Der U-Boot Mythos in Deutschland: Ursachen, Gründe und Folgen

Begonnen von SeppU552, 25 Mai 2013, 19:23:56

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SeppU552

Hallo, kennt jemand die Neuerschienung "Der U-Boot Mythos in Deutschland: Ursachen, Gründe und Folgen" von Nico Sutter?
http://www.amazon.de/Der-U-Boot-Mythos-Deutschland-Ursachen/dp/3954251426/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1369502499&sr=8-1&keywords=Nico+Sutter+U-Boot

Kann es jemand, der es gelesen hat, näher beschreiben, Eindrücke mitteilen usw.
Es gibt halt nur drei Schiffsarten: U-Boote, Schnellboote und Ziele.

TW


SeppU552

Es gibt halt nur drei Schiffsarten: U-Boote, Schnellboote und Ziele.

Schorsch

#3
Hallo zusammen!

Seit dem letzten Beitrag hier im Thread ist inzwischen schon etwas Zeit vergangen und auch der Threadersteller hat unser Forum (leider) eine ganze Weile nicht mehr besucht. Aber an dieser Stelle wurde das schmale Bändchen das erste Mal im FMA erwähnt, und deshalb gehören meine Erkenntnisse, die ich kürzlich daraus gewonnen habe, auch hierher.

Tja, wie steige ich am besten in meine Einschätzung des Buches von Nico Sutter ein? Vielleicht mit der Frage: ,,Wie schlecht kann ein Buch eigentlich geschrieben werden?"

Es ist ja immer spannend, wie ein Autor vor sich und anderen die Arbeit rechtfertigt, die er sich mit dem Schreiben seines Werkes auferlegt hat. In dem vorliegenden schmalen Bändchen nimmt Nico Sutter für sich in Anspruch, eine wichtige und unübersehbar klaffende Lücke in der Betrachtung der Rezeption der U-Bootfahrerei in der deutschen Öffentlichkeit schließen zu wollen. Nun, der Berg kreißte also und gebar seine Maus. Auf 130 Seiten anderthalbzeilig gesetzten Textes wollte der Autor im Jahre 2013 dieses Mammutwerk stemmen, weil ja nun eben noch keine derartige Betrachtung dieses Sujets in Deutschland existierten würde (S. 12). Dass eine Linda Koldau drei Jahre vorher genau dieses Feld schon beackert hatte, wobei diese Autorin sich nahezu ausschließlich mit der Behandlung von U-Booten in Filmen befasst und bei deren Buch nur die Einleitung in das Thema schon einen Umfang von 120 Seiten hat, scheint dem Autor vollkommen entgangen zu sein. Ebenso scheint er von Mirko Wittwar: ,,Das Bild vom Krieg – zu den Romanen Lothar Günther Buchheims", Rhombus Verlag Berlin, 2009, nicht zu kennen.

Der erste Bock, den der Autor schießt, ist das Herabwürdigen zweier Werke zum Thema aus den frühen 2000-er Jahren. Da ist zum einen von Michael Hadley: ,,Der Mythos der deutschen U-Bootwaffe", Mittler (Originaltitel: ,,Count Not the Dead: The Popular Image of the German Submarine", US Naval Institute Press 1995; hier wird sich in Sutters Text übrigens aufgeregt, dass das Wort ,,myth" nicht im Originaltitel vorkommt, S. 12). Die deutsche Ausgabe dieses Buches datiert auf das Jahr 2001. Das andere ist von Timothy P. Mulligan: ,,Die Männer der deutschen U-Bootwaffe 1939-1945", Motorbuchverlag Stuttgart (Originaltitel: ,,Neither Sharks Nor Wolves: The Men of Nazi Germany's U-Boat Arm", US Naval Institute 1999), die deutsche Ausgabe ist ebenfalls 2001 erschienen. Bei Hadleys Buch werden vielfältige Mängel angemahnt – welche allerdings, bleibt im Dunklen – und dem Verfasser ein ,,leicht militaristischer Unterton" bescheinigt. Mulligan wiederum sei nicht in der Lage gewesen, sich ,,der Apologetik in den Berichten ehemaliger U-Bootfahrer" zu entziehen (S. 12 und 13). Nun, dieser Meinung kann man sein, da aber gut die Hälfte von Sutters Buch genau auf Erkenntnissen dieser beiden Autoren beruht, muss dieses seltsame Autorenbashing hinterfragt werden. Des Weiteren spricht Nico Sutter (dazu später mehr) deutschen Historikern rundweg die Fähigkeit ab, unbeeinflusst von herrschenden mythisch durchdrungenem Narrativ objektive Untersuchungen zum Thema anstellen zu können. Da ist es dann umso wichtiger, dass es deutsche Autoren wie Nico Sutter gibt, die diese Fertigkeit in beispielgebender Art und Weise dann dennoch beherrschen und dies sich auch selbst bestätigen. Bravo für so viel Selbstbewusstsein!

Nach der Einleitung beginnt also Nico Sutter sich durch das Themengebiet zu schreiben, indem zunächst der Begriff des Mythos beleuchtet wird. Das ist nachvollziehbar, allerdings sind die in diesem Abschnitt gemachten Aussagen für mich nicht zu überprüfen, da ich die dort zitierten Werke nicht zur Verfügung habe. Aber interessante kleine Fundstücke gibt es schon dorten. So behauptet der Autor: ,,In Deutschlands Böden kommen keine natürlichen Nitratverbindungen vor." (Fußnote 47 auf Seite 24) Da frage ich mich schon, wo die neckischen kleinen weißen Salpeter-Ausblühungen im Keller meines Hauses hergekommen sind, bevor ich der im Fundament aufsteigenden Bodenfeuchte den Garaus gemacht habe.

Im nächsten Kapitel sind nun die U-Boote daselbst am drannsten. Ausführlich werden z.B. die Geschehnisse um den Kieler Brandtaucher beschrieben und auf den Mythos, dass falsche Sparsamkeit vonseiten des Auftraggebers Bauers den Verlust das Fahrzeuges verursacht hätten, heftig eingedroschen. Die Erkenntnis: Bauer war einfach unfähig, ein funktionsfähiges U-Boot zu konstruieren, ist also als Grundstein für einen Mythos eigentlich nicht geeignet. Schämen sollte er sich eher. Dass die etwa zeitgleich entstandene CSS HUNLEY ihren ersten Einsatz ebenfalls nicht überstanden hat, wird zwar erwähnt. Eine Analyse der Ursachen dieses Sinkens und die der Verluste von zwei kompletten Mannschaften bei Erprobungsfahrten des Tauchfahrzeuges der Konföderierten sucht man allerdings vergebens (S. 38f.). Tapfer werden in diesem Abschnitt dann auch noch selbstgebastelte Strohmänner bekämpft: so z.B., dass die Deutschen nicht als erste U-Boote besessen hätten – das hat zwar keiner behauptet und selbst in Propagandawerken reinsten Wassers aus den Jahren des WWI oder danach, die die deutsche Jugend von den überragenden Leistungen der eigenen U-Boote überzeugen und zum Dienst auf ihnen begeistern sollten, sind historische Abrisse zu finden, die genau das schon zeigen (hier z.B. mit Bezug auf Julius Küster (Hrsg.): ,,Das U-Boot als Kriegs- und Handels-Schiff", Berlin, 1917 oder Gerhard Wiedemeyer: ,,Waffe unter Wasser – Die Erfindung des U-Bootes und seine Geschichte", Kyffhäuser Verlag/Berlin, o.J. um nur zwei zu nennen), aber der Autor beweist es sicherheitshalber noch einmal (S. 42).

Erhellend ist auch diese auf Seite 35 zu findende Passage:
,,Der Blick ,von außen' kann also eine Möglichkeit sein, sich der Wirkungsmächtigkeit des kulturellen Gedächtnisses innerhalb oder um einen Forschungsgegenstand zu entziehen.
(...)
Doch die durch Propaganda generierten und von Nachkriegsapologeten bemühten Bilder werden durch die Häufigkeit ihrer Wiederholungen und stereotyper Verwendung im öffentlichen Diskurs in ihrem Wahrheitsgehalt nicht mehr genügend hinterfragt.
(...)
Für den U-Boot-Mythos gilt dies in verschärfter Form, denn hier wird die Erinnerung, an jene Episoden des Seekrieges 1914 – 1918, bzw. 1939 – 1945 vor allem durch die subjektiv gefärbten Veröffentlichungen ehemaliger deutscher U-Boot-Fahrer bestimmt und nicht durch die quellenkritisch – empirisch arbeitender, ausländischer Historiker."
Dazu passt eine Fußnote von ca. 20 Seiten zuvor, die sich mit den Werken von Hadley und Mulligan beschäftigt:
,,Die offensichtliche Faszination, der die beiden nicht-deutschen Autoren in ihren Schriften Rechnung tragen, ist auch jenem Mythos geschuldet, der rund um den deutschen U-Boot-Krieg im angelsächsischen Raum und in den USA wirkt."
Ja, was denn nun!? Können es die nicht-deutschen Autoren oder können sie es nicht? Oder wie? Oder was?

Ein paar hübsche Textperlen sind im laufenden Text dann auch noch zu finden, wie z.B. diese auf Seite 87:
,,Die Selbstversenkung der in Scapa Flow internierten ,ungeschlagenen' deutschen Hochseeflotte 1919 stellte in den Augen vieler Deutscher eine große nationale Schmach dar, die nur durch die Selbstversenkung etwas abgeschwächt werden konnte."

Auf den Seiten 97/98 wird dann die Überlegung präsentiert, dass eine Säule, auf der die Mythenbildung um die deutschen U-Boote beruhe, sei, dass die Deutschen ihre U-Boote mit Bezeichnungen versehen haben, die lediglich aus einer Kombination aus dem Buchstaben U, ergänzt um eine Zahl bestanden. Durch diese ,,nüchterne Kombination" aber ,,sollte die Strahlkraft der Materie gesteigert werden, was den propagandistischen Nutzen des Objekts im Sinne einer gezielten Verklärung erhöhen konnte. Die Buchstaben-Zahlen Kombination wirkt sachlicher, klarer, kälter und direkter." Da bin ich aber gespannt, wann vom Autor das Desiderat zur Erforschung des Mythos der Räumboote oder der Vorpostenboote der Deutschen Kriegsmarine in Angriff genommen wird.

Schon auf den Seiten 99/100 geht es mit regelrechten Falschaussagen weiter: ,,Niemand ist je aus einem dieser unter Wasser von einer Wasserbombe oder Mine tödlich getroffenen ,eisernen Särgen' entkommen.(...) Es gibt keine Augenzeugenberichte, wie bei verlorenen Schlachten von Landheeren, keine aus dem Wasser geretteten Angehörigen der Besatzungen, wie bei versenkten Überwasserstreitkräften und kaum Möglichkeiten, selbst aus moderater Tiefe gerettet zu werden". Nun, Gegenbeispiele zu dieser Aussage gibt es schon, teilweise sogar mit fotographischen Belegen, wie z.B. die Beschreibung der Versenkung von U 981 durch Minentreffer am 19.08.1944 vor La Pallice in Buchheims ,,Das Boot" oder in ders.: ,,U-Bootkrieg", Piper Verlag Zürich, 1976 bzw. 1998 im Kapitel ,,Desaster".

Ab Seite 105 ergeht sich dann der Autor zum Themenbereich ,,Sexuelle Aufladung der Thematik". So hat sich beispielsweise Lothar Günther Buchheim in ,,Das Boot" ja bereits in epischer Breite über die ,,Eisenhymen der Dampfer, in die sich der Torpedophallus einrammt" und über ,,Ekrasit-Ejakulationen" ausgelassen, aber was Nico Sutter nun auswalzt, erinnert mich eher an diesen Witz:
Macht ein Mann beim Psychiater einen Rorschach-Test und bekommt das erste Bild vorgelegt.
,,Was erkennen Sie?", fragt der Doktor.
,,Eine nackte Frau.", antwortet der Proband.
,,Soso! Und auf diesem Bild?"
,,Eine nackte Frau mit großen Brüsten."
,,Mmhm! Und auf diesem Bild?"
,,Zwei nackte Frauen, die sich küssen."
,,Aha! Und was erkennen Sie hier?"
,,Eine nackte Frau, die mich gerade anlockt."
,,Sagen Sie, kann es sein, dass Sie ein wenig zu sehr auf nackte Frauen fixiert sind?"
,,Na, Sie sind gut! Wer zeigt mir denn den ganzen Schweinskram?"

Und so geht es weiter und weiter. Z.B. das U-Boot als mythisches Lebewesen, symbolisiert durch aufgemalte Augen (S. 109). Guter Gott, seit der Antike werden auf den Bug von Schiffen Augen aufgemalt und wenn Nico Sutter mal von Rudyard Kipling ,,Das Schiff, das zu sich kam" (im Original ,,The Ship that Found Herself" von 1895) gelesen hätte, hätte er ebenso gewusst, dass alle seegehenden Fahrzeuge eine eigene Persönlichkeit haben und dass das nicht ein alleiniges identitätsstiftendes Merkmal für U-Boote ist.

Insgesamt scheint Nico Sutter nicht allzu viel Ahnung von den deutschen U-Booten zu haben. Auf S. 120 lässt er Erich Topp der Kommandant von U 525 gewesen sein – na ja, wenigstens die verwendeten Ziffern bei der Bootsnummer stimmen.

Fazit: in dem ganzen Buch werden die freidrehenden Phantasien von irgendwelchen Propagandaschleudern, deren hohles Pathos und hinkenden Sprachbilder und Metaphern pars pro toto als Indikator für die Einstellung der gesamten deutschen Bevölkerung in Bezug auf die Kenntnisse Otto Normalverbrauchers über die deutschen U-Boote gesetzt. Das kann nicht funktionieren.

Nun mag man sich fragen, weshalb ich das Buch nach 10...20 Seiten Lektüre nicht einfach kommentarlos in die Ecke gepfeffert habe. Der Typ hat mich Zeit gekostet, als ich überlegt habe, ob es sich lohnen würde, dieses Buch überhaupt anzuschaffen; es ist mein Geld, das ich in den Sand gesetzt habe, und wieder meine Lebenszeit, die ich verballert habe, es zu lesen. Dafür muss ein Ausgleich her, den man auch ruhig eine kleine, miese Rache nennen darf. Und wenn ich jemanden, der vielleicht mittels Suchmaschine auf diese Einschätzung stößt, vor dem Fehler bewahren kann, das Buch lesen zu wollen, dann hat sich die Mühe, diesen Text zu schreiben, schon gelohnt. :-P

Bei aller negativen Kritik ist es natürlich immer eine besondere Herausforderung, auch etwas Positives in diesen paar Seiten zu entdecken. Und ich habe es tatsächlich geschafft, etwas Derartiges zu finden bzw. etwas Neues zu lernen: bis dato mir war das schöne Wort ,,wegzueskamotieren" (S. 22) völlig unbekannt.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Spee

Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

juergenwaldmann


jost_brune

Hallo Schorsch
Ohne es selber zu kennen finde ich Deine Rezension gelungen. Bei Amazon gibt es für den Schinken noch keine Kundenrezension, da gehört das auf jeden Fall hin.

TW

Zitat von: jost_brune am 18 Februar 2023, 18:38:34
Hallo Schorsch
Bei Amazon gibt es für den Schinken noch keine Kundenrezension, da gehört das auf jeden Fall hin.

Ja, das finde ich auch !
Gruß, Thomas

Peter K.

Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Big A

Genial geschrieben  :TU:)

Schließe mich den Vorrednern an:
Ab zu den Rezensionen bei Amazon

Klasse Arbeit

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

Sprotte

Auch im Orchester des Lebens dringt das Blech am meisten durch.

Urs Heßling

"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

ufo

Ganz, ganz vielen Dank Schorsch!

Ich mag Geschichte als Geisteswissenschaft ja total gerne. Mich reizt daran, dass es kaum wahr und falsch gibt, ganz wenig nur ist absolut.

Ein Buch - selbst soetwas renomiertes wie eine Summa cum Laude Promotion ueber den Deutschen U-Bootkrieg 39-45, die jemand vielleicht 1966 geschrieben haette ... damit waere man im Jahre 2009 einfach nur durchgefallen.

Historische Buecher sind immer an zwei Enden in der Zeit verankert: die Zeit, die sie betrachten und die Zeit in der sie geschrieben werden.

Erlaubt mir daher zwei, drei Fragen dazu:

Ist das der aktuelle Zeitgeist in Deutschland zum U-Bootkrieg im zweiten Weltkrieg?
Oder ist das so atemberaubend daneben wie sich das liesst? Schlechtes Buch oder ein Kotau an einen schadhaften Zeitgeist?

Es wird ganz, ganz spannend sein in vielleicht einem Jahr bei Amazon.de mal zu gucken wie die Rezensionen so ausfallen.

Danke nochmal,
Ufo



Oh, und damit niemand auf dumme Ideen kommt ... weder verwandt noch verschwaegert  :MLL:

jockel

Zitat von: Schorsch am 18 Februar 2023, 15:49:34
Bei aller negativen Kritik ist es natürlich immer eine besondere Herausforderung, auch etwas Positives in diesen paar Seiten zu entdecken. Und ich habe es tatsächlich geschafft, etwas Derartiges zu finden bzw. etwas Neues zu lernen: bis dato mir war das schöne Wort ,,wegzueskamotieren" (S. 22) völlig unbekannt.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch

eskamotieren
...bildungssprachlich: zum Verschwinden bringen, entweder durch einen Trick oder aber durch wortreiches, geschicktes Verschleiern, Taktieren oder Negieren. Herkunft: Das Wort wurde von gleichbedeutend französisch escamoter → fr entlehnt, welches auf das südfranzösische Verb escamar → fr ,,abschuppen" zurückgeht.


Gruß
Klaus

Schorsch

Hallo zusammen!

Zunächst erst einmal vielen Dank für die freundlichen Reaktionen auf meinen Rant. Es lag mir halt einiges auf der Seele und das wollte einfach raus. Umso besser, dass ich mit meinem Geschreibsel einigen Zustimmung abringen konnte.

Nun zu den Fragen, die ufo aufgeworfen hat:
Zitat von: ufo am 18 Februar 2023, 23:03:02
(...)
Ist das der aktuelle Zeitgeist in Deutschland zum U-Bootkrieg im zweiten Weltkrieg?
Oder ist das so atemberaubend daneben, wie sich das liest? Schlechtes Buch oder ein Kotau an einen schadhaften Zeitgeist?
(...)
Zunächst ist das einfach ein schlechtes Buch. Es enthält Widersprüchlichkeiten zuhauf, zeigt die intellektuelle Überforderung des Autors bei der Bearbeitung des selbstgewählten Themas, Wissenslücken ohne Ende und jede Menge sachliche Fehler in den Darlegungen. Da habe ich bei meiner Kritik die von Dir angesprochene Metaebene noch nicht einmal angekratzt.

Bleiben wir also zunächst beim Offensichtlichen. Hier in Form einer Passage auf Seite 13 in Nico Sutters Buch, die ich als symptomatisch für dessen Arbeitsstil einschätze:
,,Aber auch bei Mulligan ist eine leicht tendenziöse Darstellung zu beobachten. Allzu leicht lässt er sich von der Apologetik in den Berichten ehemaliger U-Boot-Fahrer vereinnahmen. Besonders deutlich wird dies im Kapitel ,Unparteiische Dienstleistung. Die Kriegsmarine und der Nationalsozialismus': Hier bescheinigt er einigen ehemaligen Kommandanten ,,entschiedene NS-Gegner" gewesen zu sein. Abgesehen davon, dass die Behauptung von der NS-Gegnerschaft der U-Boot-Fahrer selbst einen Teil des Mythos darstellt, so wird seine Wortwahl den vielen in den Konzentrationslagern ermordeten tatsächlichen Regimegegnern, bzw. ihrem Angedenken, in keiner Weise gerecht."
In lediglich neun Zeilen wird in geradezu rotzgöriger Art und Weise ein sauber recherchierter Versuch der Darstellung von Pro- und Contra-Argumenten zum Verhältnis des Offizierskorps der deutschen U-Bootflotte in Bezug auf den Nationalsozialismus abgewatscht. Dass so in Nico Sutters Verriss von Mulligans Darlegungen z.B. ein Oskar Kusch einfach mal en passant zum Anhänger des Nationalsozialismus gestempelt wird, mag einen Teil des Furors erklären, unter dessen Einfluss ich meine Einschätzung von Nico Sutters Buch verfasst habe. (Weitere Namen wie Hans-Joachim Brans (U 801) oder Günter Leupold (U 1059), die Mulligan an dieser Stelle nennt, will ich bezüglich ihrer Einstellung gegenüber dem Nationalsozialismus noch überprüfen.) Aber mir als Anhänger der Idee einer Gaußschen Normalverteilung, die auch für die Verteilung der Einstellungen der deutschen U-Bootoffiziere in Bezug auf den Nationalsozialismus anwendbar sein müsste, leuchtet es nicht ein, dass aufrechte Anhänger des Regimes im Dritten Reich wie z.B. ein Oblt.z.S. d.R. Dr. jur. Ulrich Apel, den es wahrscheinlich nicht nur als Einzelexemplar gegeben hat, keine ,,Gegengewichte" auf der anderen Seite des Spektrums der Weltanschauungen gehabt haben sollen und/oder diese nicht benannt werden dürfen.

Ob Nico Sutters Herangehensweise nun dem aktuellen Zeitgeist geschuldet ist, oder in welchem Maße sie davon beeinflusst wurde, ist imho schwer zu festzustellen. Meiner Meinung nach lohnt es auch nicht, anhand dieses Buches eine derartige Untersuchung anzustrengen. Es schafft das Büchlein noch nicht einmal, die Mindeststandards zu erfüllen, die an eine, wenn auch vom Zeitgeist beeinflusste, so doch wenigstens ansatzweise ausgewogene Darstellung des Themas anzulegen wären, und die es ermöglichen würden, es mit seinen Vorgängern in Beziehung zu setzen.

Zitat von: ufo am 18 Februar 2023, 23:03:02
(...)
Es wird ganz, ganz spannend sein in vielleicht einem Jahr bei Amazon.de mal zu gucken, wie die Rezensionen so ausfallen.
(...)
Das Buch ist seit 10 Jahren auf dem Markt zu einem Preis, der nicht unbedingt kundenfreundlich zu nennen ist. Dazu kommt noch ein relativ kleiner Kreis von Leuten, die überhaupt an dem Thema soweit interessiert sind, um das Buch lesen zu wollen oder es gar schaffen werden, sich aufzuraffen, eine Einschätzung darüber zu schreiben.

Ob ich den Ausgangstext, wie von einigen vorschlagen, bei amazon einstellen werde, muss ich mir noch überlegen. Gegebenenfalls gibt es dann an dieser Stelle einen Hinweis.

Zum Abschluss noch eine Kleinigkeit:
Zitat von: jockel am 19 Februar 2023, 07:44:08
eskamotieren
...bildungssprachlich: zum Verschwinden bringen, entweder durch einen Trick oder aber durch wortreiches, geschicktes Verschleiern, Taktieren oder Negieren. Herkunft: Das Wort wurde von gleichbedeutend französisch escamoter → fr entlehnt, welches auf das südfranzösische Verb escamar → fr ,,abschuppen" zurückgeht.
(...)
Es ging mir um das gesamte Wort ,,wegzueskamotieren", das in dieser Form nach meinem Dafürhalten die Grenze zur Tautologie, wenn nicht überschritten, so doch wenigstens erreicht hat. Mein Vater brachte in solchen Momenten immer die Wendung: ,,Quäle ein Fremdwort nie im Scherz, denn es könnt' geladen sein!" :wink:

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

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