Flensburg Mai 1945

Begonnen von bettika61, 27 Mai 2015, 21:43:24

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wirbelwind

Hallo,

kann die Bedenken des emer. Prof. Paul nachvollziehen. Schließlich gab es nach der bedingungslosen Kapitulation des Großdeutschen Reiches bspw. noch eine Reihe von Todesurteilen, die trotz Kriegsendes noch vollstreckt wurden.Hätte es keine Regierung unter Dönitz in der Marineschule mehr gegeben,wäre auch das nicht mehr möglich gewesen.
Auf den Beitrag von Sönke Neitzel bin ich ebenfalls gespannt.

MfG Wirbelwind

ufo

Interessant.
Von Aussen betrachted wirkt dies seltsam.

Ein 'Taeterort'? Wirklich? Hat die Deutsche Republik es in achzig Jahren nicht geschaft den 'Taeterort' Marineschule Muerwik zu 'entweihen'? Wenn es sowas wirklich, wirklich gibt, dann muss man sie abreissen. Ein Denkmal fuer einen Taeterstaat muss man sich als Gesellschaft wirklich nicht antun.


Aber stimmt das so? Ist die Deutsche Republik so schwach, dass man sich vor Backsteinen duckmaeusern muss?

In einer der schoensten Nationalhymnen der Bundesrepublik Deutschland aus der Feder von Marius Mueller Westernhagen heist es: 'Sollen tanzen auch auf Gräbern'.

Eine starke Gesellschaft braucht sich Taeterorte nicht bieten lassen. Wenn ich in die Marineschule Muerwik gehe, bedrueckt mich da keine Geschichte. Moerder, Schlaechter und Menschenverachter haben da dereinstemals gewaltet. Aber dass sie immer noch da steht mit der Deutschen Trikolore stolz oben auf dem Turm, ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sie gebraucht / missbraucht haben einem Terrorregime zu dienen und dieses schliesslich gar zu leiten. Denen gehoert sie nicht mehr. Wenn es nach mir geht mag man sogar ihre Standbilder dort stehen lassen als Mahnung aber wuerdigen tut die Taeter da niemand mehr.
 
Sie zum 'Taeterort' herabzuwuerdigen ignoriert die grossen Taten all jener, die in ihren Mauern Demokratie gebaut haben und Menschlichkeit, die dort Buerger in Uniform ausgebilded haben.

Wo besser gedenken, erinnern, weinen, lachen, tanzen als dort wo sich dereinst die Taeter suhlten.
Wo besser zeigen, dass dem Teil Deutscher Geschichte nichts geblieben ist in den Herzen der Menschen.

Just my Two Pence ...
Ufo 

beck.Schulte

Ich weiß ja nicht, wo ihr so wohnt. Ich wohne in BHV-Lehe und dort leben kaum noch die Nachkommen der Täter. Optisch so an die 90% der Menschen (auch bei uns im Haus) die mir täglich zw. Hafen- und Goethe Straße begegnen haben Migrations-Hintergrund. In der letzten Zeit vermehrt Syrer.  10m neben unserer Wohnung ist der Schulhof der Luther-Schule. Auch dort kaum noch die Ururenkel der Täternation. Meine Enkel sind Deutsch-Polen oder Polen-Deutsche. Der älteste ist mit einer in Portugal geborenen Französin leiert. Wenn die nun -durchaus möglich- Nachwuchs bekommen was ist das Kind dann? Heiß es dann auch für sie/ihn "Wir Deutsche auf Grund unserer Geschichte" ? Bevor hier wer was in den falschen Hals bekommt. Auschwitz ist Teil meiner Geschichte und auch meiner ,,Erinnerungs-Kultur",  aber nicht unbedingt die meiner Nachbarn. Wie will man das den 90% hier vor Ort erklären? ...Und es werden immer mehr...Ich glaube das Thema erledigt sich mangels Interesse ( wie im Fall Flensburg)  in einigen Jahren so wie so. 

Sprotte

Manchmal habe ich den Eindruck, als sollten 1000 Jahre deutsche Geschichte auf 12 Jahre reduziert werden.
Das halte ich nicht unbedingt für angebracht.
Auch im Orchester des Lebens dringt das Blech am meisten durch.

maxim

Hmm, also man findet wahrscheinlich auch Aktivitäten in der Marineschule Mürwick zwischen 1910 und 1918, die genauso inakzeptabel sind, siehe die Rolle der Marine in den Völkermorden in den Kolonien (und die Frage ist, ob noch etwas in Bezug auf den rechtsextremen Terrorismus in der Weimarer Republik hinzukommt).

Aber bei einem Gedenken an den Holocaust kann man ja durchaus auf die Vergangenheit des Gebäudes auch eingehen, das sollte eigentlich nicht problematisch sein.

Es ist aber tatsächlich eine etwas merkwürdige Wahl dieses Orts für diese Veranstaltung.

Urs Heßling

#20
moin,

Zitat von: maxim am 23 Januar 2025, 17:09:04man findet wahrscheinlich auch Aktivitäten in der Marineschule Mürwick zwischen 1910 und 1918, die genauso inakzeptabel sind, siehe die Rolle der Marine in den Völkermorden in den Kolonien (und die Frage ist, ob noch etwas in Bezug auf den rechtsextremen Terrorismus in der Weimarer Republik hinzukommt).
zu dem eingeklammerten Satz : ja, hier ein Zitat aus meinem HMA-Fachartikel ""Panzerschiff A"
An der Marineschule Mürwik ereignete sich laut Reichswehrminister Dr. Geßler ,,eine große Anzahl auf das Schärfste zu mißbilligender Zwischenfälle", so unter anderem eine Feier (!) anläßlich des Mordes am damaligen Außenminister Walther Rathenau im Juni 1922.


Zitat von: ufo am 23 Januar 2025, 10:52:35Eine starke Gesellschaft braucht sich Taeterorte nicht bieten lassen. Wenn ich in die Marineschule Muerwik gehe, bedrueckt mich da keine Geschichte. Moerder, Schlaechter und Menschenverachter haben da dereinstemals gewaltet. Aber dass sie immer noch da steht mit der Deutschen Trikolore stolz oben auf dem Turm, ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sie gebraucht / missbraucht haben einem Terrorregime zu dienen und dieses schliesslich gar zu leiten. Denen gehoert sie nicht mehr. Wenn es nach mir geht mag man sogar ihre Standbilder dort stehen lassen als Mahnung aber wuerdigen tut die Taeter da niemand mehr.
Sie zum 'Taeterort' herabzuwuerdigen ignoriert die grossen Taten all jener, die in ihren Mauern Demokratie gebaut haben und Menschlichkeit, die dort Buerger in Uniform ausgebilded haben.
Wo besser gedenken, erinnern, weinen, lachen, tanzen als dort wo sich dereinst die Taeter suhlten
:MG:  top  :=D>


Zitat von: maxim am 23 Januar 2025, 17:09:04Es ist aber tatsächlich eine etwas merkwürdige Wahl dieses Orts für diese Veranstaltung.
Aus einem anderen Grund, den noch niemand zur Sprache brachte, hat die Wahl des MSM als Veranstaltungsort am 27.1. tatsächlich ein Geschmäckle" :
Genau hier wurde nach der Eröffnung am 21.11.1910 mehr als 10 Jahre lang - also über den November 1918 hinaus - mit großem Enthusiasmus der 27.Januar als Kaisers Geburtstag gefeiert


Allerdings: Wenn wir alle aufgespürten "Taeterorte" ab- und niederreißen sollten, gäbe es viel zu tun ...
z.B die Autobahn von Dresden nach Ingolstadt, auf der Landtransporte mit R-, S-, und U-Booten in Richtung Schwarzes Meer rollten ...

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Big A

Eine typisch deutsche Diskussion...

Und @ufo hat es auf den Punkt gebracht  :MG:

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

maxim

Ich glaube nicht, dass diese Diskussion typisch deutsch ist - siehe z.B. die Umbenennung von Schiffen der US Navy. Es ist eher nur so, dass wir hier ähnliche Diskussionen in anderen Ländern oft nicht mitbekommen. Wer war z.B. schon mal im National Museum of American History oder im National Museum of the American Indian? Als ich die besuchte gab es z.B. eine Ausstellung über die Behandlung von US-Amerikanern mit japanischen Vorfahren während des Zweiten Weltkriegs bzw. eine über die Verträge mit indianischen Nationen, die die USA gebrochen haben. In einem anderen Smithsonian habe ich ein Buch über die Frage gekauft, warum die US Air Force nichts gemacht hat, um Auschwitz als Vernichtungslager auszuschalten, obwohl sie die hierfür notwendigen Informationen und Fähigkeiten hatten.

Man sollte sich vielleicht an den Hintergrund der Kritik an der Marineschule Mürwik erinnern: es gibt um eine Veranstaltung zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Nicht um irgendeine Veranstaltung oder die Frage, was man mit dem Gebäude allgemein machen sollte. Es ging nur um die Wahl des Orts für diese Veranstaltung... Warum wurde ausgerechnet dieser gewählt?

Wegen der Geschichte des Orts kann man dort natürlich gut daran erinnern, wer die Täter waren, aber es geht um die Gedenken an die Opfer.

Big A

Zitatwar z.B. schon mal im National Museum of American History oder im National Museum of the American Indian?
Ich, des öfteren.
Die Erinnerungskultur der USA ist imho nicht mit der hiesigen zu vergleichen.
Würde jetzt aber zu sehr off topic führen.

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

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