"Kopfgeld" für U-Boote in WK I

Begonnen von weers, 02 Juli 2009, 12:56:51

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

weers

Hallo,

ich habe vor längerer Zeit einmal gelesen, dass in WK I ein Kopfgeld auf deutsche U-Boote ausgesetzt worden sei (nein, ich habe die Quelle nicht mehr). Nun lese ich hier:

ZitatDer Erste Seelord Winston Churchill hatte inzwischen ein Kopfgeld auf die "Dresden" ausgesetzt.
Quelle: Ostasien-Geschwader

Weiß jemand von Euch, ob das tatsächlich auch für U-Boote zutraf?

Gruß,
Arnold

PS: Ich sehe gerade, dass ich in der Reichsmarine gelandet bin, vielleicht kann eingeneigter Moderator das zur Kaiserlichen Marine verschieben ? Danke

t-geronimo

Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Thomas

Hier gibt es dazu etwas mit Verweis auf Literatur:

"Der Kommandant der HMS Baralong, Lieutenant Commander Godfrey Herbert, erhielt die übliche Versenkungsprämie für ein U-Boot von 100 £."
http://de.wikipedia.org/wiki/Baralong-Zwischenfall

Ich meine, dass diese Versenkungsprämie auch in der Literatur zu dem Fryatt-Fall angesprochen worden ist.
http://www.firstworldwar.com/source/fryatt_germangovt1.htm

weers

Hallo Thomas,

Danke für diesen Hinweis. Wenn man das Wort "Kopfgeld" durch das weniger martialische "Versenkungsprämie" ersetzt, dürfte der Sachverhalt damit wohl besser beschrieben sein.

Beste Grüße,
Arnold

Leipzig

Hallo!

Soweit ich weiß, war es in der Royal Navy bis nach dem 1. Weltkrieg so, dass generell bei der Versenkung eines feindlichen Schiffes eine Geldprämie an die Besatzungen der beteiligten eigenen Schiffe gezahlt wurde. Ich habe z. B. gelesen, dass der Kommandant der alten "Canopus" nach der Falklandschlacht versucht hat, auch für sein Schiff einen Anteil an den Prämien für die Versenkung der deutschen Kreuzer durchzusetzen, allerdings vergeblich. Sicher galt das auch für die Versenkung von U-Booten.

Auf deutscher Seite hat man sich damals schon über diese Praxis moralisch ereifert, im  2. Weltkrieg gab es sie dann auch nicht mehr.

Viele Grüße
Leipzig

ufo

Ich denke der Term 'Kopfgeld' klingt ein wenig unfreundlich in diesem Zusammenhang.

Das ganze geht auf die Tradition des Prisengelds zurueck. Loehne in der Royal Navy waren im 18. und 19. Jahrhundert miserabel und es galt als normales und erwartetes Zusatzeinkommen, dass Crews Prisengeld fuer gekaperte feindliche Schiffe erhielten.

Mit dem Aufkommen gepanzerter Schiffe aenderten sich einige Parameter in der Gleichung. Man kaperte einfach nicht mehr. Gepanzerte Schiffe versanken normalerweise einfach. Auch hatten die Schiffe jetzt militaerische Geheimnisse an Bord. Alte Bronzekanonen konnte man spiken und fertig. Moderne Schnellfeuergeschuetze wollte man dem Feind gaenzlich vorenthalten. Also versenkte man jetzt sein Schiff nach verlorenem Kampf anstatt die Flagge zu streichen.

So buergerte sich im Ausgehenden 19. Jahrhundert die Praxis ein Prisengeld auch fuer Versenkungen auszuzahlen. Das war alles fein saeuberlich geregelt und ging so zwischen 80 Anteilen fuer den Kaeptn bis hin zu einem Teil fuer den Schiffsjungen.

Der Krieg wurde aber mit dem anbrechenden 20. Jahrhundert noch komplizierter. Jetzt versenkten Schiffe gemeinsam andere Schiffe und man konnte anders als noch vor Cap Trafalgar nicht mehr wirklich rauskriegen wer denn jetzt den toetlichen Schuss abgefeuert hatte.

Die Berechnungen fuer Versenkungsgelder nach der Skagerrakschlacht muessen fast so kompliziert gewesen sein wie die Berechnungen der Artilleriecomputer waerend der Schlacht selbst. Aber gemacht wurde das. Man listete sorgsam auf welches Schiff welchen Prozentsatz an welchem versenkten Gegnerschiff zugeteilt bekam. Mit Preussischer Gruendlichkeit – aehm – nein, mit Hannoveranischer Gruendlichkeit.

Auf eine Parlamentarische Anfrage aus dem Jahre 1922 warum der einfach Seemann so wenig Geld fuer die Skagerrakschlacht bekommen habe wurde folgende Berechnung vorgetragen:

Commander EYRES-MONSELL: Prize bounty is a special award under Section 42 of the Naval Prize Act, 1864, which is granted to the crews of His Majesty's ships present at the capture or destruction of enemy armed vessels. The award is fixed at £5 for each member of the crew of the enemy vessel taken or destroyed, and the claim has to be proved in the Prize Court. In the Battle of Jutland the enemy ships sunk carried 4,537 persons, and the award made was £22,685, which amount, after payment of the expenses of the claim, was distributed on the usual scale amongst the 61,654 officers and men present in His Majesty's ships. The share of an able seaman worked out at 5s. 1d., the smallness of the share being due to the very large number of persons among whom the award was divided.

Hier wird auch deutlich warum das in schlunziger Uebersetzung 'Kopfgeld' wird. Man nannte das im Britischen 'head money', weil man gefunden hatte, das die Anzahl gegnerischer Besatzung ein gutes Mass war fuer die Leistung bei der Versenkung eines Schiffes. Es gab also 5£ Prisengeld pro gegnerischem Besatzungsmitglied auf dem versenkten Schiff. In einer simplen Uebersetzung wird daraus das etwas unfreundlichere Deutsche Wort 'Kopfgeld'.


Im Jahre 1918 erst nahm man Abschied von dieser Tradition aus der Segelschiffszeit. Das hiess nicht, dass es keine Belohnungen mehr gab. Im Laufe eines Krieges wurde jetzt ein Naval Prize Fund aufgebaut aus dem jeder Gediente dann bei seiner Entlassung einen Anteil erhielt. Dismissalpapers von Leuten die im Zweiten Weltkrieg in der Royal Navy gedient haben, zeigen normalerweise auch wieviel Pounds, Schillings & Pence jemand an Prizemoney zugesprochen bekam. 

Prisengeld im Deutschen Sinne das Wortes wurde ab 1918 nur noch fuer gekaperte feindliche Schiffe gezahlt. So wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum Beispiel fuer U-Lemp (ich weiss die Nummer grad nicht) ausgezahlt. Jetzt aber auch entsprechend dem Monetaeren Wert des gegnerischen Fahrzeuges nicht mehr entsprechend der Anzahl der Besatzung. Das "Kopfgeld" hatte ausgedient.

Ufo

weers

Danke Ufo,

Diese präzise Antwort lässt wohl kaum noch Fragen offen. Außer vielleicht einer: Ist das eine vergleichsweise neue Erkenntnis oder ist das schon länger bekannt. ?

Danke und Gruß,
Arnold

kgvm

Offenbar ist das "Kopfgeld" aber schon eine ältere Einrichtung. Frank Adam, Hornblower, Bolitho & Co., Krieg unter Segeln in Roman und Geschichte, schreibt auf S. 177:
"Damit auch die Vernichtung eines feindlichen Kriegsschiffes belohnt wurde, waren dafür Kopf- und Kanonengelder vorgesehen, die allerdings zu gleichen Teilen an jedes Besatzungsmitglied ausgezahlt wurden." Dort (S. 176) findet sich auch eine Tabelle über die (1808 zugunsten der niedrigeren Ränge reformierte) Verteilung der Prisengelder.

Impressum & Datenschutzerklärung