Schauenburg, Rolf - Flucht aus der Internierung in Uruguay

Begonnen von Violoncello, 28 Juni 2024, 10:47:58

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Violoncello

Hallo zusammen,

Oberleutnant z.S. Rolf Schauenburg, Mitglied der Besatzung von "Admiral Graf Spee", wurde bereits vor der Versenkung des Panzerschiffs der Gesandtschaft Montevideo zur Verstärkung des Personals des Marineattaché zugeteilt, um seine Internierung zu verhindern. Dieses Vorhaben scheiterte am 24.1.1940. Daher traf Schauenburg gemeinsam mit seinem Crew-Kameraden Kurt Diggins Ende März 1940 Vorbereitungen zur Flucht. Während Diggins bereits im Juni 1940 wieder in Deutschland eintraf, gelang Schauenburg nach dem gescheiterten ersten Fluchtversuch erst am 6.12.1940 die Rückkehr nach Deutschland.

(BArch PERS 17/SPO-Sch 11 Teil 1 BArch B 563-1 KARTEI/S-300/441)

Meine Frage: Kann jemand Einzelheiten zum Fluchtweg Schauenburgs nennen.

Viele Grüße

Violoncello

t-geronimo

Schreib doch mal unser Mitglied Carlos Benemann an. Er hat über einen sehr langen Zeitraum die Geschichte der AGS-Besatzungsmitglieder erforscht.

Ich sende dir seine Email-Adresse per PN, das wird am schnellsten gehen.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Violoncello

Hallo Thorsten,

danke für den Hinweis. Den Vorschlag greife ich gerne auf!

Viele Grüße

Violoncello

Teddy Suhren

Hai

Nicht die gesuchte Person aber ein Beispiel für den Weg der Internierten und die Arbeit von Carlos Benemann:
HMA
Gruß
Jörg

WoWs Nick: Teddy191

Urs Heßling

moin,

zu dem mehrfach im verlinkten Text genannten ehemaligen Minensuchboot der Kaiserlichen Marine namens CORMORAN :
FMA / habichtnorbert , allerdings vermutlich mit Fehl-Info, denn Gröner und argent.Internet besagen, daß es SMS M 52 (i.D. 26.11.1916) war

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Carlos Benemann

Um die Flucht von Rolf Schauenburg aus Montevideo mach Buenos Aires, Rio de Janeiro und in die Heimat zu übersehen, dient u. a. folgende Beschreibung:
Flucht aus de Internierung von Uruguay bis Buenos Aires Argentinien von Prof. Dr Hans Walden damaliger Bordmeteorologe vom Panzerschiff Admiral Graf Spee.
(Anmerkung: Original geschrieben in Hamburg März 1991. Gekürzt 1992 von R. Donath ( Nicht sein echter Name). Nochmals gekürzt 2020 .... mit Anmerkungen (...) Carlos (Karlheinz) Benemann.

"Am 16. Dezember 1939, wir lagen im Hafen von Montevideo vor Anker, ließ mich gegen Mittag Kapitän Langsdorff ... zu sich kommen. Er befahl mir, hier in Montevideo an Land zu gehen. Ich sollte versuchen, so bald wie möglich nach Deutschland zu gelangen. Gleiches hatte ich dem Wetterfunker... (Fennekohl)... zu übermitteln. Ich packte die wichtigsten Dinge....Nachmittags schon meldete ich mich von Bord und fuhr mit einem Boot der "Graf Spee" an eine Anlegestelle des Hafens von Montevideo....
Die Deutsche Gesandschaft lag an der Plaza Zabala...der Pförtner ließ mich ein. Im 2. Stock des Hauses traf ich 16 Kamaraden der "Graf Spee". Kapitän Langsdorff hatte einige Offiziere und Unteroffiziere bestimmt, die nach Möglichkeit zu den Deutschen Botschaften anderer südamerikanischer Länder stoßen sollten, um dort die Marine-Attachés zu unterstützen. (Anmerkung von Benemann: Die meisten waren Funker; eigentlicher Zweck war Ausweitung vom Kriegsmarine Ettapendienst). Sie wurden nun in der Gesandschaft versteckt gehalten, damit sie der Internierung entgingen.... (Einen Tag später erlebten wir die Sprengung unseres Schiffes)
Zu uns stießen noch weitere Kameraden (...insgesammt 20 "Spee Leute"...) die wir uns 5 Wochen lang...versteckt zu halten hatten.
Ungefähr am 20. Januar 1940 war klar das wir der Internierung nicht entgehen konnten. Wir mußten zur Polizei, wo man uns registrierte. ... Wir sollten uns einmal in der Woche bei der Polizei melden. .....
...Es war wohl Anfang Juni als die meisten von uns in einem Lager zusammengefasst wurden. ....Für 24 Stunden durften wir das Lager auf Ehrenwort verlassen....
Zunehmend stand uns der Sinn auf Flucht in die Heimat. Lange Zeit war es uns nicht erlaubt,  Fluchtversuche zu unternehmen. Erst mußte das Kriegstagebuch der "Admiral Graf Spee" sicher nach Deutschland gebracht worden sein... (Anmerkung (Benemann) ...Das KTB wurde von Kap. Ascher erster Flüchtling von Buenos Aires aus) per Kondor Flug Verbindung ins Reich gebracht. Diese Flucht ist besonders aufregend)
Etwa im Mai unternahmen zwei Offiziere gemeinsam ... zwei Fluchtversuche. Sie landeten 14 Tage im Gefängnis.
Die meisten von uns hatten sich....einen falschen argentinischen Personalausweis verschafft. Ich war nun ein Pole. Ich hielt es für leichter, über Argentinien, also nicht über Brasilien zu fliehen....
Es wurde mir ein Uruguayer genannt, der mich, verborgen unter Deck, gegen...250 Uruguayischen Pesos auf einem kleinen Schiff nach Buenos Aires fahren wollte.......
(Anmerkung von Benemann...Ein Gesandschafts "Vertreter" dem Walden seinen Plan vortrug bat Ihm einen Kamaraden mitzunehmen...).
Ich fragte darauf den Oberleutnant Klette,... mit dem ich auf einer Stube wohnte ob er mitgehen wollte.  Ja, er war sofort dafür.
(...Anmerkung. Dem Kapitän vom Schiff wurde vom Reeder befohlen noch zwei mehr blinde Passagiere nach Argentinien zu bringen).

Ende Juli , Flucht von Uruguay zu viert:

"Ich meldete mich in der Gesandschaft ab.
Den einen Polizisten am Lagertor kannte ich inzwischen ganz gut. Ich fragte ihn ....ob er in unserem Aufenthalsraum ... eine Tasse Kaffee trinken wollte.
Das tat er und ließ sein Tor unbewacht.
 KLETTE und Ich verließen das Lager ohne unser Ehrenwort geben zu müßen. Die Polizei hat drei Tage gebraucht, bis sie herausbekam das Zwei Mann fehlten. Ich glaube es war der 27. Juli 1940, als Klette und ich bei Nacht und Nebel einzeln zunächst auf einen im Hafen liegenden Deutschen Dampfer übergesetzt wurden. Man mußte im Hafengebiet sehr vorsichtig sein; denn an allen Ecken standen Polizisten, Zöllner und allierte Aufpasser. Auf dem Dampfer stellte sich heraus wer die beiden ...(...zwei weitere blinde Passagiere waren...): Zwei Offiziere von der "Graf Spee", SCHAUENBURG und DIGGINS, die diesen Weg über den sogenannten Reeder gewählt hatten. Nun waren wir vier. Wir schliefen noch auf dem Dampfer, wo uns natürlich keiner sehen sollte.
Bevor es am nächstern Morgen hell wurde - es war ja Winter auf der Südhalbkugel-, stiegen wir in Abständen auf den Uruguayischen Leichter über, der indessen längseits gekommen war und Holzladung hatte.... An Deck des Leichters tat man so, als ob man das Holz begutachtete und verschwand dann mit dem Schipper. Klette und ich waren in seinem Oberdeckkabuff, so eine Art Laube, gewiesen; die beiden anderen  (...Schauenburg u. Diggins) kamen in den Maschinenraum. In userem Kabuff befand sich eine Pritsche und ein Gartenstuhl. Proviant hatten wir mit. Bald machte das Schiff los und die Maschinen sprangen an. Klette und ich lugten zwischen den Brettern (ein Bullauge gab es nicht) und wunderten uns nach einiger Zeit, daß wir so lange im Hafen herumfuhren....Unser Schipper hatte wegen des Schlechten Wetters kehrtgemacht und bedeutete uns nun, wir möchten auf das Deutsche Schiff zurück gehen....
....
Am nächsten Morgen kletterten meine drei Mitflüchtlinge... wie gestern,... wieder... auf unseren Holzleichter.  Sie kamen in  die selben Verstecke. Dann liefen wir aus und passierten glücklich die (Hafen) Kontrollstelle.  Das Wetter war jetzt verhältnismäßig günstig. Nach dem Plan sollten wir in Buenos Aires noch im Dunklen, vor Sonnenaufgang des nächsten Tages einlaufen, damit wir ungesehen von Bord gehen konnten. Wind und Strom standen aber gegenan so daß wir den Hafen der "Boca"...erst kurz vor Mittag des folgenden Tages erreichten. Wir taten verabredungsgemäß, so als ob wir etwas mit dem Holztransport zu tun hatten, trugen zur Verdeutichung unserer Holzhändler-Aktivitäten ein dickes Buch unterm Arm und betasteten das Holz an verschiedenen Stellen,sagten ein paarmal deutlich hörbar "Si, si "nahmen mit dem Schipper noch einen "Caña" (...Zuckerrohrschnaps...) und gingen schließlich paarweise an Land.
Es war ein glücklicher Zufall, das eine Straßenbahn die damals dort durch den Freihafen fuhr, einen kleinen Unfall hatte, nähmlich entgleist war. Er zog das Interesse der Wächter am Hafentor auf sich, und so ging ich, jetzt allein, ungeschoren durchs Tor. Ich nahm ein Taxi und ließ mich zur Deutschen Botschaft fahren. Dort nannte man mir ein Versteck in der Stadt - für die erste Nacht. Am nächsten Tag zog ich zu einer Familie im Stadtteil Belgrano.

Für "ausgerissene" Graf Spee" -Leute  sorgte das "Reisebüro Delfino". Ich bekam einen echten deutschen Paß als Kaufman der pharmazeutischen Firma E. Merck,  natürlich unter anderem Namen. Das "Reisebüro" bereitete einen Flug nach Rio de Janeiro vor. Es dauerte aber noch vier Wochen, bis ich einen Platz in einer Maschine der damals noch verkehrenden deutschen Condor-Linie bekam. In der Wartezeit wechselte ich wohl zweimal das Quartier, um in der betreffenden Gegend nicht aufzufallen.....
Geld bekam ich von den Helfern des "Reisebüro Delfino" ausreichend. (....) Am Tage vor dem Abflug zog ich in ein Hotel um. Die Flugplatzpolizei zeigte merkwürdigerweise kein Interesse für mich, obwohl das Condor-Flugzeug wegen Motorschadens mit drei Stunden Verspätung abflog, die mich einige Nerven kosteten.

Wir flogen über Uruguay hinweg nach Nordosten. Da weiter nördlich schlechtes Wetter herrschte, landete die Maschine in Porto Alegre, wo wir im Hotel untergebracht wurden. Am nächsten Vormittag ging es weiter, und noch vor Mittag landeten wir ... in der Zuckerhutstadt. Am Flugplatz wurde ich bereits erwartet und wahrgenommen..... Ich hatte gehofft, sehr bald eine Fluchtmöglichkeit über den Atlantik zu bekommen, aber ich mußte 6 Wochen Warten....

(Anmerkung Benemann: Weiterreise mit LATI (Italienische Fluglinie) nach Rom weiter unten resumiert)

(Anmerkung Benemann: Dr Walden schrieb "wir" bei der Ankunft und Unterbringung im Hotel in Porto Alegre. Es ist nicht klar ob einer  oder alle wie Klette, Schauenburg oder auch Diggins mit Ihm auf diesem Flug waren. Jedenfalls Condor flog Dr. Walden nur noch von Porto Alegre bis Rio. Von dort war ein anderer "Kriegsmarine Etappendienst" zur weiteren Befördigung zuständig und es ist klar das seine Kollegen NICHT weiter mit Ihm am 10. Oktober 1940 auf dem LATI Flugzeug in Rio kamen. Nichtdestotrotz, schreibt Dr. Walden das er insgesamt  drei Monate von Montevideo in die Heimat gebraucht hatte und 10 Tage später am 19. Oktober Via Rom auf dem Anhalter Bahnhof in Berlin eintraf. ABER: Er bemerkt dazu noch ...Einer meiner Kollegen stand auf dem Bahnsteig.. Es ist möglich das er damit meinte sein Quartierkamarad  und Kollege Klette oder auch seiners Fluchtkamerad Schauenberg schon vor Ihm angekommen waren.

Weitere Anmerkung, Benemann: die Italienische Luftverbindung LATI hatte meistens nur eine (ziemlich überladene) Frachtmachine von Rio aus (und nahm höchstens zwei Passagiere -ohne jegliches Gepäck- an) mit Zwischenlandung und übernachtung in Recife (Pernambuco) und dann erst noch Natal dem nordöstichsten Flugplatz von Brasilien. (nicht unbedingt von Recife aus) Die überquerung vom Atlantik war mit einer dreimotorigen Savoia-Marchetti 83 auch Eine reine Frachtmaschine. Flug war 9 Stunden lang nach Ihla de Sal, wo die Italiener von Portugal den Fluglandungsplatz gepachtet hatten. (übrigens eine Maschine zu derselben Zeit (zirca 2 Wochen vor dem Flug von Dr Walden) gilt als verloren u. hat es nicht über den Atlantik geschaft). Von dort ging es weiter über Villa Cisneros in der spanischen Kolonie Rio de Oro entlang der afrikanischen Küste dann im weiten Bogen um Gibraltar mit Landung in Sevilla Spanien. Nach tanken (wenn und wann vorhanden) ging es überflogen Mallorca (Benzin war da auch knapp u. schwer zu bekommen) nach Rom. Ich glaube nicht das von Rom die Reise mit Flugzeug nach Berlin weiterging, sondern mir ist nur die Bahn  (Schlafwagenplatz 2. Klasse) als weiterer Weg bekannt. (Die Tickets wurden meistens vom Marine-Attaché in Rom ausgehändigt.) (Uebrigens ist mir soweit ich mich errinern kann Lissabon nicht als Landungsplatz bekannt). Jedenfalls, dieses war der genaue  Fluchtweg von Dr. Walden von Buenos Aires nach Berlin. Das ganze, von Montevideo aus dauerte knapp 3 Monate. Dr Walden hatte Vorrang (Er kam, dann zum Marinewetterdienst Kommando beim Befehlshaber der Unterseeboote. Also kamen Klette u. Schauenberg etwas später dran weil einfach kein Flugplatz übrig war. (Es kann auch sein das Sie erst mit der Condor linie nach Brasilien verfrachtet wurden. Condor war noch in Betrieb. Die Organisierung fast aller dieser Flüchte in Buenos Aires ist mir bekannt.



 










Violoncello

Hallo Herr Benemann,

herzlichen Dank für diesen Bericht eines Zeit- und Augenzeugen, der die Flucht Klettes und Schauenburgs einbezieht!

Prof. Dr. Walden könnte bei seiner Begegnung auf dem Anhalter Bahnhof am 19.10.1940 tatsächlich auf Obltn. z.S. Klette getroffen sein. Klette war nach den über ihn geführten amtlichen Marinepersonalunterlagen bereits am 5.10.1940 aus der Internierung zurückgekehrt. Schauenburg traf dagegen erst am 6. (ggf. auch 9.12.1940) wieder in Deutschland ein. M.E. legt der Bericht aber die Annahme nahe, dass Schauenburg ebenfalls (noch) die Rückkehr auf dem Luft-/Eisenbahnweg geglückt sein dürfte. 

Nochmals danke für die Präsentation!

Mit den bestn Grüßen

Violoncello

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