Hallo in die Runde
Im November 1942 schlug Raeder in einem Lagevortrag vor, die im inneren Berich des Finnenbusens liegenden Inseln Lavansaari und Seiskari zu besetzen, um dort einen Rückhalt für Minensperren vor der Kronstädter Bucht zu schaffen. Hitlers Reaktion ist so protokolliert, wie unten zu sehen.
Meine Frage ist, was man sich wohl unter dem kryptischen 'neuen Angriffssystem' vorzustellen hat.
Oder ist dies nur dahin zu deuten, dass Raeder einfach 'ruhiggestellt' werden sollte?
Gruß - Hägar
ZitatMeine Frage ist, was man sich wohl unter dem kryptischen 'neuen Angriffssystem' vorzustellen hat.
... aus der Erinnerung:
Es könnte sich um mehrere Einsätze leichter Pioniersturmboote handeln, die jeweils zu zweit eine Seemine transportierten und in die Anfahrtswege legten. Die schriftliche Quelle hierfür habe ich derzeit leider nicht parat.
Hallo Peter,
soll sich ja wohl nicht um die geplante Aushungerung gehandelt haben oder gar
um die ggf. geplante Vergassung der eingeschlossen Bewohner von Leningrad ?
Es wurde ja zu dieser Zeit wohl schon länger auf russische Soldaten und Zivilisten geschossen die sich ergeben wollten.
Die seltsame Ausdrucksweide von A.H. lässt ja vermuten das etwas ganz Geheimes in Planung war.
Sonst warf er ja mit glorreichen Einfällen um sich bzw. sprach er ja gerne von zerschmettern, erobern, vernichten usw.
Gruß
Theo
Zitat von: TD am 04 Dezember 2020, 05:36:20
Hallo Peter,
soll sich ja wohl nicht um die geplante Aushungerung gehandelt haben oder gar
um die ggf. geplante Vergassung der eingeschlossen Bewohner von Leningrad ?
Hallo,
die Information über die Planung eines Kampfstoffeinsatz gegen Leningrad hat Gellermann recherchiert ,nachzulesen in
"Der Krieg ,der nicht stattfand"
Im SPIEGEL https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13518887.html
Zitat......Der Gaskrieg kann die Überraschung des " _____" Jahres 1942 sein! "
Zwei Tage vor dem Weihnachtsfest wurde, wohl auf Weisung des Generalstabschefs des Heeres, Generaloberst Franz Halder, der "Kampfstoffbedarf Leningrad" festgelegt und dabei "als Ziel angenommen: Ausschaltung des Widerstandes der Truppe und der Zivilbevölkerung. .....
Die von Gellermann aufgetane Quelle offenbart nicht, ob Hitler von den geheimen Planspielen seiner Militärs wußte. ...
Sicher jedoch ist, daß Hitler während der Leningrad-Belagerung befahl, die Giftproduktion auf "monatlich 7000 t" zu forcieren. Hitler nahm, so Gellermann, den "Beginn eines Gaskrieges für den 1. April 1943 an".
Beates interessantem Hinweis folgend, die Frage in die Runde:
Hat jemand Gellermann in seinem Bücherschrank?
G.W.Gellermann: Der Krieg, der nicht stattfand. Möglichkeiten, Überlegungen und Entscheidungen der deutschen Obersten Führung zur Verwendung chemischer Kampfstoffe im 2. Weltkrieg. Koblenz: Bernard & Graefe, 1986
Nach dem anhängenden Inhaltsverzeichnis wären vermutlich in unserem Zusammenhang die Seiten 146-159 von Interesse.
Wäre möglich, sie mir dann per Mail zukommen zu lassen?
Bei wem auch immer - ich bedanke mich schon mal.
Gruß - Hägar
Zitat
Im SPIEGEL https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13518887.html
.Die von Gellermann aufgetane Quelle offenbart nicht, ob Hitler von den geheimen Planspielen seiner Militärs wußte. ...
Sicher jedoch ist, daß Hitler während der Leningrad-Belagerung befahl, die Giftproduktion auf "monatlich 7000 t" zu forcieren. Hitler nahm, so Gellermann, den "Beginn eines Gaskrieges für den 1. April 1943 an".
Hallo,
ich habe es bewusst vermieden , einen Bezug zur Fragestellung "Gemeint ist was" herzustellen, die Quellenlage ist zu schlecht und Folgerungen spekulativ.
Im Buch von Gellermann wird im Gegensatz zum SPIEGEL Artikel kein Bezug vom Hitler-Befehl zur Leningrad Belagerung hergestellt. Der ist auch gar nicht erhalten, wesentliche Teile wurde von Gellermann aus verschiedenen Quellen rekonstruiert.
Eine davon das KTB OKW 1943
Zitat9.2.1943
Der Führer hat am 30. 6.42 einen Befehl für die Bevorratung an Kampfstoffmunition erlassen (vgl. 30. 6. 42/4). Das OKW hat den höheren Kommandobehörden am 5. 11. mitgeteilt, daß die Japaner bei den Amerikanern überall K=Stoff=Munition vorgefunden haben und deshalb die Gasabwehrbereitschaft der Truppe überprüft werden muß. Die Bereitstellung der K.-St.-Mun. und ihr Vorziehen in die am 30. 6. befohlenen Räume ist abzuschließen. Unter allen Umständen muß in diesem Winter die Verkürzung der Einsatzbereitschaft sowie die Verlängerung der Reichweiten für K.-St.-Mun. auf allen Kriegsschauplätzen erreicht werden. Das OKW hat entsprechende Meldungen eingefordert
im KTB OKW 1942 steht nur
Zitat30.06.1942
Feindliche Presseerörterungen über den Gaskrieg machen eine Überprüfung der deutschen Vorbereitungen hierfür notwendig
Gellermann sieht den Befehl als Reaktion auf die Rede von Churchill vom 10.5.1942
Zitat10. 5.
Der britische Ministerpräsident Churchill warnt in einer Rundfunkansprache die deutsche Armee vor dem Einsatz von Giftgas. Zuvor waren Gerüchte über ein solches Vorhaben in Rußland bekannt geworden
https://www.dhm.de/lemo/jahreschronik/1942
und den Fund der Japaner von amerikanischer K-Stoff-Munition.
Zitat von: Hägar am 04 Dezember 2020, 13:13:17
Beates interessantem Hinweis folgend, die Frage in die Runde:
Hat jemand Gellermann in seinem Bücherschrank?
G.W.Gellermann: Der Krieg, der nicht stattfand. Möglichkeiten, Überlegungen und Entscheidungen der deutschen Obersten Führung zur Verwendung chemischer Kampfstoffe im 2. Weltkrieg. Koblenz: Bernard & Graefe, 1986
Hallo Reinhard,
hab ich , scan kann ich machen.
Besten Dank, Beate
In der Tat bleibt es so, dass man mit dem, was Gellermann für 1941-43 schreibt, nicht belegen kann, dass Hitler Raeder gegenüber den Kampfstoffeinsatz meinte.
Es bleibt allerdings der Befund bestehen, dass es in den oberen Wehrmacht-Gremien Überlegungen dazu gab, wenn auch offenbar etwas lückenhaft und zu kurz gegriffen.
Weiterhin befahl Hitler trotz seiner Abneigung gegen einen Gaskrieg am 30.Juni 1942 eine Bevorratung mit Kampfstoffen, wobei nach 9 Monaten (1.April 1943) dessen Beginn möglich sein sollte.
Die Frage wäre, ob in den deutschen Akten in Russland Dokumente zu den deutschen Gaskrieg-Überlegungen/Maßnahmen existieren (die Gellermann in den 1980ern noch nicht zur Verfügung standen).
Wie auch immer:
Geht man davon aus, dass ein Gaseinsatz gegen Leningrad nicht gemeint war, was könnte das 'neue Angriffssystem' dann gewesen sein?
Peters Erinnerung an einen Tandem-Mineneinsatz von Sturmbooten hat sicher Charme. Aber hätte man mit einem solchen etwas improvisiert wirkenden Instrument Kronstadt und Leningrad wirklich 'unbrauchbar' machen können?
Mit Spannung besten Gruß - Hägar
Bei dem von Peter genannten Mineneinsatz im Leningrader Seekanal handelt es sich um eine Aktion der MAA 531 am 25 Juli 1942. Zu finden in der LFZ-Gesamtchronik unter LFZ-ID 32 oder unter Verband = MAA 531 , mit Quellenangabe.
Diese Aktion war zu unbedeutend für eine große Ankündigung.
Übrigens fällt mir ein, dass Hitler die Weisung zur "Endlösung" auch nie nachgewiesen werden konnte. Ich befürchte (Achtung Sarkasmus), er wäre in Nürnberg mit 30 Jahren davongekommen.