Kamikaze

Begonnen von ufo, 16 November 2005, 17:14:11

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ufo

Mal so ein interessantes Fitzelchen Information über das ich stolperte:

Häufig liesst man der Einsatz der Kamikaze habe die Allierten schrecklich überrascht und bestürzt. Das sei ja eine so ganz andere Mentalität gewesen. Wer habe damit je rechnen können?! Sehr schrecklich! Sehr seltsam!

Dabei hat offensichtlich jemand die Idee durchaus schon vorher gehabt.

Im Journal des "Royal United Services Institute for Defence Studies" von 1931 finded sich ein Artikel unter dem Namen 'The Potentialities of Aircraft in Naval Warfare'.
Nun würde man, den Geist der Zeit bedenkend, vermuten, dass der Autor sich mit der Zielerfassung und Feuerleitung durch Flugzeuge beschäftigt oder mit den Gefahren von Bombenangriffen auf Schlachtschiffe.

Macht er auch. Er gibt zu bedenken, dass eine glücklich geworfene Bombe und vorteilhaften Umständen schon einen beachtlichen Schaden auf einem Schiff anrichten könne. Den Amerikanern so schreibt er, sei das wohl auch klar.
In leicht ironischem Tone merkt er dann an, dass man bei der Britischen Admiralität wohl eher der Ansicht sei, dass ein Flugzeug nicht wirklich eine Gefahr für ein Schlachtschiff sein könne. Ob die Japaner das wohl auch so sehen würden, fragt er.
Er fährt fort:

"Die Japanische Kriegsleitung mag der Ansicht sein, dass ein mit Sprengstoff beladenes Flugzeug, welches einen Geschützturm oder den Leitstand des gegnerischen Schlachtschiffes trifft, ein Vielfaches seines Wertes an Schaden verursachen könne. Und wenn es fünfundzwanzig oder dreissig Japanische Piloten braucht um solch einen Angriff durchzuführen, so kann kein Zweifel sein, dass die auch gefunden werden. Niemand der einmal einen Übungsanflug eines Jagsflugzeuges auf ein Schiff gesehen hat, wird nicht bemerkt haben wieviel einfacher und gefährlicher es für alle Beteiligten wäre, wenn das Flugzeug einfach ins Schiff flöge anstatt gerade noch davonzukommen."

Er fährt dann über zwei Seiten fort anzukreiden, dass man bei der Admiralität lieber Zahlenspielchen durchführe, um zu beweisen, dass ein Flugzeug gegen das Abwehrfeuer einer Schlachtreihe schlicht und ergreifend nicht durchbrechen könne. Dabei würde man hartnäckig die Vielfalt der Möglichkeiten übersehen, die Flugzeuge gegen Schiffe hätten – bis hin eben zum Kamikazeangriff.


Ja – alles in allem kein überaus ungewöhnlicher Artikel. Ein typisches Stück Zeitgeschichte aus den frühen Dreissigern des letzten Jahrhunderts. Die ganz typische Unsichterheit darüber welche Rolle das Flugzeug im Seekrieg wohl mal spielen wird; die Unzufriedenheit mit den langsamen Änderungen und Anpassungen der offiziellen Militärdoktrinen ... alles schon anderswo gelesen.

Aber dass der Autor 1931 den Kamikazeangriff so nonchalant als eine naheliegende Japanische Form der Kriegssführung gegen Seeschiffe anführt, das überrascht schon!
Dreizehn Jahre vor dem ersten Kamikazeangriff auf ein US Kriegsschiff!

Ich frage mich, ob der Autor noch erlebt hat, wie seine Prognosen Wirklichkeit geworden sind.

Ufo

harold

Sehr interessant!

Wie immer, Ufo, du sorgst für neue Denkansätze...

Wenn ich mich recht erinnere, kenn ich da noch ein Foto (Midway?), wo auf der achteren Turmgruppe eines japanischen schweren Kreuzers (Mikuma?) die Trümmer eines amerikanischen Fliegers zu sehen sind, der sich (allerdings hoffnungslos lahmgeschossen) da draufgestürzt haben soll;
meine (vage) erinnerliche Quelle Piekalkiewicz, Krieg zur See (nicht grad dás, was man unter Gentlemen als Quelle nennt, aber mei...)

Hab das Büchl natürlich längst nicht mehr, aber vielleicht kennt jemand da noch ein paar Hintergründe dazu.
Ciao, Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

t-geronimo

Hab auch nur, dass die Maschine vorher auf alle Fälle schon brannte.

Ob das nun noch ein gezielter Treffer war oder einfach der Zufall bei der angeschossenen Maschine in der Hand gehabt hat (war schließlich ein Stuka), könnte wohl nur noch Captain Flemming, der Pilot, selber sagen, denke ich mal.
Vorstellbar wäre für mich beides.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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