Was ist mit den Marinesoldaten aus dem Ägäis-Bereich geworden?

Begonnen von Paul56, 29 Mai 2022, 17:37:03

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Paul56

Hallo,

nun mal eine sehr interessante Frage, was ist eigentlich aus dem Angehörigen der Kriegsmarine geworden die im Ägäis-Bereich eingesetzt bzw. dort stationiert waren?
Mein Großvater war in diesem Bereich als Marinesoldat eingesetzt bzw. stationiert. Eigentlich war der Standort Warnemünde. Er wurde dann wohl 1944 in den Ägäis-Bereich abkommandiert.  Soweit ich noch in Erfahrung bringen konnte war er dem Hafenkommandanten Athen unterstellt. Er soll wohl auch auf der Insel Syra(Syros) gewesen sein, dort im Lazarett. Das ging wohl aus einem Feldpostbrief hervor, den er von dort geschrieben hat. Leider habe ich auch keine Feldpostnachricht mehr, weil seine Frau schon gestorben ist, sowie seine Schwester.
Was ich einmal erfahren hatte, das wohl die Marinesoldaten in Wehrmachtsuniformen gesteckt werden sollten, im Jahr 1944/45 und dann über den Balkan wieder nach Deutschland zurückgeführt werden sollten. Die letzte Feldpost erhielt sein Frau ,meine Großmutter, im Jahr Ende 1944. Danach kam keine Feldpost mehr aus dem Ägäis-Bereich. Auch spätere Aufzeichnungen aus diesem Bereich sind sehr spärlich, weil es da kaum Aufzeichnungen gab.

Nun hier die Frage, was ist aus den Marinesoldaten der Kriegsmarine aus dem Ägäis-Bereich geworden?

Gruß Paul56

smutje505


Paul56

Danke für die Begrüßung.

Nun das Thema Ägäis-Bereich ist bestimmt ein heißes Eisen, weil kaum noch Unterlagen vorhanden sind. Vielleicht gibt es hier noch andere Info´s dazu bzw. darüber.

Gruß Paul

jockel

Moin, in der --/>/> Suche "Fritz Ehlebracht" eingeben und man findet etliche Beiträge zu dem Thema.

Gruß
Klaus

OldMan

Ich möchte dieses Thema kurz ansprechen (und falls Interesse besteht, anhand der Aufzeichnungen meines Vaters, der auch in Athen stationiert war, ausführen: Er war damals Matrosen-Obergefreiter und Kraftfahrer sowie Maschinist auf einem Patrouillen-Segler(?) oder jedenfalls -Boot).
Die Rückführung der Marine-Soldaten erfolgte 1944 in einem "wandernden Kessel", aus dem sich die Einheiten letztlich selbst befreien konnten. Der Rückmarsch erfolgte über Jugoslawien (mein Vater erwähnt auch Joannina und weiters Montenegro...).
Wie gesagt, falls Interesse besteht.

OldMan
Nihil, nihil (Von Nichts wird Nichts)

Rast

Hallo
Natürlich möchte man mehr erfahren!
AlAo Intresse ist vorhanden.
Damit Geschichte weiter lebt muss sie erzählt werden

,🙋Rast
Lieber 5 Minuten vorsichtig als ein Leben lang tot!

Violoncello

Hallo OldMan,

da kann ich mich Rast nur anschließen! Nur keine Zurückhaltung...

Viele Grüße

Violoncello

Besitzer

Hallo Paul 56,


 Ein Freund von mir (F.Schlimme)fuhr auf U565,(bei Salamis Selbstversenkt), darüber gibt es auch ein gutes Buch.
 In diesem Buch ist Umfassend der Rückzug aus Griechenland über die Balkanländer nach Deutschland beschrieben! Dieser Rückzug, war wohl vermutlich der Größte Rückzug von Marinesoldaten, weil Alle mit der letzten Eisenbahn von dort weg wollten.
In Jugoslawien gerieten sie in eine Partisanenfalle. Es gab Tote Marienleute.

 Mein Freund, leider schon Verstorben, Berichtete das sie einen Weg passieren  mussten, der schön gepflegt war, die Hecken waren kurz geschnitten, alles war verdächtig still. Bis sie merkenten, dass die Hecken gestutzt worden waren weil es sich um ein Schussfeld der Partisanen handelte......Die Partisanen haben dann die Marine Opfer wie Hasen nebeneinander abgelegt, so dass die Überlebenden es mit Ferngläsern verfolgen konnten. Später wurden die Opfer dort auf Höhe XXX in eine tiefe Höhle geworfen, wo sie wohl heute noch liegen...

Das Buch: U565 und seine Menschen.
Übrigens, ich kannte auch Helmut Jacksch pers., von dem Boot U565 habe ich hier viele Bilder rein gestellt.



Gruß Uwe :MG:

 
Seemannsgarn wird nicht geflochten,
sondern gesponnen! ;-))

OldMan

Ich beginne mal (mit Abständen immer mal wieder) meines Vaters (Matrosen-Obergefreiter in der 2. MarineKraftfahrEinsatzAbteilung) Erinnerungen abzuschreiben.

"Unsere Stammeinheit hatte jetzt alle Tage einen anderen Einsatz: Von Kalamata im Peloponnesüber Gytheon, an der Südspitze, 'rauf nach Piräus über den Isthmus von Korinth, alles war für uns zum Gebiet des sich anbahnenden Rückmarschs aus Griechenland geworden. Wir hatten die zurückgehenden Einheiten der Gebirgsjäger, der Luftwaffe und einigen anderen Marineeden noch intakten Flugplätzen von inheiten zu sichern und den Rückmarsch von Partisanen frei zu halten, Immer wieder kam es zu Gefechten aus dem Hinterhalt. Unsere 2cm kam öfters zum Schuß und der Tommi sorgte auch für Abwechslung mit seinen Jägern, meistens die Doppelrumpf-Lightning.
Im Oktober 1944 sollte Griechenland im geordneten Rückzug geräumt werden. Meine Einheit, die jetzt wieder durch Zukommandierungen anderer Marinesoldaten aufgefüllt war und die volle Kampfstärke hatte, sollte die Nachhut bilden. Nach dem Rückzug von Heeres- und Luftwaffeneinheiten wurden von uns im Hafen von Piräus liegende Schiffe und Boote, die Hafenmole und die wichtigsten Hafenanlagen zur Sprengung vorbereitet. Vor der Hafeneinfahrt wurde ein großes Frachtschiff versenkt, damit war der Hafen für die Engländer mit großen Schiffseinheiten nicht mehr nutzbar. Zur Stunde X wurde alles gesprengt, nur Wracks blieben übrig. Es wurde höchste zeit, denn der Tommi landete schon mit seinen Transportflugzeugen auf Dateu und Kifissia. Vorher hatte er schon in Kifissia alle unsere noch flugfähigen Jäger mit seinen Jagdbombern vernichtet.
Wir sprengten noch das Fernsprechamt, dann sammelten sich die verschiedenen Einsatzgruppen als "Kriegsmarine Sondereinheit z.b.V. - 2. MarineKraftwagen-EinsatzAbteilung auf der Straße Nr. 1 von Athen nach Norden. Wir hatten eine beachtliche Kampfstärke: Die Einheit hatte 12 Stück 2cm Bordeinzelflak, 6 Stück Zwillingsflak 2cm, einen Vierling (2cm) und eine 3,7cm Schnellfeuerflak. Dazu kamen 4 Steyr-Geländewagen (mit MG), ein Fahrzeug mit einem Granatwerfer und Bedienung und insgesamt ca. 290 als Einzelkämpfer ausgebildete Matrosen, Maate, Bootsmänner und drei Offiziere.
Alles in allem kam noch dazu: Kochmaaten mit Küchenwagen, 2 Sanitätsfahrzeuge (3 Sanitäter), Schreibstube mit Kommandofahrzeug und Fahrzeuge mit Geschützen sowie MGs auf Fahrzeugen. Alle waren mit Maschinenpistolen und Karabinern bewaffnet; insgesamt eine sehr kampfstarke Truppe. So waren wir ausgerüstet, als wir nach Rußland marschierten (Anm. Von dort war mein Vater über Bulgarien nach Griechenland 1943 gekommen).
Nachdem wir uns formiert hatten, begann der Rückmarsch. Geordnet, ohne einen Schuß verließen wir Athen."

Erst mal bis hierher. Ich habe z.Z. noch andere "Projekte" laufen, daher bitte ich um Nachsicht, wenn ich nicht sofort weitermache. Ich schreibe immer mal wieder. Vielleicht kann ich auch einige Fotos beisteuern.

OldMan
Nihil, nihil (Von Nichts wird Nichts)

Rast

Lieber 5 Minuten vorsichtig als ein Leben lang tot!

Urs Heßling

moin,

OldMan top -> Erlebnisbericht fürs HMA, siehe https://forum-marinearchiv.de/smf/index.php?topic=10997

Zitat von: OldMan am 02 August 2024, 13:10:52Von Kalamata im Peloponnes über Gytheon, an der Südspitze, 
Kalamata und Gythio
Exkurs aus der Chronik des Seekriegs, April 1941
Zum Höhepunkt der Evakuierung kommt es in der Nacht vom 26./27.4., in der 27.000 Soldaten auf ihren Abtransport warten. Die Transporter ... nach Nauplia, Transporter Dilwara, City of London und Costa Rica, begleitet von Kreuzer Phoebe und 4 Zerstörern nach Kalamata. 8200 Flüchtlinge sollen von Rafina und Raftis, 4500 von Nauplia, 9800 von Kalamata abgeholt werden, insgesamt fast 22.000 Menschen. ... Auch der Phoebe-Konvoi von Kalamata wird angegriffen. Transporter Costa Rica mit 2400 Mann Truppen an Bord kann nach einem Bombenangriff nicht mehr weiterfahren und alarmiert die Zerstörer Defender, Hereward und Hero, die alle Mann übernehmen; anschließend sinkt die Costa Rica.

Zitat von: OldMan am 02 August 2024, 13:10:52und der Tommi sorgte auch für Abwechslung mit seinen Jägern, meistens die Doppelrumpf-Lightning.
wohl eher die USAAF

Zitat von: OldMan am 02 August 2024, 13:10:52Vor der Hafeneinfahrt wurde ein großes Frachtschiff versenkt, damit war der Hafen für die Engländer mit großen Schiffseinheiten nicht mehr nutzbar. Zur Stunde X wurde alles gesprengt, nur Wracks blieben übrig.
aus der Chronik des Seekriegs, Oktober 1944 :
Vom 6.– 14.10. Verlegung der letzten dt. Schiffe in der Ägäis von Piräus nach Saloniki. Am 9.10. gerät TA 38 bei Makronisi auf Grund, es wird von TA 39 nach Volos geschleppt. Dort aber wird es am 12.10. als Blockschiff in der Hafeneinfahrt versenkt. Auch der ex-italienische Frachter Vesta (3351 BRT) wird am 9.10 als Sperrschiff im Kanal von Korinth versenkt. Nachdem Piräus am 12.10. geräumt ist, verlegen die letzten fahrbereiten Schiffe, Dampfer Lola, TA 39 und 3 R-Boote, nach Saloniki. Die nicht fahrbereiten TA 15 und TA 17 sowie mehrere kleinere Fahrzeuge werden selbstversenkt.

Zitat von: OldMan am 02 August 2024, 13:10:52Vorher hatte er schon in Kifissia alle unsere noch flugfähigen Jäger mit seinen Jagdbombern vernichtet.
Luftwaffe, Kifissia 1944

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Sprotte

   Moin, Urs, im April 41 waren die USA noch neutral.
Jedenfalls offiziell. :wink:
Auch im Orchester des Lebens dringt das Blech am meisten durch.

Urs Heßling

moin,

Zitat von: Sprotte am 03 August 2024, 15:34:48Moin, Urs, im April 41 waren die USA noch neutral. Jedenfalls offiziell.
Stimmt. Aber nur mein Exkurs (sic!) betr. Kalamata bezieht sich auf April 1941

Hier geht es um den Oktober 1944

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

OldMan

Zuerst: Herzlichen Dank für die Kommentierungen. Selbstverständlich schrieb mein Vater als einfacher Marine-Soldat ("Kometen-Karriere" hat er erst Anfang '45 gemacht; wäre ein Thema für sich) und da mag erstens manches aus Mangel an Information und zweitens manches wegen der Erinnerungen (erst etwa Mitte der 80er begonnen) ungenau oder vielleicht gar falsch sein.
Ich mache mal weiter:

"Der Engländer landete bereits in der Bucht von Skaramanga und in der Georgsbucht starke Kräfte, welche bis zu unserer Straße 1 vorgerückt waren. Sie standen am Straßenrand und, unglaublich, aber wahr, winkten uns zu ohne das von beiden Seiten ein Schuß fiel. Sie ließen uns unbehelligt ziehen, denn es war klar, wir marschierten in einen Kessel, ohne es zu wissen. Es war sehr heiß und endlose Staubwolken begleiteten uns. Über uns englische Jäger, von See aus der Tommy, von rechts die Berge mit Partisanen und vor uns keine deutsche Einheit mehr, welche uns hätte entlasten können.
Marschall Tito kam von den Bergen aus Serbien und machte uns neben den Partisanen die größten Schwierigkeiten: Kein offener Kampf, immer nur Hinterhalte, Beschuss von den Bergen und die laufenden Fliegerangriffe rissen schmerzhafte Lücken in unsere Reihen. Zwischen Lania und Larissa hatten Partisanen die Thermphylen-Paßstraße gesprengt und wir mussten die notdürftig wieder, in glühender Hitze und Staub, ausbessern. Über tiefe Schluchten, durch kleine Flüsse ging es nach Trikala; Joannina durch den Paß nach Florina. Es verging kein Tag mehr, wo keine Kampfhandlungen stattfanden. Bitoli und Prilep kostete uns den ersten Ausfall von zwei 2cm-Fla-Geschützen mit den Bedienungen. Skopje wurde erreicht und hier konnten wir Treibstoff ergänzen. Einen Tankwagen hatten wir verloren, der fehlte für die Versorgung auf dem Marsch. Langsam machten sich unsere Verluste an Gefallenen und Verwundeten bemerkbar; diese Ausfälle kosteten Kampfkraft.
Jetzt wurde es ein (kurzer) Herbst: Schönes Wetter zwar und gute Sicht, aber vor allem für die pausenlosen Angriffe feindlicher Flieger.Sie machten uns das Leben schwer; unsere tägliche Marschleistung wurde immer geringer. Hinter jeder Straßenkreuzung lauerte der Tod. Nun wurde es in den Nächten, in denen wir auch kaum zur Ruhe kamen, immer kälter, der Winter brach herein. Es begann, Unmassen zu schneien. Das Führungsfahrzeug hatte es immer schwerer, voranzukommen und die MG-Schützen im Wagen sahen wie Schneemänner aus. Feuer durfte kaum gemacht werden (wegen der Partisanen). Unsere B-Kräder hatten wir auf leere LKW verladen, ebenso die Solo-Maschinen.
Monte Negro. das Land der schwarzen Berge, wurde uns zum höllischen Hindernis; wir kamen nicht mehr weiter und es musste Stellung bezogen werden. Ich hatte in einem Bauernhaus, dem so genannten "Stützpunkt Eichkater" Stellung zu beziehen. Ein Partisanendorf lag etwa 150 Meter nur vor uns; insgesamt neun Mann, geführt von einem Bootsmann waren wir auf vorderstem Posten. Man konnte die Partisanen hin und her laufen sehen, vor uns lag eine freie Fläche, schneebedeckt und dadurch war die ganze Gegend sehr hell, es war gute Sicht. Wir brauchten uns kaum bewegen, schon knallte es vom Dorf herüber."

Wieder bis hierher. Übrigens: Winterausrüstung hatte diese Truppe natürlich keine; immer noch Tropen-Uniform (davon hatte mein Vater eine Jacke "gerettet", die er bis Anfang der 50er umgearbeitet auch als Zivil dann auf Arbeit trug)...

Schöne Woche allerseits, OldMan
Nihil, nihil (Von Nichts wird Nichts)

OldMan


Ich mache mal weiter mit dem Erlebnisbericht meines Vaters.

"Ich lag im Schnee auf Vorposten, den Karabiner im Anschlag, plötzlich sah ich backbords querab einen schwarzen Schatten auf mich zugekrochen kommen. Ich schoß sofort und traf. Mein Nebenmann schoß eine weiße Leuchtkugel daraufhin ab, die die ganze Gegend taghell erleuchtete. Die 2cm-Flak setzte sofort ein und schoß eine Salve auf das Dorf. Was war eigentlich geschehen? Ich hatte einen Partisanenhund, ein großes Tier, erschossen. Diese Hunde waren so abgerichtet, dass sie auf deutsche Soldaten gingen. War das Ganze Zufall oder sollte es der Anfang eines Angriffs der Partisanen sein? Am nächsten Morgen kam ein starker Spähtrupp mit unserem Leutnant und durchsuchte das Dorf, die 2cm-Flak war in Feuerstellung und deckte das Vorgehen. Damit konnte nun der Weg frei gemacht werden, denn tagelang hatten wir keine Stellungsänderung vornehmen können, da alles und jeder von den serbischen Partisanen beschossen wurde. Der Schnee wurde übrigens immer höher und die Kälte lag uns in den Gliedern. Winterausrüstung hatten wir natürlich nach wie vor keine.
Wir mussten weiter, denn die Kampfgruppe konnte keinen Entsatz oder irgendwelche Hilfe erwarten. Stellungen und Stützpunkte wurden geräumt und unter großer Mühe und Quälerei, verbunden mit ständigen Kämpfen, ging die Kampfgruppe als letzte auf dem Balkan weiter in Richtung Sarajevo vor. Eiskalte Flüsse mussten überwunden werden und schließlich auch der Übergang über die Brücke über die Drina musste erkämpft werden, um in die Stadt hinein zu kommen. Mit letzten Tropfen Sprit konnten wir ein Treibstofflager erreichen und nochmals Treibstoff ergänzen; es existierte auch noch ein Lager, mit deutschem Personal besetzt, wo wir Lebensmittel in kleineren Mengen übernehmen konnten. Das Lager gehörte zur Luftwaffe; die Besatzung wurde ausgeflogen.
Inzwischen war Jahreswende (1944 auf 1945). Um nach Deutschland zu kommen, mussten wir unbedingt weiter. Selbst unter großen Strapazen und mehreren Wochen Marsch, Kampf, Fliegerabwehr, in Deckung gehen, kamen wir nicht vom Fleck. Bald waren wir kaum noch kampffähig, weil die Munition knapp wurde, schneller als uns lieb war. Es durfte nur noch bedingt geschossen werden. So erreichten wir Brod, eine kleine Stadt, aber für uns nicht mehr verfügbar. Wir mussten wieder zurück über die Save. Über Brod wäre die kürzeste Strecke nach Zagreb gewesen, aber wir mussten auf Schleichwegen nach Bioce(? schlecht lesbar). Was uns da erwartete, ahnten wir noch nicht. Der Übergang über den reißenden Fluß, der in einer tiefen Schlucht floß, wurde zum Problem, weil keine Brücke mehr intakt war. Die Amerikaner flogen pausenlos Angriff auf Angriff, Jagdbomber setzten Raketenbomben ein, die gezielt auf unsere Stellungen und Fahrzeuge schossen. Nur eine kleine Notbrücke, von unseren Pionieren gebaut, die kaum die schweren Fahrzeuge und Geschütze zu tragen imstande war, existierte noch. Sie erhielt immer wieder Treffer und musste ständig behelfsmäßig repariert werden, dafür hielten Balken und Bretter aus umliegenden Häusern her. Um überzusetzen, musste alles mögliche an Zubehör von den LKW und Geschützen abmontiert werden, damit sie einzeln über diese Brücke fahren konnten. Das Zubehör wurde im Laufschritt auch einzeln hinüber gebracht. Unsere Flak hatte Befehl erhalten, nur im äußersten Notfall zu feuern.
Alles war ausgerichtet auf den Übergang hier. Durch die ständigen Angriff gab es täglich Verletzte, oft schwer, und Tote, die wir abseits im steinigen Boden zur Ruhe betten mussten. Die Einheit schrumpfte immer mehr und nur unverbesserliche Optimisten glaubten daran, jemals aus dieser Mausefalle heraus zu kommen. Unter ungeheurem Einsatz wurde doch das Unmögliche geschafft: Fahrzeuge und Flak, Verwundete, Munition und selbst die Küche wurden übergesetzt und alles, was wir auseinander genommen hatten, wurde wieder zusammengebaut. Tagelang hatten wir kaum etwas zu essen, denn die Kombüse war stillgelegt worden; eiserne Rationen wurden angerissen. Ich hatte mir in einem Ort, ich glaube, es war Prizren, in einer ehemaligen Feldfleischerei eine Speckseite und einige Büchsen Rindfleisch organisieren können, so dass ich meinen Kameraden etwas abgeben konnte. Brot hatten wir schon vor Tagen das letzte Mal erhalten..."

Bis hierher: Man ahnt, wenn man (selbst in Friedenszeiten) als Soldat gedient hat, was diese Männer erlitten haben. Man ahnt es nur und muss dankbar sein, dass man im Frieden gelebt hat. Dass in jenen beschriebenen Gegenden in den 90ern erneut Kriegsfurien tobten, ist umso verwunderlicher, da sicherlich damals noch viele Menschen lebten, die es hätten besser wissen müssen.

OldMan

Wird fortgesetzt.
Nihil, nihil (Von Nichts wird Nichts)

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