Liebe Forumgemeinde,
ich habe ein recht kniffliges, aber nicht uninteressantes neues Thema.
Ein Bekannter von mir, der sich intensiv mit der ehemaligen Torpedoversuchsanstalt (TVA) Neubrandenburg am Tollensesee beschäftigt (und dort auch taucht ...) stieß bei marinehistorischen Recherchen zur Geschichte der TVA nach der Besetzung durch sowjetische Truppen während und nach 1945 auf interessante Spuren einer möglichen Verbindung von Marinewaffenentwicklungen, der kernphysikalischen Forschung im Dritten Reich und der Übernahme deutscher Wissenschaftler durch die UdSSR in der Nachkriegszeit. Dabei ist die eventuelle Weiterarbeit bzw. Weiterführung von ehemals bestehenden Arbeitsaufgaben von GERLACH, DIEBNER, TRENDELENBURG, STEENBECK, BARWICH u.a. beachtenswert.
Hier nun das eigentliche Thema:
Möglich ist eine Einbringung von Wissen, Forschung und Technik des ehemaligen Dritten Reiches in das sowjetische Projekt der Entwicklung eines ,,Atom"-Torpedos, der später als Typ T-15 bekannt wurde (siehe auch http://forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,1741.0.html). Die Entwicklung wird einem Kapitän V. I. Alferov (?) zugeschrieben.
Gesucht werden Hinweise, Bilder, Zeichnungen, Dokumente etc., die einen belastbaren Hinweis auf die Verbindung deutscher Forschungen und Entwicklungen vor und nach 1945 (in der UdSSR) im Hinblick auf das sowjetische Atom-Torpedoprogramm ergeben können. Eine Spur: ein Großtorpedo (bzw. selbstfahrende Mine) der FLODTMANN-Werke Breslau ...
Hier einige vertiefende Infos und Links:
http://www.nexusboard.net/sitemap/6365/u-boote-fur-nuklearangriffe-t297662/
Bücher (leider nicht in meinem Besitz):
Georg: ,,Hitlers letzter Trumpf"
Mick: "Forschen für Stalin"
Filmdokumentation: ,,Stalins deutsche Eliten"
Über die TVA Neubrandenburg:
http://www.r-possiwan.de/tvabilder/index.html
http://www.winfriedkuehn.de/tva.htm
http://www.google.de/images?hl=de&q=TVA+Neubrandenburg&rlz=1W1ACPW_deDE363&um=1&ie=UTF-8&source=univ&ei=RN1DTK6QCOajOM_2wTo&sa=X&oi=image_result_group&ct=title&resnum=4&ved=0CC8QsAQwAw
Unten eine Zeichnung der (möglichen) großen Marinewaffe der FLODTMANN-Werke Breslau. Ein US-Dokument mit der Aussage eines Kriegsgefangenen vom 13.Dezember 1944: Inhalt – die Beschreibung einer Waffe, die der Zeuge bei den FLODTMANN-Werken in Breslau auf Plänen im Direktionsbüro gesehen haben will. Die Maße: 33,1m Länge, Durchmesser 3,2m und Start des ,,Projektils" aus einer Röhre nach Art einer Gewehrgranate
Ich würde mich sehr freuen, wenn weitere Informationen und Hinweise bezogen auf dieses Thema eingehen würden.
Grüsse
OLPE
Erinnert mich an "Teststand/Prüfstand XII".
http://www.secretprojects.co.uk/forum/index.php?topic=9651.msg88732;topicseen
Hallo Spee,
Du hattest mich in Weißenburg darauf angesprochen, ob die Artikel zu den deutschen Atomtorpedos auf einer tragfähigen Grundlage beruhen. Ich habe nun also 'mal probiert, die präsentierten Fakten einer rechnerischen Überprüfung zu unterziehen. Das ist jedoch nicht so einfach, da in den verlinkten Texten (bewusst oder unbewusst?) nur mit ungefähren Angaben gearbeitet wird oder mir oft genug auch einfach nicht ausreichende Informationen zur Verfügung stehen.
Mit den angegebenen Maßen würde der skizzierte Torpedo auf eine Verdrängung von 140 ts kommen. Damit wäre das Gerät für einen Abschuss ähnlich einer Gewehrgranate tatsächlich um ein weniges zu schwer.
Wenn es sich um ein torpedoähnliches Unterwassergefährt handeln soll, ist es interessant, sich über die notwendige Antriebsleistung Gedanken zu. Als Vergleich ziehe ich den deutschen G7a heran. Dieser Torpedo hat eine Admiralitätskonstante von 294 bei einem Länge-Breiten-Verhältnis von etwa 13:1. Ein Großtorpedo mit gleicher Admiralitätskonstante und einer Verdrängung von 140 ts würde eine Antriebsleistung von etwa 2500 PS = 1840 kW benötigen. Das wäre eine E-Maschine vergleichbar einer der Hauptmaschinen des Typs XXI, deren Masse mit ca. 10 t angegeben wird. Bei einer Laufzeit von einer halben Stunde für die 16,3 sm müsste die Batterie des Torpedos etwa 1000 kWh vorhalten, was bei 30 Wh/kg eine Akkumulatorenanlage von 33 t notwendig machen würde. Das entspricht in allem der halben E-Maschinenanlage, wie sie in den Typ XXI-Booten installiert war. Da wegen des Länge-Breiten-Verhältnisses von 10:1 auf der verlinkten Skizze eine geringere Admiralitätskonstante zu erwarten ist, müssten die Leistung und auch die Batterie entsprechend größer ausfallen. Hier wäre eine technische Umsetzung durchaus vorstellbar.
Ein weiteres Problem stellt die Zielfindung dar: das vorgeschlagene Radar auf einem Mast mit einer von mir angenommenen Ausfahrhöhe von 10 m über dem Meeresspiegel hat eine ,,Sichtweite" von ca. 22 km gegen ein Ziel, das ebenfalls 10 m hoch ist. Bei Angriffen auf Hafen-Großstätte mit entsprechend hohen Gebäuden wäre eine Zielansprache also durchaus möglich. Keinerlei Aussagen wurden über die Steuerung des Torpedos unter Wasser gemacht. Hier fällt eine Abschätzung schwer, da wegen der unbekannten Größe des Sprengkopfes die erwünschte bzw. notwendige Zielgenauigkeit ebenfalls nicht richtig eingeschätzt werden kann. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass bei den Kernwaffen, die als ,,Städte-Zerstörer" wirken sollen, in der Regel eine Detonation in einer Höhe von wenigen tausend Metern über der Erdoberfläche angestrebt wird, um größtmögliche Wirkungen zu erzielen. Die Detonation eines topedogetragenen Sprengsatzes würde meiner Meinung nach zwar eine Menge Staub aufwirbeln, wahrscheinlich aber nur Bruchteile der Effizienz einer Detonation in der Luft erzielen. Hier wäre also eine ausgefeilte Steuerung mit einer Genauigkeit von +/- 3 km um das Ziel notwendig, um diesen Nachteil zu kompensieren. Vergleicht man diese Forderung mit der Genauigkeit einer V1 (lt. Wikipedia mit Einschlag in 12 km Umkreis um den Zielpunkt nach einer halben Stunde Flug) wäre hier ein echter Knackpunkt bei der technischen Umsetzung zu überwinden gewesen, zumal elektronische Lenkverfahren auf der Grundlage von Kreuzpeilungen, wie sie für z.B. die V1 angedacht waren, von einem einzelnen U-Boot nicht umgesetzt werden könnten, ganz zu schweigen von der im WKII ungelösten Problematik, die Lenksignale von U-Booten zu Torpedos zu übertragen.
Bei der Frage, ob als Sprengsatz eine Wasserstoff-Bombe anzunehmen wäre, mögen die Daten sprechen, zu denen die ersten Wasserstoffbomben durch die USA bzw. die UdSSR gezündet worden sind: USA am 31.10. bzw. 01.11.1952 (Ivy Mike, Masse des Gerätesatzes: 82 t ) bzw. UdSSR am 12.08.1953 bzw. die Daten der ersten Abwürfe transportabler H-Bomben: UdSSR am 22.11.1955 (keine Angabe zur Masse der Bombe, als Vergleich z.B. 27 t bei Zar-Bombe am 30.10.1961) oder USA am 21.05.1956.
Die Skizze des Vorschiffs eines Typ XXI C mit der Silhouette des Torpedorohres für den Großtorpedo stammt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht aus den vierziger Jahren. Das Abgangsrohr stimmt zwar in den Proportionen, ist aber überhaupt nicht in der Schiffsarchitektur berücksichtigt. Nennen wir das Bildchen euphemistisch einfach 'mal eine ,,Machbarkeitsstudie, die in der Nachkriegszeit entstanden ist".
Der Abschnitt über die C.A.-Boote ist insoweit fehlerhaft, da die Kriegsmarine keines dieser Boote offiziell übernommen hat. Desweiteren erscheint es mir mehr als zweifelhaft, dass derartig kleine Boote in ihrer Auslegung zur Verwendung in der Küstenverteidigung im Bereich bedeutender Seehäfen erfolgreich als Schleppfahrzeug einer Unterwasser-Nuklearwaffe hätten eingesetzt werden können. Dass das erwähnte Unternehmen gegen New York aufgegeben werden musste, lag übrigens daran, dass die als Mutterschiff für C.A. 2 umgerüstete LEONARDO DA VINCI nicht aus dem atlantischen Geleitzugkämpfen herausgezogen wurde und am 25.05.1943 durch den britischen Zerstörer HMS ACTIVE und die Fregatte HMS NESS versenkt wurde. Ein Ersatzboot konnte nicht schnell genug umgebaut werden. Besonders interessant ist wieder die Skizze der C.A. 3 mit angehängter Nuklear-Schlepp-Mine. Die Größenverhältnisse lassen auf eine Verdrängung von etwa drei Tonnen schließen (zum Vergleich Little Boy mit ca. 4 t, Fat Man mit 4,7 t). Als besonderes Highlight fallen mir noch die gleichzeitig mitgeführten acht abwerfbaren 100 kg-Sprengladungen als Sekundärbewaffnung ins Auge. Was sollen diese Kinkerlitzchen, wenn ein Hafen mit einer Nuklear-Mine angegriffen werden soll!?
Insgesamt verweist der verlinkte Text nach meiner Auffassung in der Tat auf einige technische Möglichkeiten, die auch wirklich umsetzbar gewesen wären. Der überwiegende Teil besteht aber aus nicht nachprüfbare Mutmaßungen, Indizien oder Phantastereien (Mein Favorit: ,,Alle Funktionsmerkmale zur Auslösung der Zündung einer Wasserstoffbombe waren ebenfalls enthalten.").
Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
Hallo,
hier ein Statement meinerseits zu den bisherigen Erkenntnissen bezogen auf die Anfrage und das thread-Thema:
Im Hinblick auf die verschiedenen Möglichkeiten der Beteiligung von deutschen Fachkräften bei der Entwicklung von Großtorpedos mit später Möglichkeit einer Bestückung mit nuklearem Sprengkopf sind aus meiner Sicht verschiedene Linien zu betrachten:
- Linie Breslau (in Deutschland)
- Linie Torpedoentwicklung (in der Sowjetunion)
- Linie Entwicklung atomarer Sprengkopf (in der Sowjetunion)
- Linie U-Bootsentwicklung (in der Sowjetunion)
Im Hinblick auf diese Linien konnten in den mir zugänglichen Quellen, im Internet und auch Anfragen in einem Internetforum im Internet keine wesentlichen Ergebnisse zum Atomtorpedo recherchiert werden, die auf eine konkrete Beteiligung deutscher Wissenschaftler hindeuten würden.
Bezogen auf die Einbindung deutscher Wissenschaftler, Techniker und Fachkräfte in die sowjetische Rüstungsforschung nach 1945 bleibt festzustellen, dass
- diese in den Fachbereichen sehr unterschiedlich gehandhabt wurde
- es der Sowjetunion es im Wesentlichen auf einen Transfer des deutschen Wissens und der deutschen Technologie ankam
- war dieses erfolgt, erlosch das Interesse an den deutschen Fachleuten
- danach sind die deutschen Fachkräfte mehr und mehr aus den geheimen Forschungsbereichen hinaus gedrängt wurden
- bei Neuentwicklungen für die sowjetischen Streitkräfte kamen deutsche Kräfte (Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker) kaum bis gar nicht zum Einsatz
Eine gewisse Ausnahme machten allgemein Fertigungstechnologien und der Raketenbau.
Die Entwicklung des überschweren Torpedos T-15 für ein modifiziertes Atom-U-Bootsprojekt 627 KIT (NATO: SSN der NOVEMBER-Klasse) erfolgten um 1954/55 – mit nur wenigen Köpfen an Geheimnisträgern. Versuche mit dem nuklearen Sprengkopf des Torpedos im Polygon Semipalatinsk waren eher nicht von Erfolg gekrönt ... :
Велись работы и по созданию «главного калибра» корабля — торпеды Т-15. Однако испытания ядерной боевой части для торпеды, проводившиеся на Семипалатинском полигоне, закончились полной неудачей. (Übersetzung: Es erfolgten Arbeiten am 'Hauptkaliber' des Schiffes - des Torpedos T-15. Dessen ungeachtet sind die Erprobungen des Gefechtskopfes des Torpedos, durchgeführt im Polygon Semipalatinsk, mit einem völligen Mißerfolg beendet worden).
Nach meiner Ansicht kann davon ausgegangen werden, dass es eine Beteiligung deutscher Wissenschaftler und Fachkräfte an konkreten neuen Rüstungsvorhaben der Sowjetunion – und hier speziell am Programm eines überschweren Atomtorpedos – eher nicht gegeben hat. Der Nutzen dieses Personenkreises beschränkte sich im Wesentlichen auf die Weitergabe der vorhandenen Wissensbasis der Forschung und der Technologie an die jeweiligen sowjetischen Partner.
Soweit die bisher recherchierten Ergebnisse ...
Grüsse
OLPE