Taktisches Kriegsspiel der Inspektion der Marineartillerie 1937/38

Begonnen von Thor, 19 August 2024, 16:27:07

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Thor

Liebe Mitforisten,

im Invenio gibt es unter der Aktenbezeichnung RM 20-1122 das "Taktische Kriegsspiel der Inspektion der Marineartillerie 1937/38" zur freien Verfügung.
Dieses beinhaltet zum überwiegenden Teil verschiedenartig-durchgespielte Gefechtssituationen zwischen Scharnhorst & Gneisenau (jeweils mit 6x38cm-Bewaffnung) auf der einen und Dunkerque & Strasbourg auf der anderen Seite.

Ohne zu viel vorweg nehmen zu wollen, besonders weil ich den Akt als sehr lesenswert empfinde, einige Punkte vorab:
  - die Trefferverteilung wurde anhand der Gesamttrefferbilder der Zielschiffe Zähringen (1930) und Hessen (1937) ermittelt, mit denen der Skagerrakschlacht verglichen und dann gelost
  - für das Spiel wurde ein Vollsalventakt bei SH & GU von 50 Sekunden angenommen
  - die Mitwirkung der MA wurde nicht "gerechnet"/"gespielt"
  - die franz. Schiffe zeigten immer die schmale Silhouette (Buggefecht) und erschwerten damit SH & GU wesentlich das Schießen

Viel Spaß damit .... und wenn jemand herausfinden sollte, wer der Verfasser der OKM-Stellungnahme ist, bekommt er von mir ein digitales Bier spendiert !

Gruß
David
"Wooden ships with iron men beat iron ships with wooden men" - Zusammenfassung der Seeschlacht von Lissa (1866)

Urs Heßling

moin, David,

den Begriff Buggefecht gibt es eigentlich nicht, und wenn es ihn gäbe, bezöge er sich auf den Einsatz der eigenen Waffen.

Vergleiche den Begriff "Heckgefecht" (den gibt es) : Heckgefecht = Seegefecht, bei dem der Gegner achteraus steht, so daß nur die achteren ( hinteren) Waffen des eigenen Schiffes eingesetzt werden können; meistens Rückzugsgefecht.

Wenn die französischen Schiffe also in sehr spitzem Winkel bis in Lage 0 anliefen, zeigten sie zwar eine schmale Silhouette, was das Einschießen erschwerte, verhielten sich jedoch taktisch ungeschickt, da die deutschen Schiffe (wie die britischen Schlachtschiffe Jellicoes in der Skagerrakschlacht) in der "Crossing the T"-Position standen und die Trefferwahrscheinlichkeit bei richtigem Horizontalwinkel aufgrund der bestrichenen Länge zunahm.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Thor

Hallo Urs,

das Vokabel "Buggefecht" ist mMn nicht unüblich und wird auch im Text verwendet (z. B. auf Seite 29 im letzten Absatz des Grassmann-Berichts oder im OKM-Bericht auf Seite 4 mittig); aus den französischen Schiffen mit ihren zwei Vierlingstürmen vorne gruppiert lässt sich damit nach meinem Dafürhalten das Maximum herausholen.
Im Anhang sind die diesbezüglichen Gefechtsskizzen angefügt - sofern mich nicht alles täuscht waren Dunkerque und Strasbourg immer in dwars mit einem Abstand von zumindest 1.000m zueinander unterwegs.
Du hast Recht, dass sich damit ein "Crossing the T" ergeben hat, meiner Einschätzung nach wurde das aber bewusst in Kauf genommen, weil einerseits keine großen Flottenverbände (wie am Skagerrak) aufeinander getroffen sind und sich somit nicht gegenseitig behindern (eine Ausnahme im Kriegsspiel zeigt aber, dass das auch bei nur zwei Schiffen durchaus der Fall sein kann !), aber andererseits auch das Schießen von SH & GU dadurch massiv erschwert wurde (spitzer Winkel, damit schmale Silhouette und Gegnerfahrt schwerer einzuschätzen; eigene Salven mit nur 3 Schuss alle 25 Sek. bzw. 6 Schuss alle 50 Sek.) - im Spiel war die Trefferausbeute der franz. durchwegs höher als die der deutschen Schiffe !

Wie gesagt: den Akt durchzuarbeiten ist sicher eine lohnenswerte Arbeit ;-)

Gruß
David
"Wooden ships with iron men beat iron ships with wooden men" - Zusammenfassung der Seeschlacht von Lissa (1866)

Urs Heßling

moin,

Zitat von: Thor am 20 August 2024, 17:49:09das Vokabel "Buggefecht" ist mMn nicht unüblich und wird auch im Text verwendet (z. B. auf Seite 29 im letzten Absatz des Grassmann-Berichts oder im OKM-Bericht auf Seite 4 mittig); aus den französischen Schiffen mit ihren zwei Vierlingstürmen vorne gruppiert lässt sich damit nach meinem Dafürhalten das Maximum herausholen.
d.h. wenn, dann war es ein Buggefecht der französischen Schiffe

Zitat von: Thor am 20 August 2024, 17:49:09eigene Salven mit nur 3 Schuss alle 25 Sek. bzw. 6 Schuss alle 50 Sek.)
Verstehe ich nicht ganz. Wurde im Spiel nur mit einem Geschütz eines Doppelturms gefeuert ?

Zitat von: Thor am 20 August 2024, 17:49:09im Spiel war die Trefferausbeute der franz. durchwegs höher als die der deutschen Schiffe !
Die Kalulationen nachzuvollziehen wäre sicher interessant ... angesichts der historisch bekannten Treffwahrscheinlichkeiten

Zitat von: Thor am 20 August 2024, 17:49:09Wie gesagt: den Akt durchzuarbeiten ist sicher eine lohnenswerte Arbeit
z.B. die Trefferwirkungen der deutschen 38 cm gegen die relativ schwächere Dunkerque-Panzerung

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

J.I.M

Moin Thor,
spannender Fund. Was ich so noch nie gelesen hatte war, dass eine Salve von deutlich mehr als 4 Einschlägen nicht als sinnvoll erachtet wurde, weil sich eine Wasserwand bildet, aus der die eigentlichen Aufschläge schwer einzumessen sind.

Gruß
JIM

Thoddy

Das Einmessen einzelner Einschläge in ihrer individuellen Entfernung zum Ziel ist unerheblich vom technischen Standpunkt gegenüber der Lage der Einschläge in Relation zum Ziel bringt das keinen Mehrwert.
Weil

Wichtig ist nur die Information ob das Ziel von einer Salve erfasst (Einschläge vor und hinter dem Ziel)ist, oder Salve kurz oder Salve weit.



0) das Ziel wird laufend mit den verfügbaren E-mess-Geräten gemessen

1) man kennt die Größe der 50% Trefferzone
2) man weiß ob man die Salve mit künstlich erhöhter Streuung geschossen hat.






Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

Thor

Grüß Euch,

Zitat von: Urs Heßling am 20 August 2024, 22:23:58moin,

Zitat von: Thor am 20 August 2024, 17:49:09das Vokabel "Buggefecht" ist mMn nicht unüblich und wird auch im Text verwendet (z. B. auf Seite 29 im letzten Absatz des Grassmann-Berichts oder im OKM-Bericht auf Seite 4 mittig); aus den französischen Schiffen mit ihren zwei Vierlingstürmen vorne gruppiert lässt sich damit nach meinem Dafürhalten das Maximum herausholen.
d.h. wenn, dann war es ein Buggefecht der französischen Schiffe
Hab' auch nichts Anderes behauptet ;-)

Zitat von: Urs Heßling am 20 August 2024, 22:23:58
Zitat von: Thor am 20 August 2024, 17:49:09eigene Salven mit nur 3 Schuss alle 25 Sek. bzw. 6 Schuss alle 50 Sek.)
Verstehe ich nicht ganz. Wurde im Spiel nur mit einem Geschütz eines Doppelturms gefeuert ?
Wenn mit Teilsalven geschossen, dann: ja !

Zitat von: Urs Heßling am 20 August 2024, 22:23:58
Zitat von: Thor am 20 August 2024, 17:49:09im Spiel war die Trefferausbeute der franz. durchwegs höher als die der deutschen Schiffe !
Die Kalulationen nachzuvollziehen wäre sicher interessant ... angesichts der historisch bekannten Treffwahrscheinlichkeiten
Die problematische Dispersion bei den franz. Geschützen war offenbar noch nicht bekannt. Im Akt wird aber durchaus von Problemen beim Anschießen der Türme der Dunkerque-Klasse mit Turmsalven gesprochen, da "so schwere Beschädigungen und Störungen aufgetreten [sind], dass diese Feuerart (ebenso wie übrigens auch bei den Drillingstürmen der Nelson) nicht vorgesehen ist".
Als Vergleich ein Auszug aus "French Battleships 1922-1956" von Jordan/Dumas (Seite 59):
"Gunnery trials off Quessant then continued until the end of the year [1937], by which time it had become apparent that both the main and secondary guns were over-complex and prone to breakdown".
Auf der Zeitschiene betrachtet sind die Deutschen recht gut informiert gewesen (zur Erinnerung: Kriegsspiel 1937/38; wobei es am 15.12.1937 in Auftrag gegeben wurde):
DQ wurde am 31.12.1936 in Dienst gestellt (Vorsicht: ist nicht gleich-bedeutend wie eine Indienststellung in der Kriegsmarine), anschließend getestet und erprobt und am 01.09.1938 in die Flotte eingereiht

Zitat von: J.I.M am 23 August 2024, 18:29:54Was ich so noch nie gelesen hatte war, dass eine Salve von deutlich mehr als 4 Einschlägen nicht als sinnvoll erachtet wurde, weil sich eine Wasserwand bildet, aus der die eigentlichen Aufschläge schwer einzumessen sind.
Lt. Akt sind das Erkenntnisse der ehemaligen AO's des Linienschiffs Baden (Paschen und Schumacher), welche für das Kriegsspiel gebeten wurden, Erfahrungen und Ansichten brieflich zu äußern - leider sind die ausführlichen Antworten der beiden Herren nicht im Akt niedergelegt  :|

Gruß
David
"Wooden ships with iron men beat iron ships with wooden men" - Zusammenfassung der Seeschlacht von Lissa (1866)

Thoddy

Im zweiten Welkrieg bilden BreitseitenSalven aus mehreren Türmen in der Regel keine Wasserwand aus da die Einschläge einer Salve auf Grund Parallax korrektur in der Regel eher (aus Sicht des Schießenden) auf einer Linie liegen.
Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

J.I.M

Hallo Thoddy,

ich wollte hier nicht meine Meinung verbreiten, sondern auf die Aussage in dem Bericht hinweisen.

Das Personal(vermutlich Fachpersonal), das den Bericht erstellt hat, hat Salven mit mehr als 4 Schüssen als wenig sinnvoll dargestellt.

Gruß
JIM

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