Gepanzerte Kreuzer /Vergleich Edgar Quinet- zur Scharnhorst Klasse

Begonnen von Matrose71, 23 Januar 2023, 11:24:23

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Urs Heßling

moin, maxim,

da muß man meiner Meinung nach genauer differenzieren.

Großbritannien hatte wie das Deutsche Reich die nicht mehr den neuesten Anforderungen entsprechenden Panzerkreuzer in den Kolonien stationiert - zu einem Zeitpunkt, als der Erste Weltkrieg noch nicht absehbar war.
Es war dann Spees durchaus zu hinterfragende Entscheidung, mit dem Kreuzergeschwader ohne große Aussicht auf Erfolg den Heimmarsch anzutreten. Er hätte sich ja auch für einen Einsatz im Indischen Ozean mit evt. anschließender Internierung in den holländischen Kolonien entscheiden können.
Ich sehe nicht, daß eine "Opferung" der beiden Großen Kreuzer irgendwie geplant war.

Hipper hat die Blücher wohl im Bewußtsein des bestehenden Risikos zur Doggerbank mitgenommen, um vier Schiffe in der 1. AG zu haben. Wenn man Theodor Plivier mit seinem Roman "Des Kaisers Kulis" glauben mag, hatte Hipper die Blücher schon beim Rückmarsch von der Beschießung von Hartlepool zurückgelassen, und die Marosen ahnten das kommende Desaster.

Auf englischer Seite bezeichneten britische Matrosen des 7. Kreuzergeschwaders ihre Einheit als "Geschwader der lebenden Köder ("Livebait Squadron"), bevor es zur Versenkung von Aboukir, Cressy und Hogue durch U 9 (Weddigen) gekommen war.

Der Angriff des 1. Kreuzergeschwaders am Skagerrak ist wohl auf das persönliche Vorpreschen von Arbuthnot zurückzuführen.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

maxim

Was muss man genau differenzieren? Ich habe nichts von einer Planung geschrieben. Ich habe geschrieben, dass auch die Scharnhorst-Klasse weiße Elefanten waren. Sie waren bei der Fertigstellung veraltet und eigentlich nutzlos. Und das es tragisch war, dass sie trotzdem zum Kampfeinsatz kamen. Nicht, dass es geplant war, dass wieder zu einem Kampfeinsatz kamen.

Das einzige, was in Bezug auf Planung sagen könnte, ist, dass die britischen Schlachtkreuzer von Fisher ursprünglich auch dafür vorgesehen waren, Handelsstörer zu jagen. In diesem Sinn war es ursprünglich mal geplant, dass Schlachtkreuzer auch zu solchen Einsätzen geschickt wurden, zu dem dann Invincible und Inflexible real geschickt wurden. Und bei dem Falklandinseln traf dann wirklich eine Vor-Dreadnought-Philosophie auf eine Dreadnought-Philosophie (im Gegensatz zu Coronel, wo nur Vor-Dreadnought-Schiffe kämpften; wenn man die kleineren Kreuzer ignoriert). Ob der Einsatzzweck der Invincible-Klasse den Planern der Kaiserlichen Marine 1910 bekannt war, ist mir nicht bekannt.

Die Cressy-Klasse hatte ich bewusst nicht erwähnt, da sie bei Fertigstellung noch gute Schiffe waren. 1914 sah das ganz anders aus. Da waren es auch veraltete und nutzlose Schiffe - und deren Einsatz in dieser Position war wirklich eine bizarre Planung.

Thor

Zitat von: maxim am 27 Januar 2023, 06:19:39
Zitat von: Ekki am 26 Januar 2023, 23:23:22
Was hier außen vor bleibt, ist EDGAR QUINET.

Diese Kreuzer waren nicht mit entsprechenden Feuerleiteinrichtungen eingerichtet.
Im Gegensatz zur Scharnhorst-Klasse, wo wir bisher keine Informationen darüber haben, welche Entfernungsmesser eingebaut waren, habe ich etwas zur Edgar Quinet-Klasse gefunden (Quelle: French Armoured Cruisers 1887-1932 von Jordan und Caresse):

ursprünglich mit einem 1,37-m-Entfernungsmesser ausgerüstet
Mitte 1917: drei 4,57-m-Entfernungsmesser (in Dreifachanordnung)

Man sieht hier durchaus ein typisches Muster für Panzerkreuzer: sie wurden überwiegend nachgerüstet, waren ursprünglich nicht mit größeren Entfernungsmessern ausgerüstet.


Als Vergleich dazu aus "French Battleships of World War One" der selben Autoren zur Danton-Klasse (entworfen in der 2. Jahreshälfte 1906 und zwischen 08/1907 und 12/1911 gebaut; Bewaffnung: 2 x II 30,5cm L45 und 6 x II 24,0cm L50):
The French naval mission to Britain had been particulary impressed by the rangefinders available from Barr & Stroud, which unlike the current French models were completely independent of any knowledge of the characteristics of the opposing ship.
The Dantons would be fitted from the outset with two Barr & Stroud 2-metre FQ2 rangefinders, which were installed atop the conning tower .....
Smaller Barr & Stroud FQ2 rangefinders with a 1.32m (4ft 6in) were also purchased for the turret commander's roof sight in each of the eight turrets of the main guns.
[Hervorhebungen durch mich]

Da gab's wohl nicht viel größere Entfernungsmesser am Markt, die man hätte einbauen können ....


Ist den Diskutanten "Die Entwicklung der Schießkunst in der Kaiserlich Deutschen Marine" von Admiral Jacobsen bekannt - siehe Titelblatt und ein beispielhafter/editierter Ausschnitt beiliegend.

Gruß
David
"Wooden ships with iron men beat iron ships with wooden men" - Zusammenfassung der Seeschlacht von Lissa (1866)

maxim

Vielen Dank für den Hinweis auf die verfügbaren Entfernungsmesser!

Und vielen Dank auf den Hinweis, dass 2,6 Schuss/Minute der 15-cm-Geschütze der Scharnhorst 1908 als besonders gut betrachtet wurde! Das bedeutet wohl, dass die Feuergeschwindigkeit real deutlich niedriger war als die zuvor genutzten 4-5 Schuss/Minute war.

Ekki

Scharnhorst-Klasse oder Blücher weißer Elefant kann ich so nicht nachvollziehen. Blücher, Roon und Yorck mussten ja am Anfang noch mit raus in der Nordsee. Sie waren wohl veraltet, aber ohne Gefechtswert fährt niemand an die englische Küste 1914.

Über insbesondere Blücher müssen wir uns hier nicht unterhalten. Das hätte der Franzose im Gefecht nie dargestellt. Kommt auch nicht an SH/GN ran, allein von den Schießleistungen und der Resilienz her.

Im übrigen haben die verbliebenen deutschen Panzerkreuzer sich noch recht ordentlich in der Ostsee geschlagen. Dass sie gegen Minen- und Torpedowaffe nicht adäquat konstruiert waren, steht auf einem anderen Blatt Papier

Spee

Servus,

Hipper hat die Blücher wohl im Bewußtsein des bestehenden Risikos zur Doggerbank mitgenommen, um vier Schiffe in der 1. AG zu haben. Wenn man Theodor Plivier mit seinem Roman "Des Kaisers Kulis" glauben mag, hatte Hipper die Blücher schon beim Rückmarsch von der Beschießung von Hartlepool zurückgelassen, und die Marosen ahnten das kommende Desaster.

Das ist halt immer schwierig zu bewerten. Bei Yarmouth hing "Von der Tann" mit 20kn wegen Problemen hinten, während "Blücher" alle Fahrstufen gehalten hat (wie extra im KTB vermerkt).

Ob die damaligen Panzerkreuzer weiße Elefanten waren ist ebenfalls eine Frage, die so m.E. nicht beantwortet werden kann. "Invincible" war genau betrachtet ein "all big gun"-Panzerkreuzer, der aufgrund seiner Bewaffnung auch einem Schlachtschiff gefährlich werden konnte. Gedacht war sie eher für Falkland denn für Skagerrak. Zur Zeit der britischen Planung für "Invincible" wäre nicht "Scharnhorst" der Gegner gewesen, sondern "Edgar Quinet" oder "Rurik".
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

maxim

Die Panzerkreuzer, die relativ spät gebaut wurden, waren bei ihrer Fertigstellung schon veraltet, da parallel die Schlachtkreuzer der Dreadnought-Generation gebaut wurden. Diese waren stärker bewaffnet und schneller.

Das ersten Schiff der Invincible-Klasse wurde im Juni 1908 fertig - drei Monate nach dem letzten Schiff der Scharnhorst-Klasse. Blücher kam erst nach dem letzten Schiff der Invincible-Klasse in Dienst, die Edgar Quinet-Klasse noch mal 1,5 Jahre später. Die letzten britischen Panzerkreuzer wurden auch parallel zur Invincible-Klasse fertig. Alle diese Panzerkreuzer wurden von der Invincible-Klasse und den folgenden Klassen an Schlachtkreuzern entwertet - die wie Spee schreibt eben ursprünglich dafür entworfen worden waren, solche Panzerkreuzer zu jagen (parallel zum Bau der Invincible-Klasse wurde die Triple Entente gebildet, der Vertrag von Sankt Petersburg wurde im August 1907 geschlossen).

Die Kaiserliche Marine hat ja auch entsprechend reagiert: diese Schiffe wurden erst einmal in sekundäre Rollen verwiesen. Bei Kriegsausbruch hatte die Kaiserliche Marine einen massiven Mangel an modernen Kreuzern und musste deshalb auch alte Schiffe verwenden, anfangs auch die noch älteren Panzerkreuzer.  Andere Marinen verfügten im Ersten Weltkrieg über praktisch keine modernen Kreuzer, Beispiele sind die französische Marine und die US Navy. Diese Marinen verwendeten ihre Panzerkreuzer deshalb noch sehr lange, obwohl sie veraltet waren.

Urs Heßling

moin,

Zitat von: Spee am 29 Januar 2023, 18:35:04
Zur Zeit der britischen Planung für "Invincible" wäre nicht "Scharnhorst" der Gegner gewesen, sondern "Edgar Quinet" oder "Rurik".
Dem Stimme ich nicht zu.
Jackie Fisher war etwa ab Herbst 1902, jedoch sicher bei seinem Dienstantritt als Erster Seelord davon überzeugt, daß das deutsche Reich der zukünftige Gegner war. Meine Quelle ist : Massie, Dreadnought, in deutsch: Die Schalen des Zorns

Zitat von: maxim am 29 Januar 2023, 19:02:16
Andere Marinen verfügten im Ersten Weltkrieg über praktisch keine modernen Kreuzer, Beispiele sind die französische Marine und die US Navy. Diese Marinen verwendeten ihre Panzerkreuzer deshalb noch sehr lange, obwohl sie veraltet waren.
Ja. Tatsächlich verfügten nur die britische, die deutsche, die italienische und die k.u.k. Marine über Schiffe, die man (1914!) als "moderne Leichte Kreuzer" bezeichnen konnte, andere Marinen hatten sie nicht einmal in der Planung.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Strandurlauber

#53
Zitat von: Urs Heßling am 29 Januar 2023, 19:52:44
moin,

...

Zitat von: maxim am 29 Januar 2023, 19:02:16
Andere Marinen verfügten im Ersten Weltkrieg über praktisch keine modernen Kreuzer, Beispiele sind die französische Marine und die US Navy. Diese Marinen verwendeten ihre Panzerkreuzer deshalb noch sehr lange, obwohl sie veraltet waren.
Ja. Tatsächlich verfügten nur die britische, die deutsche, die italienische und die k.u.k. Marine über Schiffe, die man (1914!) als "moderne Leichte Kreuzer" bezeichnen konnte, andere Marinen hatten sie nicht einmal in der Planung.

Gruß, Urs

Moin Urs,

meiner Meinung nach würde auch die japanische Tone (1907/10; 23 kn; 2x 15,2 cm, 10x 12 cm, 3 TR) ebenso wie die Chikuma-Klasse (1909/12; 26 kn; 8x 15,2 cm, 3 TR) zumindest bei den leichten bzw. kleinen Kreuzern durchaus mit britischen und deutschen Konstruktionen vergleichbar sein, zumal Japan im 1.WK Kombattant und Alliierter der Tripel-Entente war.

Aber damit kommen wir etwas vom Thema ab ...  :-)

Gruß
Ulf
"Damn the torpedoes! Full speed ahead!" D. G.  Farragut

(1864 Battle of Mobile Bay; ... er wusste offenbar was USS Cairo auf dem Yazoo River zum Verhängnis wurde, aber auch dass die Minen schon längere Zeit im Wasser lagen und durchsickerndes Wasser in den Trimmtanks diese nach und nach absacken ließ ...)

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