Aus den Erfahrungen der neutralen Schweiz, die sich als Binnenland im Kriegsfall teilweise mit eigener, unter Schweizer Flagge fahrenden Handelsschiffen versorgt hatte, wurden in Österreich auch in den 1960er Jahren die gesetzlichen Voraussetzung zu einer österreichischen Hochsee-Handelsschiffahrt unter rot-weiß-roter Flagge mit Heimathafen Wien geschaffen.
In Folge fuhren rund 200 Schiffe unter österreichischer Flagge auf See.
Das Ende der Hochseeschifffahrt mit Heimathafen Wien und rot-weiß-roter Flagge kam am 19. April 2012 beschloss der Österreichische Nationalrat:
,,Das Seeschiffahrtsgesetz, BGBl. Nr. 174/1981, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I
Nr. 41/2005 und die Kundmachung BGBl. I Nr. 3/2011, wird wie folgt geändert:
3. § 1 lautet:
§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes finden auf österreichische Jachten Anwendung.
(2) Anderen Seeschiffen als Jachten werden keine Rechte als österreichisches Seeschiff erteilt."
Damit war und ist bis auf weiteres das Kapitel Hochseehandelsschifffahrt unter österreichischer Flagge beendet.
Ich habe 2010 ein Verzeichnis der "Österreichischen Handelsschiffe 1955-2010" veröffentlicht - nicht ahnend dass dies gleichzeitig das Gesamtverzeichnis der Hochsee-Handelsschiffe unter rot-weiß-roter Flagge werden würde.
Kurz vor Ende der Hochseehandelsschifffahrt unter österreichischer Flagge wurde das Frachtschiff ANNA-ELISABETH (IMO 9045687) noch einmal das Ziel eines Piratenangriffs, wie dem Jahresbericht 2011 des International Maritime Bureaus zu entnehmen ist.
Am 3. April 2011 wurde die 4.930 GRT vermessende ANNA-ELISABETH vor Anker bei Samarinda, Indonesien, um 01:00 Uhr Lokalzeit vorn Räubern geentert. Diese brachen den versperrten Bootsmannslagerraum auf und entwendeten darin befindliche Artikel. Als sie dabei von der Wachmannschaft an Bord auf Patrouille gesehen wurden, konnten die Räuber mit ihrer Beute von Bord flüchten.
Im Juni 2011 wurde dann ANNA-ELISABETH vom Österreichischen Lloyd an die türkische Reederei Efemay Denizcilik in Istanbul verkauft, wo das Schiff seither als 19MAYIS im Mittelmeer und Schwarzen Meer fährt.
Das Schwesterschiff ANNA GABRIELE (IMO 9045699) wurde schon im Mai 2011 an West Island Maritime verkauft und hat jetzt den Heimathafen Majuro, Marshall Islands. Unter dem neuen Namen ADA A befuhr das Schiff 2013 das Mittelmeer.
So verbleibe ich in der Hoffnung eines Tages wieder österreichische Handelsschiffe auf See zu sehen - wobei unter österreichischen Eignern gibt es ja noch immer Handelsschiffe, aber eben unter anderen Seeflaggen.
Mit besten Grüßen
Nik
Servus Nik,
besten Dank für dieses interessante und wohl selbst in Österreich kaum bekannte Kapitel der österreichischen Schifffahrtsgeschichte!
Es hat ja auch in der Zwischenkriegszeit eine österreichische Hochseeschifffahrt gegeben. Betrieben etwa durch die Vega-Reederei mit Sitz in Wien. Gegründet u.a. vom ehemaligen U-Boot-Kommandanten G. L. von Trapp.
https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96sterreichische_Handelsmarine#Hochseeschifffahrt
http://www.vega-reederei.de/history.html
Ist Dir zufällig bekannt, ob dies tatsächlich die einzige österreichische Reederei war, die in dieser Zeit in der Hochseeschifffahrt ihr Geld verdiente?
Beste Grüße
Ortwin
Hallo Ortwin,
ist mir bekannt. Der Spezialist für die Zwischenkriegszeit 1919-1938 ist da das Kriegsmarine Archiv von Oliver Trulei.
Mit besten Dank
Nik
Hallo!
Es ist schade, daß die damalige sozialistische Verkehrsministerin Bures, ohne Not und Grund, das Gesetz für österreichische Handelsschiffe geändert hat und es dadurch heute keine Möglichkeit mehr gibt unter Rot-Weiß-Roter Flagge zu fahren.
(Die Gesetzesänderung wurde damals mit mangelnden Interesse begründet. Ich Wünsche mir in anderen Fällen eine so schnelle Gesetzesänderung...)
Über die Vega-Reederei gibt's eine Publikation von mir. (siehe Anhang)
Es gab u.a. noch den "Österreichischen Lloyd" (1932-1936) und einige kleinere Reeder mit einem Schiff.
Wirklich erfolgreich waren diese aber nicht...
Grüße
Oliver
moin,
Zitat von: oliver am 09 März 2021, 00:14:02
Wirklich erfolgreich waren diese aber nicht...
Exkurs: immerhin gab es einen erfolgreichen österreichischen Seemann, der zwischen 1960 und 2000 die Flagge rot-weiß-rot hochgehalten hat : Hubert Raudaschl (https://de.wikipedia.org/wiki/Hubert_Raudaschl)
Gruß, Urs
Es gab und gibt mehrere Erfolgreiche Österreichische Segler...
(Die Liste aller österreichischer Olympia-Medaillengewinner wäre lang...)
Die Frage war ja, österreichische Handelsschiffe.
Zitat von: Urs Heßling am 09 März 2021, 00:28:25
Exkurs: immerhin gab es einen erfolgreichen österreichischen Seemann, der zwischen 1960 und 2000 die Flagge rot-weiß-rot hochgehalten hat : Hubert Raudaschl (https://de.wikipedia.org/wiki/Hubert_Raudaschl)
Gruß, Urs
Hallo Urs,
Es gab Österreicher die eine fremde Staatsbürgerschaft annahmen um in einer Marine zu dienen, wie z.B. Kontreadmiral Carl-Heinz Birnbacher (Reichs-, Kriegs-, Bundesmarine).
Oder Siegfried "Vito" Pregel, der seinem Vater folgend zuerst UBootsoffizier in der jugoslawischen Marine war, dann 1942 zur Kriegsmarine kam, Divisionsoffizier auf PRINZ EUGEN, dann Kommandant U 323, dann Bauindenieur in Österreich. https://uboat.net/men/commanders/940.html
Habe Vito kennengelernt, haben uns öfters in Graz getroffen und einen Artikel über sein maritimes Leben verfasst.
Und es gibt noch den Österreichischen Lloyd (http://www.oelsm.com/index.html) , der aber jetzt unter zypriotischer Flagge fährt.
Und im Rahmen der militärischen Zusammenarbeit in Europa sind auch Offiziere des österreichischen Bundesheeres hin und wieder eingeschifft, vor allem wenn es um amphibische Einsätze geht (z.B. Albanieneinsatz gemeinsam mit der italienischen Marine vor 20 Jahren).
Mit besten Grüßen
Nik
Auch bei der internationalen Handelsmarine sind Österreich auf See. Mein jetzt pensionierter Amateurfunkfreund Werner Thonshauser aus dem Lavanttal war sein gesamtes Berufsleben Funkoffizier bei Hapag-Lloyd, dabei auch mehrmals auf POLARSTERN auf Expedition.
Und den
moin, Nik,
Zitat von: Nikolaus Sifferlinger am 09 März 2021, 08:41:07
Kontreadmiral Carl-Heinz Birnbacher (Reichs-, Kriegs-, Bundesmarine).
Ja, ich weiß : Carl-Heinz Birnbacher (https://www.historisches-marinearchiv.de/projekte/s_boote/lebenslauf_kommandant.php?where_value=16)
Aber da wir beide auch Segler sind, wirst Du meinen kleinen
Exkurs sicher verstehen :wink:
Gruß, Urs
Ja eh :-)
Im Sportsegeln sind wir noch eine Seemacht :wink:
Nik
Hai
Auch in anderen schwimmenden Untersätzen wurden von Österreichern Medaillen eingefahren:
--/>/> HMA (https://www.historisches-marinearchiv.de/sonstiges/berichte/raub_raeumboot.php)
Na ja, das mit der Öster. Handelsflotte hatte nun nix mit ,,Wir halten uns aus Weltkrieg Nr.3 heraus ,, zu tun Wie hatte man sich das den vorzustellen. Die atomare Wolke macht nun Bogen um die Alpen? Es war ein derzeit überall in der Welt aufkommendes Geschäftsmodel auch beim Welt-Seetransport mit zu verdienen. Das geht unverändert bis heute über keine-Steuern, Besatzungsordnung, Heuer, usw. Und da war die Alpenrepublik halt preiswert. Für Befrachtung z.B. gab es Firmenverbindungen besonders nach Bremen und Rotterdam . Mit Ölkrise und vor allem dem Massentransportmittels Containern war dann mehr und mehr die Stückgutfahrt mit ca. nicht mehr als 500 Kisten unter einer europäischen West-Flagge kaum noch wirtschaftlich. Der Rest waren die ,,Wende" und das starke Aufkommen von Ausflaggungen bis hin zum Kümo. Zudem wurde der Kapitalbedarf kaum noch durch die bisherigen Anlageformen aufzubringen Global-Player kamen auf. Rechtliche Vergünstigungen fielen. In der BRD wurden Unterstützungsprogramme aufgelegt, wo der 100%tige Steuerzahler ( Straßenbauarbeiter, Mauer, GWS-Monteure, Mädels bei Horten anne Kasse ) geldanlegenden Zahnärzten, Rechtanwälten usw dazu verhalfen, selbiges Ausgaben zu mindern. Nachdem Wegfall der meisten Vergütungen brachen in der EU z.B. die Flotten von N, GB, D, Ö, NL, GR usw fast völlig weg. Und daran wird sich nix mehr ändern. Den deutschen Seemann gibt es ja auch nur noch im Shanty Chor Gelsenkirchen, der letzten Kneipe vor NY und (ich muss es gestehen) bei dem BRD-bew. THW-See . so is es nun mal! :-D
moin, Bernd,
Zitat von: beck.Schulte am 09 März 2021, 10:22:57
Den deutschen Seemann gibt es ja auch nur noch im Shanty Chor Gelsenkirchen, der letzten Kneipe vor NY und (ich muss es gestehen) bei dem BRD-bew. THW-See .
Exkurs (II) : Einspruch ! - und nicht wegen Deines :-P in Richtung Marine
Bei der DGzRS (https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Gesellschaft_zur_Rettung_Schiffbr%C3%BCchiger) gibt es (noch und immer wieder) deutsche Seemänner :MG: :MG: top top
EDIT: Ja, stimmt, auch -frauen :MG: top (und nicht nur "so gesagt" wegen gestern (8.3.))
Gruß, Urs
Einspruch als völlig zutreffend angenommen. :cry: Es gibt auch noch den Fischer, Schleppermann, seewärtigen Feuerwehrmann (Frau) usw. Wech ist aber der "klassische deutsche Seemann" meist Jan, Kuddel oder Class mit Namen. Als ich beim TB NDL angeheuerte war, kamen fast alle meine Kollegen Schlosser ausse Seefahrt . In der BAS waren auch ca. fast alle von NDL, Union, Hansa, Busse, Nordsee. Wieviel bei der Lloyd Werft wohl heute vonne See kommen? Reicht wohl eine Hand. 8-)
Nachtrag: Urs, korrekt müssen wir auch hier uns an die zur Zeit gültigen genscher-Regel oder wie die heißen tut halt: es heiß somit nicht mehr Seemann oder Seefrau sondern "Seefahrende" :-P
moin,
Zitat von: beck.Schulte am 09 März 2021, 10:54:08
es heiß somit nicht mehr Seemann oder Seefrau sondern "Seefahrende"
und wenn der/die Seefahrende ins Wasser fällt, heißt es nun "Person über Bord!" :ML: :MLL:
und nun: Exkurs Ende ! Nik, ich bitte um Nachsicht :angel: für die (un)beabsichtigte Kursabweichung :O/Y
Gruß, Urs