Forum Marinearchiv

Seekrieg allgemein => Zweiter Weltkrieg => Thema gestartet von: Ferenc am 07 August 2010, 00:13:30

Titel: MTB-Angriff am 22.09.1943
Beitrag von: Ferenc am 07 August 2010, 00:13:30
Hallo,
In der Nacht zum 22.09.1943 führten 5 MTBs der 20th und24 th Flottille (MTB 85, 89 sowie 287, 290 u 295) den ersten großen Schnellbootangriff in der Adria auf einen Konvoi, der in der Bucht von Valona/Flore Albanien lag, durch.
In "Flag 4" kann ich mit meinen dürftigen Englischkenntnissen entnehmen, dass der Großteil der Torpedos versagten, zwei explodierten, ein Schiff wurde versenkt?
Gibt es zu diesem Angriff genauere Informationen vor allem zu dem oder den versenkten Schiff(en)?
Fuhren die Boote schon von Brindisi aus oder noch immer von Tarent?

Bei diesem Angriff müsste zumindest der Flottenbegleiter D 29 ex Rovigno versenkt worden sein, und oder andere Schiffe auch?

Grüße
Ferenc
Titel: Re: MTB-Angriff am 22.09.1943
Beitrag von: t-geronimo am 07 August 2010, 00:33:19
Hiernach wurden nach britischen Meldungen von damals ein mittelgroßes Handelsschiff und ein kleineres Fahrzeug versenkt.
Aber wie gesagt, das ist eine Kriegsmeldung.
--/>/> http://www.naval-review.co.uk/issues/1943-4.pdf

Vielleicht hat ja René oder ein anderer ein entsprechendes KTB. ;)
Titel: Re: MTB-Angriff am 22.09.1943
Beitrag von: Darius am 07 August 2010, 13:31:10
Hallo zusammen,

A. WEEKLY RESUME (No. 213) of the NAVAL, MILITARY AND AIR SITUATION from 0700 23rd September, to 0700 30th September, 1943:
Zitat7. On the night of the 21st/22nd M.T.Bs. entered the harbour of Valona
(Albania) and sank a medium-sized ammunition ship ancl another smaller ship.
Two other ships were damaged in the harbour before our forces withdrew under
file from enemy batteries. One M.T.B. was damaged but returned to harbour in
tow. There were no casualties. On the 23rd the" Germans were reported to be
evacuating the I t a l i a n garrison of Valona.

B. Meine Notizen zu Flag 4:
ZitatErster großer Schritt zum Einsatz in der Adria durch Besuch des CinC, Coastal Forces Western Mediterranean, Capt. Welman, beim Flag Officer in Tarent am 23.09.1943. Prüfung der Stationierung von Coastal Forces in Brindisi und Bari mit HMS Vienna als Stützpunktschiff.

Brindisi wurde ausgewählt, offizielle Quellen bestätigen, dass HMS Vienna am 28.09.1943 mit dem Geleitzug AH-1 auslaufen sollte und dass die 20 . und 24. MTB-Flottille sich mit dem Schiff in Brinidisi treffen sollten. Die Boote operierten bereits aus  Tarent und drei Boote der 20. (MTB 295, MTB 290 und MTB 287) und zwei der 24. MTB-Flottille (MTB 85 und MTB 89) hatten bereits einen erfolgreichen Vorstoß in die Bucht von Valona an der albanischen Küste durchgeführt.

Die Boote liefen um 15.00 Uhr am 21.09.1943 aus Tarent aus, nach ca. einer Stunde sichtete MTB 89 zwei Rettungsboote mit 52 aus 80 Personen der in der vorhergehenden Nacht torpedierten S.S. Almenara. MTB 89 übergab die Personen an das Landungsfahrzeug LCI(L) 6 und lief dann zum Treffpunkt mit den anderen MTBs in Richtung der Insel Saseno weiter.
Ab 00.09 Uhr am 22.09.1943 versuchen die Boote in die Bucht einzudringen. Dort drei größere Fahrzeuge, ein Schwimmkran und Kleinfahrzeuge entdeckt. Beschreibung des Angriffs... Ein Schiff (evtl. mit Munition) durch Torpedo des MTB 89 getroffen und explodiert. MTB 85 soll einen weiteren Torpedotreffer auf einem anderen Schiff erzielt haben, Explosion wurde beobachtet. MTB 295 soll ebenfalls einen Treffer erzielt haben, wirft auch Wasserbomben zur Bekämpfung der Ziele.

Um 03.00 Uhr wird auf MTB 295 die Steuerbord- und Mittelschrabe durch ein Unterwasserhindernis beschädigt. MTB 290 und MTB 85 sichern das beschädigte Boot beim Rückmarsch. Später übernimmt der Zerstörer HMS Ilex das Boot in Schlepp.

:MG:

Darius
Titel: Re: MTB-Angriff am 22.09.1943
Beitrag von: T-Mix am 07 August 2010, 13:57:11
Hallo,

im KTB Admiral Adria wird am 03.10.43 nur der U-Jäger "Rovigno" als am 22.09.43 durch Schnellboote im Hafen von Valona versenkt gemeldet. Die anderen 3 Schiffe des Geleites (Dampfer "Potestas" und "Palermo" und U-Jäger "Pola") sollen den Hafen von Triest erreicht haben. Eintragungen vom 21.09. und 30.09.1943.

Ralf
Titel: Re: MTB-Angriff am 22.09.1943
Beitrag von: Ferenc am 07 August 2010, 19:14:29
Hallo,
Danke für die Antworten.
Laut "i vaporetti" v. G.Spazzapan und P. Valenti, hat Pola (D 28) den Krieg überlebt und sei erst 1997!! abgebrochen worden. Rovigno (D 29) sei durch die MTB 85 u. 89 am 22.9.1943 versenkt worden.

Die Versenkung des Munitionstransporters hätte sicher im KTB vermerkt sein müssen. Ich habe nun auch im KTB der Seekriegsleitung nachgesehen und dort ist ebenfalls nur die Versenkung eines ital. U-Jägers angeführt.

Der Angriff dürfte eher ein Misserfolg gewesen sein.
Sind andere Fälle bekannt, wo die Briten ebenfalls unwahre angaben über Erfolge gemacht haben?

Grüße
Ferenc
Titel: Re: MTB-Angriff am 22.09.1943
Beitrag von: t-geronimo am 07 August 2010, 19:44:39
Ganz pauschal würde ich sagen, daß Fehleinschätzungen eigener Erfolge auf beiden  Seiten sehr oft vorgekommen sind, v.a. wenn Gefechte/Operationen bei schlechten Sichtverhältnissen stattfanden.

Oder meinst Du konkrete Ereignisse?
Titel: Re: MTB-Angriff am 22.09.1943
Beitrag von: Ferenc am 07 August 2010, 20:10:11
Hallo Thorsten,
Grundsätzlich meine ich schon konkrete Sachen.
Die Angabe, dass ein Munitionstransporter explodiert sei, kann ja eher keine Fehleinschätzung, verursacht wegen schlechter Sicht/Dunkelheit, gewesen sein.
Das wird meiner Meinung nach Propaganda und vertuschen eines Misserfolges, vor allem der Torpedoversager gewesen sein. Dann sollen auch Wasserbomben geworfen worden sein um die Schiffsziele zu beschädigen. Habe ich auch noch nie gehört. Ich glaube, dass könnte der Versuch einer Notlösung gewesen sein, weil eben die meisten Torpedos versagt haben.
Der Angriff erfolgte auch in einer kritischen Phase des Krieges, Kapitulation der Italiener und deren Wechsel zu den Allierten. Ein Misserfolg des Angriffes hätte sicher eine schlechte moralische Wirkung auf die "neuen" Allierten bzw die Truppenteile die noch schwankend waren, auf welcher Seite sie weiterkämpfen sollten, gehabt.

Genauso war es am Anfang des Ersten Weltkrieges. Die Franzosen griffen sofort (August 1914) mit einer Schlachtflotte die Österreicher in der Adria an (Versenkung der Zenta 16.08.1914 etc) um moralisch auf die noch nicht im Krieg befindlichen Italiener einzuwirken, die dann auch tatsächlich im Mai 1915 auf Seite der Entente in den Kreig eintraten. Im Angriffsbefehl an Admiral La Pereyre ist es auch so begründet.

Ich wollte eben wissen, ob weitere konkrete Falschmeldungen über Erfolge der Briten nach Marineunternehmen bekannt sind. Ist für mich eher unbekannt, bzw wäre was Neues.

Grüße
Ferenc
Titel: Re: MTB-Angriff am 22.09.1943
Beitrag von: Zerstörerfahrer am 08 August 2010, 08:53:57
Zitat von: T-Mix am 07 August 2010, 13:57:11
Hallo,

im KTB Admiral Adria wird am 03.10.43 nur der U-Jäger "Rovigno" als am 22.09.43 durch Schnellboote im Hafen von Valona versenkt gemeldet. Die anderen 3 Schiffe des Geleites (Dampfer "Potestas" und "Palermo" und U-Jäger "Pola") sollen den Hafen von Triest erreicht haben. Eintragungen vom 21.09. und 30.09.1943.

Ralf

Gut aufgepaßt Ralf. Bestätigt wird dies durch das KTB der 2. Marinebordflakabteilung Süd:
" 22.09.1943 Valona 4 italienische MAS greifen die Reede von Valona an. Ujäger ROVIGNO explodiert nach Torpedotreffer."
Die Identifikation als MAS ist wohl der Dunkelheit und der mangelnden Erfahrung der Flakbesatzung geschuldet.

Grüße
René
Titel: Re: MTB-Angriff am 22.09.1943
Beitrag von: t-geronimo am 08 August 2010, 10:47:06
Hallo Franz!

Siehst, Du, wenn man nun noch René's Ergänzung liest, füllt sich langsam das Bild.
Ich weiß immer noch fast gar nichts über den konkreten Ablauf dieses Angriffs, also schreibe ich lieber etwas pauschaler und lasse mich auch gern korrigieren.

Natürlich spielt Propaganda bei Erfolgsmeldungen während eines Krieges immer eine Rolle.
Keine Seite wird hingehen und sagen: "Unsere Jungs haben drei Schiffe als versenkt gemeldet, aber in unserer Presse-Mitteilung sind wir lieber vorsichtig und geben zwei versenkte und einen eventuell versenkten an."
Natürlich würde die Meldung lauten: "Mindestens drei Schiffe versenkt, mehrere andere beschädigt", oder sogar noch krasser.

Aber bei schlechter bis ganz schlechter Sicht in einem laufenden Gefecht den Überblick zu behalten, gerade wenn es um eine Art Stoßtrupp-Unternehmen geht (schnell rein, fix bumm-bumm, schnell wieder raus), halte ich schon für äußerst schwierig.
Und René's Zusatz zeigt nun ja sogar, daß die Meldung stimmt. Von Munitionstranporter im Sinne von einem großen Frachter, bis unters Deck beladen mit Munition, war ja nicht die Rede.
Und wenn ein U-Jäger von einem Torpedo getroffen wird und die Wasserbomben an Bord mit explodieren, hat das bestimmt ganz schön Bumm gemacht. Daher paßt der Zusatz "mit Munition beladen?" ja recht gut.

Und Wasserbomben gegen Überwasserschiffe wurden von den Briten zuvor schon mindestens einmal eingesetzt:
In der Nacht vom 8. auf den 9.7.1940 hat ein Motorboot mehrere Wasserbomben unter das französische Schlachtschiff Richelieu in Dakar geworfen (die aber nicht explodierten).
Sicher eine eher ungewöhnliche Maßnahme (heutzutage würde man wohl von "off-label-use" sprechen), aber warum nicht, wenn man bereit ist, die dafür erforderlichen Risiken einzugehen, gerade vielleicht wenn man merkt daß mit den eigenen Torpedos etwas nicht stimmt.

Insgesamt glaube ich bei Erfolgsmeldungen der kämpfenden Truppe nicht so sehr daran, daß diese immer gleich die Propaganda mit im Kopf hatten. Dafür war eher die Heimatfront zuständig.
Fehlmeldungen "von der Front" kommen meiner Meinung nach tatsächlich eher durch unsichtige Gefechtsverläufe, Schiffe die zu sinken scheinen und dann vielleicht doch gerettet wurden usw usw.

Aber wie gesagt, das ist eher meine pauschale Meinung und wie heißt es so schön: Ausnahmen bestätigen die Regel. ;)
Titel: Re: MTB-Angriff am 22.09.1943
Beitrag von: Zerstörerfahrer am 08 August 2010, 11:09:01
Ich halte solche "Erfolgmeldungen" für die üblichen Fehlbeobachtungen bei Nacht. Man muß sich immer bewußt sein, daß im letzten Kriegsabschnitt die meisten Gefechte, vor allem im Südraum in der Nacht stattfanden. Aus dt. Kriegstagebüchern kennt man das zur Genüge. Demnach hätten sie die alliierte Schnellbootflotte schon 2 mal versenkt.  :-D Das Problem ist nur, daß sich solche Fehlmeldungen bis heute in der Geschichtsschreibung halten. Dazu siehe auch die Combat Chronology of WW II, die ja erst nach Kriegsende erstellt wurde. Dort findet sich folgendes:
"Albania: Valona harbor entered during night by force of Allied PT's; 1 medium-sized ship loaded with ammunition and 1 small merchant vessel sunk; hits scored on 2 other ships; shorebatteries engage force as it is retiringand damage 1 PT."
Das nächste Problem ist, daß sich aus dt. KTB's, auf Grund der schlechten Aktenlage kein Gefechtsverlauf eruieren läßt.

Grüße
René
Titel: Re: MTB-Angriff am 22.09.1943
Beitrag von: Darius am 08 August 2010, 11:20:26
Ja, Wabos waren öfters von den Briten eingesetzt worden:

ZitatUnd Wasserbomben gegen Überwasserschiffe wurden von den Briten zuvor schon mindestens einmal eingesetzt:
--/>/> http://forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,4256.msg57926.html#msg57926

Bzgl. der "Erfolge" der Briten siehe auch die Statistiken im Buch "Flag 4".

:MG:

Darius
Titel: Re: MTB-Angriff am 22.09.1943
Beitrag von: Ferenc am 08 August 2010, 13:15:04
Hallo,
Schön langsam bekomme ich einen Überblick. :-)
Zuerst vielen Dank für die Antworten. Sie helfen mir sehr weiter. top

Im Einzelnen:
Die Angriffe mit Wasserbomben sind für mich wirklich eine interessante Neuigkeit. :roll:

Die Möglichkeit, dass durch explodierende Wasserbomben der Eindruck eines Munitionsfrachters entstanden sein könnte, klingt plausibel.

Die kämpfende Truppe im Einsatz hat natürlich nicht an Propaganda gedacht, ist klar.

Ich habe zwar Flag4 aber mein englisch ist leider nicht sehr gut.  :?   In Flag4 auf Seite 153 ist beschrieben,  Zuerst:"he fired on the big ship in the middle" Gleich darauf:"The ship in the middle, however, was evidently carryinbg ammunition, and Scotts port torpedo hit her. She blew up with a satisfactory explosion, ...." Auf der nächsten Seite der Satz: Barbarys proposed targed  then blew up".
Für mich klingt das so, dass die Briten glaubten einen "größeren" Munitionsfrachter getroffen und versenkt sowie später ein weiteres Schiff versenkt zu haben.
Jedenfalls die ganze Geschichte des Angriffes war für mich eher verwirrend in Bezug was und wieviel  versenkt worden ist.
Die Rovigno (D 29) liegt in ca 53 Metern Wassertiefe, ist auseinander gebrochen, das Heck zeigt im spitzen Winkel schräg nach vor. Ich glaube vor 2 oder 3 Jahren war ich einmal dort. Jetzt bin wieder über die Sache gestolpert und nachgegangen.

Gibt es Listen über die italienischen U-Jäger, ihren ex Namen und den militärischen Bezeichnungen sowie der Bewaffnung? Oder Literaturhinweise?

Die angeführte Bewaffnung in "i vaporetti" stimmt nicht mit meinen Beobachtungen am Wrack überein.

Viele Grüße
Ferenc

Titel: Re: MTB-Angriff am 22.09.1943
Beitrag von: Urs Heßling am 08 August 2010, 20:16:54
hi, Ferenc

Zitat von: Ferenc am 08 August 2010, 13:15:04
Die Angriffe mit Wasserbomben sind für mich wirklich eine interessante Neuigkeit. :roll:

Lesen bildet  :-D  siehe meine #230 im thread "Fregatten Köln-Klasse" am 29.7.2010  :wink:

eine große Fehlmeldungsursache waren, besonders bei Angriffen alliierter U-Boote in Norwegen, Detonationen der Torpedos an Felsen. Vielleicht auch hier: Detonation nach Auftreffen auf die Kaimauer ?

Gruß, Urs