Radargelenktes Feuer deutscher Kriegsschiffe im WWII

Begonnen von Matrose71, 09 August 2014, 17:08:26

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Leopard2A6EX

Ok - ich danke dir Gabler!

Da käme mir dann noch die Spezialisierung "SeeArt" in den Sinn - welche bei Kroge eher beiläufig erwähnt wird. Trenkle wird da mM auch nicht so ganz konkret - verortet die SeeArt's aber eher spät in den Krieg und auf Kleinserien und Prototypen für Küstenbatterien beschränkt.

In irgendeinem KM-Dokument habe ich gelesen, dass Seetakt zu Seeart wird, sobald Peilzusatz verbaut. Wenn ich nur wüsste in welchem - in meinem Sammelsurium.. So wie ich zB den AVKS700-Bericht verstehe, kann man dort durchaus von einem SeeArt-Upgrade sprechen.

Allerdings ist der schon vorher verwendete Begriff "Artillerie- oder Schießgerät" wohl auch nicht eindeutig - deutet wohl nur auf die unterstütztende Messung der Entfernung hin. Auch die RN bezeichnete ihre 284er Serie von Anfang an als "Gunnery Radar" - lange bevor sie die nötige Feinpeilung dafür hatte 🤔

fsimon

Vielen Dank Gabler,
das sind immer sehr gute Infos von Dir.
Ich bin leider noch etwas verwirrt bezüglich der Anzeigegeräte.
Kannst Du uns noch eine Übersicht geben, welche Anzeigen jeweils zur Verfügung standen.
Ich verstehe noch nicht, was mit Messbereich gemeint ist.
75km ergeben sich aus der Pulswiederholrate von 2000Hz oder genauer gesagt aus dem Abstand zwischen den Pulsen und der Lichtgeschwindigkeit (Umlaufzeit). 500Hz entsprechen einer Umlaufzeit für 300km.. Hatte Graf Spee eine andere Pulswiederholrate um auf einen Messbereich von nur 40km (das entspräche einer Pulswiederholrate von 3750Hz) zu kommen, oder war die Messkette anders restriktiert.
Die Anzeigen der FMG 39 hatten also 75km und 1km?
Die Anzeigen der FMG 40 hatten dann also 200km, 75km, 40km, 25km und 1km?
Kannst du das bitte einmal aufschlüsseln.
Beste Grüsse
Frank


Gabler

Hallo @Leopard

Bismarck hatte drei FuMG 39-Geräte (FuMO 23) erhalten, aber da sich die Einsatzbereitschaft bis ins Frühjahr 1941 hinzog, wurden die Geräte zumindest teilweise noch vor dem ersten (und letzten) Einsatz schon modernisiert. Nach dem AVKS-Bericht wurde nicht nur die Meßkette über ein geändertes Übersetzungsgetriebe an einen E-Geber und dann an den Schußwertrechner angeschlossen, sondern auch das neu hinzugekommene P-Gerät über einen Peilgeber, so daß das Gerät als Zielgeber fungierte und die Schusswerte allein vom FuMO automatisch eingespeist wurden. Daher wurde zumindest das EM-II-Gerät auf dem Vormars als ,,voll brauchbares artilleristisches Meßgerät" beurteilt.

Der Begriff ,,Seeart" wurde dabei aber nicht verwendet, weil das FuMG eben als Seetakt und nicht explizit als Seeart-Gerät konzipiert und entworfen wurde und eigentlich auch als ungeeignet betrachtet wurde und zwar genau wegen der zu geringen Peilgenauigkeit von 0,5° mit der Seetaktantenne. Diese reichte wohl für die Torpedowaffe, nicht jedoch für die Artillerie. Erst die Ergänzung der Gema-Geräte mit Feinpeil UND den breiteren Calais- oder Seeart-Antennen machte die Gema-Geräte als seeartilleristische Geräte voll tauglich. Das war aber erst ab Ende 1943, Anfang 1944 der Fall.

Wie Du schon schreibst, hatten die Engländer da weniger Skrupel und ihre 284 bzw. 285-Geräte als Feuerleitgeräte eingesetzt, obwohl diese noch ungenauer waren als die Gema-Geräte. Vielleicht hast Du ja Zeit und Lust, Dir das 284 nochmals genauer anzusehen: Falls ich das richtig verstanden habe, gab es eine Art Plotter, auf dem die Echos aufgezeichnet wurden und die Entfernung wurde auf einer Art Millimeterpapier abgelesen? Darüber gestolpert bin ich, weil es hieß, die ,,Genauigkeit" hätte sich von 240 auf 120 Yards verbessert allein durch die Verwendung einer anderen Vorlage mit kleineren Teilung?

Wenn das so wäre, dann handelt es sich bei den Angaben zum 284-Gerät NUR um die Anzeigegenauigkeit, nicht jedoch um die tatsächliche Meßgenauigkeit. Dementsprechend wären die Werte mit denen des Gema-Geräts überhaupt nicht vergleichbar, weil die Teilung praktisch willkürlich erfolgte, wie weiter oben bereits ausgeführt. Offen gestanden würde mir das sehr in den Kram passen, aber sicher bin ich mir nicht.

Hallo @FSimon

Ich versuche es mal in kurz 😊:
Die maximale Umlaufentfernung ergibt sich aus der Takfrequenz, das sind bei 2000Hz 75km, bei 1000Hz 150km und bei 500Hz 300km, um mal alle Takt- oder Tastfrequenzen der Gema-Geräte zu nennen. Da liegst Du komplett richtig.

Die maximale Meßentfernung ist hingegen das, woraufhin die Anzeige der Meßgeräte konzipiert ist. So sind auf dem 10cm-Bildschirm eben nur 40km linear darstellbar, auf dem OB-Gerät wurde der Meßbereich sogar auf nur 25km beschränkt.

Bei der FuMG 39-Meßkette entsprach die maximale Meßentfernung mit 75km noch der maximalen Umlaufentfernung, während beim FuMG 40 die Meßkette sogar ,,nur" auf 200km ausgelegt war, obwohl die maximale Umlaufentfernung 300km betrug. Die Meßkette des FuMG 40 hat also die physikalisch mögliche Grenze gar nicht ganz ausgenutzt, und zwar aus recht praktikablem Grund: Kein Ziel wurde auf 300km Entfernung erfasst und auch nicht auf 200km (wir sprechen von den Bordgeräten!).

Diese Umlaufentfernung ist also die technische Obergrenze. Für die Messung spielte sie aber keine Rolle. Da kam es auf die Anzeige- bzw. Meßbereiche der Anzeigegeräte an. Diese wurden bei den Gema-Geräten auf zwei unterschiedliche Weisen realisiert:

1. Die direkte Entfernungsablesung an der Röhre, bei der die Entfernung des Echozeichens einfach anhand einer vor der Röhre angebrachten Skala abgelesen werden konnte (Bilder in diesem Thread sind oben zu sehen)

2. Die indirekte Entfernungsmessung mit dem O-Gerät, bei der das Echo zwar auch in einem ,,A-Scope", also einer horizontalen Zeitlinie angezeigt wurde, aber auf der Röhre gab es ,,nur" eine feste vertikale Meßlinie, auf die das Zielzeichen mithilfe der Meßkette zur Deckung gebracht wurde. Die Entfernung konnte dann – indirekt – über die zwei oder dreiteilige Instrumentenanzeige abgelesen werden. Auch hiervon gibt es Prinzipdarstellungen weiter oben.

Der Unterschied besteht in der wesentlich höheren Genauigkeit der indirekten Messung über die Meßkette, weswegen diese für die Feuerleitung konzipiert wurde, erstere Anzeige hingegen ab dem FuMG 40 für taktische Übersichtszwecke.

Die allererste (funkionierende) Meßkette von 1935 hatte noch einen Meßbereich von 20km entsprechend der angezeigten Entfernung im Meßrohr, und zwar dargestellt in zwei über ein Übersetzungsgetriebe verbundene Rundinstrumenten von einmal 0-20km (Anzeige grob) sowie von 0-1km (Anzeige fein). 1936 wurde der Meßbereich erhöht auf 40 bzw. schon 60km ( getrennt nach Dete-I bzw. Dete-II) und 1939 schließlich auf 75km (Seetakt) bzw. 150km (Flum).

Auf Spee (FuMG 38) lag der Meßbereich der Kette noch bei den schon genannten 40km, bei den FuMG 39 bzw. FuMO 21-23 hingegen schon bei 75km. Bei den Seriengeräten FuMG 40 bzw. FuMO 24-27 wurde eine 200km-Meßkette verwandt, einfach als Gleichteil mit den Flum-/Freya-Geräten. ABER:

Die auf der OB-Röhre linear darstellbare und damit auch einmeßbare Entfernung lag bei all diesen Geräten einheitlich bei 25km, weil dies als maximale Schußentfernung für ausreichend erachtet wurde. Das ganze zum Abschluß jetzt noch stichwortartig zur besseren Übersicht:

Dete I (FuMG 38) auf Spee: Meßkette 40km (0-1, 0-40). Meßbereich OB-Rohr 25km.

FuMG 39 (FuMO21-23): Meßkette 75km (0-1, 0-75) Meßbereich OB-Rohr 25km.

FuMG 40 (FuMO 24-27): Meßkette 200km (0-1, 0-10, 0-200) Meßbereich OB-Rohr 25km.
    zzgl. NB Rohr Meßbereich 0-40km (taktisch)


Erst letzteres also ein kombiniertes Gerät entweder zur Feuerleitung oder als taktisches Gerät ausgelegt. Tatsächlich wurden auch die Vorgänger schon taktisch genutzt, das aber nur mit dem OB-Gerät bis 25km.

Allerdings gab es bis zum FuMG 39 bei der Meßkette nur ein Drehrad -fein-, bei dem eine Umdrehung einer Verschiebung der Anzeige um einen Kilometer entsprach. Da man den Nullpunkt regelmäßig justieren mußte, wurde die Kette ständig auf Null gestellt und man mußte auf das Zielzeichen, das ja in aller Regel auf größere Entfernung erschien, ständig hochkurbeln. also bei sagen wir 15km Entfernung das Meßrad 15 mal drehen. Das war sehr mühsam und deswegen wurde ab der 200km-Meßkette auch ein zweites Meßrad – grob – eingebaut, bei dem man mit einer Umdrehung das Zeichen um 10km verschieben konnte und mit dem Meßrad -fein- eben die Feinmessung vornahm.

Bei der direkten Entfernungsmessung über das NB-Rohr ab FuMG 40 ging das aber trotzdem viel schneller und einfacher. Hierfür war eigentlich ein dritter Mann für die Entfernungsmessung -grob- vorgesehen. Bei den Drehständen für den Landeinsatz wurde das wohl so gehandhabt (es gibt an den Innenseiten der Türen drei Kleiderhaken und drei Gewehrständer 😊) aber es hieß ja allenthalben, daß vor allem in den kombinierten Hauben kaum Platz für drei Leute wäre, der AVKS-Mann hielt den Entfernungsmann - grob - bei Bismarck sogar für entbehrlich. Die Gema hat daraufhin diese 40km-Übersichtsanzeige auch an dem PB-Rohr des Feinpeilzusatzes angeschlossen, die Rohre waren ohnehin alle Bistrahlsysteme. Damit konnte die Übersicht -grob- bis 40km vom zweiten FuMO-Bediener, dem ,,Funkpeilgehilfen" übernommen und auf den dritten Mann tatsächlich verzichtet werden. So erklärt sich der komplizierte Aufbau des Geräts.

Grüße und  :BangHead:

Gabler

Leopard2A6EX

Hallo Gabler - danke für deine Antworten an uns beide Franks. Daraus habe ich mehr gelernt, als aus all den Büchern und Dokumenten zuvor (welche man auch erstmal verstehen muss).

Zu Absatz 1 + 2: "voll brauchbares artilleristisches Messgerät" - "..nicht jedoch für die Artillerie (0,5°)". So richtig passt das für mich noch nicht zusammen - kannst du das noch ein wenig aufdröseln?

Bzgl der Schießwerte: ich glaube Peter K. hatte hier doch die frühen Prototyp-Geräte auf diversen Einheiten eingestellt und auch dazu geschrieben, dass wohl Schießversuche stattfanden - allerdings mit Maximumpeilung und daher bis max 8km glaube ich. Nun wären da 0,5° schon ein gewaltiger Fortschritt und sollten es etwas weiter bringen?

Bzgl des 284 wälze ich noch mal mein englisches Radarbuch. Glaube die fingen auch bei 0,5° an und wurden 1942/43 dann entscheidend verbessert. Ich versuche in dem englischen Fachgesimpel da nochmal etwas Klarheit zu bekommen in Sachen Details.

Viele Grüße Frank

fsimon

#724
Vielen lieben Dank, Gabler, dass Du Dir so geduldig die Zeit nimmst, uns das zu erklären.
Das erste Type 284 wurde mit 0,75-1° Peilgenauigkeit angegeben ohne Lobe-Switching.
Das Type 284M hatte dann Lobe-Switching und eine Peilgenauigkeit damit dann von 5-10 Bogenminuten, also 0,08-0,16°. Das ist deutlich genauer als 0,5° mit Radattelpeilung und 2-3° ohne Radattelpeilung.
Gruß
Frank

fsimon

#725
Hier das versprochene Feedback des Radar / EK-Experten zur Entfernungsmessung:
Das Sendesignal ist nicht kohärent, aber die Abstände der Pulse sind bei TS1 und TS6 deutlich konstanter als dies bei Funken-basierter Pulsgeneration a la Type 284P, Mark 3, Mark 8 oder TS60 möglich war. Eine Entfernungsmessung also präziser möglich. Für den 10km zoom ist eine Einstellung der Entfernung und folglich Messung auf 50m zu erwarten für geübte Operateure. Auf dem 1km Zoom vermutlich etwas besser. Die 36m für Type 284P und Mark3 und Mark 8 hält er für unrealistisch auf Grund der Ungenauigkeit der Funken-basierten Pulsgeneration.
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Leopard2A6EX

The Development of Radar Equipments for the RN 1935 - 45. F. A. Kingsley

Leider ein einziges Chaos - Daten zu jedem Gerät übers ganze Buch verstreut.

Reorganisation Radar Departement Okt 1942 - neues Aufgabenfeld Feuerleitung SA. 281 bisher mit beam switching +/-0,5°. Nicht ausreichend. 284 (21ft antenna) jetzt mit better than 5 min-of-arc bearing accuracy. Konnte ebenfalls zw. Maximum- und Minimumpeilung (beam switching) umgeschaltet werden. S51

Lateral beam switching 284 M3/P3 introduced.

Display 12" CRT mit 1000yard pips, 24000yard scale

Under M/P director trainer supplementary display of error in bearing as given by beam switching, train the director to minimize the error

Ranges by telephone to TS. M/P range automatically by panel 24 when operator pressed foot pedal (cut push)

S 369-371

Soweit die mir relevant erscheinenden Daten mit meinem dürftigen Englisch

Viele Grüße Frank

Gabler

Hallo Ihr zwei,

danke für die netten Antworten, es macht ja auch Spaß, den eigenen Kenntnisstand gemeinsam zu erweitern und sich auszutauschen. Zum Thema Artillerietauglichkeit Funkmess auf Bismarck:

Zitat von: Leopard2A6EX am 03 Februar 2025, 17:45:44Zu Absatz 1 + 2: "voll brauchbares artilleristisches Messgerät" - "..nicht jedoch für die Artillerie (0,5°)". So richtig passt das für mich noch nicht zusammen - kannst du das noch ein wenig aufdröseln?

Im Prinzip sind das zwei unterschiedlich Aspekte: Während das Gerät in die Feuerleitanlage vollständig integriert und damit artilleriefähig ist, wird seine Zielgenauigkeit als zu gering beurteilt. Diese Beurteilung erfolgte ursprünglich von der Marine danach, daß die gleichen Werte wie bei den optischen Geräten erreicht werden sollten. Die Anforderungen habe ich jetzt nirgends explizit so formuliert gefunden, aber man kann herauslesen, daß eine Entfernungsgenauigkeit von +/- 25m und eine Peilgenauigkeit von +/- 1/16° gefordert waren.

Diese Werte wurden mit dem Vorführgerät im September 1935 erreicht, aber das war den Herren der Marine zu kompliziert, die Antennen zu groß und die Röhren mochten sie auch nicht. Daraufhin hat sich die Gema ,,offiziell" auf die Entfernungsmessung konzentriert, aber dennoch die Feinpeilung nebenher weiterentwickelt, so daß 5 Jahre später, im Dezember 1940, als die Marine dann doch Feinpeilung haben wollte, die Zusätze mit Minimumpeilung zur Verfügung standen. Nur mit den größeren Antennen wurde das noch immer nichts, denen wurde offenbar erst Ende 1943 zugestimmt, obwohl auch diese schon 1940 zur Verfügung standen und zumindest bei den Landanlagen auch verbaut wurden. Damit haben die Batterien an der Kanalküste offenbar erfolgreich die englische Schiffahrt attackiert.

Also war das wirklich zu wenig? Rein rechnerisch würde man mit einer Peilgenauigkeit von 0,5° ein gegnerisches Schlachtschiff mit 250m Länge selbst auf 20km Entfernung mit hoher Wahrscheinlichkeit noch treffen können, wenn es seine Breitseite zeigt, hingegen die britischen Zerstörer, die in der Nacht vom 26. auf den 27.05.41 Bismarck zu torpedieren versuchten, beim Anlaufen ihre Schmalseite zeigten, und das bedeutet gerade einmal etwa 10m Breite. Kein Wunder also, daß mit den o.g. Werten Bismarck es nicht geschafft hat, auch nur einen Treffer zu setzen, obwohl die Zerstörer sich bis auf 3000m angenähert hatten.

Allerdings haben die Zerstörer es ebenso wenig geschafft, auch nur einen Torpedo ins Ziel zu bringen, und das aus 3000m Entfernung gegen ein 250m langes und manövrierunfähiges Schiff und zwar von abends um 11 Uhr bis morgens um 7 Uhr, was jetzt auch keine Heldentat war. Während Müllenheim-Rechberg dies dem radargelenkten Abwehrfeuer der Bismarck zuspricht, fand er selbst später heraus, daß die Zerstörer die ganze Nacht über stets falsche Zieldaten verwendet hatten: Die Fahrt wurde völlig überschätzt, Bismarck bewegte sich nur mit etwa 12 Meilen, während die Zerstörer von Höchstfahrt ausgingen. Kaum zu fassen, daß das 8 Stunden lang keiner von denen gemerkt und korrigiert hat, aber so ist das wohl im Krieg.

Zitat von: Leopard2A6EX am 03 Februar 2025, 17:45:44Bzgl der Schießwerte: ich glaube Peter K. hatte hier doch die frühen Prototyp-Geräte auf diversen Einheiten eingestellt und auch dazu geschrieben, dass wohl Schießversuche stattfanden - allerdings mit Maximumpeilung und daher bis max 8km glaube ich. Nun wären da 0,5° schon ein gewaltiger Fortschritt und sollten es etwas weiter bringen?

Das trifft auch so zu. Mit Maximum-Peilung wurde bei den Seetaktantennen nach Dr. Röhrl etwa 2-3° Genauigkeit erzielt (nach Gießler in der Praxis sogar noch geringer wegen der Lose der Drehkränze), da waren 0,5° mit Feinpeilzusatz schon ein großer Fortschritt. Daß die Genauigkeit sich über die Länge der ,,Basis", also letztlich über die Antennenbreite verbessern ließ (Calais 2-3/16°, SeeArt 1-2/16°) war ja schon lange bekannt, dem stand aber die Vorgabe des OKM über die maximale Antennenfläche im Weg.

Zitat von: fsimon am 03 Februar 2025, 20:38:52Das erste Type 284 wurde mit 0,75-1° Peilgenauigkeit angegeben ohne Lobe-Switching.
Das Type 284M hatte dann Lobe-Switching und eine Peilgenauigkeit damit dann von 5-10 Bogenminuten, also 0,08-0,16°. Das ist deutlich genauer als 0,5° mit Radattelpeilung und 2-3° ohne Radattelpeilung.

Die ,,Schweinetrog"-Antenne des 284-Radars war jedenfalls sehr flach und sehr breit, vielleicht kann man die Maße ja noch recherchieren und so erscheinen die Peilgenauigkeitswerte schon plausibel. Mir ging es aber um die Entfernungsgenauigkeit des 284-Geräts. Da habe ich Zweifel, ob die angegebenen Werte den tatsächlich erzielbaren entsprechen.

Die Aussagen des Radarexperten habe ich gerade gelesen: Zu Fragen der Hochfrequenztechnik kann ich nichts beitragen, aber einige Aussagen über die Entfernungsmessung stimmen so nicht. Weder gab es 50km- bzw. 10km-Anzeigen, auch wurde nicht erst grob dann fein gemessen.

Das Gema-Gerät war ein Multifunktionsgerät, das entweder für den taktischen Einsatz oder als Feuerleitgerät eingesetzt wurde und über zwei unterschiedliche Meßgeräte verfügte mit insgesamt drei verschiedenen E-Meßrohren, die im deutschen übrigens nach ihrem Erfinder Braunsche Röhren genannt werden. Je nach Zweck wurde entweder grob oder fein gemessen, das ging ggf. auch gleichzeitig und nicht erst das eine und dann das andere. Soweit mir bekannt, wurde der Verwendungszweck aber vor dem Einsatz befohlen und nicht erst im Gefecht.

Auch die Aussage über eine ,,Genauigkeit", er meint wohl die Ablesegenauigkeit von 100m bzw. 50m für einen ,,geübten" Bediener stimmt nicht. Die Feinanzeige war zwar nur in 0,1km-Schritten beschriftet, die Teilung erfolgte aber wie man sieht in 50m-Schritten, die man auch ohne weiteres ablesen konnte. Und wie weiter vorn schon erläutert, konnte ein geübter Funkmesser auch den Zwischenraum noch interpolieren, so daß ,,nominell" die Entfernung auch etwa in 10m-Schritten angegeben werden konnte, wobei dies, ich wiederhole mich, lediglich die Ablesegenauigkeit betrifft. Da ist noch überhaupt nichts über die Genauigkeit der wahren Entfernung ausgesagt. Und das ist genau das was ich vermisse.

Ich kann auch in einen Trabant einen Porsche-Tacho einbauen, der bis 360km/h reicht, aber der Trabbi fährt damit trotzdem nicht schneller. Genau so kann ich willkürlich x-beliebige Unterteilungen am Ziffernblatt eines Meßinstruments vornehmen, die Meßgenauigkeit wird dadurch nicht besser. Die Walzenanzeige der Meßkette erhielt ab ca. 1943 auch eine zweite Nachkommawalze, so daß theoretisch Entfernungen sogar bis auf +/- 5m genau abgelesen werden konnten, aber die Physik gab das schlicht nicht her. Und genau dasselbe unterstelle ich (bislang jedenfalls 😊) auch bei den angegebenen Genauigkeitswerten des englischen 50cm-Geräts. Deshalb habe ich nach dem Meßverfahren gefragt, weil ich mir die Herkunft der Zahlen nur als Werte der Anzeigegenauigkeit erklären kann. Dafür sprechen allein die Zahlenwerte an sich, die sich schlüssig aus den Anzeigebereichen der Röhre herleiten lassen.

Die tatsächlichen Genauigkeitswerte in dem Röhrl-Bericht wurden hingegen durch Vergleichsmessungen mit einem optischen Meßgerät ermittelt und nicht aus der Geometrie und den Skalen der Anzeigegeräte errechnet. Das ist der große Unterschied zwischen den Zahlen!

Wieder viel Text, aber ich hoffe, ich habe mich einigermaßen verständlich ausgedrückt und meine Überlegungen sind nachvollziehbar. Mit großer Spannung auf weitere interessante Diskussion

viele Grüße

Gabler


Urs Heßling

moin,

Zitat von: Gabler am 05 Februar 2025, 10:34:24hingegen die britischen Zerstörer, die in der Nacht vom 26. auf den 27.05.41 Bismarck zu torpedieren versuchten, beim Anlaufen ihre Schmalseite zeigten, und das bedeutet gerade einmal etwa 10m Breite. Kein Wunder also, daß mit den o.g. Werten Bismarck es nicht geschafft hat, auch nur einen Treffer zu setzen, obwohl die Zerstörer sich bis auf 3000m angenähert hatten.
gibt es da nicht einen Gegensatz in der "artilleristischen Weisheit", daß eine "Crossing the T"-Situation, also ein Bekämpfung aus Lage 0, als vorteilhaft angesehen wird, weil man die gesamte Länge des Gegnerschiffs als "Zieltiefe" hat ?

Zitat von: Gabler am 05 Februar 2025, 10:34:24Allerdings haben die Zerstörer es ebenso wenig geschafft, auch nur einen Torpedo ins Ziel zu bringen, und das aus 3000m Entfernung gegen ein 250m langes und manövrierunfähiges Schiff und zwar von abends um 11 Uhr bis morgens um 7 Uhr, was jetzt auch keine Heldentat war. Während Müllenheim-Rechberg dies dem radargelenkten Abwehrfeuer der Bismarck zuspricht, fand er selbst später heraus, daß die Zerstörer die ganze Nacht über stets falsche Zieldaten verwendet hatten: Die Fahrt wurde völlig überschätzt, Bismarck bewegte sich nur mit etwa 12 Meilen, während die Zerstörer von Höchstfahrt ausgingen. Kaum zu fassen, daß das 8 Stunden lang keiner von denen gemerkt und korrigiert hat, aber so ist das wohl im Krieg.
sehr interessantes und wirklich erstaunliches Detail :TU:) , das kannte ich noch nicht

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Benjamin

Ich möchte mich an dieser Stelle für die fachliche Diskussion und die faszinierenden Informationen bedanken, die hier von den teilnehmenden Akteuren eingebracht werden. Als "Radar-Laie" lese ich hier unglaublich gerne mit und lerne viel.
If there's more than one possible outcome of a job or task, and one of those outcomes will result in disaster or an undesirable consequence, then somebody will do it that way.

Gabler

@Urs

Bismarck jedenfalls hat diese Taktik mangels Manövrierfähigkeit sicher nicht angewandt, die Zerstörer hingegen haben ihre Schmalseiten gezeigt, um die Trefferfläche zu minimieren. Ich weiß nicht, ob die ,,Crossing the T"-Taktik da noch zeitgemäß war.

Die Informationen stammen alle aus dem Müllenheim-Rechberg-Buch. Das habe ich bestimmt schon dreimal gelesen. Woher die Untergrenze von 30hm kommt, wird bei M-R nicht geschrieben, der untere Meßschatten des FuMOs war es jedenfalls nicht, der lag bei irgendwo zwischen 1000 und 1500m, also weit darunter. Ich nehme daher an, daß die Zerstörer eben auf diese Entfernung ihre Torpedos losgemacht und dann abgedreht haben, weil Ihnen das Abwehrfeuer der Bismarck zu gefährlich wurde. Demnach hat der radargesteuerte Beschuß schon seine Wirkung erzielt.

M-R berichtet auch, daß er das Geschehen zum einen wohl über ein Periskop an seinem achteren Leitstand mitverfolgen konnte und zumindest manchmal die Zerstörerschatten gesehen hat. Er hat auch die Zielansprache seines Scheffs, dem IAO Schneider, über Lautsprecher mithören können und kannte daher die Meßentfernungen des FuMOs.

Die falschen Zieldaten der Zerstörer hat er wohl noch gleich nach seiner Rettung an Bord des englischen Schiffs in Erfahrung gebracht.

Grüße

Leopard2A6EX

#731
Super - danke dir wieder Gabler! Nicht nur die Details gut erklärt - auch die weiteren Zusammenhänge nochmal veranschaulicht. Sowas hilft mir immer enorm! 💪

Edit: der Röhrl-Bericht auf den du dich beziehst - ist der Teil des Gema-Buchs oder ein gesondertes Dokument? Und wenn ja - könntest du mir den zukommen lassen? Würde mich natürlich erkenntlich zeigen!

Viele Grüße Frank

Thoddy

Zitatgibt es da nicht einen Gegensatz in der "artilleristischen Weisheit", daß eine "Crossing the T"-Situation, also ein Bekämpfung aus Lage 0, als vorteilhaft angesehen wird, weil man die gesamte Länge des Gegnerschiffs als "Zieltiefe" hat ?

Nicht die Zieltiefe sondern die Möglichkeit einer Feuerkonzentration auf die führenden Schiffe des "gecrossten" Gegners wird angestrebt.

Gleichzeitig können die hinteren Schiffe der "gecrossten" Flotte
teilweise nicht auf den Gegner schießen
1) aufgrund Reichweite
2) sich eigene Schiffe in der eigenen Sichtlinie auf den Gegner befinden
Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

t-geronimo

Ohne jetzt zu weit vom Thema abweichen zu wollen meint Urs glaube ich eher, dass Ziele von der Entfernung her schwerer zu treffen sind als von der Richtung.
Meine ich jedenfalls im Kopf zu haben.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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fsimon

#734
So, jetzt glaube ich die Anzeigen verstanden zu haben. Ich bitte um Mitprüfung, liebe Leute!
Habe gerade noch den 4km NB-fein nachgetragen. Noch eine Verständnisfrage: Die Entfernungsmessgenauigkeit wird mit 100m bei einmaliger Messung angegeben, mit 50m bei Mehrfachmessung. 25m wurden als Erfahrungswerte der Flotte angegeben, vermutlich nach Modifikation mit elektronischer Übertragung.
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