Viceadmiral Tegethoff's Gefechtsbericht

Begonnen von Spee, 12 Juni 2006, 12:57:33

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Spee

Rhede von Fasana, 23. Juli 1866

,,Ich gestatte mir, im Nachfolgenden einen summarischen Bericht über die Schlacht bei Lissa am 30.Juli gehorsamst zu unterbreiten.
Einen Detailrapport zu verfassen, werde ich erst in der Lage sein, nachdem die Schlachtberichte von den einzelnen Schiffen eingetroffen sind.
Telegramme, welche mir vom K.K. Generalcommando zu Zara am 19.Juli zukamen und die Fortsetzung der Beschießung der Insel Lissa durch die sardinische Flotte anzeigten, ließen mir keinen Zweifel, daß der Feind mit seiner Expedition gegen Lissa, nicht wie ich anfangs glaubte, eine Diversion beabsichtige, um mich von meiner Operationsbasis abzuleiten und hierdurch sich freie Hand im nördlichen Golf der Adria zu verschaffen, sondern daß es sich in der That um die Wegnahme der genannten Insel handle.
Ich setzte mich daher um Mittag desselben Tages mit dem Geschwader in Bewegung und steuerte gegen Lissa. Morgens den 20.Juli gegen 7 Uhr meldeten die Ausluger mehrere Dampfer in Sicht, doch bald darauf entzog eine Regenböe aus Südwest selbe wieder dem Blicke.
Der Seegang aus Südwest war um diese Zeit derart, daß die Panzerschiffe zweiter Classe und Panzerfregatte ,,Salamander" ihre Stückpforten schließen mussten. Bei allmählicher Annäherung gegen Lissa, welches gegen die See aus südlicher Richtung Deckung giebt, und nachdem auch die Brise nach Nordwest umgesetzt hatte, nahm der Wellengang nach und nach ab und gegen 10 Uhr hellte sich der Himmel wieder auf. Man gewahrte auch sofort den Feind unter Lissa, in zwei Gruppen getrennt, welche, wie es schien, sich zu vereinigen suchten.
Nach der späteren Aussage von Gefangenen waren zur besagten Zeit die Holzfregatten der Sarden unter Comisa, um Landungstruppen wieder zurück einzuschiffen; denn es war die Absicht des feindlichen Obercommandanten, Lissa an diesem Tage mit aller Kraft anzugreifen, um es zu Falle zu bringen, daher sollte an diesem Tage im erwähnten Orte und in Porto-Manico gelandet werden, während die Panzerflotte die Befestigungen der Stadt Lissa anzugreifen hatte. Doch war der Commandierende der sardinischen Flotte, Admiral Persano, noch rechtzeitig vom Auslaufen des K.K. Geschwaders aus Fasana unterrichtet worden, indem nach erwähnter Aussage dasselbe durch telegraphische Mittheilung von einem Orte der Küste Istriens nach Brindisi und von hier durch einen Schnelldampfer der sardischen Flotte bekannt wurde. Die vorerwähnte Bewegung der feindlichen Flotte dürfte daher nicht schwer dadurch eine Erklärung finden, daß sich die vor Lissa liegenden Schiffe mit jenen vor Comisa zu vereinen strebten.
Nicht lange dauerte es, so entwickelte sich die feindliche Flotte in Kielwasserlinie, Cours NNO., und zwar ihre mächtige Panzerdivision an der Spitze. Die Annäherung geschah daher sehr schnell, und es blieb nicht mehr Zeit, das bereits vorbereitete Signal: ,,Muß Sieg bei Lissa werden" an das Geschwader zu machen, sondern ich beeilte mich, jene Dispositionen zu treffen, die ich als nöthig erachtete.
Die Aufstellung des österreichischen Geschwaders war folgende: Nach der Gattung der Schiffe waren selbe in drei Divisionen getheilt, nämlich: die Division der Panzerschiffe, jene der schweren und die der leichten Holzschiffe. Diese Divisionen waren, die Panzerdivision an der Spitze, hintereinander in Kielwasser, jede einzelne im vorspringenden Winkel formirt. Ich ließ sofort die Divisions- und Schiffsdistanzen schließen, die Schiffe in Gefechtsbereitschaft setzen und die Fahrt derselben erhöhen. An die Panzerdivision gab ich den Befehl: ,,Den Feind anlaufen, um ihn zum Sinken zu bringen".
Die feindliche Linie kreuzte indessen vor der Courslinie des Geschwaders, und der Führer derselben, das Panzerschiff ,,Principe di Carignano", mit Contreadmiral Vacca an Bord, eröffnete der Erste ein nicht sehr wirksames Feuer, welches alsbald von den nächsten österreichischen Schiffen erwidert und in Kürze allgemein wurde. Bald hierauf war die Linie der Sarden durch die österreichische Panzerdivision durchbrochen. Es begann sich ein allgemeiner Kampf zu entwickeln. Die Schiffe der feindlichen Panzercolonne, welche hinter dem Punkte lagen, wo durchbrochen war, fielen nordwärts ab; hierdurch waren die eigenen Holzdivisionen bedroht, und ich ließ demnach die Panzerdivision ebenfalls nordwärts wenden, um den Holzschiffen Luft zu machen und die vom Gros getrennten feindlichen Panzerschiffe in's Kreuzfeuer zu bringen.
Die Holzdivisionen verfolgten indessen ihren Weg und brachen sich Bahn durch die feindlichen Panzerschiffe, wobei sie – Fregatten wie Kanonenboote – mannichfache Gelegenheit fanden, sich mit den gegnerischen Panzerschiffen zu messen.
Das Linienschiff ,,Kaiser", Flaggenschiff der zweiten Division, Commodore Petz, ward hierbei von vier Panzerschiffen gleichzeitig engagirt. Commodore Petz besann sich nicht lange, rannte in eines dieser Panzerschiffe, während er concentrirte Lagen den andern in den Leib jagte, und dies unter Umständen, welche dazu angethan waren, nicht minder auch den Muth und die Ausdauer seiner Mannschaft zu erproben. Denn im Momente des Anlaufs stürzte der Fockmast, zertrümmerte den Schornstein der Maschine und richtete mannichfache Verheerung auf Deck an, ohne jedoch wunderbarer Weise die auf Deck befindliche Mannschaft irgendwie ernstlich zu beschädigen.
Zugleich drohte die Gefahr eines mächtigen Brandes, da der Fockmast mit seiner Takelage über den Schornstein zu liegen kam.
Durch das tapfere Benehmen der Bemannung gewann aber der Commodore für sich und seine Division den Weg durch die feindliche Übermacht. Die Mêlée wurde stets allgemeiner, und es ist schwer, in dessen Einzelheiten einzugehen, da sich die Schiffe, mit ganzer Kraft fahrend, stets kreuzten, und es oftmals schwer war, Freund von Feind zu unterscheiden, obwohl beiderseits die kleine Flaggengala gehißt war. Ein glücklicher Zufall war es, daß die sardinischen Panzer durchgehends grau angestrichen waren.
Nur die Division der feindlichen Holzschiffe lag ziemlich geordnet unter der Küste von Lissa, in nordwestlicher Richtung steuernd, und sendete gelegentlich den passirenden K.K. Schiffen ihre Breitseiten zu.
Bei dieser allgemeinen Jagd gelang es dem Geschicke und der Bravour des Commandanten meines Flaggenschiffes, Linienschiffscapitän Max Baron von Sternek, im Zeitraume einer halben Stunde drei sardische Panzerschiffe anzulaufen, zwei wurden schwer beschädigt, die Flagge des einen herabgerissen, das dritte, der ,,Re d'Italia", eines der größten der italienischen Flotte, ward in den Grund gebohrt und versank binnen zwei Minuten mit einer Bemannung von mehr als 600 Mann. Jeder Versuch, die schwimmende Mannschaft des ,,Re d'Italia" zu retten, musste aufgegeben werden, denn ein Angriff von allen Seiten forderte dringend, das Augenmerk auf die eigene Sicherheit zu richten.
Während dieses beiderseitigen Ringens ward ein sardisches Panzerschiff in Brand geschossen, und die feindliche Panzerflotte schien sich sammeln zu wollen, um selbes aufzunehmen und zu decken. Ich signalisirte daher den unterstehenden Schiffen ebenfalls, sich zu sammeln und sich in drei Colonnen Cours Nordost, die zwei Divisionen der Holzschiffe durch jene der Panzerschiffe gedeckt, neu zu formiren, während Dampfer ,,Elisabeth" beordert wurde, wenn nöthig, dem wie es schien hart mitgenommenen Linienschiff ,,Kaiser" Unterstützung zu bieten.
Die sardische Flotte hatte sich indeß auf ihrem Rückzug in beiläufiger Entfernung von 3 bis 4 Meilen in Kielwasserlinie gesammelt und steuerte derart, um das in Brand befindliche Panzerschiff aufzunehmen, was ihr auch bei dem Umstande, daß das fragliche Schiff noch seine Maschine zu gebrauchen vermochte, natürlich gelang.
Nach einigen wechselseitigen Schüssen wendete die sardische Flotte in westlicher Richtung, und somit erreichte das Gefecht ein Ende, nachdem es von ¾ 11Uhr Vormittags bis 2 Uhr Nachmittags gedauert hatte.
Mein Zweck war hiermit erfüllt und Lissa vom Feinde entsetzt.
Um 2 Uhr 30 Minuten sah man das früher erwähnte in Brand geschossene sardische Panzerschiff durch Explosion den Untergang finden.
Nach getheilter Aussage der Gefangenen soll es der ,,Palestro" oder der ,,Principe di Carignano" gewesen sein, jedenfalls war es ein Schiff mit 10 bis 12 Breitseiten Geschützen. Eine Verfolgung unterließ ich, weil selbe resultatlos geblieben wäre, und nahm daher Cours nach dem Hafen St. Giorgio von Lissa; denn bei der großen Verschiedenheit der Leistungsfähigkeit in Bezug auf fahrt, welche den unterstehenden Schiffen eigen ist, erschien ein compactes und zugleich schnelles Vorgehen nicht thunlich, die Möglichkeit, ein Mêlée herbeizuführen, daher Null.
Die Nacht in See zu bleiben, wäre zwecklos gewesen und würde nur unnützen Aufwand an Betriebsmaterial und Kohlen herbeigeführt haben, der umsomehr vermieden werden mußte, als Lissa nicht die Mittel zum Ersatz im entsprechenden Maßstabe bietet. Zudem konnte der Aufenthalt im Hafen dazu dienen, um allfällige kleine Herstellungen vorzunehmen, und befand sich das Geschwader überdies auf diese Art gesammelt und stets bereit, um für den Fall eines erneuten Angriffes am folgenden Tage mit aller Kraft dem Feinde zu begegnen.
Der nächstfolgende Tag wurde auch demgemäß dazu benutzt, die Schiffe zu untersuchen und kleine Reparaturen zu bewerkstelligen.
Das Linienschiff klarte seinen Bug von den Trümmern des Bugspriets und sein Deck von jenen des Fockmasts und seine Takelung und setzte seinen Schlot in brauchbaren Zustand; das Panzerschiff ,,Erzherzog Ferdinand Max" nahm von Fregatte ,,Schwarzenberg" einen Anker an Bord, um einen seiner Buganker zu ersetzen, der beim Einrennen undienstbar geworden war.
Die Schwerverwundeten wurden ausgeschifft und die transportablen derselben mit Dampfer ,,Venezia" nach Spalato und Zara entsendet; die Gefallenen wurden mit den militärischen Ehren zur Erde bestattet.
Bei Nacht wie bei Tag waren hierbei stets Schiffe in See, welche die Aufgabe als Eclaireur zu erfüllen hatten; Kanonenboot ,,Dalmat" und Raddampfer ,,Elisabeth" wurden beordert, auf dem Schlachtfelde und längs der Küste Nachforschungen anzustellen, ob sich noch Leute vom versenkten feindlichen Panzerschiffe vorfänden, um selbe zu retten.
Die feindliche Flotte war am Abende des Schlachttages vom Monte-Humm aus noch sichtbar, am Morgen des 21. aber nicht mehr zu entdecken.
Da bis Sonnenuntergang vom Feinde nichts mehr sichtbar wurde und der Feind einen neuen Angriff auf Lissa nicht mehr zu wagen schien, so war meine Aufgabe vorderhand ausgeführt, und ließ ich das Geschwader, nachdem das Linienschiff ,,Kaiser" gegen 8 Uhr Abends seine Reparatur am Schlot vollendet hatte, wieder in See stechen, um meine frühere Stellung auf der Rhede von Fasana, als die mir zukommende Operationsbasis, einzunehmen.
Die Stärke des Feindes wurde beim ersten Zusammentreffen auf 12 schwere Panzerschiffe, im Ganzen auf ungefähr 27 bis 30 Schiffe geschätzt.
Nach Aussage der leute jedoch, welche sich vom versenkten ,,Re d'Italia" an den Strand von Lissa retteten, betrug die Zahl der schweren sardinischen Panzerschiffe, hierunter das Thurmschiff ,,Affondatore", 12, leicht gepanzerte 3, an Holzschiffen 8 Fregatten, Dampfer 6, Transportschiffe 3, zusammen 32.
Die Bestückung der gegnerischen Flotte bestand, sowohl nach Aussage der oben erwähnten Gefangenen, als auch nach den an verschiedenen Stellen der Insel Lissa aufgefundenen Projectilen und den an Bord von Schiffen zurückgelassenen Spuren von Projectilen zu schließen, aus Geschützen schwersten Calibers und mitunter neuester Construction. Es wurden Geschosse von 80 bis 300 Pfund vorgefunden. Nach der mehrerwähnten Aussage soll der ,,Affondatore" Sechshundertpfünder an Bord gehabt haben.
Ich fühlte mich verpflichtet, gleich nach Beendigung des Kampfes der Bemannung der Flotte ohne Unterschied meine Anerkennung und meinen Dank auszusprechen; Commandanten, Offiziere und Mannschaften haben ihre Pflicht gethan; sie haben mit einer Hingebung, Ausdauer und Ruhe gekämpft, der selbst der Gegner die Anerkennung nicht wird versagen können.
Ihre Leistungen stehen um so höher, wenn man bedenkt, in welch kurzer Zeit der größte Theil der Schiffe ausgerüstet ist, und daß bei manchen zwischen dem Tage der Ausrüstung und dem Tage der Schlacht kaum der Zeitraum von drei Wochen liegt. Zudem ist nicht außer Acht zu lassen, daß sie mit dem Bewusstsein in den Kampf gingen, es mit einem materiell stärkeren Feinde zu thun zu haben, und daß nur moralische Kraft und seemännisches Geschick dieser Uebermacht ein Gleichgewicht zu halten vermag."

Wilhelm Tegethoff m.p.,
k.k. Viceadmiral

Quelle: Gustav Billig: Deutschland's verhängnisvolles Jahr 1866; Dresden 1866
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy


Torpedo

Mein Gott wie archaisch! Das liest sich ja fast wie die Schlacht bei Salamis! Und das im Dampfzeitalter...
Uli "Torpedo"   [WoW Nic: Torpedo_uas]

"Man muss seine Geschichte kennen, um nicht die gleichen Fehler zu wiederholen"

Restaurierungsbericht des SEELÖWE, 20er Jollenkreuzer Baujahr 1943
http://facebook.com/r167seeloewe

Mario

Super, spee, jetzt habe ich mich erstmals intensiver mit dieser Schlacht befasst.
Mit dem Aufkommen der Stahlbauweise für Schiffe und der neuartig modernen Panzerung der Schiffe wurde die Artillerie nahezu nutzlos. Folglich blieb den Panzerschiffen nur der Rammstoß.
Anstatt aber nun die Flotten der großen Seemächte ihr Augenmerk auf die Entwicklung modernerer Geschütze und Geschosse legten, wurden neu in Dienst genommene Kriegsschiffe wieder mit einem Rammsporn ausgestattet. Diese nur wenige Jahre sinnvolle Angriffstaktik hielt sich aber im Schiffbau noch bis in das 20. Jh. hinein.

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