Aussagekraft der sog. "Admiralitätsformel"

Begonnen von harold, 30 November 2008, 19:04:04

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harold

Immer mal wieder stolpert man über die Admiralitätsformel.
Was ist das eigentlich?

Ursprünglich ein
- Vergleich zwischen Parametern des Schiffskörpers (Verdrängung), Leistung der Maschine und Geschwindigkeit; und dann später verfeinert zu einem
- Vergleich von (eingetauchter) Hauptspantfläche, Maschinenleistung und Geschwindigkeit.

Für einen gegebenen Rumpf sollten diese Werte konstant liegen, so dass aus einem Datentripel
Verdrängung - Leistung X - Geschwindigkeit Y oder
Spantfläche - Leistung X - Geschwindigkeit Y

bei Steigerung/Verringerung der Leistung auf X' sich gesteigerte/verringerte Geschwindigkeiten von Y' errechnen ließen.

Im Schiffbau ab etwa 1875 angewendet, zeigte sich bald, dass diese Berechnung nur überschlagsmäßig war, und man keineswegs von einem Rumpf auf den anderen schließen konnte.
Zur Berechnung der Relation Leistung/Geschwindigkeit (bei ansonsten gleichbleibenden Parametern wie Tiefgang und Verdrängung) für einen bereits bekannen Rumpf waren die Formeln jedoch hinlänglich genau.

Im Einzelnen:

- erforderliche Leistung (in wPs) = dritte Wurzel aus dem Quadrat der Verdrängung (in t), multipliziert mit Kubik der Geschwindigkeit (kn); dividiert durch eine Konstante K
P (wPs) = (d^2/3 * v^3) / K

- erforderliche Leistung (in wPs) = Hauptspantfläche (m²) zum Quadrat multipliziert mit Kubik der Geschwindigkeit (kn); mal einer Konstante K'
P (wPs) = ((B * T * cS)^2) * v^3 * K'

Beide Formeln für sich sind wenig aussagekräftig. Das Produkt der beiden (dimensionslosen) Konstanten K und K' hingegen bewertet folgende Parameter:
- Verdrängung
- Hauptspantkoeffizient
- Leistung
und gibt eine Aussage über mögliche Geschwindigkeit bei eingesetzter Leistung (Effizienz der Antriebsanlage).

Auffällig ist, dass der Parameter "Länge" in diesen Berechnungen generell außer Acht gelassen wird - obschon wir ja wissen, dass die eigengenerierte Welle völlig andere Hauptspantflächen erzeugen kann (Wellental mittschiffs!).

Fazit:
ein interessantes Herantasten der Ingenieursgeneration am Ende des vorletzten Jahrhunderts an hydrodynamische Prinzipien.
Geltungsbereich:
Geschwindigkeiten, die eine eigengenerierte Welle (oder deren ganzzahlig Vielfaches) von etwa Schiffslänge erzeugen.
Nicht sehr aussagekräftig.

Zum Herumspielen: Tabelle im Anhang
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Captain Hans

#1
Hallo Harold

Uff, klasse Berechnungsformeln - und die Tabelle extra Klasse (kannte ich alles nicht)
Sag mal, die RM liess alle ihre Schiffstypen bei der Schiffsbauversuchsanstalt in Potsdam in den 3 km langen Schlepptanks testen.
Wurden dort diese Formeln verwendet???  Es gibt ja auch noch die Formeln von Bernoulli - oder ist das das Gleiche???
Im Yachtbau und im allegemeinen Schiffbau wird von einer maximalen Rumpfgeschwindigkeit geredet - wird das hier auch erfasst??



,Nur wer sich ändert,bleibt sich treu"!!!
,,Nicht was du bist,ist das was dich ehrt,wie du bist,bestimmt den Wert"!!!

harold

#2
Schleppversuche arbeiten mit Froude-Zahl, dh

F = v / (g * L) wobei F dimensionslos, v in m/sec, g = 9,81 und L in m.

Um die Froude-number konstant zu halten, muss bei maßstäblichen Schlepp-Modellen die Geschwindigkeit entsprechend erhöht werden.
Was dabei messbar ist (Federwaage), ist der proportionale Schleppwiderstand (Leistung, die eingebracht werden muss).

Allerdings verkleinert der Maßstab nur die Schleppmodelle, jedoch nicht die physikalischen Eigenschaften des Wassers.
Dabei gehts nicht um Molekülgrößen, sondern um Wirbelgeschwindigkeiten etc.
Die bleiben nämlich konstant und kümmern sich nicht um Maßstäblichkeit...-
------

Bernoulli-Formeln ( http://de.wikipedia.org/wiki/Str%C3%B6mung_nach_Bernoulli_und_Venturi )
sind reine Druckausgleichs-Formeln und haben im Unterschall-Bereich (in dem wir uns bewegen!) Gültigkeit.

An Schleppmodellen sind Farbauslässe, die druckabhängige Strömungsverläufe markieren... (siehe:)



...durchaus aufschlussreich. Verwirbelungen können aber auch hier nicht maßstäblich nachgespielt werden.
------

"maximale Rumpfgeschwindigkeit" ... da schreib ich nix zu, man gucke: http://de.wikipedia.org/wiki/Rumpfgeschwindigkeit
Dort gibt es auch -ganz unten- einen "Rechner", mit dem man spielen kann.
------

Wie schon gesagt:
diese "Admiralitätsformel" hat Gültigkeit für einen beschränkten (Schiffbau-)Zeitraum, und für ebenfalls (durch eigengenerierte Welle) beschränkten Geschwindigkeitsbereich.
Für Bauten im letzten Viertel des 19. Jhdts war sie dennoch herangezogen worden : damals waren weder Geschwindigkeit noch Leistung in einem Bereich, der diese Näherungswerte ad absurdum geführt hätte.
:MG: Harold

edit; soeben per PN bekommen (hoffe ich darf das hier zitieren):

"So veraltet ist das also? Na denn guck Dir lieber nicht an wie modernen Schiffsentwurf geht.
==> 1. Schritt:  Abgleich mit Vergleichsschiff über Admiralitätsformel!"

- nu, das war mir bislang noch nich bekannt! Tss, tss ...







4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Captain Hans

Hallo Harold

ist mir nun alles viel klarer - Danke :O/Y
,Nur wer sich ändert,bleibt sich treu"!!!
,,Nicht was du bist,ist das was dich ehrt,wie du bist,bestimmt den Wert"!!!

Huszar

Hallo, Harold,

Wieder schön erklärt!

Im anderen Thread hast du erwähnt, dass Werte über 230 ab Ende der 30er realistisch wurden (Taylor-Bug, geschweisster Rumpf, Transom-Heck, usw). Werte um 215 hatten die relativ neuen Schnellen Schlachtschiffe.
Kannst du die Erhöhung des Wertes bitte zusammenfassen? Was war 1900 möglich, 1910, 1920... Was für Schlachtschiffe, Kreuzer, Zerstörer.

Natürlich, wenns nicht zu viel Arbeit bedeutet!


(bin ja wissenshungrig, Herr Magister  :-D )

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

harold

Ich mach bei Gelegenheit mal eine Übersicht der verschiedensten Einheiten; im Augenblick zu wenig Zeit (morgen geht mein Zug, sollte heute noch einiges auf die Reihe kriegen).
OK so?
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

harold

In ganz anderem Zusammenhang (eine interne Diskussion über die Verlängerung der Panzerschiffe) hab ich mir mal die Spantgeometrie der deutschen Dickschiffe, ihre diversen Werte (cB = Blockkoeffizient, sowie cP = prismatischer Koeffizient) durchgeschaut, um auf halbwegs stabile Werte für die Konstante K in der "Admiralitätsformel" zu kommen.

K steht in einer für mich irritierenden Relation zum Blockkoeffizienten cB - zumindest bei den "deutschen" (= feiner Heckbelauf, vorne hohle Linien, Mittelspant nicht zu völlig) Spantrissen scheint mir das Produkt der beiden Zahlen konstant zu sein, bei einer dimensionsfreien Größe um 123 (+/- 1).

Die angehängte Tabelle gibt hier diese Relationen wieder, jedoch ausschließlich für die Rümpfe von Panzerschiff A bis zur Bismarck-Klasse (die kursive "D" bitte ignorieren, das ist eine Projekt-Rekonstruktion).

Eingesetzt sind die Probefahrt-Ergebnisse, Verdrängung und Geschwindigkeit sind Daten nach Breyer;
die Abweichungen davon sind in den roten Spalten erfasst;
blaue Werte können angepasst/verändert werden.-

Ich werd an der Sache dranbleiben und versuchen, die entsprechenden Formeln deduktiv abzuleiten.
Wie gesagt,  "K = <123> / cB"  (wobei 123 bislang nur Referenz-Wert ist, und wahrscheinlich nach Rumpfform variiert) hat mich in der Genauigkeit ihrer Geltung doch sehr, sehr verblüfft!

Ciao,
Harold




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- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

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