Vergleich der Rumpfformen der Panzerschiffe

Begonnen von Thor, 10 Februar 2023, 23:44:29

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Thor

Grüß Euch,

der Vorteil den das Militärarchiv durch die fortlaufende Digitalisierung seines Bestandes bietet, ist jener, dass man dadurch z. B. auch die Spantrisse der Panzerschiffe erhält und diese dann auch wunderschön vergleichen kann. Wie in einem früheren Thread (Verweis auf Schiffsformänderung bei den Panzerschiffen) bereits angerissen und durch Originaldokumente belegt, war die Kriegsmarine mit der Form der Deutschland (DE) nicht glücklich und hat dann bei Admiral Scheer (SC) und Admiral Graf Spee (GS) die Schiffsform optimiert, was in diesem Beitrag etwas näher untersucht werden soll.

Als Grundlage dienten die Spantrisse aus RM 25-6071 (DE), RM 25-9293 (SC) und RM 25-7253 (GS), die jeweils als Bild in ein Zeichenprogramm (AutoCAD) eingefügt und dann quasi nachgezeichnet wurden. Gegenüber der üblichen Längsausteilung von 1/20 habe ich auf Basis von Harold's calc-U eine solche von 1/16 genommen, um ggf. eine Weiterverwendung der Daten in der calc-U zu ermöglichen (wie schon einmal geschehen - Studie: Verlängertes Panzerschiff; wobei hier anzumerken ist, dass die Dateien mittlerweile überholt sind, da die Spantkoeffizienten für GS nicht stimmen).
Nachdem das Einscannen der Pläne, das Übertragen ins Zeichenprogramm sowie das anschließende Nachzeichnen der Linien inkl. der Interpolation der gewünschten Spanten einer gewissen Ungenauigkeit unterliegen, geben die dargestellten Werte lediglich eine Tendenz her, wobei die Unschärfe mit wenigen Prozenten  angenommen werden kann (dazu weiter unten mehr) - das erkennt man unter anderem daran, dass die Schiffsbreiten der Literatur nicht ganz mit denen der Liste übereinstimmen. Aus Gründen der inneren Kohärenz der Daten wird mit den "gezeichneten" Werten vorerst weitergearbeitet, sowie ein einheitlicher Tiefgang/Konstruktionstiefe von 5,78m für die Berechnungen herangezogen.

Die beiliegende Datei "underwater shapes" wurde untergliedert in die 3 Panzerschiffe; darunter befinden sich jeweils die Daten comp./Spantbezeichnung - frame/Spant - frame-area/Spantfläche - beam pp/Breite in der KWL - beam oa/Breite über Alles (im Unterwasserschiff) - frame-coeff pp/Spantkoeffizient bezogen auf Breite in KWL -frame-coeff oa/Spantkoeffizient bezogen auf Breite über Alles (wieder im Unterwasserschiff).
Als Vergleichsmöglichkeit werden in der darunterliegenden hellblau hinterlegten Zeile die maßgeblichen Daten aus Primärquellen angeführt, um die gemessenen Werte am Beispiel des Hauptspantes (main frame) verifizieren zu können.
Der zweite (untere) Abschnitt der Datei enthält eine Auswertung der zuvor erarbeiteten Daten, um die Fläche in der Wasserlinie (waterplane) und die Wasserverdrängung (volume) der Schiffe untereinander vergleichen zu können.

In den Dateien "frames" und "waterplane" werden rudimentäre Grafiken, welche die beschriebenen nachgezeichneten Spanten enthalten, gezeigt und die wesentlichen Abschnitte zueinander in Bezug gesetzt; dies gilt ebenso für die Schiffsform im Grundriss in der Konstruktionswasserlinie (waterplane).


Auswertung der Daten und Interpretation der Rekonstruktion:
Gemäß "underwater shapes" jeweils in den Spalten "beam oa" und "frame-coeff oa" betrachtet ist DE gegenüber SC und GS im Vorschiff wesentlich breiter, aber etwas feiner gebaut - das gilt ungefähr bis zum Spant A6, bis zu jenem weist die (global betrachtet) schlankere Deutschland gegenüber ihren Schwestern trotzdessen eine größere Breite auf.
Veranschaulicht wird das Ganze durch die Grafik in "waterplane", in welcher der Spant A6 ungefähr an jener Stelle liegt, wo die Kote für "Admiral Graf Spee" auf die Wasserlinie trifft.
Betrachtet man nun die untere Tabellenreihe in "underwater shapes" wird in den Kästchen die Wasserverdrängung vom Bug bis zum Spant A6 betrachtet, wobei für DE rd. 2.940m³, für SC rd. 2.749m³ sowie für GS rd. 2.757m³ berechnet werden. D. h., dass DE etwa 190m³ mehr Wasserverdrängung im unmittelbaren Vorschiff hatte als ihre beiden Nachfolgerinnen - setzt man das in Relation zum Volumen der gesamten vorderen Hälfte der Schiffe (= horizontaler Linie bei Spant A9) mit 6.409m³ (DE), 6.393m³ (SC) und 6.411m³ (GS), wird klar, dass das K-Amt hier reagiert hat.

Die Wasserverdrängung steigt von Schiff zu Schiff an, wobei das Mehrgewicht nicht durch Erhöhung des Tiefgangs bzw. der Konstruktionstiefe, sondern durch die Mehrbreite kompensiert wird.
Hierbei muss festgestellt werden, dass das hinzukommende Volumen in die hintere Hälfte des Schiffes gesteckt wurde und somit - auch im Hinblick auf die "verschobene" Wasserplanfläche nach achtern - der Schwerpunkt des Schiffes weiter zurück gelegt wurde.

Zudem wurde die Seitenhöhe von 12,40m (DE) auf 12,20m (SC & GS) verringert, sodass unter Berücksichtigung des gleichbleibenden Tiefgangs ein geringerer Freibord bewusst in Kauf genommen wurde - vgl. hierzu z. B. die Erfahrungen von GS zu Kriegsbeginn im Atlantik (Überbordwerfen der Landesegelanlage, u. Ä.) 
Die Auswertung der Spantkoeffizienten im Achterschiff bietet keine so großen Überraschungen wie jene im Vorschiff: lediglich zwischen Spant A12 und A14 wurde der Verlauf etwas feiner ausgeführt.


An dieser Stelle enden die Ausführungen, die anhand der zeichnerischen Rekonstruktion hergeleitet werden konnten und man sucht in der üblichen zur Verfügung stehenden Literatur (Breyer, Koop/Schmolke & Co) die entsprechenden Werte, um diese verifizieren zu können.
Leider sind dortselbst nicht alle relevanten Daten aufzufinden, sodass man sich hilfesuchend an Mitglieder des Forums wendet und diese in Peter (K.) und Marc (Herr Nilsson) findet – ich möchte mich an dieser Stelle coram publico nochmals ausdrücklich bei den beiden Herren für die tolle Unterstützung bedanken !

Nachstehend erfolgt also dann eine ,,Verschneidung" der o. a. Behauptungen anhand der Rekonstruktionsdaten mit den reellen Daten bezogen auf die maßgeblichen Kennzahlen sowie deren prozentuelle Abweichung zueinander:



Die Gegenüberstellung ergibt maximale Ungenauigkeiten von rd. 3% - wir bewegen uns also in einem akzeptablen Rahmen.

Oben wird behauptet, dass der Schwerpunkt von Schiff zu Schiff nach achtern verlegt wird => korrekte Aussage: DE +1,16m; SC -0,88m und GS -1,22m jeweils auf L/2 bezogen.
Man kann somit daraus den Rückschluss ziehen, dass die oben angeführte Behauptung, dass DE rd. 190 m³ mehr Wasserverdrängung im Vorschiff hatte als SC und GS, auch richtig ist.

Oben wird behauptet, dass bei SC und GS ein geringerer Freibord vorliegen muss => korrekte Aussage: DE hatte 6,63m Freibord; die Schwesterschiffe eine von 6,43m (diese Werte sind in der Tabelle nicht angeführt).


Ich hoffe, dass ich Euch damit nicht allzuviel gelangweilt habe und es für den Einen oder Anderen einen gewissen Mehrwert hat - für mich war die Ausarbeitung jedenfalls sehr aufschlussreich  :wink:

Gruß
David



Anhänge:
- frames - Spantrisse .... als jpg und pdf, wobei die Qualität im pdf höher ist
- waterplane - Wasserplan .... als jpg und pdf, wobei die Qualität im pdf höher ist
- underwater shapes  -  Datenauswertung der Rumpfformen
"Wooden ships with iron men beat iron ships with wooden men" - Zusammenfassung der Seeschlacht von Lissa (1866)

t-geronimo

Ich glaube, das hat länger als zwei halbe Stunden gedauert.  :-D

Ganz vielen Dank, auch wenn ich nicht alles in Gänze verstehe!  :TU:)
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

schiffbauer

Hallo Daviud,
danke für die interessante Untersuchung!
Ich hatte so etwas schon öfter vermutet und hier ist es bestätigt worden.
LG
Schiffbauer

juergenwaldmann

Diese Zeichnung zeigt den Spant von den Panzerschiffen .
Graf Spee war unter Wasser breiter .


Tester

Grüße in die Runde,
dies ist mein erster Beitrag hier im Forum. Deshalb kurz einige Anmerkungen zu meiner Person, bevor ich zum Thema komme. Mein Interesse gilt hauptsächlich der Schiffs-Technik - Schwerpunkt hier dann Panzerung und Unterwasserschutz. Als Mitglied des Gröner-Kreises sitze ich gerade bei der Überarbeitung der Panzerungs-Daten der Panzerschiffe. Auch diesbezüglich waren die 3 Schiffe unterschiedlich.
Zunächst einmal alle Achtung für die Vergleichsarbeit auf Basis der Spantenrisse. Ich bin auf die Unterschiedlichkeit der Unterwasserform durch Einsicht in die Rechnungshefte (BA-MA M/525[E]) gestoßen. Hier finden sich dann auch Angaben über die Schleppversuche, die zur Verbesserung der Linienführung durchgeführt wurden. Während bei Deutschland in der Grundform die 10.000 ts wirklich nahezu eingehalten wurde, war bei den Nachfolgeschiffen eindeutig der Trend zu einer Vergrößerung der Verdrängung gegeben. Bei der Antriebsanlage war zu diesem Zeitpunkt aber an eine Verstärkung nicht zu denken. Durch die Arbeit an der Formgebung des Unterwasserschiffs konnte nun erreicht werden, daß die Höchstfahrt an der Meile bei allen 3 Schiffen etwas über 28 kn lag.
Gruß
Tester

Thor

Grüß Euch,

Zitat von: t-geronimo am 10 Februar 2023, 23:50:21
Ganz vielen Dank, auch wenn ich nicht alles in Gänze verstehe!  :TU:)
Danke Thorsten; ja hat einige Zeit beansprucht - wenn's Fragen gibt: einfach stellen !

@ Wolfgang / Schiffbauer
Danke auch Dir !

@ Jürgen
Die ursprüngliche Zeichnung Deines Beitrags zeigt den Spantriss der Deutschland und ist von Koop/Schmolke.
Wenn Du Dir die Datei "frames" des Ausgangsposts ansiehst, erkennst Du Deinen "Einwurf" z. B. bei den Spanten A8 und A10 sehr gut.

@ Tester
Ich durfte bei einem Freiburg-Besuch vergangenen November einen Herren des Gröner-Kreises kennenlernen, der dasselbe Themengebiet bearbeitet. Nachdem ich nicht gerne mit vollständigen Klarnamen operiere, probiere ich es mit den Initialen: DT ?
Sollte dem so sein, freut und ehrt es mich sehr, dass mein Beitrag der Anlass zur Anmeldung im Forum gewesen ist.
(zum BAMA-Besuch: Ich war der "Jüngste" in der Runde und hatte meinen Platz im Lesesaal hinter Peter Sch. und neben Peter K.)
Eine Frage sei mir bitte erlaubt: der Akt "M/525 [E]" wird im Invenio nicht gefunden - darf man um etwas mehr Details (Aktbezeichnung) bitten ?

Gruß
David
"Wooden ships with iron men beat iron ships with wooden men" - Zusammenfassung der Seeschlacht von Lissa (1866)

Tester

Hallo David,
Volltreffer - die Vermutung ist richtig.
Das bewusste Dokument stammt aus dem sogenannten Ergänzungsbestand, daher das [E]. Ich habe vor fast 20 Jahren eine Erfassung dieses Bestandes durchgeführt. Eine Überführung in den regulären Bestand scheint immer noch auszustehen. Unter der angegebenen Signatur wird man das Dokument in Freiburg aber sicher anfordern können. Hier noch die volle Bezeichnung:
M/525[E] - Panzerschiff "Ers. Lothringen" ("Admiral Scheer") - Hauptheft DI 20 b
Gruß
Dieter

Peter K.

Im Gegensatz zu manch anderem Technikthread vergangener Tage empfinde ich David´s Beitrag nicht nur ordentlich belegt, akribisch bearbeitet, treffsicher interpretiert, verständlich präsentiert und insgesamt erhellend. Danke, dass du jede Menge Arbeit in dieses Projekt gesteckt hast und das Ergebnis mit uns teilst, David!

Die gezeigte Grafik namens ,,Spant Graf Spee" mit durchaus fehlerbehafteten Beschriftungen zeigt, wie David schon schrieb, DEUTSCHLAND. Das Original ist unter RM 25/15886 einsehbar, der vergleichbare Bauspantenriß von ADMIRAL GRAF SPEE unter RM 25/7253.

Herzlich Willkommen im Forum, Tester! ;-)
Schön, dass wir uns nun hier wieder treffen und DANKE für deine ersten, gehaltvollen Beiträge!
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Urs Heßling

moin, Dieter,

Zitat von: Tester am 11 Februar 2023, 16:03:22
Grüße in die Runde, dies ist mein erster Beitrag hier im Forum. Deshalb kurz einige Anmerkungen zu meiner Person, bevor ich zum Thema komme.
Willkommen an Bord :MG: und Danke für die sofortige Vorstellung :TU:)

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Peter K.

ZitatM/525[E] - Panzerschiff "Ers. Lothringen" ("Admiral Scheer") - Hauptheft DI 20 b

Auf dieses Hauptheft DI 20 b wird im Heft "Bauausführung" der ADMIRAL SCHEER (Heft DI 20 d) mit der jetzigen Signatur RM 6/504 Bezug genommen und legt nahe, dass es auch die Hefte DI 20 a und DI 20 c gegeben hat. Hat jemand dazu Informationen?
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

schiffbauer

Hallo Tester,
willkommen auch von mir! Wir arbeiten ja gemeinsam an der Neuauflage des Gröner Bd. 1.
Mein Kürzel da ist Bo.
LG
Schiffbauer

Tester

Grüße in die Runde
und zunächst einmal ein Dankeschön für den freundlichen Empfang.
Von diesen sehr interessanten Hauptheften befinden sich in dem Ergänzungsbestand M/...[E] über die Panzerschiffe nur folgende Titel:
Panzerschiff "Ers. Lothringen" ("Admiral Scheer") - Hauptheft DI 20 b
Panzerschiff "Ers. Braunschweig" ("Admiral Graf Spee") - Hauptheft DI 21 b
Panzerschiff "Admiral Graf Spee" - Heft: Bauausführung DI 21 d
Weiterhin gibt es noch Aufmaßbücher für den Schnürboden.
Gruß
Tester

Peter K.

Schönen Dank, jetzt ist mir alles klar!
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Thor

Grüß Euch,

@ Peter
Danke für das Lob und für die Unterstützung !


@ Dieter
Herzlich willkommen bei uns im Forum und danke für die interessant-klingenden Aktenbezeichnungen samt Klarstellungen !

Gruß
David

"Wooden ships with iron men beat iron ships with wooden men" - Zusammenfassung der Seeschlacht von Lissa (1866)

Impressum & Datenschutzerklärung