, Handfeuerwaffen und jede Menge Munition.

Abschließend kann man feststellen, dass Chuuk eine wohl an kaum einem anderen Ort zu findende Anzahl an Wracks auf engem Raum bietet. Die Schiffe waren überwiegend vormalige Handelsschiffe im Militäreinsatz. Die Wracks sind zwar üppig mit Korallen bewachsen, berücksichtigt man aber, dass sie seit 75 Jahren auf dem Grund liegen, bieten sie noch erstaunlich viele Details, insbesondere in ihren Lade- und Maschinenräumen. Wenn's nicht so weit weg wäre, könnte man als Taucher dort glatt öfter hin...

Damit schließe ich den Bericht aus Chuuk ab und freue mich auf Feedback.

Viele Grüße,

Ralf

Urs Heßling

moin, Ralf

Zitat von: hoch-am-wind am 19 September 2019, 17:31:38
Damit schließe ich den Bericht aus Chuuk ab und freue mich auf Feedback.
WELL DONE top  :TU:) :=D>  :MG:

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Darius

Hallo Ralf,

vielen Dank, dass Du Deine Zeit und Erfahrungen mit uns geteilt hast  :TU:)


:MG:

Darius

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