Namensänderungen bzw. Umbenennungen

Begonnen von Urs Heßling, 14 Juni 2023, 10:54:26

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Urs Heßling

moin,

Ich ziziere einen Beitrag maxims aus dem Thread zu japanischen Kriegsschiffnamen

Zitat von: maxim am 05 Januar 2023, 06:22:26Der Leichte Kreuzer Köln (K-Klasse) wurde zur Unterstützung der Faschisten im Spanischen Bürgerkrieg sowie für die Überfälle auf Polen, Norwegen und die UdSSR verwendet. Trotzdem wird gerade die dritte Köln nach 1945 gebaut. Der Name steht halt primär für die Stadt. Problematisch sind eher Schiffe, die nach Personen benannt wurde. Die Bundesmarine hatte z.B. eine Hipper, Graf Spee und Lütjens, deren Namensgeber selbst im militärischen Sinn nicht ideale, unumstrittene Vorbilder sind... Wenn man es aus der Sicht der Schiffsnamen sieht, war die Verarbeitung des Regimes im Zweiten Weltkrieg in Deutschland nicht vorhanden (Lütjens-Klasse), während in Japan einfach alte Namen, überwiegend geographische Bezeichnungen, weiter verwendet wurden, Schiffe nicht nach "Helden" benannt werden. Inzwischen ist es so, dass auch in Deutschland überwiegend geographische Bezeichnungen für die Schiffsnamen verwendet werden, da diese weniger problematisch sind. Das gesagt bezieht sich alleine auf die Schiffsnamen
Tja ... Umbenennungen ... gibt es nun auch in der US Navy
Bespiel : Robert Smalls ex Chancellorsville (CG 62)

2017 waren solche Umbenennungen vom Verteidigungsministerium noch abgelehnt worden ...
Aber dann kam 2020 der Fall George Floyd. In dessen Folge änderte sich die Lage.
Leider habe ich einen Artikel zu der daraufhin eingerichteten "Naming Commission" nur in englischer Sprache gefunden : Naming commission

In der Militärakademie von West Point werden alle nach General Robert E. Lee benannten Punkte (Eingangstor, Straße, Unterkunftsbereich, Kindergarten) umbenannt. Die Begründung lautet (wieder in Englisch)
No doubts exist that Robert E. Lee fought for the Confederacy: he was its most effective and storied leader, and by the end of the Civil War, Lee had risen to General in Chief of the Armies of the Confederate States. Before the Civil War, he served in the U.S. Army for over 30 years. At the start of the Civil War, Lee turned down the post of top field commander of the U.S. Army and chose to fight for the Confederacy. The consequences of his decisions were wide-ranging and destructive. Lee's armies were responsible for the deaths of more U.S. soldiers than practically any other enemy in our nation's history.
So wird ein zuvor von allen Seiten bewunderter Mann wie Lee praktisch zum "Verräter" gestempelt ...

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

ufo

Hmmmmm... vielleicht, vielleicht bin ich altmodisch? Vielleicht, vielleicht bin ich irgendwie auf irgendeiner Seite neben der ,Norm'? Ich weiss es nicht. Aber ich sehe diese Trends mit grosser Sorge.

Und dabei muss ich gestehen, dass ich das ,Unwort des Jahres' von einem sprachlichen Punkt her erheiternt und vergnueglich finde. Aber (!) ich bin an und fuer sich ueberhapt nicht fuer ,Spracheingriffe'.

Will man ueber den Faschismus lernen, macht es keinen Sinn ,Mein Kampf' zu lesen. Adolf Hitler war ein wirklich schlechter Autor. Will man ueber Faschismus lernen macht es wirklich, wirklich Sinn den grossen Geroge Orwell zu lesen. In seinem ,1984' beschreibt er viele, viele Elemente eines modernen, effektiven Faschismus.

Tja ... und ein Element davon ist eben auch ,Neusprech', die Manipulation von Gemeinwillen und oeffentlicher Willensbildung durch Sprachmanipulation. Diese Manipulation geht bei Orwell Hand in Hand mit dem Ministry of Truth, welches durch permanente Neudeutung der Geschichte das aktuelle Geschenen manipuliert.

Vieles was ich derzeit sehe sorgt mich sehr.
Fast fuehle ich mich bemuessigt oeffentlich im Park zu tanzen und ,Neger, Neger, Schornsteinfeger'  zu singen.
Nur ma so.


Denken wir denn wirklich, dass jungen Marineoffizierinnen, die aus einem Adolf von Trotha Lesesaal kommen, pleotzlich von Nationalistischem Gedankengut durchdrungen werden? Wuerden die jungen Soldatinnen, die in einer Lettow-Vorbeck Kaserne ausgebilded werden wuerden, flugs auf den Rueckerwerb des Bismarck Archipels draengen?
Natuerlich nicht.
Tatsaechlich, denke ich, dass es gerade jungen Menschen helfen wuerde, wenn ihnen die Vergangenheit mit allem Schoenen, allem Haesslichen, allem Schwierigen, allem Inspirierenden immer Mal ins Gesicht schaut. Ich denke sogar, dass besonders junge Menschen, die einen Beruf ergriffen haben, in welchem sie gegebenenfalls fuer ihr Deutschland Gewalt anwenden muessen, ein differenziertes, vielschichtiges Bild ihres Landes haben muessen.
 
Bloss weil man mal den Ost Sandmann guckt, wird man nicht gleich zum Stasispitzel.
Wer seine Vitaminpraeperate in der Mohrenapotheke kauft, ist kein Rassist.


Tja ... und nun die US Navy.
Es zeichnete sich lange ab. Im Jahre 1865 hat die Confederation militaerisch verloren. Anfang des 21. Jahrhunderts hat die Confederation dann schliesslich moralisch verloren. 

Nicht, dass ich hier missverstanden werde: die Confederation hat wirklich, wirklich verwerfliche Standpunkte und Gesellschaftsmodelle vertreten. Das mag man gern herausstreichen. Aber das Umbenennen von Schiffen, Strassen, Haeusern oder das Umwerfen von Statuen ist nicht sooo weit weg vom Verbrennen von Buechern; ein ganz, ganz falsches Medium. Geschichte muss sichtbar bleiben.
Das Leben muss im Hier und Jetzt stattfinden. Ein Fokus auf ,vergangenes Unrecht' dient viel zu oft dazu aktuelle Misstaende zu maskieren.

maxim

Entschuldige, aber den von dir so genannten "Neusprech" und Faschismus in einen Topf zu werfen, ist schon bizarr.

Das Schiffe, die nach aus heutiger Sicht problematischer Leuten benannt wurden, umbenannt werden, kennt einfach nur an, dass diese Leute nicht als Vorbild taugen. Das ist keine Zensur, keine Vorschreiben. Das ist auch kein Vergessen der Geschichte oder Manipulation der Geschichte, sondern schlicht und einfach eine ehrliche, offene Beschäftigung mit der Geschichte.

Wenn man einfach alles so lassen würde, würde man die Erkenntnisse vieler wissenschaftlichen Zweige einfach bewusst ignorieren - und dann muss man sich fragen lassen, warum man das macht.

Es war ja kein Zufall, warum bestimmte Leute Schiffe nach Südstaatlern benannt haben - das hatte in der Regel klare ideologische Gründe, eben Zugeständnisse an Rechtsradikale aus dem Süden.

Und wenn man nicht versteht, warum das Wort "Neger" beleidigend ist, dann wird es echt schwierig. Ich vermute, dass du verstehst, dass "Hurensohn" ein Beleidigung ist oder? Wenn du dich etwas mit dem Thema beschäftigen würdest, wäre dir der andere Punkt auch klar und du würdest nicht über Manipulation des Gemeinwillens etc. sprechen. Andere Menschen bewusst pauschal abwerten - und das macht man, wenn man "Neger" benutzt - ist schlicht und einfach nicht in Ordnung.

Sprotte

Zitat von: ufo am 14 Juni 2023, 12:54:56Nicht, dass ich hier missverstanden werde: die Confederation hat wirklich, wirklich verwerfliche Standpunkte und Gesellschaftsmodelle vertreten. Das mag man gern herausstreichen. Aber das Umbenennen von Schiffen, Strassen, Haeusern oder das Umwerfen von Statuen ist nicht sooo weit weg vom Verbrennen von Buechern; ein ganz, ganz falsches Medium. Geschichte muss sichtbar bleiben.
Das Leben muss im Hier und Jetzt stattfinden. Ein Fokus auf ,vergangenes Unrecht' dient viel zu oft dazu aktuelle Misstaende zu maskieren.

Dem kann ich nur zustimmen, denn ich bin der Ansicht, dass wir unsere Geschichte nicht nur auf 12 Jahre reduzieren dürfe, auch wenn in dieser Zeit viel Unrecht geschehen ist.
Und die Zeit des 2. Deutschen Reiches wird m. E. oft genug verzerrt dargestellt.
Auch im Orchester des Lebens dringt das Blech am meisten durch.

maxim

Durch das Umbenennen wird die Geschichte sichtbar: die Leute beschäftigen sich damit. Die Informationen über die Namensgeber bleiben frei zugänglich, sie werden sogar leichter zugänglich.

Bei einer Verbrennung von Büchern werden Informationen vernichtet. Das Verbrennen von Büchern ist Zensur. Das Umbenennen besagt schlicht und einfach, dass man der Meinung ist, dass eine bestimmte Person (oder Organisation etc.) nicht mehr geehrt werden sollte. Das ist auch keine Vorschrift, kein Zwang für andere.

@Sprotte:
Durch das Umbenennen von Schiffen und Orten, die nach Vertretern des Kaiserreichs benannt wurden, wird die deutsche Geschichte wohl kaum auf 12 Jahre reduziert  :sonstige_154: Ein Tipp: es gab auch vor 1933 und nach 1945 Leute in Deutschland, die nicht als politisches Vorbild taugen.

ufo

Zitat von: maxim am 14 Juni 2023, 17:25:05... Wenn du dich etwas mit dem Thema beschäftigen würdest, ...
Wenn Du ohne Beleidigungen einfach nicht kannst - tja, macht das Sinn. Ich weiss ja nicht. Ich glaube nicht.

Von daher nur in aller Kuerze:

Das Lernen aus der Geschichte ist riesig wichtig. Das Lernen aus der Geschichte muss aber sichtbare (!) Ergebnisse haben. Die Statue eine Suedstaatengenerals selbst erzaehlt ein wichtiges Stueck Geschichte. Diese einfach zu entfernen ist in meiner Sicht hochproblematisch.
Alles was wir da erreichen ist, dass die Vergangenheit der Unsichtbarkeit hingegeben wird. Das birgt viele, viele Risiken. Was nicht oeffentlich diskreditiert wird, kann irgendwann auch gut wieder verherrlicht werden. Geschichte verstecken funktioniert meines Erachtes nach nicht.

Die Generaele des Amerikanischen Buergerkrieges haben vielfaeltige Leistungen erbracht. Ich sehe zunemend weniger Bereitschaft diese differenziert zu betrachten. Eine Sortierung nach 'gut' und 'boese' anhand der Uniformfarbe ist problematisch. Serman's March to the Sea beispielsweise ist in meinen Augen ein faszinierendes Stueck Kriegfuehrung, muss aber mit viel Sorge um moralische versus militaerische Prioritaeten betrachtet werden. Ein Trend den Buergerkrieg in seiner Bewertung zu vereinfachen besorgt mich.
   
Aber - wie eingangs bemerkt ... hier ist kein Grund darauf zu debatieren.
Zitat von: maxim am 14 Juni 2023, 17:25:05Und wenn man nicht versteht, warum das Wort "Neger" beleidigend ist, dann wird es echt schwierig.

Dies schrieb ich nicht.
Dass Du es schreibst macht Debatte muessig.

maxim

Das Lernen der Geschichte beruht nicht darauf, dass man Denkmäler oder Namen von Schiffen anschaut.

Über Geschichte lernen die meisten aus ganz anders, z.B. in dem sie darüber lesen etc.

So lange die Informationen über die Geschichte vorhanden ist, ist sie auch nicht unsichtbar. Die Forderung nach Umbenennung beruhen ja gerade darauf, dass sich Leute mit der Geschichte beschäftigt haben - und sich dann fragen, warum solche Leute heute noch geehrt werden.

Und das ist genau die Frage: warum sollte man bestimmte Leute heute noch ehren?

Wenn ein Südstaatengeneral militärisch etwas erreicht hat, muss man halt trotzdem sagen, dass er für den Erhalt der Sklaverei gekämpft hat und dazu gegen die gewählte Regierung gemeutert hat.

Die beiden Sätze von mir, die du zitiert hast, bezogen sich beide auf diese Aussage, die du in Zusammenhang mit angeblicher Manipulation von Gemeinwillen getätigt hast:
Zitat von: ufo am 14 Juni 2023, 12:54:56Vieles was ich derzeit sehe sorgt mich sehr.
Fast fuehle ich mich bemuessigt oeffentlich im Park zu tanzen und ,Neger, Neger, Schornsteinfeger'  zu singen.
Nur ma so.
Das ist nun mal zumindest erklärungsbedürftig, da es hier um einen Begriff geht, der klar eine Beleidigung ist.

Wenn man sich etwas sorgen will, dass soll man sich mal anschauen, was die Anti-Woke-Kämpfer der Republikaner in den USA machen: massive Zensur in den Schulen und Unis. Und zwar wirklich Zensur, Verbote von Büchern und Unterrichtsinhalten, während andere ("Woke") nur darüber diskutieren, welche Art von Sprache angebracht ist.

maxim

Nur ein extremes Beispiel:

es schlägt hoffentlich niemand vor, dass man ein Denkmal für Himmler oder Franz Stangl benötigt, um zu verhindern, dass der Holocaust in Vergessenheit gerät.

Impressum & Datenschutzerklärung