Die erste See-Luftschlacht der Geschichte: Kreta

Begonnen von Cereal_Killer, 26 Oktober 2003, 12:35:29

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Cereal_Killer

--==21. Mai 1941 ==--

deutsche Aufklärungsflugzeuge beobachten die Bewegungen der britischen Mittelmeerflotte
Die Flotte unter Leitung des Admirals Sir Andrew Cunningham kreuzte außer Sichtweite von Kreta. Durch die deutsche Luftüberlegenheit war er für die Schiffe viel zu gefährlich in den Kampf um die Insel einzugreifen und die deutsche Operation "Merkur" zu stören.
Für die deutschen Flugzeuge war die Unterstütztung der Truppen auf Kreta vorerst wichtiger, weshalb nur vereinzelt Stukagruppen gegen die britische Flotte flogen. Ein Zerstörer wurde versenkt.

--== 22. Mai 1941 ==--

 "Seit heute früh 5 Uhr überstürzen sich die Meldungen von englischen Kreuzern und Zerstörern im Seegebiet nördlich und westlich von Kreta", heißt es im Tagebuch des VIII. Fliegerkorps, dessen Kommandierender General, v. Richthofen, die Luftoperationen in der Schlacht um Kreta führt.

In der Nacht zum 22.Mai hatte sich die Lage völlig geändert: Admiral Cunningham befahl 2 starke Kampfgruppen, mit je 7Kreuzern und Zerstörern vor die Nordküste von Kreta. Aufgrund dessen konnte kein Schiff der deutschen "Mückenflotte" bis nach Kreta durchbrechen um die dringend erwarteten schweren Waffen zu den Truppen von "Merkur" zu schaffen.
Die "Mückenflotte" bestand nur aus kleinen Küstenschiffen und Motorseglern, etwas anderes war in den griechischen Häfen nicht aufzutreiben.
In der Nach zum 22. Mai näherte sich die erste Motorseglerstaffel unter Oberleutnamt zur See Oesterlin ihrem Ziel, einer Landestelle westlich des wichtigen Flugplatzes Malemes. Am Vortag war sie schoneinmal losgeschickt worden, auf halben Weg war sie zurückgerufen worden und nun befand sie sich wieder auf dem Weg zu ihrem Ziel. Dieses Hin und Her kostete die 20 vollbeladen Schiffchen 6 Stunden, eine Verzögerung, die sich bitter rächen sollte, denn nun waren die Engländer zwischen ihnen und Kreta.
Kurz vor Mitternacht eröffneten die Kreuzer und Zerstörer das Feuer. 2 Deutsche Segler brannten sofort, ein kleiner Dampfer mit Munition brach mit einer gewaltigen Stichflamme auseinander. Die anderen deutschen Boote suchten ihr Heil in der Flucht.
2 1/2 Stunden dauerte das ungleiche Gefecht, bis Konteradmiral Glennie die Verfolgung abbrach und seine >Kampfgruppe D< durch die Strasse von Kythera nach Südwesten führte. DAs Führerschiff >Dido< und die beiden anderen britischen Kreuzer, >Orion< und >Ajax< hatten gut zwei Drittel ihrer Flamunition verschossen, und fühlten sich nicht in der Lage, die wohl bald kommenden Stuka-Angriffe abzuwehren. Der Nachschub der Deutschen schien ohnehin vollständig vernichtet, sie schätzten das etwa 4000 Soldaten mit den Schiffen untergegangen seien.
Im ersten morgenlicht jedoch finden sich 10 verprengte Motorsegler wieder vor der Insel Milos ein. Die anderen sind gesunken, und überall auf See klammern sich Schiffbrüchige an Warackteile. Nach der Seerettungsoperation, welche den ganzen Tag in anspruch nimmt bleiben am Ende 297Mann vermisst. Die britische Flotte jedoch hat ihr Ziel erreicht: der deutsche Seenachschub nach Kreta wurde verhindert.
Um 5:30 starten 2Stukagruppen, während dort wo die >Kampfgruppe D< vorher stationiert war, nun die britschen Kreuzer >Gloucester< und >Fiji< mit den Zerstörern >Greyhound< und >Griffin< nun patroulieren. 25Meilen vor der Küste Kretas. Sie bekommen den Zorn der deutschen Sturzkampfbomber als erste zu spüren.
Mit wildem Zickzackkursen versuchen die Schiffe ihreren Angreifern und deren Bombern auszuweichen, währen sich die Schiffsflak mit den Stukas beschäftigt. 50kg Bomben knallen in die Aufbauten der >Gloucester<, die Splitterwirkung ist enorm, doch sie dringt nicht in die Tiefe. Auch die >Fiji< wird nur leicht beschädigt. Alle schweren Bomben verfehlen, oft nur wenige Meter ihr Ziel. Nach 1 1/2 Stündigem Angriff lassen die Stukas von den Schiffen ab um neuen Treibstoff und Bomben zu laden.
Unterdessen stossen die Englischen Schiffe zu ihrer Hauptflotte, welche etwa 30km westlich von Kreta kreuzt. Mit den verinigten Kampfgruppen A, B und D sind dort nicht weniger als 2 Schlachtschiffe, die >Warspite> und >Valiant<, fünf Kreuzer und zwölf Zerstörer versammelt.
Allerdings ist ein weiterer Kampfverband der Engländer, die >Kampfgruppe C< ein wesenlich lohnenderes Ziel, welches auch noch näher steht, als die Hauptflotte. Konteradmiral King kreuzt mit seinen 4 Kreuzern und 3 zerstörern seit Tagesanbruch im Seegebiet vor Kreta.
Admiral Kings Verband stößt 25Seemeilen südlich von Milos auf die zweite deutsche Motorsegelerstaffel und zwingt sie zum umkehren. Buchtäblich im letzter Minute taucht die Rettung der deutschen "Nussschallen" auf: ein Verband von Ju 88.

Cereal_Killer

Die Flugzeugführer sehen die >Mückenflotte< nach Norden ausreisen, einige Seemeilen südlich dampfen die Briten: vier Kreuzer und zwei Zerstörer. Doch zwischen sie und ihre scheibar sichere Beute hat sich todesmutig ein kleines italienisches Torpedoboot geschoben, die >Sagittario<. Es zieht das Feuer der Kreuzer >Perth< und >Naiad< auf sich, doch die Ju88 sind die Retter in der Not:
Die ersten Ju88 stürzen sich auf die >Naiad<, nach dem Abwurf der Bomben folgen 2 Fontänen direkt neben der >Naiad<, mit einem Ruck bleibt sie liegen. 3 1/2 Stunden behraken die Deutschen Maschinen die Kreuzergruppe, die mit äußerster Kraft nach Südwesten jagt. Schwere Nachtreffer setzten zwei Geschütztürme ausser Gefecht. Die Bordwand wird aufgerissen, das Wasser überflutet mehrere Abteilungen, doch die Schotten halten dicht und retten das Schiff vor dem Untergang. Die >Naiad< schleppt sich mit halber Kraft weiter.
Der Flakkreuzer >Carlisle< erleidet einen Volltreffer auf die Brückenaufbauten, bei dem der Kommandant, Captain Hampton fällt. Auch die >Carlisle< hält weiter Schritt, und die Kreuzer >Calcutta< und >Perth< erleiden keinerle Treffer.
Die Bestände an Flakmunition schwinden immer weiter. Schon am Vortag hatten sie mit den Bombern zu kämpfen, wo der Zerstörer >Juno< nach einem Schweren Volltreffer innerhalb von 2Minuten gesunken war.
Konteradmiral wird zwar aufgefordert durchzuhalten und wieder zurückzufahren, doch nun muss er selbst um Hilfe bitten, und veranlasst das ihm der Hauptverband entgegenkommt.
Kurz nach Mittag sichten sich die beiden Flottenverbände, 10 Minuten später erhält das Schlachtschiff >warspite<, auf dem Admiral Rawlings seine Flagge gesetzt hat, einen schweren Bombentrffer. Me 109 Jabos greifen die >warspite< direkt von vorn an, auch ihre Bomben liegen im Ziel: Die 10- und 15cm Geschützte auf der Steuerbordseite des Schalchtschiffes werden vernichtet. Trotz aller Angriffe ist die Flotte bisher echt gut weggekomen, doch die Munitionsvorräte schwinden schnell.
Die Deutschen schicken ihre Flugzeuge ununterbrochen gegen die britische Flotte und nicht ohne Erfolg:
2Stunden nach den schweren Treffern auf der >Warspite< wir der Zerstörer von 2 Stukagruppen in den Grund gebohrt. Die >Greyhound< sollte einen bei der Insel Antikythera gesichteten Motorsegler versenken und musste deswegen aus dem Flottenverband ausscheren. Das wurde ihr Verhängnis.
Konteradmiral King befiehlt daraufhin die Zerstörer >Kandahar< und >Kingston< an die Untergangsstelle um Überlebende zu bergen. Die >Gloucester< und >Fiji< blegleiten die Zerstörer zur Deckung gegen Luftangriffe. Allerdings haben gerade diese beiden seit dem Morgengrauen immer wieder im Mittelpunkt der Angriffe gestanden und haben kaum noch Munition. Ald der admiral davon erfährt und die Schiffe zurückruft ist es breits zu spät:
Mehrere Ketten Ju 87 und Ju 88 stürzen sich auf die einzeln fahrenden Kreuzer. Die >Gloucester< wird sofort getroffen, Brände lodern auf und erfassen das Gesamte Schiff. Ohne eigene Fart treivt das Warck im Kreis, bis es 16 Uhr nach einer schiffsinneren Explosion sinkt.
Wieder muss King eine schwere Entscheidung treffen, er entscheidet sich gegen eine Rettung der Besatztung der >Gloucester<. Die Deutschen Retten bis zum nächsten Tage mehr als 500 Britische Seeleute.
Auch die >Fiji< muss von der Untergangsstelle ablaufen, weil sie dort erneut das Ziel heftiger Angriffe wird. Sie findet keinen anschluss mehr an die Hauptflotte und folgt auf eigenem Kurs nach Alexandria.
Plötzlich, 17:45 Uhr stößt ein einzelnes Flugzeug auf das Schiff zu. Es ist eine Me109 mit einer 250kg Bombe am Rumpf.
Den ganzen Tag über hat die >Fiji< zwanzig mal im Bombenhagel gelegen und jetzt besiegelt eine einzige Me109 mit einer 250kg Bombe über ihr Schicksal:
Der Angriff kommt zu überraschend um noch auszuweichen, die Bombe fällt dicht neben dem Schiff und explodiert wie eine Mine unter Wasser. Die Bordwand der >Fiji< wird aufgerissen, gleich darauf brechen die Maschinen zusammen, das Schiff bleibt mit starker Halbseite liegen.
Die Me 109 ruft einen weiteren Jäger herbei, dessen Angriff eine halbe Stunde nach dem ersten erfolgt. Kaum noch wehrt sich das Schiff, die Flaks haben keine Munition mehr. Ein Volltreffer besiegelt das Schicksal des Schiffes, um 19:15Uhr kentert die >Fuji< und sinkt.
Bei Einbruch der Nacht streifen erneut 5 moderne Zerstörer an der Nordküste Kretas entlang. Die als Verstärkung aus Malte hergerufenen Zerstörer >Kelly< und >Kashmir< beschiessen den Flugplatz  Malemes und setzten 2Segler in Brand, doch der Tag bricht an, bevor sie aus der Reichweite der Deutschen Luftwaffe heraus kommen: 24Stukas verfolgen sie und versenken beide mit einem Volltreffer.
Die erste See-Luftschlacht von Kreta ist zu Ende.

Die Verluste der brititschen Mittelmeerflotte 21.Mai und dem 23.Mai früh:

-2 Kreuzer und 4 Zerstörer wurden versenkt
-2 Schlachtschiffe und 3 weitere Kreuzer wurden beschädigt- nicht mitgerechnet die Gefechtsschäden durch die zahlreichn Nahtreffer.

Scheer

Interessanterweise fallen die Ereignisse um Kreta mit der laufenden Operation Rheinübung (Atlantikeinsatz BISMARCK - PRINZ EUGEN) zeitlich zusammen.
Hier sieht man das große Potential der Royal Navy an Schiffen.

ufo

Zitat von: ScheerInteressanterweise fallen die Ereignisse um Kreta mit der laufenden Operation Rheinübung (Atlantikeinsatz BISMARCK - PRINZ EUGEN) zeitlich zusammen.
...

Purer Vorsatz!

Im seine Artikel 'Bismarck: Not ready For Action?' in Naval History 2oo1 fragt der Autor Timothy Mulligan warum die Deutschen Bismarck trotz der bekannten Probleme mit der Flak (unterschiedliche, unkoordinierte schwere Flak und sehr kurz ausgefallene Erprobungszeit vor allem im Flak Bereich) aber auch mit anderen Einrichtungen auf Rheinübung geschickt haben.
Auch wird ja oft gefragt, warum man nicht die Einsatzbereitschaft von Tirpitz oder Graf Zeppelin abgewartet hat.

Kreta ist mit ein ganz wichtiger Grund dafür.

Im Tagebuch der Seekriegsleitung von Mai 1941 und in Aufsätzen Deutscher Admiräle nach dem Kriege wird deutlich dass:

Ein zeitliches Zusammenfallen mit Kreta unbedingt gewollt war. Die Seekriegsleitung hoffte in Gibraltar stationierte Verbände würden weiter ins Mittelmeer hinein verlegen oder zumindest auf Stand by bleiben, um Ausfälle der Ostmittelmeerflotte ausgleichen zu können.

Zweitens bemerkte man bei der Seekriegsleitung dass sich das Zeitfenster für Atlantikraids schloss. Der Durchbruch durch die Engen wurde immer schwiriger, die Britische Luftüberwachung und die Leistungen des Britischen Radars immer besser.
Sowohl Hipper als auch Scheer berichteten von Problemen beim Durchbruch Heimwärts.

Drittens wollte man den Druck nach Operation Berlin möglichst ununterbrochen aufrecht erhalten, um den Briten keine Pause zu gewären.

Ufo

Thomas

Zitat von: ufo
Drittens wollte man den Druck nach Operation Berlin möglichst ununterbrochen aufrecht erhalten, um den Briten keine Pause zu gewären.
Ufo

Hallo,

letztes halte ich für entscheidend. Um den Bogen ganz weit zu spannen, zieht auch BARBAROSSA am Horizont auf.

Die SKL - während BARBAROSSA absehbar auf sich allein gestellt im Krieg gegen England, wenn man mal von Nordafrika absieht - hatte nach Scheer, Hipper, und BERLIN einen regelrechten Erfolgsdruck (man könnte auch sagen Erfolgshysterie, und das parallel zum schleppend verlaufenden Anstieg der U-Boot-Einsätze) und größte Eile für neue Aktionen an den Tag gelegt, siehe auch die sofort vorgeschlagene Scheer-Lützow-Operation, kaum das Scheer im Hafen war, und das hin und her um Gneisenau.

Grüße
Thomas

t-geronimo

Huh.

Da wirbelt einer Staub auf. :mrgreen:
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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Thomas

Hallo,

ich muss erstmal viel Lesen :lol:
Die von Ufo angesprochene operative Hektik der SKL in dieser Phase finde ich einen sehr interessanten Gedanken. Vielleicht stehen die früheren Raeder-Versuche, Hitler von BARBAROSSA abzulenken, damit in Zusammenhang.

Im März41 stand jedenfalls der Antritt im Osten fest.

Grüße
Thomas

Timo

@Cereal_Killer: Wie sieht es mit Verlusten auf dt. Seite aus?
Gruß Timo

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