Kapitän zur See Hans Langsdorff

Begonnen von der erste, 23 Juni 2019, 13:43:30

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Urs Heßling

moin, Michael,

ich muß Dich leider noch einmal ganz entschieden bremsen.

Du startest jetzt in diesem Thread eine Diskussion, die eindeutig einen politischen Inhalt hat.

Ganz gleich, ob ich Dir zustimmte oder nicht (nur zum Teil), die FMA-Regeln erlauben aus guten Gründen (Empirie) keine politische Diskussion.

Halte Dich bitte daran.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

der erste

Zitat von: michael-1 am 01 Februar 2021, 23:21:31
Dank google-books sind jchon einmal die ersten 60 Seiten gelesen. Auf Seite 53 findet Weihnachten 1914 statt und auch die Einsätze der Schlachtkreuzer an der englischen Ostküste 1914 finden Erwähnung. Desgleichen Coronel und Falkland.

Auf Seite 54 erfolgt unvermittelt ein Zeitsprung auf den 22. März 1915 und die Beförderung von HL zum Leutnant.

Warum findet das Gefecht auf der Doggerbank keine Erwähnung?

Falls sich dazu nichts im Archiv der Familie gefunden hat, wäre ein Satz zur Klarstellung schon schön gewesen. Hat jemand eine Erklärung?

Das wird hier kaum einer wissen außer dem Autor. Frage ihn. Das geht z.B. über den Verlag.

t-geronimo

Zitat von: michael-1 am 01 Februar 2021, 23:21:31
Dank google-books sind jchon einmal die ersten 60 Seiten gelesen. Auf Seite 53 findet Weihnachten 1914 statt und auch die Einsätze der Schlachtkreuzer an der englischen Ostküste 1914 finden Erwähnung. Desgleichen Coronel und Falkland.

Du schreibst ernsthaft über ein Buch, dass du noch nicht mal gelesen hast?  :-o
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

michael-1

Ich hatte am 7.01. bereits daraufhingewiesen, dass mir das Buch nicht vorliegt. Es gibt allerdings Auszüge, Rezensionen etc.. Entsprechend beziehe ich mich auch nur auf mir bekannte Stellen.

Das Buch ist nicht ganz billig und über unsere öffentliche Bibliothek kann ich es z. Zt. nicht beziehen. Also muss ich mich noch etwas gedulden, bis ich mich den Ausführungen Kaacks zu Themen wie Vereidigung und Reichspogromnacht auseinander setzen kann.

Das "Fehlen" der Doggerbankschlacht ist mir aufgefallen, hätte ja auch an anderer Stelle im Buch stehen können, also fragt man mal!

@ beck.Schulte
Keep  8-)!

@ der erste
Herzlichen Dank für den Hinweis!

michael-1

Inzwischen ergab sich die Gelegenheit das Buch auszuleihen und zu lesen.

Positive Rezensionen, 600 Seiten Text, 17 Seiten Quellen- und Literaturverzeichnis, 1.770 Fußnoten und dazu 150 private Briefe - zumindest formal gute Voraussetzungen für eine kritische und fundierte Auseinandersetzung mit dem Mythen rund um das Schiff ADMIRAL GRAF SPEE und seinen letzten Kommandanten Kapitän zur See Hans Langsdorff.

Ich gebe zu, Kaacks Fleißarbeit hat mich zu einer intensiven Auseinandersetzung angeregt.

Das Ergebnis sind aber gemischte Gefühle. Zahlreiche inhaltliche Wiederholungen nerven auf Dauer. So mancher Zeitsprung ist fraglich und dem Thema nicht dienlich. Dazu gesellen sich unerwartete Schwächen bei technischen und militärtaktischen Darstellungen und der Quellenarbeit, die das Vertrauen des Lesers in das Werk erschüttern.

Am meisten irritiert die fehlende Distanz des Verfassers zur Person Langsdorff und ihren Handlungen. Manchmal gewinnt man den Eindruck es handele sich nicht um eine Biographie, sondern um eine Huldigung. Das Bemühen eine ganz bestimmte Sicht auf Hans Langsdorff (HL) zu etablieren ist unverkennbar, hält aber einer kritischen Hinterfragung mehr als einmal nicht Stand.

Bereits der Text auf der Rückseite des Einbandes konfrontiert den Leser mit einer "Marketing"-Aussage:
ZitatIm Dezember 1939 verweigerte Hans Langsdorff vor der La-Plata-Mündung einen letzten, aussichtslosen Kampf gegen überlegene britische Seestreitkräfte, ...

Damit wird unterstellt, dass

  • es einen Befehl, Weisung oder was auch immer an Langsdorff für einen letzten Kampf gab und
  • Langsdorff in der Lage war, dem Gegner einen "Endkampf" aufzuzwingen oder dieser dazu bereit war.
Ersteres war nachweislich nicht der Fall. Der einzige Befehl an Langsdorff war das Verbot einer Internierung des Schiffes in Uruguay.

Einen Kampf erzwingen konnte Langsdorff nicht, dazu war sein Pott inzwischen zu langsam. Es lag im Ermessen des Gegners, sich auf ein Gefecht einzulassen. Da der Raider bereits neutralisiert war bestand kein Grund, vermeidbare Risiken einzugehen. Entsprechende Streitkräfte waren zwar noch nicht vor Ort, aber in absehbarer Zeit.

Ausgangspunkt von Kaacks "Kontinuitätslinie" ist HLs Schilderung der Ereignisse an der Schleuse in Bremerhaven am 8. November 1918 in seinem Brief vom 14. November 1918. Kaack schreibt dazu (Seite 95):

Zitater ... vermittelt in völlig unspektakulärer Form, dass rationales Handeln in außergewöhnlicher Lage möglich ist, um einen Zusammenbruch im Zusammenbruch zu vermeiden und Menschenleben zu retten, sofern man bereit ist, tradierte Vorstellungen über Bord zu werfen und seinem inneren Kompass zu vertrauen.

Liest man HLs Brief, ist der nächstliegende Schluss, dass der Kommandant in der geschilderten Situation gute Aussichten hatte, sich die erste Kugel einzufangen. Langsdorff hatte also ein erhebliches Eigeninteresse an einer unblutigen Lösung.

Oder war die Realität viel weniger heroisch als dargestellt?

Kaack liefert auf den folgenden Seiten die Antwort, speziell mit der Wiedergabe des Punkt 16 der Vereinbarung mit dem Arbeiter- und Soldatenrat vom 6. November.

Unerwähnt bleibt bedauerlicherweise der Halbflottillenchef Karl von Holleuffer. M 76 war sein Führungsboot, üblicherweise war er an Bord und hätte dann auch die Verhandlungen mit dem Arbeiter- und Soldatenrat zu führen gehabt.

Bzgl. der Flaggenfrage sei auf den Artikel
ZitatDANN EBEN KEINE VON BEIDEN
von Bernd Langensiepen im Marine-Nachrichtenblatt 21 hingewiesen. Der Beitrag behandelt sie am Beispiel der Sperrbrecher in BHV. (Dank an beck.schulte für den Hinweis!)

An Langsdorffs Darstellung gegenüber seinen Eltern sind Zweifel angebracht, zumal er kein Einzelfall war.

Aber es ist ja nicht alles schlecht. Auf den Seiten 531/532 gibt Kaack Wilhelm Marschalls Einschätzungen der physischen und psychischen Belastbarkeit Langsdorffs wieder. Liegt darin vielleicht der Schlüssel zu seinem Verhalten: vor dem Krieg schon ein "Nervenbündel", "manchmal übersensitiv", "schwierig zu behandeln" und angesichts einer vergleichsweise einfachen Anforderung sich in eine Krankheit flüchtend? Klingt das nicht sehr nach Überforderung und neudeutsch Burn-out?

Die Lage in Montevideo / Buenos Aires war ungleich gravierender:

  • Das Schiff a. G. bewusster Missachtung der Befehlslage verloren,
  • Tote und Verletzte auf beiden Seiten,
  • die eigene Besatzung interniert,
  • dem Feind keinen vergleichbaren nachhaltigen Schaden zugefügt,
  • den eigenen Versorger (ALTMARK) kompromittiert.
Mehr denn je sehe ich in Langsdorffs Freitod am 20. Dezember 1939 einen tragischen Akt der Verzweiflung.

beck.Schulte

#125
Tach Herr S.G. ausse Ostseeecke!
Liest man HLs Brief, ist der nächstliegende Schluss, dass der Kommandant in der geschilderten Situation gute Aussichten hatte, sich die erste Kugel einzufangen. Langsdorff hatte also ein erhebliches Eigeninteresse an einer unblutigen Lösung.
Als Langsdorff in BHV eintraf, war die Sache zwischen Zivil und Festung schon im beidseitigen Einverständnis  geregelt. Auffn ne Kugel bestand keine Aussicht mehr.  :-(   Es wurde einzig und allein. nach der BHV- Heimat Chronik, ein "Offizier  der Seewehr im Hotel Seebeck am Markt" verkloppt. Das wird nicht weiter schlimm gewesen sein, da nirgends vermerkt. Ich gehe davon aus, dass es diesen Vorfall nicht gab. Vom Dez. 16 bis 2.19 gingen ja die Zivil Organisationen und die Festung einverständlich miteinander um. Problem war nur, das BHV an der Bahnlinie  der  Revolte-Hochburg CUX und den linken-Linksradikalen in HB  lag. Alles in den Akten von Freiburg, SA Bremen, SA Stade, SA BHV usw gut dokumentiert.
Da sich hier wohl kaum wer weiteres meldet, was es das !  8-)   

PS: Ich halte das Buch auch weiterhin für ein absolutes Spitzenwerk betr. der Jahre vor 1920.  :roll:

Urs Heßling

moin,

Zitat von: michael-1 am 26 April 2021, 20:33:34Inzwischen ergab sich die Gelegenheit das Buch auszuleihen und zu lesen.
Ich habe es mir im Marinemuseum WHV gekauft und nun in Ruhe gelesen

Zitat von: michael-1 am 26 April 2021, 20:33:34Das Ergebnis sind aber gemischte Gefühle. Zahlreiche inhaltliche Wiederholungen nerven auf Dauer. So mancher Zeitsprung ist fraglich und dem Thema nicht dienlich. Dazu gesellen sich unerwartete Schwächen bei technischen und militärtaktischen Darstellungen und der Quellenarbeit, die das Vertrauen des Lesers in das Werk erschüttern
Ich bin nicht "erschüttert", aber da ist schon "etwas dran".
Dem Buch hätte schlicht und einfach ein Lektorat gut getan, u.A., um die teilweise wörtlichen Wiederholungen, aber auch die einfachen Grammatikfehler zu vermeiden.

Zitat von: michael-1 am 26 April 2021, 20:33:34Am meisten irritiert die fehlende Distanz des Verfassers zur Person Langsdorff und ihren Handlungen. Manchmal gewinnt man den Eindruck es handele sich nicht um eine Biographie, sondern um eine Huldigung. Das Bemühen eine ganz bestimmte Sicht auf Hans Langsdorff (HL) zu etablieren ist unverkennbar, hält aber einer kritischen Hinterfragung mehr als einmal nicht Stand.
Da bin ich anderer Meinung. Der Verfasser bemüht sich, Verständnis für die sich entwickelnde Person Langsdorff zu erreichen, mehr nicht.

Zitat von: michael-1 am 26 April 2021, 20:33:34Aber es ist ja nicht alles schlecht. Auf den Seiten 531/532 gibt Kaack Wilhelm Marschalls Einschätzungen der physischen und psychischen Belastbarkeit Langsdorffs wieder. Liegt darin vielleicht der Schlüssel zu seinem Verhalten: vor dem Krieg schon ein "Nervenbündel", "manchmal übersensitiv", "schwierig zu behandeln" und angesichts einer vergleichsweise einfachen Anforderung sich in eine Krankheit flüchtend? Klingt das nicht sehr nach Überforderung und neudeutsch Burn-out?
Ja. Dazu kommt die Beschreibung und Analyse der Gefechtsverletzung und des "Nervenkriegs" in Montevideo. Das ist schon sehr explizit.

Zitat von: michael-1 am 26 April 2021, 20:33:34Mehr denn je sehe ich in Langsdorffs Freitod am 20. Dezember 1939 einen tragischen Akt der Verzweiflung
Das sehe ich ganz anders. Der in der Entscheidungsfindung sehr geübte Seeoffizier hatte die letzte sich gestellte Aufgabe - die Rettung seiner Besatzung - gut erfüllt. Es gab nun nichts mehr für ihn zu tun. Es gab allerdings den Ehrenkodex der Kaiserlichen Marine, den er verinnerlicht hatte. Dem konnte er nicht ausweichen.

Zitat von: beck.Schulte am 27 April 2021, 13:27:20Ich halte das Buch auch weiterhin für ein absolutes Spitzenwerk betr. der Jahre vor 1920
Ja top  ... aber
jetzt kommt der Lektor "durch"  :wink:
- die falsche Namensschreibweise VIKTORIA LOUISE, ARKONA, ELSAß und DREADNOUHGT stört mich
- Wenn der Autor - bezogen auf den September 1914 - schreibt [Zitat S. 43]"Doch der 'englische Vetter' ließ sich weiterhin nicht blicken" [Zitat Ende], dann ignoriert er die Helgoland-Gefechte vom 28. August 1914 (immerhin mit dem Verlust von 3 Kreuzern)
- der Brief auf Seite 45 - Torpedoboot "B 116" von U-Boot "89" versenkt - hätte zumindest die Fußnote verdient, daß es sich um Torpedoboot "S 116" und U-Boot "E 9" handelte.
- wenn Langsdorff in einem Brief vor Weihnachten 1914 "[Zitat S. 53/54] "auf mehreren Briefseiten mit einem beachtlichen, fast professionellen Niveau den Verlauf der Seeschlachten vor Coronel und bei den Falkland-Inseln" [Zitat Ende] beschrieb, frage ich mich, woher er dieses Wissen, besonders über die zweite Schlacht, eigentlich haben konnte.
- Auf Seite 60 heißt es "Ende April 1916 erlebte Langsdorff, lange ersehnt, seine erste echte Feindberührung". Dazu wäre anzumerken, daß das III. Geschwader als Teil der Hochseeflotte als Deckung des Verbandes, der am Morgen des 25.4. Lowestoft und Great Yarmouth beschoß, in See war, aber selbst keine Feindberührung hatte.
- Auf Seite 68 wird von der Torpedierung der "Großer Kurfürst" durch ein unerkanntes englisches U-Boot berichtet. Auch hier wäre es eine Fußnote wert gewesen, daß es sich um das Boot "J-1" unter dem sehr erfahrenen Kommandanten Noel Frank Laurence, 1940 Admiral und Ritter des Bath-Ordens, handelte
- Bei den auf Seite 74 erwähnten A-III-Booten handelte es sich um A 73 und A 77. Die tatsächlichen Verluste waren geringer als hier beschrieben
- Die schweren Verluste an Minenräumfahrzeugen im Februar 1918 hätte man abschließend mit Gebrauch Deiner Überschrift "Kein Durchkommen mehr" :TU:)  analysieren können
- auf den Seiten 82 und 84 ist mehrfach von der "Meuterei" des Jahres 1917 die Rede. Die Aktionen der Matrosen bedeuteten Nichtbefolgung dienstlicher Anweisungen, enthielten aber weder Widerstand noch Gewaltanwendung gegen Vorgesetzte. Insofern ist der Begriff "Meuterei" (von Seiten der Marineleitung bewußt) hart.
- und schließlich: auf Seite 103 ist von Langsdorffs Klage die Rede, der Vorschlag zum EK I sei "nicht durchgekommen". Hier fehlt die Anmerkung, daß sie doch "durchkam" Die Rangliste von 1922 und das Bild auf Seite 286 zeigen ihn als Träger des EK I.

Sehr beeindruckt haben mich
- die Ausführungen über die gezielte Personalführung der für hohe Positionen vorgesehenen Offiziere der Reichsmarine
- das Kapitel über Langsdorffs Tätigkeit als Mitarbeiter und Adjutant des Generals von Schleicher, das viele neue Details aus der Zeit des Niedergangs der Weimarer Republik 1930-33 aufzeigte
 und die in diesem Thread noch kaum thematisert wurden.

Dabei kommt allerdings einmal ein fehlendes historisches Wissen zum Vorschein. Auf Seite 268 heißt es "Schleicher hatte Groener am Rande einer Reichstagssitzung rundheraus erklärt, das die Reichswehr nicht mehr hinter ihm stehe".
Dazu fehlt unbedingt der Hinweis, daß eben dieser Groener - was jeder kaiserliche Offizier wußte - als Nachfolger Ludendorffs als Erster Generalquartiermeiser am 7. November 1918 Kaiser Wilhelm II., der einen Einsatz von Heereseinheiten im Inneren erwog, mit der Festellung davon abgebracht hatte "daß das Heer nicht mehr hinter ihm stehe".
Von Seiten Schleichers praktisch eine "Ohrfeige".

Fazit : trotz gewisser Schwächen äußerst lesenswert !!! :MG:  top

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

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