Ich habe folgenden Brief von meinem Grossvater Hans Schuette in seinen Unterlagen gefunden. Viel Spass beim Lesen und nachtraeglich Frohe Weihnachten und ein gesundes und gutes Neues Jahr 2012 wuenscht Euch Stella Ellis aus London
Hans SCHUETTE
(2 Jan 1888 Riga - 17 Sept 1963 Solingen)
Erster Offizier Minenraeumschiff 12 (Nuernberg)
14.9.1939-7.7.1941
Weihnachtsbrief 25.12.1940 an seine Frau und Tochter
Stella Ellis
stella_ellis@btopenworld.com
Weihnachten 1940 25. Dezember 1940
Mein lieber Schatz und meine liebe Inge!
Ganz raffiniert will ich es heute machen, Euch zu schreiben. Da ich ja doch gerne jedem von Euch persoenlich schreibe, schlage ich den allgemeinen Teil auf der Schreibmaschine durch und fuege dann noch jedem persoenlich hinzu, was ich zu sagen bzw. zu schreiben habe. Die Weihnachtsfeier an Bord ist nun vorbei und trotzdem eine grosse Menge beurlaubt sind, hatten wir zur Feier noch 203 Mann an Bord. Unsere Gesamtstaerke an Bord ist jetzt naemlich etwas ueber 300 Mann, denn wir mussen wieder Leute ausbilden, die aber Ende Februar wieder abgegeben werden muessen.
Ich hatte fuer nachmittags 17 Uhr Musterung mit Weihnachtsfeier angesetzt und ich hatte fuer die Rede, die ich halten wollte etwas Lampenfieber. Da es falsch ist, sich eine Rede auszuarbeiten, wenn man sie doch nicht ablesen kann, hatte ich mir auf einen kleinen Zettel Stichworte notiert, um die Reihenfolge der gedanken festgelegt zu haben. Und als ich dann unten vor der Front von ca 200 Mann stand, habe ich 10 Minuten lang gesprochen, ohne ueberhaupt nur ein einziges Mal auf meinen Zettel zu sehen. Und es ist sogar ganz vernuenftiges dabei herausgekommen.
Die Decks (unter Deck) waren sehr schoen geschmuckt und in jedem Deck brannte ein Weihnachtsbaum. Die drei Divisionen hatten dabei gewetteifert, wer am schoensten ausgeschmueckt hatte und dies war unbedingt bei der III Division der Fall, denn die hatten plastig ein Dorf mit Kirche, vollkommen in Schnee aufgebaut und in den Haeusern drin Beleuchtungen, was direkt sehr schoen aussah.
Am Schluss meiner Rede sagte ich dann, nun wollen wir an unsere Lieben zu Hause denken und weil es nun einmal so ueblich ist, werden die zu Hause auch die althergebrachten Weihnachtslieder singen. Und da wollen wir ihnen gleich tun und singen daher je die erste Strophe von Stille Nacht, heilige Nacht und Oh Tannenbaum. Alle haben brav mitgesungen und ich glaube es war keiner dabei, der sich geweigert haette, die christlichen Weihnachtslieder mitzusingen..Nach dieser offiziellenFeier ging es dann zum Abendessen. Ich hatte aber schon bestimmt, dass sowohl Offiziere, Feldwebel wie Unteroffiziere nach dem Essen sich mit der Mannschaft zusammentun muessten.
Bevor wir dann selbst in der Messe assen bin ich dann in meine Kammer gegangen. Dort hatte ich mir schon vorher auf dem Tisch Kerzen mit Tannengruen aufgebaut. Ich hatte diese teilweise noch aus dem vorigen Jahr und dann dazu ein sehr schoenes Arrangement, was ich mir in der Stadt besorgt hatte. Nachmittags waren auch gerade Eure beiden Briefe angekommen und auch ein Paeckchen. Dazu tat ich dann die Geschenke, die ich teils von Euch mitgenommen hatte und auch geschickt bekommen hatte. Als ich dann die Kerzen angesteckt hatte und das andere Licht aus war, wurde mir doch arg wehmuetig ums Herz und die Augen wurden ein klein wenig feucht als ich daran denken musste, wie Ihr nun bei der Oma im schoenen Familienkreise ohne mich feiern wuerdet. Aber man ist ja hart genug, schnell darueber hinwegzukommen und es ging auch sofort besser, als ich Kleineberg und Oberleutnant Mueller rief, um meinen geschmueckten Weihnachtstisch zu bewundern.
In der Messe war von Seppl ein sehr schoener Weihnachtsbaum aufgebaut und geschmueckt und fuer jeden war eine grosse Tuete Leckerwerk (genau wie fuer jeden der Mannschaft) aufgebaut und dabei bekam jeder ein Buch der Offiziersmesse mit Namensunterschrift eines jeden der Messeteilnehmer. Ich bekam das Buch von Walter Pahl "Das politische Antlitz der Erde".
Nach dem Essen gingen wir dann zur Mannschaft hinunter und ich musste bei jeder
Division zu Gast sein und nachher auch den Unteroffizieren Besuch machen.Waehrend ich schon ca 1 Stunde bei der I Division sass erschien mit einem Mal der Weihnachtsmann mit einem grossen Sack, Doppelglasumhaengen (hergestellt aus zwei zusammengebundenen leeren Flaschen) und ueberreichte mir ein Geschenk der II Division. Es war ein Karton, mit einem dicken Strick zusammengebunden und Inhalt zwei Flaschen Bier und eine Dose Cigaretten. Ich wusste natuerlich gleich, dass dies zu bedeuten hatte, ich solle moeglichst schnell zur II Division kommen. (Die II Division besteht aus den Leuten, die in den Raeumbooten mitfahren). Na ich ging dann auch hin und habe natuerlich bei den Leuten, mit denen ich die arbeit an der flandrischen Kueste zusammen getan hatte, am laengsten ausgehalten. Dass es hierbei nicht sehr trocken zuging ist wohl erklaerlich und ich habe mit den Leuten rgelrecht gefeiert und so ca 100 Flaschen Bier sind dabei auf meine Kosten gegangen. Es gab vom Schiff aus einen sehr guten Gluehwein, der sowohl qualitativ und quantitativ vollauf genuegt hatte.
Dann zog ich zu dem Tisch wo unsere Kinder, naemlich die Kadetten sassen und die draengten sich spannend um mich, als ich aus meinen alten Seefahrtzeiten erzaehlte. Es war direkt koestlich, wie die alle mich umschwaermten und bald draengte sich der eine und dann wieder der andere dicht an mich heran. Die denken wohl sicher, ich muesse ein besondere Held sein, weil meine Brust doch bald so geschmueckt ist, wie Hermann seine.
Die koennen es natuerlich nicht abwarten, bis sie zum Minenraeumen angesetzt sind. (Sie sind erst am 15. Dezember an Bord gekommen).
Nun musste ich noch zur III Division wo noch am meisten Leute sind, die seit der Indienststellung an Bord sind. Dass ich dort wieder nicht so schnell fortkam ist erklaerlich. Einem von den aelteren Leuten konnte ich sogar seine Befoerderung zum Maschinenmaaten bekannt geben und das musste auch noch gefeiert werden.
So wurde es fast 12 Uhr (von 19 Uhr bis 0 Uhr sind 5 Stunden) als ich aus den Decks aufbrach und ich hatte noch Verpflichtung die Feldwebel und Unteroffiziere zu besuchen. Sehr gerne waer ich direkt in meine Kammer gegangen, denn Ihr koennt Euch denken, dass dies eigentlich notwendig war.
Aber Pflicht ist Pflicht und kurz entschlossen hinein in die Oberfeldwebelmesse. Die tranken Annanasbowle, die aber schon zur Neige ging. Ich hatte auch noch Verpflichtung etwas fuer mein E.K.I auszugeben und deshalb wurde zu Sekt uebergegangen. Ich glaube es war 2 Uhr als ich wegging und da hatte ich eigentlich noch die Pflicht in den Unteroffizierraum zu gehen. Dies habe ich aber nicht mehr fertig gebracht.
Heute morgen war also mein Kopf auch entsprechend, aber eine Ewigkeit unter der kalten Brause hat gut geholfen und wie Ihr seht muss ich doch jetzt wieder in blendender Verfassung sein, denn sonst braechte ich wohl nicht diesen langen Brief fertig.
Heute bekam ich noch ein Paeckchen von Kurt und Marianne, Inhalt ein Buch und von Maria Max eine Dose mit sehr schoenen Stollwerk Pralinen, die ihr wohl demnaechst bei Euch sehen werdet.
Ich glaube ich schrieb Euch noch gar nicht, dass ich am Sonntag mit Kleineberg in der flaemischen Oper war und dort "Madame Butterfly" gehoert und gesehen habe. Wenn auch die Butterfly figeurlich und dem Alter nach etwas aus dem Rahmen fiel, dann hat sie doch blendend gesungen. Als es auf der Buehne etwas dunkel war ist Kleineberg sanft eingeschlafen. Als er aber anfing etwas zu schnarchen, habe ich ihn in den Arm gekniffen. Wahrscheinlich gehe ich kommenden Sonnabend in Rigoletto. Ihr merkt es also, dass man den Krieg recht gut aushalten kann.
Heute bin ich von den Offizieren allein an Bord. Es ist sonst alles ausgeflogen. Nachdem wir 5 Tage Frost hatten, schneit es heute und es ist etwas waermer geworden. Auf der Schelde faengt langsam an Treibeis zu kommen. Aehnlich war es auch im vorigen Jahr, nur hatte man auf der Elbe schon starken Eisgang.
Gestern habe ich die erste Anprobe der neuen Uniform gehabt. Man kann aber noch nicht sagen (nach der ersten Probe) ob der Sitz gut wird.
Allgemeines weiss ich nun nicht mehr zu erzaehlen und daher schliesse ich diesen Allgemeinbericht.
Mit den allerherzlichsten
Danke fürs zeigen und das Typen,Stella!
Solche Briefen geben immer ein gute Eindruck der damalige Zeit. Ich sammle sie auch gerne.
Herzlicher Gruss,
Maurice
Moin,
vielen dank für die Mühe.
Sehr schön zu lesen, danke dafür.
Viele Grüsse Rocco!
Danke schön!! :TU:)
Hai
Auch von mir Danke für dieses authentische Dokument.
Mich würde aber mal interessieren welches das Minenräumschiff 12 mit Zusatznamen Nürnberg und 300 Mann Besatzung ist?
Sperrbrecher 12? - kenne ich als Stolzenfels.
Zitat von: Teddy Suhren am 27 Dezember 2011, 10:59:10
Hai
Mich würde aber mal interessieren welches das Minenräumschiff 12 mit Zusatznamen Nürnberg und 300 Mann Besatzung ist?
Sperrbrecher 12? - kenne ich als Stolzenfels.
Wahrscheinlich MRS 12 x Nürnberg 5635 BRT Baujahr 1936 Besatzung 10/310
Quelle Gröner
:MG:
Manfred
Hai
Ah, jetzt hab ich's auch gefunden. Band 4. Danke.
Hallo Miteinander,
Hier die Info die ich von MRS 12 gefunden habe.
Minenräumschiff 12 Nuernberg gebaut 1936, 5635 BRT (NDL, Bremen). "14.10.1939 bei der KM in Dienst gestellt. Einsatz beim BSW für das Unternehmen "Weserübung", später beim Komm. Admiral Skagerak in dänischen Gewässern, schließlich beim BSO in der Ostsee, v.a. Pommernküste. 14 Barkassen: M 3431 - 3444 / 3471 - 3484 1945: GMSA " http://www.wlb-stuttgart.de/seekrieg/km/mrs.htm Nach dem Polenfeldzug wurde die Nürnberg in die Nordsee verlegt, um dort Minenunternehmungen zu sichern. In der Nacht vom 12. zum 13. Dezember 1939 wurden sowohl die Nürnberg wie auch die Leipzig von dem britischen U-Boot HMS Salmon torpediert und beschädigt. Darauf kam die Nürnberg zwischen Dezember 1939 und Mai 1940 in die Werft. Nach Abschluss der Reparaturen wurde der Kreuzer nach Trondheim verlegt, wo sich bereits die Schlachtschiffe Scharnhorst und Gneisenau sowie der Schwere Kreuzer Admiral Hipper befanden. Am 25. Juli 1940 geleitete das Schiff die beschädigte Gneisenau nach Kiel und blieb dann zwischen August 1940 und November 1942 in deutschen Gewässern. Danach verlegte das Schiff nach Norwegen Internet:http://de.wikipedia.org/wiki/N%C3%BCrnberg_%281934%29
Gruesse
Stella
Hai Stella
Zitat von: stella ellis am 27 Dezember 2011, 14:02:37
Minenräumschiff 12 Nuernberg gebaut 1936, 5635 BRT (NDL, Bremen). "14.10.1939 bei der KM in Dienst gestellt. Einsatz beim BSW für das Unternehmen "Weserübung", später beim Komm. Admiral Skagerak in dänischen Gewässern, schließlich beim BSO in der Ostsee, v.a. Pommernküste. 14 Barkassen: M 3431 - 3444 / 3471 - 3484 1945: GMSA " http://www.wlb-stuttgart.de/seekrieg/km/mrs.htm
Nur dieser Teil bezieht sich auf das Schiff deines Großvaters. Das Minenräumschiff MRS 12 mit dem Namen Nürnberg ist in Band 4 des Standardwerkes Gröner beschrieben.
Der Rest bezieht sich auf den leichten Kreuzer Nürnberg der Kriegsmarine.
Könnte das die NÜRNBERG sein :?
Von der Größe her - 5635 BRT - könnte das hinkommen. :O/Y
Grüße Ronny
Zitat von: RonnyM am 27 Dezember 2011, 16:41:31
Könnte das die NÜRNBERG sein :?
Von der Größe her - 5635 BRT - könnte das hinkommen. :O/Y
Grüße Ronny
Ja, das ist sie, als MRS allerdings mit zwei Masten weniger.
:MG:
Manfred
Hallo Joerg, Ronny M und Manfred,
Danke fuer die Information. Ich habe gleich die nicht richtigen Daten von der Nuernberg auf der Seite meines Grossvaters geloescht.
Hallo Ronny M,
Vielen Dank fuer das Bild.
Hallo Manfred,
Vielen Dank fuer die Info mit den Masten
Gruesse Stella