Aufbringen des dt. Lazarettschiffes "Rostock"

Begonnen von Rheinmetall, 24 Januar 2014, 13:08:33

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Rheinmetall

Hallo Leute !

In Lars Hellwinkels Werk "Hitlers Tor zum Atlantik" steht auf Seite 159, dass man um die Lazarette (der Festungen Lorient) zu entlasten, im September 1944 etwa 300 Schwerverwundete an Bord des zum Lazarettschiff "Rostock" umgerüsteten Sperrbrechers 19 brachte.
Das Schiff verließ am 16.09.1944 Lorient mit Ziel Deutschland, wurder aber kurz nach dem Auslaufen von freifranzöischen Motortorpedobooten aufgebracht und von einem britischen Zerstörer nach Plymouth geleitet, wo Besatzung und Verwundete in Gefangenschaft gerieten.

Jetzt zu meiner Frage:

War dieses Aufbringen eines Lazarettschiffes nach derzeitigem Kriegsrecht überhaupt zulässig ?
Und wie war die Reaktion aus Deutschland über diesen Vorgang ?

Habe auf dieser Seite hier ein paar Daten über die besagte "Rostock" gefunden.

http://www.feldgrau.com/hs-rostock.html

Über Antworten von Euch würde ich mich sehr freuen.  :-)

Rheinmetall
Ab Kapstadt ohne Kreiselkompass - Jürgen Oesten, U 861

Ferenc

Hallo "Rheinmetall",
In "Die deutschen Lazarettschiffe im Zweiten Weltkrieg" ist dieser Vorgang auch kurz vermerkt, aber einen Hinweis über  eine Reaktion ist nicht enthalten.
Auch im Westen sind Angriffe auf deutsche Lazarettschiffe oder deren Aufbringen keine Seltenheit gewesen, sondern eher der Regelfall. Z.B. ERLANGEN, TÜBINGEN, BONN, FREIBURG, TZAR FERDINAND sind entweder aufgebracht oder versenkt worden, oder beides. TÜBINGEN wurde im Mittelmeer bzw. Südadria 2x aufgebracht, die Leichtverwundeten von Bord geholt und schließlich in der Nordadria durch Flugzeuge versenkt.

Grüße
Ferenc 

Rheinmetall

Guten Abend Ferenc !

Vielen Dank für Deine Antwort.
Ich kann es nicht verstehen wie weiß gepönte Schiffe und mit dem Roten Kreuz versehen, aufgebracht oder sogar versenkt werden konnte.
Gut, wenn ein Lazarettschiff einer Seemine zum Opfer fällt kann ich das als Einzelfall so noch verstehen.
Aber dass das der Regelfall war, dass man sich an keine Vorgaben hielt und munter drauf gehalten hat, verstehe ich auf keinen Fall.
Jede kriegsbeteiligte Nation hatte ja seine Verwundeten und war froh darüber, diese in Sicherheit unter dem Schutz des Roten Kreuzes zu wissen.

Rheinmetall
Ab Kapstadt ohne Kreiselkompass - Jürgen Oesten, U 861

t-geronimo

Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

suhren564

#4
Hallo Rheinmetall,

evtl. ist es deswegen passiert, weil diese Schiff vorher ein Sperrbrecher war und kein (dem IRK und den Alliierten) bekanntes Lazarettschiff war.

http://de.wikipedia.org/wiki/Lazarettschiff#Hospitalschiffe_im_milit.C3.A4rischen_Bereich

Edit: Die Lazarette in Lorient waren zu entlasten, der Landweg gesperrt oder zumindest sehr unsicher. Die Versorgungslage allgemein und die in Lazaretten insbesondere war höchstwahrscheinlich sehr angespannt. Vielleicht haben sich realistisch denkende Befehlshaber gedacht, Gefangenschaft ist (früher oder später) eh angesagt, lassen wir einen Kahn als Lazarettschiff raus, evtl. schnappen sich die Alliierten das Schiff und wir brauchen uns nicht mehr um diese Verwundeten zu kümmern! ??
Gruß Ulf

Nie darf man so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.... 
Erich Kästner

Violoncello

Hallo Rheinmetall,

die Lazarettschiffe bedurften in jedem Falle der gegenseitigen Anerkennung durch die kriegführenden Mächte. Wenn ich die Informationen aus dem Gröner richtig gelesen habe, war die "Rostock" ja überhaupt erst wenige Wochen vor der Aufbringung zu einem Lazarettschiff umgebaut worden. Der Zeitraum dürfte zu kurz gewesen sein, um über die Schutzmacht Schweiz die erforderliche Notifizierung in London abzuschließen.

Dessen ungeachtet: Die Briten sind bei der Anerkennung deutscher Lazarettschiffe sehr selektiv vorgegangen. Kleinere Schiffe wurden z. B. aus der Luftschlacht um England 1940 herrührend regelmäßig mit der Begründung abgelehnt, dass diese Fahrzeuge vornehmlich die Aufgabe hätten, un verwundetet Flieger aufzunehmen, nachdem sie auf See niedergegangen seien.

Einzelheiten finden sich z.B. in dem Buch des Völkerrechtlers Alfred M. de Zayas: Die Wehrmacht-Untersuchungsstelle. Deutsche Ermittlungen über alliierte Völkerrechtsverletzungen im Zweiten Weltkrieg (4. Auflage, München 1984) im Kapitel 26 "Lazarettschiffe (S. 392-401). Die "Rostock" wird hier übrigens nicht erwähnt.

Viele Grüße

Violoncello

Darius

Hallo zusammen,

ich will das Thema nicht fehlleiten, aber es gab da ja auch noch den Fall mit der Bordeuax:
--/>/> http://warsailors.com/forum/read.php?1,54238

:MG:

Darius

suhren564

Gruß Ulf

Nie darf man so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.... 
Erich Kästner

kgvm

Laut Arndt, Deutsche Sperrbrecher, war die "Rostock" nicht unterwegs nach Deutschland (wäre wohl wegen Minen etc. auch zu gefährlich gewesen), sondern nach Santander, wo die 211 - nicht etwa 300 - Verwundeten von Bord gegeben werden sollten. Danach sollte "Rostock" mit Sanitätsmaterial nach Lorient zurückkehren.
Dort wird auch das KTB der SKL vom 17.11.1944 zitiert, wo als Grund für die Aufbringung vermerkt ist, daß die Engländer "Rostock" nicht als Lazarettschiff anerkannt hätten, da sie "angeblich nicht genügend eingerichtet" sei. Inzwischen sei sie aber von den USA anerkannt, aber das hatte offensichtlich keine Folgen.
Woher stammt eigentlich die Angabe, daß die aufbringenden MTB (696 und 713) freifranzösisch waren?

TD

Hallo zusammen,

muss ja zu meiner Schande sagen das kaum ein Schiff bei mir auf soviel Stellen verteilt ist wie die ROSTOCK.

Deutscher Schiffsverlust 1940 ( Kriegsschädenamt für die Seeschiffahrt)
Re Prise in Bordeaux
Einsatz Sperrbrecher
Lazarettschiff 1944
Verlust 1944
So bunt wie der Lebenslauf sind auch die Quellen Archive:

Hamburg, Koblenz, Bonn, Berlin, Freiburg und zuletzt durch den guten Freund Hans Jehee in Bern.

Hier einmal grobe Zusammenstellungen zum Schiff ROSTOCK: 


D  ROSTOCK  22/2542  Aug. Cords, Rostock     DMAF
22./27. 8. 39 Rotterdam - Vigo,  10. 2. 40 ab Vigo
11. 2. 40 vor Vigo von franz. Aviso "Elan" aufgebracht, franz. "St. Maurice"
1. 7. 40 in Bordeaux vorgefunden
20. 5. 41 in Brest als "Sperrbrecher 19" in Dienst
11. 8. 44 in Lorient außer Dienst, Umbau in Lazarettschiff
16. 9. 44 vor Lorient von brit. MTB 696 und 713 gekapert
an Frankreich  "St. Maurice"

0763.) ss  ROSTOCK    MFLBDMAF
19.10./17.1.1923 Schiffswerft & Masch. Fab. (vorm. Janssen & 2542/1489  7200/4219  4000/3800/3740           Schmilinsky) AG, Hamb. 100,2213,805,556,25 m                                                               (574)
  3fE 580x940x1520/1000    1450  2  13,0  435
Hannoversche Masch. Bau AG, Hann.    17
"Rostock", ursprünglich für einen anderen Reeder bestimmt (La Plata Dienst). Aug. Cords, Rostock (DEU). 1926 Dampfschiffs Ges. Aug. Cords. 1927 wie 1923. 1937 Heimathafen Seestadt Rostock. 27.8.1939 an Vigo (Reise Rotterdam - Bona). 11.2.1940 vor Vigo/Atlantik durch den französischen Aviso ,,Elan" aufgebracht. "St. Maurice" Französische Regierung in Paris (FRA). 24.2.1940 an Lorient und Juni hier wieder zurückerobert und 1.7. in Bordeaux Rückgabe ,,Rostock" wie 1937 (DEU). 1941 Kriegsmarine"Sperrbrecher 19"/2. Spbr. Flott. (i. D. 20.5.41/U Brest)/6. Spbr. Flott. (1.7.41), a. D. 11.8.1944 in Lorient. U Lazarettschiff ,,Rostock". 16.9.1944 auf der Fahrt von Lorient 20 Meilen SSW Penfret/ Glenan Island durch die englischen Motortorpedoboote HMS ,,MTB 696" und "MTB 713" aufgebracht. "St. Maurice" Französische Regierung in Paris/London (FRA). 1946 (Cie. de Navigation Fraissinet), Marseilles. 8.4.1948 an Marseiles und Reparatur (so noch Mitte 1949). 1949 Soc. Franco Tunisienne d'Armement. 1955 Cie. de Navigation Europeenne. 1955 ,,Azur" P. G. Cottaropoulos, Puerto Limon (CRI). Januar 1957 ,,Monte Pellegrino" S. A. M. P. Soc. Armamento Monte Pellegrino S. p. A. (A. Pellegrino di Ciro), Palermo (ITA). 1964
,,Marhonda" Marhonda SA, Panama (PAN). 1.9.1967 nahe Suez vor Anker gegangen. 1.7.1969 bei den Kämpfen in Suez durch Bomben oder Geschützfeuer beschädigt, wobei die Brücke ausbrennt und der Maschinenraum beschädigt wird. Dann aufrecht auf ebenem Kiel im flachen Wasser gesunken.

Anbei habe ich zwei Kopien um Vorfall angehängt.

Hatte auch einmal einen Bericht zur Aufbringung mit Besatzungsliste, aber wohl falsch abgelegt.


Dieses noch:

14.9.1944 durch Marine Ob. Ass.  Dr. Richter i.D. gestellt.

Gruß


Theo
...ärgere dich nicht über deine Fehler und Schwächen, ohne sie wärst du zwar vollkommen, aber kein Mensch mehr !

Jong

Zitat von: kgvm am 24 Januar 2014, 21:17:31

Woher stammt eigentlich die Angabe, daß die aufbringenden MTB (696 und 713) freifranzösisch waren?


Vielleicht weil der Kommandant vom MTB 713 einen französisch klingenden Namen hatte ---> Olivier, Gerard Dacres...

Gruß
Jong

redfort

MTB 713 gehörte zur 52. MTB-Flottilla der Royal Norwegian Navy.

und HMS MTB 696 zur Royal Navy Commander: P.B.R Vanneck, RNVR.

Also nix mit freie Franzosen.
Gruß, Axel

Luftwaffe zur See

Urs Heßling

moin,

Zitat von: Violoncello am 24 Januar 2014, 18:52:14
Der Zeitraum dürfte zu kurz gewesen sein, um über die Schutzmacht Schweiz die erforderliche Notifizierung in London abzuschließen.
Das sehe ich auch so.

Zitat von: Violoncello am 24 Januar 2014, 18:52:14
Die Briten sind bei der Anerkennung deutscher Lazarettschiffe sehr selektiv vorgegangen. Kleinere Schiffe wurden z. B. aus der Luftschlacht um England 1940 herrührend regelmäßig mit der Begründung abgelehnt, dass diese Fahrzeuge vornehmlich die Aufgabe hätten, un verwundetet Flieger aufzunehmen, nachdem sie auf See niedergegangen seien.
.. und Seenotflugzeuge (He 59) wurden meines Wissens trotz Bemalung und eindeutiger Kennung aufgrund diesen Arguments von Jägern der RAF abgeschossen.

Zitat von: TD am 24 Januar 2014, 22:52:14
So bunt wie der Lebenslauf sind auch die Quellen Archive:
Große Klasse, Theo !  top :MG:

Zitat von: redfort am 25 Januar 2014, 02:39:12
MTB 713 gehörte zur 52. MTB-Flottilla der Royal Norwegian Navy.
Axel, da wäre ich mir nicht so sicher.
Meines Wissens gehörten alle Boote offiziell zur Royal Navy (und führten das "White Ensign"), auch wenn sie mit norwegischer Besatzung (einschl. Kommandant) fuhren.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

TW

Verdacht auf Missbrauch des Lazarettschiffs TÜBINGEN.
Bin im Admirality War Diary beischlägig auf --/>/> dieses Dokument, das meines Erachtens zeit, dass die Admiralität nicht leichtfertig mit dem Verdacht auf Missbrauch von Lazarettschiffen als Truppen- oder gar Munitionstransporter verfuhr.
Schönen Tag, Thomas

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