Nachkriegsflotte

Begonnen von Koehl, 10 Februar 2012, 20:33:39

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Koehl

Guten Tag,
heute stieß ich in Siegfried Breyer's "Z-Plan - Streben zur Weltmachtflotte" (1996) auf eine Endzielforderung der Nachkriegsflotte. Diese stammt laut Breyer aus einer Denkschrift vom 11. Juli 1940 und setzt sich wie folgt zusammen:


  • 25 Großkampfschiffe
  • 8 Flugzeugträger
  • 50 Kreuzer
  • 150 Zerstörer
  • 50 Torpedoboote
  • 250 Minenabwehrfahrzeuge
  • 100 Schnellboote
  • 20 Minenschiffe
  • 20 Flakkreuzer
  • 100 Ujäger

Jedoch nennt er in seinem Werk "Die Deutsche Kriegsmarine 1939-1945" (1998) eine Endzielforderung der Nachkriegsforderung, welche sich von der anderen unterscheidet. Zum einen werden 50 weiter Kreuzer (als Handelsschutz) sowie 400 U-Boote genannt. Zum anderen soll diese Denkschrift vom 31.08.1941 stammen. Weiß jemand mehr über diese "Nachkriegsflotte" und welche ist die wirklich geforderte? Gibt es dafür auch original Dokumente um dies zu belegen?

:MG:

Peter K.

... siehe

Michael Salewski, Die deutsche Seekriegsleitung 1935-1945
Band I, Seite 234 ff
Band III, Seite 121 ff
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Koehl

#2
Leider bin ich nicht im Besitz dieser Werke und bitte daher um eine nähere Erläuterung.

Peter K.

Für einen Vortrag bei HITLER am 11. Juli 1940 ordnete RAEDER die Ausarbeitung einer Denkschrift mit dem Titel ,,Gedanken der Seekriegsleitung zum Aufbau der Flotte nach dem Krieg" an.

Der erste Entwurf vom 4. Juli 1940 stammte wahrscheinlich von ASSMANN und ging am 6. Juli 1940 als B.Nr. 1. Skl. 9573/40 g.Kds. über WAGNER an RAEDER. Am 8. Juli 1940 hielt WAGNER darüber Vortrag bei RAEDER, der dann die Arbeit offenbar sorgfältig durchgearbeitet hat.
Den zweiten, verbesserten und ergänzten Entwurf hatte vermutlich SCHNIEWIND verfasst, der auch als Anlage 3 im Lagevortrag RAEDERS bei HITLER am 11. Juli 1940 aufgenommen wurde.

In dieser Denkschrift vom 4. Juli 1940 sind mit folgenden Ausnahmen noch keine Zahlenangaben über die zukünftige Nachkriegsflotte zu finden:
-) schnellstmöglicher Ubootbau, bis 200 Uboote einschließlich der Schulboote vorhanden sind
-) danach Reduzierung des Uboot-Bauprogramms, bis ein Bestand von 250 Uboote erreicht wird
-) Schlachtschiff H, verbessertes Panzerschiff, Kreuzer M, Spähkreuzer, Zerstörer 36a und Flottentorpedoboot sollten im Verhältnis 1 : 1 : 1 : 3 : 10 : 6 gebaut werden, zunächst vier Schlachtschiffe mit den entsprechenden leichten Seestreitkräften

Mit dieser Denkschrift steht ein späteres Dokument mit dem Titel ,,Betrachtungen über die Grundlagen des Flottenaufbaus", das nur in zwei Rohentwürfen von REINICKE erhalten geblieben ist, im inhaltlichen Zusammenhang.
Der Erstentwurf stammte offenbar vom 5. Juli 1941, der zweite Entwurf vom 31. Juli 1941. Im leider nicht vorliegenden Teil II dieser Ausarbeitung mit dem Titel ,,Flottenstärke und Schiffstypen" wurde die numerische Größe der zukünftigen Nachkriegsflotte entwickelt. Dort wurden vermutlich zunächst folgende Zahlen genannt:
-) Kernflotte mit 60-80 Großkampfschiffen, 15-20 Flugzeugträgern, 100 Kreuzern und 500 Ubooten
-) Heimatflotte und Handelsschutz mit 115 Kreuzern, 250 Zerstörern, 100 Torpedobooten, 400 Minensuch- und Räumbooten, 20 Minenschiffen, 20 Flak-Kreuzern, 150 U-Jägern, u.a.
Diese unglaublichen Größenordnungen wurden jedoch sofort auf ein ,,vorläufiges Endziel" reduziert, was insbesondere die Schlachtschiffe, Träger und Kreuzer betraf.
Da auch dies zunächst noch nicht realisierbar erschien, wurden letztendlich als Nachkriegsflotte gefordert:
-) Schlachtflotte mit 25 Großkampfschiffen, 8 Flugzeugträgern bzw. Flugdeckkreuzern, 50 Kreuzern und 400 Ubooten
-) Handelsschutzflotte mit 50 Kreuzern, deren Typ (Korvetten oder ähnliches) noch festzulegen war
-) Heimatflotte mit 150 Zerstörern, 50 Torpedobooten, 250 Minensuch- und Räumbooten, 100 Schnellbooten, 20 Minenschiffen, 20 Flak-Kreuzern und 100 U-Jägern

Die letztgenannten Zahlen werden in einem Schreiben (B.Nr. 1 Skl. III a 17233/41 Gkdos) FRICKE´s vom 31. Juli 1941 bestätigt und zwar mit der Ergänzung, daß diese Flotte im wesentlichen in einem Zeitraum von 12, höchstens 15 Jahren bereitzustellen wäre.

Quellen:

Michael Salewski,
Die deutsche Seekriegsleitung 1935-1945
Band I, Seite 234 ff
Band III, Seite 121 ff

Gerhard Wagner (Hrsg.),
Lagevorträge des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine vor Hitler 1939-1945
Seite 112 ff
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Koehl

Also macht das im Ganzen 100 Kreuzer! Hätte das Deutsche Reich nach dem Krieg überhaupt die Kapazitäten an Werften ect. gehabt, eine Flotte von 100 Kreuzer und 12 weiteren Schlachtschiffen (13 waren ja u.a. im Z-Plan schon an Werften verteilt gewesen) zu bauen, wenn die Kriegsmarine doch während des Krieges lediglich 14 Kreuzer (inkl. den Panzerschiffen und den in Bau befindlichen) aufweisen konnte. Vielleicht denke ich in einem zu kleinen Rahmen, aber eine Anzahl von 100 Kreuzer klingt mir doch sehr euphorisch, selbst in einem Zeitraum von 15 Jahren. Leider kenn ich mich mit den Flotten der USA und GB nicht so aus, aber ich denke nicht einmal diese konnten 100 Schwere und Leichte Kreuzer während des Krieges aufweisen, höchsten zusammen, oder?

Peter K.

Wie jedes Bauprogramm darf man auch diese gigantisch anmutende Forderung an zu bauenden Schiffen nicht alleine anhand der angeführten Zahlen beurteilen, sondern muss sie im Kontext mit der ihr zugrunde liegenden strategischen Lagebeurteilung (mögliche Gegner, verfügbare Stützpunkte, etc.) bewerten. Insofern lege ich dir das Studium der genannten Quellen nahe, dazu vielleicht auch noch die Denkschrift "Raumerweiterungs- und Stützpunktfragen".

.. um deine Frage nach dem Kreuzerbau der USA und Großbritanniens zu beantworten:









KreuzerUSAGB
Bestand 19393764
Kriegsbauten4529
Kriegsverluste1032
Bestand 19457261
1945 noch im Bau156
Gesamt8767
Quelle: Klepsch
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Koehl

Danke für die Näherbringung deiner Recherchen! Ich werde mir demnächst versuchen die von dir genannten Quellen zu besorgen und diese zu studieren. Interessant finde ich auch die "Dickschiffe" des Zweiten Weltkrieges der USA und GB, leider habe ich nur eine Quelle für diese und zwar Jane's. Deine von dir genannte Quelle "Klepsch" würde mich daher auch näher interessieren. Wie lautet der volle Titel des Buches und wereden dort auch die einzelnen kreuzer und ggf Schlachtschifftypen dieser nationen behandelt?

hillus

Hallo,
der Buchtitel lautet:

Peter Klepsch "Die fremden Flotten im 2. Weltkrieg und ihr Schicksal". J.F.Lehmanns Verlag München 1968, 284 Seiten, Querformat in Leinen gebunden

Gruß 

hillus

Koehl

Ist in dem Buch Gerhard Wagner, "Lagevorträge des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine vor Hitler 1939-1945" oder in einem anderen Buch der  zweite, verbesserte und ergänzte Entwurf, der auch als Anlage 3 im Lagevortrag RAEDERS bei HITLER am 11. Juli 1940 aufgenommen wurde abgedruckt? Mich würde mal der Originaltext interessieren. Falls niht, gibt es noch einen anderen Weg, an Einsicht in diese Dokumente zu erhalten?

:MG:

Thoddy

Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

halina

Hallo Thoddy , danke für die sehr interessante Dokumentation über Schiffsneubauten
nach dem Krieg , doch ist alles ganz anders gekommen als geplant .
                                                                                               Gruss Halina
" Man muss nicht unbedingt das Licht des Anderen ausblasen , um das eigene Licht leuchten
zu lassen"
                      Phil Borman

Koehl

@Thoddy vielen Dank für die Dokumente!
Hat jemand auch das oben genannte Dokument die Anlage 3 im Lagevortrag RAEDERS, welche bei HITLER am 11. Juli 1940 aufgenommen wurde digital?

HJH

Man bemerke, dass von Flugzeugträgern keine Rede ist.
Gruß

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