Schornsteinfeger - was ist das?

Begonnen von Spökenkieker, 25 Februar 2009, 16:51:51

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Spökenkieker

Habe in einem Unterseeboots-KTB den Passus entdeckt "Abbau Schornsteinfeger". Was ist damit gemeint?

Reiner

Zitat Peter K. aus einem anderen Thread hier :

"ALBERICH", ein gummiähnlicher, gewaffelter Überzug, sollte die gegnerische Sonar- bzw. Asdic-Ortung minimieren, während
"SCHORNSTEINFEGER", ein ähnlicher Überzug aus reflexionsminderndem Material auf Kautschukbasis, die Ortung durch gegnerische Radargeräte auf den cm-Wellen verhindern sollte. Mit letzterem sollte allerdings nur der Schnorchelkopf der neuen Uboote (Typ XXI, etc.) überzogen werden, die ja sowieso nur noch unter Wasser fahren sollten.


Gruß
Reiner

Spökenkieker

Hallo, Reiner,

im Kriegstagebuch von U 390 finden sich die folgenden Einträge:

24.08.-06.10.1943; Gotenhafen, Deutsche Werke "Einbau Schornsteinfeger"
07.10.-16.11.1943; Neustadt/Holstein "Erprobungen"
17.11.-26.11.1943; Kiel, Howaldwerke "Abbau Schornsteinfeger"

Zu dieser Zeit diente das Boot laut Erich Stein als Versuchsboot. "Schornsteinfeger" wurde auf das Boot aufgetragen, das dann als "Scheinziel" für Flugzeuge fungierte. Dabei sollte eine Stealth-Eigenschaft erreicht werden, was aber mißlang. Einen Schnorchel hatte das Boot zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Könnte es sein, dass man auf den Schnorchel-Gedanken kam, nachdem sich der Überzug auf U 390 nicht bewährt hatte? Immerhin lassen die langen Ein- und Abbau-Zeiten den Schluss zu, dass grössere Flächen des Bootes beschichtet wurden -

Gruss,

Christian


Schorsch

Hallo Christian,

,,Schornsteinfeger" war zunächst die Deckbezeichnung für eine ganze Reihe von Materialien oder Maßnahmen, die durch absorbierende oder streuende Wirkung die Entdeckung von Ubooten mittels Radar erschweren oder gar unmöglich machen sollten. Man versuchte damit, ein ,,schwarzes", also nicht reflektierendes Uboot zu schaffen; mit Sicherheit ist hier die Erklärung für die Wahl des Decknamens zu suchen.

Eine Variante zur Umsetzung der angestrebten Ziele im Frequenzbereich oberhalb von 180 MHz (1,7 m Wellenlänge) war die Absorption der elektromagnetischen Wellen durch ein am Außenschiff angebrachtes Dipolgitter, in dem je zwei Dipole über 100 Ohm-Widerstände verbunden waren.
Eine zweite Variante nutzte ein schmal- bzw. breitbandiges Netzwerk aus 120 bzw. 377 Ohm-Widerständen, die in Lamba/4-Abständen in einer Schaumstoffschicht eingebettet worden waren (sogenanntes ,,Bachem-Netz" nach dem Verantwortlichem Dr. Bachem). Ein damit versehener Turm sah aus, als wäre er im Abstand von 40 cm zur Turmwand in ein grobmaschiges Gitter aus Hühnerdraht mit einer Maschenweite von 30 ..40 cm gehüllt worden. Die Reflexionsrate konnte teilweise bis auf 5 % im Vergleich zum ungeschützten Turm gesenkt werden. Allerdings war die Anbringung wenig seefest und die Wirkung beschränkte sich auf relativ schmale Frequenzbereiche (f +/- 15 %), stand also beim Aufwand in keinem Verhältnis zum erreichbaren Nutzen. Diese zweite Variante ist in F. Trenkle: ,,Die deutschen Funkstörverfahren bis 1945" fotographisch belegt und wurde laut E. Rössler: ,,Geschichte des deutschen Ubootbaus", Band 2, 1987, S. 324f. auf U 968 installiert. Das zuerst erwähnte Dipolgitter wurde auf U 708 Ende 1943/44 erprobt.

Gegen Radarstrahlung im cm-Bereich versuchte man, mit verschiedenen Absorptionsschichten (sogenannte ,,Sümpfe", z.B. Dielektrischer S., Leitwert-, Magnetischer S., Düppel- und Interferenz-), mit Streuschichten (blasen-, wellen- oder pyramidenförmige Oberflächen) und über ,,abweisende Tarnungen" (Verkleidung des Außenschiffes mit parabolisch geformten Metallnetzen oder Metallflächen, die sicherstellen sollten, dass keine Strahlung in Richtung des Empfängers gelangt) die Entdeckung der Uboote zu erschweren. Nach Rössler war U 390 Ende 1943 im Rahmen der Tests der Absorptionsschichten eingesetzt, an U 1277 wurden im Sommer 1944 ,,abweisende Tarnungen" in Form von parabolischen Blechen erprobt.

Der Interferenzsumpf mit dem charakteristischen Waffelmuster, der nach seinem Erfinder Professor Wesch auch als Wesch-Matte bezeichnet wurde, sollte später für die Tarnung kleinerer Bootsteile, die unbedingt über Wasser bleiben mussten (Schnorchelköpfe), zum ,,Schornsteinfeger"-Material im engeren Sinne werden. Diese Maßnahme konnte die Reflexionsrate im Wellenlängenbereich von 3 cm bis 20 cm auf durchschnittlich etwa 10 % reduzieren.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Indy


Andreas A

Hallo !

Mal wieder eine technische Frage (nehm ich an). Vom 24.08.1943 bis 06.10.1943 wurde, in Gotenhafen, auf U 390 "Schornsteinfeger" eingebaut. Kann mir bitte jemand erklären was dies war ?? Danke.

Gruß

Andreas

Ortwin


Andreas A

Hallo Ortwin!

Danke dir. Hab ich blank übersehen.

Gruß

Andreas

Schorsch

Hallo Andreas!

Guckst Du hier: --/>/> Klick!

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

wirbelwind

Hallo,

wie es scheint, war ,,Schornsteinfeger" nur bedingt hilfreich. Die Tests mit U 390 wurden ja 1943 abgebrochen. Da scheint ,,Alberich" erfolgreicher gewesen zu sein, wenn ich mal vom späteren Kautschubezug der Schnorchelköpfe absehe. Oder täusche ich mich da?

MfG Wirbelwind

Andreas A

Danke !

Hatte die Frage also schon mal gestellt. Langsam wird es ein bisschen zuviel. Bei der Masse an Infos, findet man sich selbst schon nicht mehr durch.  :BangHead:

Schorch: kann ich deine Erklärung auf meiner Seite verwenden ?

Danke

Andreas

t-geronimo

Ich habe jetzt alle drei Themen zum Thema Schornsteinfeger zusammengefasst.  :MG:
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Schorsch

Hallo Andreas!

Zitat von: Andreas A am 01 Juni 2023, 19:19:24
(...)
Schorsch: kann ich deine Erklärung auf meiner Seite verwenden ?
(...)
Okay, vielleicht in der Quellenangabe sogar mit einer Direktverlinkung auf diesen Thread hier im FMA?

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Schorsch

Hallo Wirbelwind!

Zitat von: wirbelwind am 01 Juni 2023, 16:37:03
(...)
wie es scheint, war ,,Schornsteinfeger" nur bedingt hilfreich. Die Tests mit U 390 wurden ja 1943 abgebrochen. Da scheint ,,Alberich" erfolgreicher gewesen zu sein, wenn ich mal vom späteren Kautschubezug der Schnorchelköpfe absehe. Oder täusche ich mich da?
(...)
Eine schwierig zu beantwortende Frage, da zum ersten das eine Verfahren gegen elektromagnetische Wellen wirksam werden sollte und das andere gegen Schallwellen. Zum zweiten, da Du nicht definiert hast, was Du als erfolgreich betrachtet haben möchtest. Zählt man z.B. mal durch, ob mehr Schnorchelköpfe mit Weschmatten gegen Radarortung beklebt wurden, oder ob es mehr Boote mit Alberich-Gummimatten gegen Sonarortung gab, ist die Weschmatte das erfolgreichere Verfahren.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

wirbelwind

Hallo Schorsch,
Deinen Hinweis, mich konkreter auszudrücken, was ich wissen will, habe ich aufgenommen. Es geht mir nicht um die Anzahl der verklebten Weschmatten bzw. ,,Alberich-Gummimatten". Da liegen die bezogenen Schnorchelköpfe, wie Du beschrieben hast, sicherlich vorn. Meine Frage zielt mehr auf die Effizienz ab. War es wirklich so, dass die über Wasser befindlichen bezogenen Schnorchelköpfe sehr schwer vom Gegner zu orten waren? Von den ,,Alberich U-Booten" gab es insgesamt 14, von denen
U 480 un U 1105 die wohl bekanntesten sind. U 480 versenkte immerhin im August 44 2 Kriegsschiffe und 2 Handelsschiffe, ehe es am 24.02.45 auf eine Mine lief. ,,Alberich" half wohl die Ortung unter Wasser zu erschweren aber gegen die Ortung aus der Luft half die ,,Tarnkappe" nichts. Daher sind die meisten zum Fronteinsatz gelangten ,,Alberich U-Boote" durch Flugzeuge versenkt worden. Stellt sich mir die Frage, ob besagte Boote ebenfalls bezogene Schnorchelköpfe besassen?
Mein Fazit: Es gab mehr U-Boote mit bezogenen Schnorchelköpfen als ,,Tarnkappen U-Boote". Das Verfahren, Schnorchelköpfe mit einer Weschmatte zu versehen, war natürlich einfacher zu bewerkstelligen, als den Rumpf von U-Booten mit 2 Gummimatten zu bekleben. Da spielte gegen Kriegsende auch das verfügbare Material eine Rolle.Von daher scheint es mir logisch, dass die U-Boot-Waffe auf die Weschmatte setzte, um den Booten einen gewissen Schutz vor der Ortung aus der Luft zu bieten. Nur funktionierte dies auch im gewünschtem Umfang?
MfG Wirbelwind

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