Deutsch-Britisches Flottenabkommen 1935 (mal anders)

Begonnen von Sven L., 15 November 2015, 17:51:34

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Sven L.

Hallo,

angeregt durch Peter K.'s Post
Zitat von: Peter K. am 30 April 2015, 23:14:31
....
Am 25.01.1935 waren umfangreiche britische Vorbereitungen für geplante britisch-französische Gespräche Anfang Februar 1935 abgeschlossen worden. In einem entsprechenden Papier wurde auch erwähnt, was man Deutschlands Marine künftig zugestehen wollte:
-) außer den 3 Panzerschiffen der Deutschland-Klasse zu je 10.000 t
-) noch 2 weitere Panzerschiffe zu 25.000 t
-) einen Flugzeugträger zu 22.000 t
-) keine Schweren Kreuzer
-) 7 Leichte Kreuzer mit 44.000 t, d.h. zu den bestehenden einen weiteren mit 8.000 t
-) außer den vorhandenen 12 Torpedobooten zu jeweils 800 t
-) 4 weitere Boote dieser Größe
-) 8 Zerstörer zu je 1.500 t
-) 1 Flottillenführer zu 1.850 t
-) Uboote mit einer Gesamttonnage von 5.000 t
Dazu wurde bemerkt, dass Frankreich im Juli 1934 diesen Zuwachs der deutschen Flotte gegenüber dem Versailler Vertrag (178.000 gegenüber 144.000 t) als zu groß erachtet hatte, sich dieser englischen Empfehlung aber nicht widersetzte!
...
kam bei mir die Frage auf, ob und wie solch ein Vorschlag auf deutscher Seite angekommen wäre, wenn zu diesem Zeitpunkt die Weimarer Repubik noch existent gewesen wäre.

Änderung damit die Frage deutlicher zu Lesen ist.

Deshalb meine Frage in die Runde, ob eine damalige Regierung, unter Berücksichtigung der Wünsche der Marineleitung, mit dem Vorschlag einverstanden gewesen wäre, oder ob versucht worden wäre bessere Konditionen durchzusetzen und wenn ja, welche?
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Solange man seinen Gegner nicht bezwungen hat, läuft man Gefahr, selbst bezwungen zu werden.
Clausewitz - Vom Kriege

bodrog

Eine hypothetische Regierung der Weimarer Republik 1935 hätte massive innenpolitische Probleme gehabt aufgrund der Folgewirkungen der Weltwirtschaftskrise. Da man beim Postkartenmaler ab 1933 und ab 1935 forciert auf Rüstungspolitik setzte, konnten die Arbeitslosenzahlen innerhalb kurzer Zeit signifikant gesenkt werden. Ohne massive Rüstung wäre das nicht gegangen! Also hat eine Weimarer Regierung 1935 eine sehr hohe Zahl an Arbeitslosen zu verkraften und mir ist schleierhaft, wie man gegenüber der Öffentlichkeit die von dir geforderten Rüstungsausgaben verkaufen will...

Als Stichwort sei nur an den Slogan ,,Für Kinderspeisung – gegen Panzerkreuzerbau!" erinnert - und das bei einer Marine die 1914-18 einen überschaubaren Beitrag geleistet hat....

ede144

Zitat von: bodrog am 15 November 2015, 18:07:17
Eine hypothetische Regierung der Weimarer Republik 1935 hätte massive innenpolitische Probleme gehabt aufgrund der Folgewirkungen der Weltwirtschaftskrise. Da man beim Postkartenmaler ab 1933 und ab 1935 forciert auf Rüstungspolitik setzte, konnten die Arbeitslosenzahlen innerhalb kurzer Zeit signifikant gesenkt werden. Ohne massive Rüstung wäre das nicht gegangen! Also hat eine Weimarer Regierung 1935 eine sehr hohe Zahl an Arbeitslosen zu verkraften und mir ist schleierhaft, wie man gegenüber der Öffentlichkeit die von dir geforderten Rüstungsausgaben verkaufen will...

Als Stichwort sei nur an den Slogan ,,Für Kinderspeisung – gegen Panzerkreuzerbau!" erinnert - und das bei einer Marine die 1914-18 einen überschaubaren Beitrag geleistet hat....

Man kann mit außenpolitischen Erfolgen auch von innenpolitischen Problemen ablenken. Auch wenn man die Bedingungen grundsätzlich verbessern will, heißt das nicht das man es dann auch bauen muß.

Sven L.

Die Frage ist nicht wirtschafts-politischer Natur, sondern militär-politisch zu vertehen.

@Bodrog:
Die Arbeitslosenzahlen waren bereits 1932 rückläufig und es gab sowohl in der Wirtschaft, als auch seitens Gewerkschaftsbund usw. Ideen die Wirtschaftskrise zu überwinden.
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Sven


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Albin

Zitat von: Halvar66 am 15 November 2015, 18:39:44
Die Frage ist nicht wirtschafts-politischer Natur, sondern militär-politisch zu vertehen.

Der Aufbau einer Flotte ist von enormer wirtschafts-politischer Natur. Ohne Moos nix los. 

Sven L.

Ist zwar nun Wikipedia, sollte aber genügen aufzuzeigen dass schon frühzeitig und VOR dem Beginn der NS-Diktatur, Ideen vorhanden waren um die Krise zu überwinden.


Hinzu kommt noch, das 1932 der Umbauplan der Reichsmarine vom Reichstag angenommen wurde, mit der Auflage jährlich höchstens 50 Mio. RM für Neubauten auszugeben.

Da es aus meiner Fragestellung eindeutig hervorgeht, dass es mir um einen möglichen VERTRAG geht, und nicht um die Möglichkeit wann und wie dies bautechnisch umgesetzt werden könnte, erübrigt sich eine Diskussion um die finanziellen Möglichkeiten [der Weimarer Republik].

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Sven


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Urs Heßling

moin,

Zitat von: Halvar66 am 15 November 2015, 17:51:34
Deshalb meine Frage in die Runde, ob eine damalige Regierung, unter Berücksichtigung der Wünsche der Marineleitung, mit dem Vorschlag einverstanden gewesen wäre, oder ob versucht worden wäre bessere Konditionen durchzusetzen und wenn ja, welche?
Ein (1) Träger macht nicht viel Sinn (da er immer einmal ausfallen kann). Abgesehen davon
- ist ein Träger ein Laaaaangzeitprojekt (siehe China heute)
- und zur fraglichen Zeit war dem Deutschen Reich doch noch eine Luftwaffe verboten ??

Des weiteren ist die Zahl der Geleitfahrzeuge im Vergleich zu den "Großen" aus meiner Sicht völlig unzureichend (mit insgesamt 25 nur 2:1 bei 5 Schweren Einheiten und 7 Leichten Kreuzern).

Ich hätte angeregt, auf den Träger zu verzichten und an seine Stelle 14 weitere 1.500 t-Zerstörer zu setzen.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Sven L.

Hallo Urs,

da der Vorschlag mit dem Flugzeugträger von den Engländern kommt, kann man davon ausgehen, das Flugzeuge erlaubt sind. Im Umbauplan wurde deutscherseits ja ebenfalls ein Träger eingesetzt und zu dem Zeitpunkt war es laut VV definitiv verboten Flugzeuge zu besitzen.

Mit den zuwenigen kleinen Fahrzeugen gebe ich dir Recht. Aber ich sammle noch Meinungen bevor ich meine dazu äußere.  :-)
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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bodrog

Hier wird die Innenpolitik in einem demokratischen Staat völlig unterschlagen, scheinbar hat sich die SPD nach Ebert in Luft aufgelöst und Thälmann & Co sind nicht existent...

mach doch mal einen Vorschlag, wie Brüning oder auch noch Papen seinen Haushalt rund kriegt und dann massiv in die Rüstung investiert ohne die anderen Interessenverbände zu ignorieren! WTB und Lautenbach sind doch nur Hirngespinnste (wurden ja auch nicht ohne Grund nicht umgesetzt)

Albin

Zitat von: Halvar66 am 15 November 2015, 20:06:11
Mit den zuwenigen kleinen Fahrzeugen gebe ich dir Recht. Aber ich sammle noch Meinungen bevor ich meine dazu äußere.  :-)

Werden das hier nur Zahlenplanspiele? Was wirst du damit Darstellen wollen, wozu sollen die Erkenntnisse dienen?
Letztlich sieht kontrafaktischen Geschichte anders aus.

Um hier aber auch etwas zur Flottenplanung sagen, gebe ich bodrog recht. Ein geplantes Budget der Regierung für Marineausgaben, hätte aber auch bei jeden Bau Debatten um die Einzelkosten gegeben, bei denen die Linke Seite sicherlich schwer entgegen gewirkt hätte. Ich verweise nur, wie auch schon benannt, auf die Problematik um das erste Panzerschiff.

Die oben angegeben Zahlen der Planung halte ich für nicht sinnvoll. Die Panzerschiffe sind noch unter der Beschränkung des VV entstanden, zwei weitere Schlachtschiff wären nicht notwendig, zumindest aus strategische Begründung nicht, da ein neuer Krieg nicht als Planungsgrundlage gelten konnte.
Somit würde der Aufbau von Kriegsschiffen für den Küstenschutz völlig ausreichend sein.

Sven L.

#10
Zitat von: Albin am 15 November 2015, 20:26:01
...
Somit würde der Aufbau von Kriegsschiffen für den Küstenschutz völlig ausreichend sein.
Womit du völlig konträr mit der Marineleitung gewesen wärst.  8-)

ZitatAls Raeder sein Amt als Chef der Marineleitung antrat, vertrat er gegenüber Groener die Auffassung, dass der 10.000-t-Typ - gemeint sind die Panzerschiffe der Deutschland-Klasse - auch bei einer völligen Baufreiheit neben den künftigen Großkampfschiffen beibehalten werden sollte und das die Entwicklung eines Washingtonkreuzers unerwünscht sei.1 
Etliche Indizien deuten darauf hin, dass bei dem künftigen Großkampfschiff-Typ eher an einen Schlachtkreuzertyp von rd. 20.000 t gedacht wurde und es nicht beabsichtigt war, die obere Grenze von 35.000 t als Planungsgrundlage zu nehmen! In diesem Zusammenhang schreibt Raeder auch, wo eine zukünftige Flotte Deutschlands einzugliedern sei. Er ging davon aus, dass man eine Konkurrenz mit den großen Seemächten weder aufnehmen könne noch wolle, dagegen sei eine Flotte in der Stärke einer 2. Seemacht zu fordern, d.h.175.000 t an Großkampfschiffen und 60.000 t an Flugzeugträgern. Der militärische Wert der Panzerschiffe wurde jetzt so hoch eingeschätzt, dass ein Einhandeln einzelner verbotener Waffen  nicht als Äquivalent für völlige Aufgabe des Panzerschiffbaus angesehen wurde.2  Dabei sollte der Schlachtkreuzertyp aus der technischen Konzeption der Panzerschiffe entwickelt werden. Im Januar 1929 skizzierte Raeder ein "Ideal-Programm" das unter völliger Vernachlässigung der finanziellen Situation Deutschlands entstand. 2 Jahre später wurde bzgl. der Berechnung des Personalbedarfs (25.000 Mann) für die beabsichtigte Reichsmarine folgender Schiffsbestand zugrunde gelegt: Zwei 20.000 t Linienschiffe, drei 10.000 t Panzerschiffe, vier 6.000 t Kreuzer, zwei 3.000 t Flottillenführerschiffe, sechs 1.000 t sowie acht 800 t Zerstörer. Ein 10.000 t Flugdeckkreuzer wird ebenso erwähnt wie eine bestimmte Anzahl an U-Booten. Es ist anzunehmen das mit den Linienschiffen der o.g. kleinere Schlachtkreuzertyp gemeint ist. Im Vergleich zum Vorgenannten sah der am 15.11.1932 von Schleicher genehmigte "Umbauplan" folgende Stärke vor: 6 Panzerschiffe, 1 Flugzeugträger, 6 leichte Kreuzer, 6 Zerstörer- bzw. Torpedoboothalbflottillen, 3 Minensuchhalbflottillen, 3 Schnellboothalbflottillen sowie 16 U-Boote und div. vor.3

1Werner Rahn: Reichsmarine und Landesverteidigung 1919-1928, Seite 190
2a.a.O., Seite 191
3Harald Fock, Z-Vor, Bd.1, Seite 86
Das mal zu den Planungen die innerhalb der Reichsmarine stattfanden.

Da wir uns hier in einem Was wäre wenn-Bereich befinden möchte ich dazu noch eine kleine Literaturempfehlung geben.
Ungeschehene Geschichte
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Sven


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Sven L.

Zitat von: Albin am 15 November 2015, 20:26:01
Ein geplantes Budget der Regierung für Marineausgaben, hätte aber auch bei jeden Bau Debatten um die Einzelkosten gegeben, bei denen die Linke Seite sicherlich schwer entgegen gewirkt hätte. Ich verweise nur, wie auch schon benannt, auf die Problematik um das erste Panzerschiff.

Ich werde Morgen die Quelle heraussuchen, womit dann klar sein sollte, dass es keine Debatten über Einzelkosten gegeben haben dürfte, so wie es beim Panzerschiff A geschehen ist.
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Sven


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Sarkas

Ich sehe das auch so, dass die vertragliche Obergrenze und die tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeiten nichts miteinander zu tun haben. Außerdem wollte sich sicher keine Seite nach zehn Jahren wieder an den Verhandlungstisch setzen und nachverhandeln, nur weil das deutsche Militärbudget dann (jede Wirtschaftskrise geht einmal zu Ende) mehr möglich machte.

Man sollte es vielleicht vom Zweck der deutschen Marine aus betrachten: Potentieller Gegner war damals Frankreich, also ist wichtig, was die vertraglichen Obergrenzen Frankreichs damals waren. Ich denke, die britische Regierung hätte sich dem Argument von deutscher Seite, man müsse sich gegen Frankreich verteidigen können, nicht verschlossen. Und eine deutsche Delegation hätte ein Ergebnis, das nicht zumindest dies sicherstellt, zuhause nicht verkaufen können.

Matrose71

@ brodog,

ich weiß gar nicht was du hast, bei der Deutschlandklasse wurden nach Prager 80% der Anschaffungskosten, in Form von Lohnzahlungen an die arbeitende Bevölkerung zurück gegeben!
Der Anteil der lohnbezahlten Arbeitsstunden an so einem Schiff, war zu damaligen Zeit wesentlich höher, insoweit hätte eine moderate Aufrüstung ab 1933, jeder Regierung geholfen, die Wirtschaftslage (Arbeitslosenzahlen) in den Griff zu bekommen. Investitionen in die Infrastruktur sind natürlich besser, aber der Effekt wäre trotzdem der gleiche und bei einer moderaten Aufrüstung, wären die Schulden überschaubar gewesen.

Brüning sein komplettes Sparen war falsch, moderate staatliche Investitionen (siehe new Deal USA und Deutschland 2008-2010), hätten geholfen, inwieweit in militärische "Investitionsgüter", ist eine politische Frage.
Viele Grüße

Carsten

Sven L.

Ein Auszug aus den Marinehaushalten für die Jahre 1928-1932:








   Schiffbau (1)   Sonstige einmalige
Ausgaben (2)
   Fortdauernde
Ausgaben (3)
   Gesamt-
haushalt (4)
Mill. RM% v, (4)Mill. RM% v, (4)Mill. RM% v, (4)Mill. RM
192857,626,819,39,1137,864,1214,7
192945,822,820,810,4133,966,8200,5
193043,922,220,910,6133,267,2198,0
193149,926,015,17,9126,966,1191,9
193249,626,421,511,5116,362,1187,4
Entnommen bei J. Dülffer, Weimar, Hitler und die Marine, Seite 563

Mitte des Jahres 1932 wurde für das folgende Jahr eine deutliche Erhöhung des Budgets beschlossen. Insofern können wir davon ausgehen, dass auch ein nach 1933 demokratisches Deutschland ausreichend finanzielle Mittel für Heer und Marine bereit gestellt hätte. Sehr wahrscheinlich nicht in dem ausufernden Umfang wie das NS-Regime, aber dennoch genug um geplante Schiffsneubauten finanzieren zu können.
Nachzuschlagen bei: Rahn, Reichsmarine und Landesverteidigung 1919-1928 und Dülffer, Weimar, Hitler und die Marine

Da wir das finanzielle nun geklärt haben, können wir zum eigentlichen Thema - VERTRAG - zurückkehren.
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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