Haftstrafen für U-Boot-Kommandanten...

Begonnen von Besitzer, 08 Mai 2023, 12:30:18

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Besitzer

Seemannsgarn wird nicht geflochten,
sondern gesponnen! ;-))

wirbelwind

Hallo,
mich würde interessieren, welche U-Boot Kommandanten wegen Selbstversenkung zu Haftstrafen verurteilt wurden.
Bei den im selben Artikel erwähnten erschossenen Marineangehörigen könnte es sich um die Besatzungsmitglieder W. Albrecht, K.-H. Freudenthal sowie G. Kallander des Zerstörers ,,Paul Jacobi" handeln. Sie erhielten am 03.05.45 den Befehl, ihr Schiff zur Selbstversenkung vorzubereiten. der Befehl wurde widerrufen, weil die am 05.05.45 in Kraft getretene Teilkapitulation der Wehrmacht in Nordwestdeutschland vom 04.05.45 die Selbstversenkung verbot. Sie erlaubte jedoch weitere Rückholaktionen von Soldaten und Zivilisten im Ostseeraum, damit sie nicht in die Hände der Roten Armee fielen. deshalb erfolgte der Befehl zum auslaufen der ,,Paul Jacobi", was Albrecht, Freudenthal und Kallander durch Zerstörung von Schiffseinrichtungen zu verhindern versuchten. die Sache flog auf und das daraufhin zusammen getretene Bordgericht verurteilte die 3 wegen Zerstörung von Wehrmachtseigentum zum Tode durch Erschießen.  Konteradmiral B. Rogge als vorgesetzter Gerichtsherr bestätigte das Gerichtsurteil. Daraufhin wurden Albrecht, Freudenthal und Kallander auf dem Marineschiessstand in Flensburg erschossen.
Bei dem im Artikel erwähnten Marineangehörigen, der am 10.05.1945 erschossen wurde, handelt es sich wahrscheinlich um den Maschinengefreiten Johannes Süß, der bis zur Kriegsgerichtsverhandlung bereits 10x disziplinarisch belangt worden war. Am 07.05.45, also nach der Teilkapitulation kommentierte er einen Befehl gehässig, führte ihn aber aus. Am 09.05.45 verweigerte er einem Obermaat die Ehrenbezeigung und verließ den Raum in völlig unmilitärischer Haltung. All das veranlasste das daraufhin zusammen getretene Bordgericht ihn wegen Untergrabung der Manneszucht und tätlicher Bedrohung Vorgesetzter zum Tode zu verurteilen. Ein Gnadengesuch, in der er schilderte, dass 2 seiner Brüder gefallen, 2 weitere vermisst sind sowie seine hochschwangere frau auf seine Rückkehr wartet, vermochten Konteradmiral B. Rogge nicht umzustimmen. Er bestätigte das am 10.05.45 ergangene Todesurteil. Süß wurde daraufhin am 11.05.45 in Flensburg erschossen.
MfG Wirbelwind

bettika61

Zitat von: wirbelwind am 08 Mai 2023, 19:44:13

Bei dem im Artikel erwähnten Marineangehörigen, der am 10.05.1945 erschossen wurde, handelt es sich wahrscheinlich um den Maschinengefreiten Johannes Süß, ...
Hallo,
Nein , der NDR schrieb, auch schon falsch,
ZitatUnd noch am 10. Mai lässt ein Kapitän drei junge Kadetten in Mürwik bei Flensburg hinrichten, die versucht hatten zu desertieren... https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/kriegsende/Regenbogen-Befehl-U-Boot-Versenkung-in-der-Geltinger-Bucht,geltingerbucht106.html
Das waren Fritz Wehrmann, Alfred Gail und Martin Schilling, nicht in Mürwik sondern an Bord der Buéa in der Geltinger Bucht.
ZitatAm 8. Mai 1945 ließ Petersen nach der deutschen Kapitulation auf seinen Schiffen die Reichskriegsflagge einholen. Am Tag darauf trat an Bord der Buéa ein deutsches Kriegsgericht zusammen und verurteilte Fritz Wehrmann, Alfred Gail und Martin Schilling wegen Fahnenflucht zum Tode durch Erschießen.[3] Der vierte Matrose wurde zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Obwohl Petersen als Kommandeur und Kriegsgerichtsherr die Möglichkeit zur Begnadigung hatte, bestätigte er am 10. Mai 1945 die Todesurteile und ließ sie am Nachmittag des gleichen Tages, also am zweiten Tag nach der deutschen Kapitulation, auf dem Achterschiff der Buéa durch ein Erschießungskommando vollstrecken
https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Wehrmann_(Matrose)

Johann (nicht Johannes) Christian Süß
Zitatwurde am 11. Mai um 6:55 Uhr auf dem Schießstand Twedter Feld in Flensburg im Sonderbereich Mürwik hingerichtet und an Ort und Stelle verscharrt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Christian_S%C3%BC%C3%9F
Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

wirbelwind

Hallo,
danke bettika61 für die Namenskorrekturen der in meinen voran gegangenen Post erwähnten erschossenen Marineangehörigen.
Mich verwundert , wie viele Marineangehörige nach der erfolgten Teilkapitulation zum 05.05.45 vor den Briten in Nordwestdeutschland bzw. nach der Gesamtkapitulation am 08.05.45 noch hingerichtet wurden. Zumindest bei der Teilkapitulation gab es ein Dekret, nach dem Urteile von dt. Kriegsgerichten mit einem Strafmaß höher als 2 Jahren den britischen zuständigen Stellen zur Bestätigung vorzulegen waren. In meinen geschilderten Falle betreffs der hingerichteten 3 Besatzungsmitglieder der ,,Paul Jacobi" konnte Eichenlaubträger B. Rogge .dem Gericht in Flensburg glaubhaft machen, dieses nicht gekannt zu haben als er die Todesurteile bestätigte. Es kam zu keiner Verurteilung.
Ob dieses Dekret noch über die Gesamtkapitulation hinaus galt, ist mir nicht bekannt. Jedenfalls war am 10.05.45 bzw.11.05.1945 der 2. Weltkrieg in Deutschland zu Ende.
Auch Petersen wurde wegen der Bestätigung der Todesurteile nicht verurteilt.
Rogge trat im Juni 1957 als Konteradmiral  in die Bundesmarine ein. März 1962 schied er im gleichen Dienstrang aus.
MfG Wirbelwind

Urs Heßling

moin,

Zitat von: wirbelwind am 10 Mai 2023, 13:14:39
Auch Petersen wurde wegen der Bestätigung der Todesurteile nicht verurteilt.
Das ist so nicht korrekt oder zumindest vereinfacht und unvollständig.

Petersen wurde nach mehrfacher Untersuchungshaft am 4. Juni 1948 vom Schwurgericht des Landgerichts Hamburg vom Verbrechen gegen die Menschlichkeit "mangels Tatverdacht" freigesprochen. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Einspruch ein.

In einer zweiten Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht des Landgerichts Hamburg wurde Petersen wegen eines "unerträglichen Mißverhältnisses zwischen Tat und Strafe" am 4. August 1949 zu zwei Jahren Gefängnis, die anderen Angehörigen des Kriegsgerichts zu anderen Strafen verurteilt.
Dagegen legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Angeklagten Einspruch ein.

Die Revisionsverhandlung beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe fand erst im Mai 1952 statt.

In der 3. Hauptverhandlung beim Schwurgericht des Landgerichts Hamburg bekannte sich Petersen zu alleiniger Verantwortung und Schuld, was sonst kaum ein anderer Angeklagter in ähnlicher Situation getan hatte. Das Gericht stellte fest "Er hat eine falsche Entscheidung getroffen, Rechtsbeugung und Totschlag hat er nicht begangen" und sprach ihn am 27. Februar 1953 endgültig frei.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

wirbelwind

Hallo Urs,
danke, dass Du die ganze Geschichte um Petersen nochmals aufgedröselt hast. Im Ergebnis bleibt es dabei, dass er nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes frei gesprochen wurde. Interessieren würde mich schon, ob damals am 10.05.45 das britische Dekret zur deutschen Kriegsgerichtsbarkeit noch galt.
MfG Wirbelwind

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