Wünschenswerte Geschwindigkeit für Handelsstörer

Begonnen von oldenburger67, 09 Dezember 2019, 16:44:47

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oldenburger67

Hallo maritimes Forum,

diesmal eine Frage hinsichtlich der Geschwindigkeit von Handelsstörkreuzern.
Bekanntlich erreichten die als Handelsstörer eingesetzen Panzerschiffe eine Geschwindigkeit von 28 bis 29 Knoten.
Demgegenüber erwähnt Breyer in seinen Werken einen sogenannten Kreuzer P, für den eine geplante maximale Geschwindigkeit von 35 Knoten genannt wird, ebenso wie die Entwürfe der OPQ Schlachtkreuzer.
Genannte Kreuzer P tauchen bereits im Z Plan auf, müssen also vor 1939 projektiert worden sein.
Es ist ja hier im Forum schon viel bezüglich der Entwicklung der Motorentechnik in der deutschen Kriegsmarine geschrieben worden.
Gleichwohl sind die leistungsstärksten Motoren erst im Kriege entwickelt worden.
Die Kombination von hoher Geschwindigkeit und möglichst großer Reichweite war zumindest in den späten 30er Jahren nur durch eine gemischte Anlage von Diesel und Dampfturbinen möglich gewesen, wie sie bei den Kreuzern der K Klasse Ende der 20er Jahre bereits erfolgreich praktiziert wurde.

In Hinblick auf den Entwurf eines Handelsstörkreuzers in der Größenordnung eines Panzerschiffes oder einer verbesserten Hipper Klasse als Handelsstörkreuzers muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die überwiegende Zahl der feindlichen Großkampfschiffe auch Kreuzer um die 32 Knoten laufen konnten. Um diesen also auszuweichen wäre somit eine Geschwindigkeit von über 32 Knoten anzustreben - Vielleicht sogar die bereits erwähnten 35 Knoten, dies trotz des in Betracht kommenden technisch notwendigen Aufwandes?

War der Einsatz der Panzerschiffe als Handelstörer vor diesem Hintergrund nicht sogar grob fahrlässig?
Mir ist durchaus bewusst, dass das Gefecht am La Plata aufgrund verschiedener Aspekte verloren ging, es stellt sich mir aber die Frage, wie wäre es verlaufen hätte die Graf Spee 32 oder eben 35 Knoten laufen können?

Mich würden Eure Ansichten dazu interessieren!

Ich verbleibe mit vorweihnachtlichen Grüßen

Thomas



ede144

Die Geschwindigkeit der Panzerschiffe war mit 28 kn zur Zeit ihres Entwurfs sehr hoch, es gab kaum Schiffe ( Hood, R&R) die ihnen an Kampfkraft und Geschwindigkeit gewachsen bzw. überlegen waren.
Der große Vorteil des Dieselantriebs lag aber in der ökonomischen Dauerhöchstgeschwindigkeit, das heißt sie konnten einem in ökonomischer Marschfahrt und kalten Kesseln fahrendem Kreuzer, einfach davon laufen. zusätzlich waren sie in der Lage kurzfristig die Geschwindigkeit sehr schnell zu erhöhen.
Diese ökonomische Geschwindigkeit erlaubte GS und SC zwischen den Angriffen große Fahrtstrecken zurück zulegen, so das man auf Allierter Seite zeitweise an mehrere Schiffe glaubte.
Es gab Pläne der KM die Geschwindigkeit der Panzerschiffe durch Veränderung der Rumpfgeometrie zu verbessern, so das sie auf 30 kn gekommen wären.

Der Einsatz der Schiffe war nicht grob fahrlässig sondern ein kalkuliertes Risiko. Auch die GS hätte erfolgreich zurückkehren können wenn sie das Gefecht nicht aktiv gesucht hätte.

Smutje Peter

Na ja ich meine die Deutschland Klasse war eigentlich recht gut für den Handelskrieg geeignet. Immerhin konnte Hood während der Münchner Krise 1938 dem Admiral Scheer nicht aufbleiben. Dabei war zu diesem Zeitpunkt Scheer das langsamste der 3 Panzerschiffe. Man kann auch die Geschwindigkeitsangaben von Turbinen-Fahrzeugen schlecht mit denen von Dieselschiffen vergleichen. Gerade Scheer hat ja später sehr erfolgreich gezeigt wie gut sich die Panzerschiffe bei taktisch richtigem Ansatz im Atlantik halten konnten.
Ein vergrößertes Panzerschiff mit 8 24-Zylinder V-Motoren wäre wohl kaum zu fassen gewesen. Ob diese Motoren aber bei entsprechender Förderung rechzeitig verfügbar gewesen wären, ist im Forum ja schon öfter diskutiert worden, und ist zumindest fraglich.
Ich persönlich bin kein Freund von gemischten Antrieben. Die Anlage von Kreuzer M war bereits zur Zeit ihrer Konzeption veraltet, und bessere Anlagen wären wohl möglich gewesen.
Gruß

Peter aus Nürnberg

Matrose71

#3
Hallo Oldenburger,

du gehst hier leider von einer Reihe falscher Annahmen aus.

ZitatGleichwohl sind die leistungsstärksten Motoren erst im Kriege entwickelt worden.
Das ist sio nicht richtig, die projektierten Motoren für die P-Klasse waren 12 x MAN MZ 9 65/95 mit jeweils 15000PSe und diese wurden "lange" vor dem Krieg entwickelt, hatten aber den Nachteil pro Stück 225t zu wiegen. Was kurz vor dem Krieg bzw. im Krieg entwickelt wurde waren die V12Z 32/44 (10000PSe bei ~60-70t) und V12Z 42/58 (15000 PSe bei ~130t).
Die projektierten Motoren der P-Klasse hätten alleine die MI auf ~4000t hochgeschraubt, was immerhin über 1000t mehr Gewicht war als die Anlage der Bismarck oder Tirpitz. Insoweit ist die P-Klase auch ein "sehr" großes Schiff mit viel Tonnage (20000ts) und nicht wesentlich kampfkräftiger als eeine Graf Spee.

ZitatDie Kombination von hoher Geschwindigkeit und möglichst großer Reichweite war zumindest in den späten 30er Jahren nur durch eine gemischte Anlage von Diesel und Dampfturbinen möglich gewesen, wie sie bei den Kreuzern der K Klasse Ende der 20er Jahre bereits erfolgreich praktiziert wurde.
Eben nicht, wie oben bereits beschrieben, allerdings unter Inkaufnahme einer "wesentlich" höheren Tonnage in Bezug auf Kampfkraft und Standfestigkeit im Vergleich zu turbinengetriebenen Schiffen.

ZitatIn Hinblick auf den Entwurf eines Handelsstörkreuzers in der Größenordnung eines Panzerschiffes oder einer verbesserten Hipper Klasse als Handelsstörkreuzers muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die überwiegende Zahl der feindlichen Großkampfschiffe auch Kreuzer um die 32 Knoten laufen konnten. Um diesen also auszuweichen wäre somit eine Geschwindigkeit von über 32 Knoten anzustreben - Vielleicht sogar die bereits erwähnten 35 Knoten, dies trotz des in Betracht kommenden technisch notwendigen Aufwandes?

Im Grunde genommen ist die Höchstgeschwindigkeit nicht maßgeblich entscheidend sondern eher die normale Ausdauergeschwindigkeit und hier waren dieselangetriebene Schiffe immens im Vorteil, auch die gebauten Panzerschiffe. Diese konnten 10000 Seemeilen mit 20kn zurücklegen was kein turbinengetriebens Schiff dieser Größenordnung auch nur Ansatzweise erreichen konnte, Schlachtschiffe inklusive, insoweit wird es immer nur bei einer direkten Sichtung/Begegnung wirklich gefährlich, ansonsten hängt ein dieselgetriebenes Kriegsschiff gegenerische Schiffe oder Kampfgruppen alleine mit seiner Marschgeschwindigkeit ab oder umfährt sie.

ZitatWar der Einsatz der Panzerschiffe als Handelstörer vor diesem Hintergrund nicht sogar grob fahrlässig?
Mir ist durchaus bewusst, dass das Gefecht am La Plata aufgrund verschiedener Aspekte verloren ging, es stellt sich mir aber die Frage, wie wäre es verlaufen hätte die Graf Spee 32 oder eben 35 Knoten laufen können?

Ich beantworte diese Frage mit einem klaren NEIN, da man beim Unternehmen von Admiral Scheer gesehen hat, das es wunderbar funktioniert, allerdings gehört dazu entweder vorausschauende Weitsicht oder gemachte Erfahrungen wie bei Graf Spee. Dem Verlust von Graf Spee sind eine Reihe von Fehlern oder nicht gemachten Erfahrungen vorausgegangen, die zumindestens dann bei der Unternehmung von Admiral Scheer auf seiten der KM abgestellt wurden.

1. Keine ausreichende Anzahl von Ersatzteilen an Board von Graf Spee, um eine Maschinenüberholung auf See durchzuführen.
Dies wurde beim Scheer Unternehmen grundsätzlich geändert, so dass Admiral Scheer mitten in ihrer Unternehmung einmal komplett ihre ganze Maschinenanlage überholen konnte und die vollen 6 Monate ihrer Unternehmung immer ihre Höchstgeschwindigkeit laufen konnte.

2. Die Enscheidung der KM und Langsdorff trotz einer sehr angeschlagenen Maschinenanlage (24-25kn), einen letzten Vorstoß nach Brasilien zu unternehmen, anstatt das Unternehmen zu beeenden und sich mit der angeschlagenen Maschinenanlage auf direktem Wege Richtung Heimat zu begeben.

3. Langsdorffs Entscheidung dem Gegner entgegen zu laufen, anstatt auf die ballistische Überlegenheit seiner Ari zu setzen und den Gegner aus überlegener Entfernung in Stücke zu schießen.

4. Ständige Kursänderungen während des Gefechtes auf Grund von "Torpedoangst" und somit eine deutliche Behinderung der eigenen Ari beim Wirkungsschießen, was eine direkte Folge aus Punkt 3 war.
Viele Grüße

Carsten

oldenburger67

Hallo,

ich bedanke mich schon einmal recht herzlich für Eure umfassenden Erörterungen.
Könnte ich das dann schon einmal so zusammenfassen, ein 30 kn Handelsstörer mit Dieselantrieb wäre also schon ausreichend?

mfg
Thomas

Smutje Peter

Also ich sags mal so:
Wenn Scheer mit 27,5 kn Höchst- und 26kn Dauergeschwindigkeit sehr erfolgreich war, hätte ein um ca. 10m verlängertes Panzerschiff mit gleichem Antrieb 1 1/2 kn mehr geschafft. Mit 70000 Ps(e) bzw 66000 WPs (8 14-Zylinder V-Motoren V7Zu42/58) hätte das Schiff sogar 30,5kn erreicht. Die Motoren hätten vom Raum und Gewichtsbedarf in das Schiff gepasst. Zumindet für die erste Kriegshälfte denke ich wäre das der optimale Handelsstörer gewesen.  Das Schiff hätte den britischen schweren Kreuzern weglaufen können.
Gruß

Peter aus Nürnberg

Smutje Peter

im Übrigen stimme ich Svens Ausführungen voll zu. Besonders was die taktischen Fehler der AGS betrifft. Für mich ist dem nichts mehr hinzuzufügen.
Gruß

Peter aus Nürnberg

Matrose71

Viele Grüße

Carsten

Smutje Peter

 :BangHead:

Sorry Carsten!!!

Also dann:
Den treffenden Ausführungen von Carsten ist meiner Meinung nach nichts mehr hinzzufügen!


Gruß

Peter aus Nürnberg

lafet944

Zitat von: ede144 am 09 Dezember 2019, 17:28:18
...
Auch die GS hätte erfolgreich zurückkehren können wenn sie das Gefecht nicht aktiv gesucht hätte.

Das nenne ich jetzt mal eine optimistische Einschätzung.
Die drei Briten hätten - alternativ zur Annahme des Gefechtes - als Fühlungshalter an GS bleiben können, damit wäre es eine Frage der Zeit gewesen, bis die Royal Navy genügend Kräfte auf dem Weg zur Deutschen Bucht zusammengezogen hätte.

Viele Grüße

Matrose71

Sorry,

aber wie lange glaubst wären die drei bei 20-22kn Marschfahrt denn drann geblieben? Länger als 24 Stunden bevor ihnen der Sprit ausgeht?
Harwoods einzige Chance war das Gefecht und AGS hatte eine sehr deutlich ballistisch überlegene Artillerie, insoweit wäre ein hinhaltendes Gefecht auf 20km mit voller Ausnutzung der wesentlich besseren Artillerieplattform AGS das richtige Mittel gewesen, um danach wieder in den Weiten des Atlantiks zu verschwinden, während Harwood alleine schon wegen den kurzen Beinen seiner Kreuzer nicht hätte folgen können.
Viele Grüße

Carsten

lafet944

Lass mich mal rechnen:

Reichweite Leander-Klasse mehr als 5500 sm bei 13 kn, mal geschätzt 4000 sm bei 20 kn
Angenommen, vor Montevideo sind die Tanks von Harwoods Kreuzern halb leer, komme ich auf 2000 sm, das macht dann vier Tage Verfolgung.
Exeter und Cumberland würden weitaus länger durchhalten.

Urs Heßling

moin,

Zitat von: lafet944 am 10 Dezember 2019, 16:08:37
Angenommen, vor Montevideo sind die Tanks von Harwoods Kreuzern halb leer,

dazu aus der Quelle http://www.naval-history.net/xDKWW2-3912-09DEC01.htm
folgende Information:

Friday, 8 December

.....

New Zealand light cruiser ACHILLES refuelled at Montevideo, left on the 9th for the Plate and joined sister ship AJAX on the 10th. The two then joined heavy cruiser EXETER on the 12th and the three took up patrol in the Plate estuary.

[Zitat Ende]

Da dürfte vom 9. bis 13.12. nicht allzuviel aus vollen Bunkern verbraucht worden sein.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Smutje Peter

Moin zusammen.

Also Archilles hatte wohl so um die 80% in den Bunkern.
Allerdings glaube ich nicht, dass sie 4000 sm bei 20 kn laufen konnten. Für 20 kn brauchen die mehr als 3 mal soviel Heizöl wie für 13 kn und legen dabei nur 1 1/2 mal soviel Strecke zurück. Also meiner Meinung nach sind 2500 bis 3000 sm bei 20 kn und vollen Bunkern realistischer. 
Gruß

Peter aus Nürnberg

Matrose71

Salve,

die genannten Werte von Smutje Peter sind absolut realistisch, mehr als 2000 sm mit 20kn und vollen Bunkern sind absolut nicht möglich, das gleiche gilt analog zu einer Exeter und Cumberland da diese keine höhere Reichweite hatten, kommen der Anmarsch und der Versuch eines Verfolgungsgefechts (Höchstgescheindigkeit) dazu. Bei über 30kn ist die Reichweite sogar nur bei 1200-1300sm. Da bleibt nicht viel zur Verfolgung eines Panzerschiffes, das permanent 20-25kn läuft und immer mal wieder 28cm Granaten nach einem wirft.

Wer das nicht glaubt kann sich ja gerne nochmal die Daten von Norfolk und Suffolk in der Dänemarkstraße anschauen, Norfolk hatte nahezu 100% volle Bunker, Suffolk war mit 85%-90% etwas schlechter drann, BS und PE wurden am 23. Mai um 19.22Uhr gesichtet und BS verlor ihr Ruder und somit "Geschwindigkeit" am 26. Mai um 21.30 Uhr, und lief den Briten entgegen, dort musste Suffolk schon die Verfolgung abbrechen und Norfolk konnte mit den letzten Resten ihres Sprits am nächsten Morgen am Gefecht teilnehmen. So viel zur Reichweite bei hoher Geschwindigkeit von englischen Kreuzern die zur Diskussion stehen.
Suffolk hat nicht mal 3 Tage durchgehalten.
Viele Grüße

Carsten

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