Abnahmebedingung 28.3cm L/4.4 Psgr. m. Kappe

Begonnen von delcyros, 12 Dezember 2015, 17:02:26

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delcyros

CIOS XXVI-42 item No.2 "THE MANUFACTURE OF ARMOUR PIERCING PROJECTILES FOR THE GERMAN NAVY" (June 1945) enthält eine für mich ausgesprochen erstaunliche Angabe der minimalen Akzeptanzkriterien für die Abnahme von dt. Panzersprenggranaten.

Ich zitiere:

Zitat
4. Ballistic tests.

(...)"when the projectile design had been standartized, the ballistic acceptance test
for the 28 centimeter armour piercing projectile consisted of impacts at 1640fps at one or more of the following plates:

obliquity 0°:
305mm cementated armour

obliquity 15°:
270mm cementated armour

obliquity 30°:
215mm cementated armour
225mm homogenious armour

The projectile had to pass the plate intact, altough a certain amount of nose damage was allowed. The main criterion was that the cavity be intact and in effective bursting condition."

Folgt man den GKdos-100 Durchschlagsgrafen für das 28.3cm L/4.4 Psgr. dann ist der Durchschlag des Geschosses gegen zementierten Panzer bei 1640fps / 500m/s (Heilbrleibkurve):

0°: exakt 300mm
15°: ~270mm
30°: ~215mm

Ich bin hier etwas ratlos, und kann eigentlich nicht glauben, dass die Produktionslose immer gegen die maximale Leistung des Geschosses getestet wurden. Das würde bedeuten, dass wenigstens 50% der getesteten Projektile durchfallen oder dass die in GKdos-100 angegebenen Durchschlagsgrafen sehr konservative Werte darstellen, die von den abgenommen Projektilen immer erreicht bzw. deutlich überschritten werden, womit sich die Frage stellt, welchen Durchschlag die Geschosse bei der sonst üblichen 50% Maximalleistung erreichen.

Wie seht ihr das?

delcyros

Zum Vergleich der Abnahmebedingung im Ausland (etwas früher, aber dafür mit Zahlen):

Nach dem I. WK führten die Amerikaner das 1916 specification AP-Geschoss (a.k.a. "Midvale Unbreakable") ein. 1923 stellte BuOrd die Ergebnisse der experimentellen Beschießung 1919-1921 zusammen und stellte Durchschlagskurven ähnlich denen aus GKdos-100 für diese Projektile zusammen. Dabei wird die Durchschlagseistung des 12" Mk XV mod6 bei 10° und 1640fps (500m/s) mit 13" class A angegeben.
In den Jahren 1918 -1920 wurden die Produktionslose dieses Geschoßtyps gegen class A (überwiegend 13.5") bei 10° getested, allerdings bei einer Auftreffgeschwindigkeit von 2080 fps (634m/s) für 13" und 2160 fps bei 13,5". Diese Geschwindigkeit wurde gewählt, weil diese Geschosse noch nicht nach ihrer maximalen Performance getested wurden. Die Abnahmegeschwindigkeit entspricht daher der der zuvor für die Navy ausgelieferten 1913 specification AP Geschosse.

31 12" Midvale Unbreakable Geschosse, die 17 Lose (=6800 Geschosse insgesamt) repräsentieren wurden dieser Abnahmebedingung unterzogen. Bedenkt, dass die Abnahmebedingung deutlich leichter ausfällt als die Maximale Performance bei der 50% der Geschosse noch einen Durchschlag schaffen. 25 Geschosse bestanden den Test, bei 6 Geschossen kam es nicht zum intakten Durchschlag. Trotz der sehr leichten (134m/s leichter als notwendig) Abnahmebedingung bestanden 19% der Testgeschosse diesen test nicht.


Matrose71

Hallo Delc,

ein paar Fragen zum Verständnis.

Bei den 1640fps (500 m/s), obliquity 0° und 305mm cementated armour, ist dort der Einfallswinkel der Granate mit berücksichtig (~15°) und die obliquity 0° bedeuted nur, dass die Platte/Schiff exakt parallel ist?

Sind die 305mm cementated armour, KC/n.A?

Ich kann mir von der kinetischen Energie im Vergleich zur US 12"/50 (30.5 cm) Mark 8 (Alaska Klasse) und den zur damaligen Zeit, weit fortgeschrittenen Kenntnisse, aller Großen Nationen, zur Granatenentwicklung (Formgebung, Durchschlagtests etc.),
nicht richtig vorstellen, dass sie (28.3cm L/4.4 Psgr), noch wesentlich besser performt hat.
Viele Grüße

Carsten

delcyros

#3
Die Abnahmetests haben für sich genommen zunächst keine Relevanz für taktisch nutzbare Situationen, sie testen nur ein Kriterium des ganzen Performancebandes eines Geschosses. In diesem Fall, dass vom 28.3cm L/4.4 erwartet wird, dass es heil durch eine 30,5cm dicke, zementierte Platte bei 0° Auftreffwinkel (90° dt. Definition) und 500m/s Aufschlaggeschwindigkeit kommt.

Der zu dieser Geschwindigkeit passende natürliche Fallwinkel beträgt 15° (184hm Entfernung) und der Durchschlag laut GKdos-100 ~270mm. Gegen diese performance wurde das Geschoss in Abnahmetests bei 15° auch getestet.

Bei der Panzerung mit zementierter Oberfläche kann es sich -sowohl bei den Abnahmetests als auch bei GKdos-100 Graphen nur um K.C./n.A. (unterschiedliche Qualitäten: normal und tief gehärtet mit Zementation sowie ohne bzw. mit stark verkürzter, zementierter Schicht) handeln.

Für mich kam diese Quelle als kleiner Schock. Bis Dato ging ich davon aus, dass die Abnahme von Psgr Geschossen nach den vor dem ersten Weltkrieg von der Marine definierten Kriterien erfolgen sollte (1.0 cal/KC bei 0° und 0.5cal/KC bei 30° und jeweils 500m/s), so hat das u.a. Nathan Okun an verschiedener Stelle behauptet.
Das war aber ausweislich CIOS XXVI-42 /2 nicht der Fall und die Abnahme der Geschosse erfolgte praktisch exakt auf den Graphen GKdos-100 / Gercke Formel.
Entweder war die Qualitätskontrolle so gut, dass es keine Varianz gab, oder es vielen sehr viele Geschosse bei der Abnahme durch, oder die Graphen in GKdos-100 sind sehr konservativ was die Leistung der Geschosse betrifft.

Thoddy

#4
Es wird nicht die maximalperformance getestet
(Edit maximalperformance im sinne von Durchschlag durch eine maximale dicke unter Heilbleiben)

Die Bauart der ~14,6 d³ Geschosse gewährleistet ein heiles Durchschlagen von ca 1,3 cal dicken Platten bei 60 Grad Auftreffwinkel Geschwindigkeit kann man aus den Unterlagen ablesen. 

Irgendwo im Lilienthalbericht ist ein Graf der dies zeigt (für 7,5 cm Pzgr 39). Durch verkleinern des Ladungsraumes analog der  Pzgr 39/43 kann man das Heilbleiben bis auf etwa 1200 m/s gewährleisten

Die Beschußprüfung erfolgt jedoch, um einen Ausschluß des Eintreffens der Grenzschußbedingung zu gewährleisten

In der nähe des ballistischen limits sind die auf das Geschoß wirkenden Kräfte am größten, da das Geschoß auf 30 cm Strecke von 500 m/s bis auf 0 m/s abgebremst wird.

zur Erläuterung
Ein Geschoß von 100 kg gewicht mit 500 m/s Geschwindigkeit besitzt eine  kinetische Energie von 12.500.000 kJ
bei 510m/s ist die kinetische Energi 13.000.000 kJ
davon werden 12.500.000 für das Durchschlagen benötigt, wenn man mal die größere Geschwindigkeit des Auswurfs vernchlässigt, damit bleiben ~500.000 kJ Energie übrig.

Restgeschwindigkeit des Projektils nach Durchschlagen etwa ~100m/s
auf den 30 cm wird das Geschoß demzufolge "nur" um 400m/s abgebremst, kurzgesagt sind damit auch die auf das Geschoß wirkenden Kräfte kleiner und das Geschoß wird deutlich weniger gestreßt.

Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

delcyros

Thoddy,

Laut Unterlagen GKdos100 Heft g (Scharnhorst/ Gneisenau)
beträgt bei 90° (normaler Eintreffwinkel) und 500m/s der Durchschlag "heil" 300mm.

Abnahmebetest für dieses Projektil war aber ausweislich CIOS XXVI-42/2 305mm "heil" bei 0° und 500m/s. Es wird nicht nach dem Grenzschuß geetestet, das Geschoß muß im zündfähigem Zustand die Platte vollständig durchschlagen (GKdos-100 "Heilbleibkurve").
305mm ist geringfügig mehr als aus den Graphen von GKdos-100 für dieses Geschoß herausgelesen werden kann (300mm bei 500m/s / 90° und Heilbleibkurve).
Insofern wird -glaube ich- tatsächlich nach der maximalen Leistung* getestet -oder GKdos-100 gibt diese Leistung nicht wieder.

*) Maximale Leistung nicht nach dem maximalen Durchschlag sondern nach der maximalen Dicke einer Platte die bei einer gegeben Geschwindigkeit x und einem gegebenen Winkel y noch durchschlagen werden kann.

Der Unterschied mag marginal wirken, ein Blick auf die im Ausland üblichen Abnahmebedingungen zeigt aber, dass es sich um sehr verschärfte Abnahmebedingungen handelt:

Die Engländer machten das anders, da gab es eine Referenzgeschwindigkeit gegen die sowohl Platte als auch Projektil getestet wurden (bis 3% Abweichung zur Referenz war ein gutes Produkt, bis 5% ein akzeptables). In der Regel brauchten Geschosse mehr Geschwindigkeit für einen vollständigen Durchschlag und Platten weniger um diesen zu verhindern. D.h. Die AP-Geschosse wurden gegen eine  Geschwindigkeit 3-5% höher als Referenz getestet und mußten heil durchschlagen. Es war aber nicht notwendig, dass die Geschosse für die Abnahme exakt die Referenzgeschwindigkeit erfüllen.

Bei den Amerikanern gab es relativ weite Abstände zur Referenzgeschwindigkeit (+-15%!). Die Platten und Geschosse respektive, wurden gegen ihre jeweilige "Abstandsgeschwindigkeit" getestet.

Die Japaner wiederum testeten ihre AP-Geschosse gegen ein virtuelles Akzeptanzkriterium, das mit der eigentlichen Durchschlagsleistung fast nichts mehr zu tun hatte, weil es tatsächlich aus den 20´er Jahren (für 14" und 16" Geschosse) bzw. aus den 30´er Jahren (für 18" Geschosse) stammte und nur extrem schlechte Geschosse diese Limits rissen.

lg,
delc

Thoddy

#6
Zitat*) Maximale Leistung nicht nach dem maximalen Durchschlag sondern nach der maximalen Dicke einer Platte die bei einer gegeben Geschwindigkeit x und einem gegebenen Winkel y noch durchschlagen werden kann

Der Meinung bin ich auch
Der Test gewährleistet, das das Geschoß mit minimalem Energieaufwand durch die Platte geht (hinreichende Bedingung) faktisch entsprechend Schußtafel

Gleichzeitig wird durch die maximale Beschleunigung des Geschossese durch die stärkst mögliche Abbremsung bei erfolgreichem Durchschuß sichergestellt, dass das Geschoß maximal belastet wird. Das Heilbleiben stellt somit die (notwendige Bedingung) dar.

Wenn man bedenkt das beim Bochumer Verein aus einer Charge Elektro-Stahl insgesamt knapp über 20 38 cm Projektile hergestellt warden, von denen
-eins zur Feststellung des optimalen Wärmebehandlungs- und Härtungsprozesses für die betreffende Charge
-zwei weitere zur Prüfung der Werkstoffeigenschaften sowie feinmetallurgische und mikroskopische Untersuchung herangzogen werden und dann noch
-zwei zum Testbeschuß verbraucht werden

ist die Qualitätskontrolle sowie die produktionstechnische Sicherstellung der Projektilqualität als eher exzessiv zu bezeichnen

ZitatEs wird nicht nach dem Grenzschuß geetestet
habe ich auch nicht gesagt

Die Testbedingung sorgt mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Eintreffen der Grenzschußbedingung für die betreffende Projektilcharge ausgeschlossen wird,
da hinreichend dicht an diesem Limit getetstet wird
die Projektilbelastung beim Auftreffen durch Biege- und Druckkräfte wird höher, je näher man  diesem Limit kommt.
Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

ede144

Wenn ich die Diskussionsteilnehmer im anderen Forum so betrachte, kommt dann wieder die Frage nach der englischen Quelle und dann glauben sie es doch wieder nicht :BangHead:

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