Die Japanische Mentalität

Begonnen von Ralf, 30 Januar 2007, 08:46:21

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Teddy Suhren

Hai

ZitatFreedom is just another word for nothing left to loose

Janis Joplin

quit offtopic
Gruß
Jörg

WoWs Nick: Teddy191

Spee

@Teddy,

:TU:)

@Sprotte,

nein, denn es ist die Welt in der du lebst. Ausbrechen würde ich als "Traumtänzerei" sehen. Aber vielleicht mal wieder darüber nachdenken was wirklich wichtig ist. Neuer Satz Alu-Felgen für's Auto oder einfach mal ein paar Freunde zum Essen einladen, ohne irgendeinen Anlaß z.B. Ich will hier überhaupt nicht moralisieren und habe auch kein Rezept, aber wer darüber nachdenkt, kommt vielleicht da oder dort zu interessanten Gedanken.

@Mario,

ist ein interessanter Artikel. Ich habe nur mal die Hauptaussagen, die zum Thema passen eingefügt. Unten der Link zum kompletten Text.

Interrogation of: Vice Admiral WENEKER, Paul H.; former German Naval Attache who left JAPAN in 1937 to command the pocket battleship Deutchland. He returned to JAPAN in February 1940 and has been there since.

Interrogated by: Rear Admiral R.A. Ofstie, USN



Japanese Attitude and Capabilities
Early in the war I made a trip through the South Sea Islands (NEI) and up through the MARIANAS to see conditions with my own eyes. I was astounded in the South Seas. The Japanese there were thoroughly enjoying the lush life. They had parties continually and were drinking all the liquor they had captured. I asked them why they did not prepare fortifications and do something to make these places stronger, but they said that the Americans would never come, that they could not fight in the jungle and that they were not the kind of people who could stand warfare in the south. As far as I know all those people in those places, both Army and Navy, once they had got into a place where there was no fighting, would do nothing more about the war.

Obviously, in such time the war effort must be the maximum of the country, but here in JAPAN it was very difficult because of the corruption on every hand and the continual fighting for position. Anything would be done to get power during the war. Sometimes very good men were kept at their work only a very few weeks or months because some one else would get the job through corruption. You cannot be efficient with key positions constantly changing.


Impressions and Lessons of the War
About the Battle of MIDWAY, not so many people knew how things had gone there but there was some depression among those who did know. However, they were still too proud about their early success and these people simply said that they would work harder and would be O.K. again.

The Japanese were just not fitted for as large scale operations as other countries. GUADALCANAL was an example, where they kept putting in their strength little by little to see it all destroyed without any benefit. SAIPAN was really understood to be a matter of life or death. About that time they began telling the people the truth about the war. They began preparing them for whatever must happen. Before that, they had been doing nothing but fooling the people.

It was ridiculous the way the Japanese Army planes made exaggerated reports of the enemy ships they had sunk. I think it must have been because they felt they had to report successes to compare favorably with the Navy. This foolishness I think had bad results.

After the Battle of LEYTE the Japanese surface Navy was destroyed and it was decided to make the Navy only aviation. Most of the remaining ships were put out of commission in various places and the crews were used for all kinds of aviation work. Those who could not be used for naval aviation were transferred to the Army. This was in preparation for the final battle, but of course it was too late and it was not pushed ahead enough. It was the idea that the Special Attack Force would be trained especially to attack your carriers.

There was no real Imperial Headquarters. The Chiefs of Staff of the Navy and of the Army would get together to discuss some matters where both were interested. That then was a meeting of the Imperial. Headquarters; but when they adjourned the Headquarters was no more.


Miscellaneous
Of course the Japanese over-estimated their own strength and underestimated the enemy. Then, they had very long supply lines which they could not protect; they admitted this in a pre-war statement. These were basic reasons for their failure to do better in the war. After that, I would say the reasons for their disaster could be classed about as follows in order of importance: First, and by far the worse, were the attacks of the highly efficient American submarines on the merchant shipping. Most serious of all here was the sinking of tankers and hence the loss of oil from the South. The second factor in importance was the destruction of the Japanese Navy, so they knew they could then not stop the enemy from coming to these vital areas. The third, which no doubt had some effect to close the war, was the air bombing attack on this country.

This was predominantly a naval war, and although JAPAN lost the war I do not think their Navy lost prestige with the people who know. The Army was very poor in cooperating. I heard there was much friction because the Army sometimes had to protect their own transports on the sea, but then the Navy had no escorts except some small boats such as converted fishing vessels and the like which were not much good.

http://www.ibiblio.org/hyperwar/AAF/USSBS/IJO/IJO-70.html
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Ralf

Sorry, Mario, und hier liegt für mich des Pudels Kern. Japan verliert den Krieg im Paizifik, weil man hochmütig über die Amerikaner denkt, sie nicht ernst nimmt und seine eigenen Resourcen verschleudert... Das mag zwar ehrenhaft sein, aber wirklich clever klingt das nicht...

Ich habe einen riesen Respekt vor den Japanern und ihrer Kultur. Und das nicht erst seit Shogun. Und ich mag ihre Sichtweise zum Perfekten, auch wenn ich alles andere als danach strebe... Aber erfahrene Piloten nicht zu retten, weil der sonst sein Gesicht verliert oder es nicht ehrenhaft ist ohne Sieg zurück zu kehren, ist einfach grob fahrlässig...

Das wäre so als würde Pascal Henz gestern nach einen schlechten Spiel (puh war der gestern schlecht) Sebuku begehen sollte. Aber genau hier ist es dann die Mentalität einspielt... Mütter, die sich mit ihren Kindern die Klippen runterstürtzen, weil die Amerikaner das Mutterland einnehmen, passen da ja recht morbide dazu...
Gruß
Ralf
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,,Du kannst Dein Leben nicht verlängern und Du kannst es auch nicht verbreitern. Aber Du kannst es vertiefen!"
Gorch Fock

Hades

Ist es schon so lange her als in unserem Kulturkreis manche ehrenhaften Menschen (ausnahmsweise Männer, Militärs, Unternehmer ...  :-D) sich das Leben genommen haben wegen irgendeiner "Schande" (über die man heutzutage gerade so schmunzelt) ?

War das irrational, bescheuert oder ein Mentalitätsproblem?

Was denkt man heute über die verletzte Ehre und daraus entstandene europäische Duellkultur?

Was denken wir über Menschen ausserhalb des europäischen Kulturkreise, die wegen der "Familienehre" morden?

Wir wundern uns über die "irrationale" vorgehensweise der Japaner und die haben sich gewunder z.B. über die ehrenlosen Langnasen in Singapur, die kein Seppuku begangen haben!  :-D
Servus
Lothar

Mario

@Ralf
so ist es nun mal.
Wie soll man eigentlich heute die ehrenhaften Sportler beurteilen, die ohne Doping, Schwalben usw. als Verlierer enden ? Sicherlich ist das nicht clever, aber wo steht z.B. heute die Fußball-Bundesliga, wo jeder gefoulte Spieler den Heldentod stirbt, oder oscarverdächtig auf den Schiedsrichter zurennt. Es wird zwar allenorts verurteilt, aber letztendlich bringt das doch den einen oder anderen Freistoß oder Elfmeter ein.
Die japanische Mentalität stammt aus der Zeit des Mittelalters, wo noch ehrenhaft gekämpft wurde. Aber in einem modernen Krieg geht es nur noch um die nackte Existenz, da bleibt alles andere zurück, oder man verliert.
Übrigens hätten die Japaner auch ohne Hochmut und mit exellentem Einsatz ihrer Ressourcen den Krieg verloren !!!

Ralf

@Mario: Auf den letzten Satz habe ich gewartet! :-) Klar hätten sie. Aber vielleicht hätten sie die Kurve bekommen und tatsächlich das Amerikansiche Volk wie gewollt in die Kriegsmüdigkeit getrieben... Wer weiß das schon...

Glaube mir, Mario, Sportler wissen das... Die konsumierende Masse hat einfach keine Ahnung, ohne Vorwurf... Wenn ich als Leistungsportler über die Nettigkeiten nachdenke, die ich gelernt, verteilt und erlebt habe, nur um das Spiel zu gewinnen, so liegen hier doch wirklich Kilometer zwischen dem, was ein Laie sieht und erkennt und dem was tatsächlich passiert... Handball ist hart, aber Handball hat auch Ehre... Und die, die ohne diesen ganzen Schauspielmist auskommen, sind in Handballerkreisen Götter. Magnus Wieslander zB. war/ist so einer...

@Hades: Stimmt. Da kannst Du mal sehen, wie schnell man so etwas außer Acht lässt. "Nur ein Mann mit Schmiss kann beurteilen, was Ehre ist!" Burschenschaften usw. ... Es ist nicht ganz weit weg... Vendetta und Sippenkrieg und das ermorden von jungen türkischen Ladies, die nur ihr Leben leben wollten, gehört ja auch zu unserem Volk, unserer Gesellschaft... *kopfschüttel* Es ist doch viel dichter dran, als ich es naiver Weise zu Beginn gedacht hatte... Hui, wie ignorant!
Gruß
Ralf
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Gorch Fock

Huszar

@Ralf:

deshalb sind solche Threads/Fragen ja interessant! Du fragst nach dem wieso bei einem Samurai, jemand antwortet mit Romeo und Julia!

Es kommen Fragen, Antworten und Zusammenhange auf, die sonst nie (als einzelner) in den Blickpunkt gekommen wären. (ua mag ich was-wäre-wenn-Scenarios so sehr  :wink: )


mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Leutnant Werner

Hallo Ralf, Huszar,

ich wollte hier eigentlich nicht mitposten, weil in dem Thread schon wieder soviel Stuss drin stand von wegen wie die armen Gelben von den bösen Amis in einen aussichtslosen Konflikt gelockt wurden. Da lass ich mich auch gar nicht zu ein.

Zum Thema Samurai: Bis zur Zeit des russisch-japanischen Krieges mit einer mehr oder minder immer noch vorhandenen Präsenz von Militär-Missionen war nach m.A. die alt-japanische Kriegskultur sehr stark verdrängt zugunsten einer "europäisierten" Kriegskultur. Die Meiji-Revolution bestand ja im Grunde aus der Abschaffung der Samurai-Kaste, nichts mehr und nichts weniger.

Aber nach dem WK 1 kam die ganze Samurai-Kacke wieder hoch. Deswegen auch die ungeheuren Unmenschlichkeiten im WK 2.

Kann das ein Kenner mal näher beleuchten oder habe ich was überlesen?

Gruß
Lt.

Sprotte

moin,
@ Spee,
sicher ist das die Welt, in der wir leben. Aber sollten wir nicht versuchen, in unserem Bereich ( jeder für sich ) die Welt etwas in eine andere richtung bringen. Denn ich glaube, dass viele in dieser rein materiell eingestellten Welt unzufrieden sind.
Schönes Wochenende
mfg
Sprotte
Auch im Orchester des Lebens dringt das Blech am meisten durch.

harold

Hier nun der versprochene Beitrag meines Freundes, des Japanologen und Soziologen aus Kôbe:


Wolfgang Herbert:

Bemerkungen zu einer "japanischen" Mentalität – unter besonderer Berücksichtigung des heißgeliebten Bushidô

   Vorab möchte ich ein paar allgemeine Leitideen zur Beschreibung der "Mentalität" eines Volkes skizzieren, die dem dann Folgenden als Matrix unterlegt seien. Generell über einen "Volkscharakter" Aussagen zu machen, ist wissenschaftlich in Misskredit geraten, da die allzu schnell an rassistische Diskurse angekoppelt werden können und wurden. Die Problematik dabei ist, dass gewisse Charakterzüge, Wesensmerkmale, Werthaltungen etc. quasi als biologisch und unveränderlich einem "Volkskörper" eingeschrieben betrachtet werden, so als würden diese per DNA übertragen werden (diesbezügliche Rede wird in jüngster Zeit bedauerlicherweise wieder zunehmend hoffähig!). Fatal wird dies dann im Vergleich mit anderen Ethnien (so lautet die heute als eleganter betrachtete Bezeichnung für "Völker"), wenn eine evaluierende Hierarchisierung eingeführt wird; Unterschiede also meist im Vergleich mit der eigenen Ethnie als gut/schlecht bzw. im Sinne von Überlegenheit/Unterlegenheit bewertet werden: in Kriegszeiten eignet sich so etwas bestens zur Fixierung eines Feindbildes und zur Weckung atavistischer Tötungsinstinkte: der Feind wird vorerst entmenschlicht (oder in Nazi-Diktion: "untermenschlicht"), daher die häufigen Tiermetaphern: Ungeziefer, Parasiten, Schmarotzer, im Falle der JapanerInnen: gelbe Affen etc. oder entindividualisiert: "Charlie" , gook im Vietnamkrieg, "Jap" oder "Nip" im 2. WK.: anonyme, dehumanisierte Gegner sind hemmungloser vernichtbar: diese Dynamik läßt sich über Grenzen und Epochen leider wiederholt beobachten. Aussagen über Japaner im 2. WK. sind mithin immer noch häufig von der damaligen Kriegspropaganda mitgefärbt (z.B. sie seien besonders brutal und grausam, kalt und todessüchtig ...).

   Bei der Schilderung einer "Volksmentalität" gilt es zunächst einen Fehlschluss zu vermeiden, der in zwei Richtungen geht . Es geht nicht an, vom Verhalten eines Individuums (z.B. auch von einzelnen japanischen Offizieren oder Soldaten) Schlüsse auf das Verhalten aller anderen Mitglieder seiner Volksgruppe zu machen. Umgekehrt: sollten gewisse Charakterzüge, Werthaltungen, Einstellungen, Mentalitätsmerkmale etc. eines Volkes identifiziert worden sein, kann ich nicht den Schluss daraus ziehen, dass jede/r einzelne Angehörige dieser Volksgruppe genau diese Züge in sich trage: die individuelle Streuweite und Abweichung ist nicht aus den Augen zu verlieren.

Zudem können "Mentalitäten" in jeder Gesellschaft schicht- oder klassenspezifisch sehr verschieden sein, außerdem sind sie sozial und kulturell vermittelt (Familie, Erziehung, Medien ...) und somit erlernt und veränderbar. Das heißt aber auch, dass "Mentalitäten" nicht ahistorische, essentialistische Fixsterne sind, sondern sich im Fluss befinden und über die Generationen gewaltigem Wandel unterliegen können. Alles, was deshalb über "die" JapanerInnen im 2. WK. gesagt werden kann, ist mithin eine Momentaufnahme, die zudem von der Ausnahmesituation Krieg und dem System des Tenno-Faschismus verzerrt ist: und so wie sich ein Deutscher oder Österreicher dagegen wehren darf, heute noch mit der Mentalität eines eingefleischten Nazi in direkte Verbindung gebracht zu werden, so gilt dies analog im Falle eines japanischen Militaristen in den 1930er Jahren, mit dessen Einstellungen junge Japaner(innen) heute nun wirklich nicht mehr viel gemein haben (leider werden solche Differenzierungen vor allem bei geographisch entlegenen und allgemein wenig ge- oder bekannten Ethnien oft vergessen).

   Was nun die "Mentalität" japanischer Soldaten in den Weltkriegen angeht, so gilt natürlich, dass diese durch massive Indoktrination "angezüchtet" und internalisiert worden ist, somit kaum mit einem den Japanern immer schon eigenen Volkscharakter o.ä. zu tun hat. Was dabei zu Recht immer wieder ins Spiel gebracht wird, ist der sogenannte Bushidô oder Werte- und Ehrenkodex der Samurai (bushi lautet für sie die üblichere Bezeichnung). Dabei handelt es sich in geradezu paradefallhafter Manier um das, was Hobsbawm eine "erfundene Tradition" nennt. Historisch betrachtet war der Bushidô ("der Weg des Kriegers") verbindlich nur für den Schwertadel, dem auch in seiner Blütezeit lediglich um die fünf Prozent der Bevölkerung angehört hatten: fast neunzig Prozent der Japaner waren in der Feudalzeit (und die dauerte dort bis 1868) dem Bauernstand zuzurechnen, der fünfprozentige Rest verteilte sich auf Kaufleute, Handwerker und sozial Verachtete.

1868 kam es offiziell zur Abschaffung des Ständesystems und zum rasanten Import von westlicher Wissenschaft und Technologie und in der Folge zu einer ebenso überstürzten Industrialisierung. Aus Angst vor einer allzu starken Verwestlichung kam es schon in den 1880er, vor allem 1890er Jahren zu einer staatlich getragenen restaurativen Gegenbewegung, im Zuge derer nach einem verbindlichen "urjapanischen" Wertekodex, Rechtsverständnis, nach einer eigenen Ethik und "Philosophie" gesucht wurde: fündig wurde man im Shintô, der als Staatsreligion eingeführt wurde, was bis zur Verfolgung (z.B. Tempelzerstörung) des Buddhismus ging und: ja, im Bushidô: der einstige Kriegerethos mit seiner Betonung von Loyalität der Obrigkeit gegenüber, seiner asketisch-frugalen Lebenshaltung und eisernen Disziplin, seinem Bestehen auf Pflichterfüllung und Dienst, der Hochschätzung sowohl von geistiger Bildung wie körperlich-militärischer Erziehung (bunburyôdô), seiner Unterordnung des Individuums unter das Kollektiv (oder wohlwollender: das Allgemeinwohl) und für den Extrem-(sprich: Kriegs-)Fall Todesverachtung und Todesmut: all dies war für das erlärte Staatsziel: "ein reiches Land mit einem starken Militär" (fukoku kyôhei) aufzubauen ideal. Bushidô-Werte wurden also als eigentliche japanische Werte deklariert, generalisiert und praktisch der ganzen Bevölkerung (konzentriert natürlich dem Heer) aufoktroyiert. Man spricht daher auch von einer "Bushidoisierung" der japanischen Gesellschaft.

   Diese Bushidoisierung wurde in den Kriegen innerhalb des Militärs naturgemäß intensiv vorangetrieben und viele der negativen, aber auch als positiv bewunderten Einstellungen ("Mentalität") japanischer Soldaten verdankt sich diesen Anstrengungen. Schon 1882 wurden per direktem kaiserlichem Erlass verschiedene Elemente des Bushidô für alle Heeres- und Marineangehörige als verbindlich verkündet. Dazu gehörten: unbedingte Loyalität zum Kaiser, Taperkeit, Gehorsam, Genügsamkeit, Treue, Integrität etc. Als Beispiel für die "Generalisierung" des Bushidô sei die Einstellung zum Selbstmord und zu Kriegsgefangenschaft angeführt. Letztere galt den Samurai als unehrenhaft und schändlich, weshalb sie sich, wenn eine solche drohte, nicht selten entleibt hatten. Nachdem dies als ein Ideal gepredigt wurde, haben japanische Soldaten oft auch in aussichtslosen Situationen bis auf den letzten Mann und den Tod im Angesicht gekämpft oder sich, vor sie in die Hände der Feinde gerieten, von Klippen gestürzt oder anderweitig umgebracht (Selbstmord oder Harakiri, auch hier die üblichere Benennung: seppuku, galt ja als honorabel, das wurde von der Gegnerseite als irrational und unverständlich gebrandmarkt). Umgekehrt haben japanische Soldaten oft Kriegsgefangene sehr schlecht und verächtlich behandelt, da sie nicht verstanden, wie man sich so einer Schande überhaupt aussetzen konnte (aus dem 1. WK. gibt es Gegenbeispiele von ausgesprochen guter Gefangenenbetreuung, aber da war ein anderes Kalkül im Spiel: staatlicherseits war man sehr darauf bedacht, sich keiner internationalen Kritik auszusetzen, um in den internationalen Club der Grossmächte aufgenommen zu werden).

   Ein weiteres Ideologem betraf die Postulierung einer spezifisch "japanischen Seele" (yamatodamashii, Yamato ist eine alte Landesbezeichnung), die mit Unbeugbarkeit, innerer Stärke und einem allgemeinem Primat des Geistes über die Materie in Verbindung gebracht wurde, was soweit ging, dass geglaubt wurde, dass trotz materiell-militärischer Unterlegenheit allein aufgrund der geistigen Einstellung und Kraft ein Sieg errungen werden kann (Klartext: Unbesiegbarkeitswahn). Es wird von Fällen berichtet, in denen japanische Soldaten wähnten, allein aufgrund ihrer geistigen Einstellung (Klartext: Superiorität) unverwundbar zu sein und sich ungepanzert dem gegnerischen Kugelhagel ausgesetzt hatten (und dabei starben). Das sei nur ein Exempel dafür, wie weit Propaganda Menschen treiben kann, von dorther irgendwelche Schlüsse auf einen generellen Charakterzug der JapanerInnen zu ziehen, halte ich für prekär und abwegig. 

Auf alle Fälle darf das Verhalten von japanischen Militaristen und Marinesoldaten in Kriegszeiten keineswegs als typisch für "die" JapanerInnen gelten. Dass der Bushidô als typisch japanisch angesehen wird, verdankt sich einer Indoktrination von oben her und ist historisch gesehen ein Unsinn: wie gesagt, war traditionell nur eine kleine Fraktion der japanischen Gesellschaft diesem Wertekatalog unterworfen, der überdies erst sehr spät schriftlich kodifiziert wurde, in einer Zeit zumal, als die Samurai-Klasse schon wirtschaftlich und machtmäßig deklassiert war: weil er aber politisch opportun war, hatte man ihn propagiert und buchstäblich "popularisiert", d.h. dem Volk als ideal, verpflichtend und nachstrebenswert vermittelt. Dass der Bushidô immer wieder ins Spiel gebracht wird, jüngst auch wieder von konservativen japanischen Politikern als Erziehungsideal und Heilmittel gegen die dortige soziale Malaise, verrät mehr über die politische Einstellung des Proponenten oder Propagierenden als über die tatsächliche Verbreitung oder Verbindlichkeit des Bushidô in Japan. Freilich wurde der Bushidô auch in japanischen Unternehmen als Lektüre empfohlen und der "Firmenkrieger" bis vor ein/zwei Dekaden als gesellschaftliches Ideal gepflegt, aber auch dies ist passé. Es zeigt lediglich,in welchen Kontexten bei Bedarf und Laune auf den Bushidô zurückgegriffen werden kann. Dass Hollywood und Quentin Tarantino ihn hochschätzt, liegt wohl an deren Gewaltobsession und weil das alles halt sehr exotisch funkelt.

Die heutige japanische Gesellschaft zeichnet sich hingegen wie alle Industriegesellschaften durch eine starke Pluralisierung der Lebensstile und Werthaltungen aus, unter der Jugend gibt es eine ausgeprägte "Tribalisierung" und Individualisierung und hergebrachte Ideale wie z.B. Loyalität dem Unternehmen gegenüber sind im Rahmen der Globalisierung und kapitalistischen Neo-Liberalisierung längst den Bach hinuntergegangen.

Als letzte Bemerkung oder Warnung möchte ich noch auf ein weiteres Phänomen hinweisen, auf das viele westliche Japan-Beobachter oder Liebhaber hereinfallen: es gibt eine Form der "Selbstexotisierung" der JapanerInnen, die sich in kollektiven Eigendefitionen gefallen, nach denen sie etwas ganz Spezifisches, Eigenes, ein ethnisches, kulturelles, linguistisches Unikat darstell(t)en, das sie vom Rest der Menschheit als etwas ganz Besonderes und letztlich ganz Exotisches, nämlich von außen Nicht-Verständliches absetze. Dieser Diskurs dient der Vergewisserung der eigenen Identität, da diese durch "Verwestlichung" (heute wohl: globalisierende Homogenisierung) als immer wieder bedroht angesehen wird. In diesem Genre (und um das handelt es sich tatsächlich: es heißt: nihonjinron oder nihonbunkaron: "Diskurse um das Wesen der JapanerInnen bzw. der japanischen Kultur") kommt der Bushidô auch immer wieder sehr gelegen, um die Eigenheiten des JapanerInnenseins zu untermalen. Sein ideologisches Auswertungspotential bleibt also auch zukünftig sicherlich erhalten. Und der Diskurs um die "japanische Mentalität" bleibt ein zweigleisiger: westliche Kommentatoren, die um ein Verständnis eines fernöstlichen Volkes ringen und japanische Selbstinterpreten, die in Andersartigkeit und Exklusivität preisenden Schilderungen schwelgen. Worüber beide Seiten die universalen Elemente der conditio humana vergessen und sich gegenseitig in ihren Wahnvorstellungen bestätigen.

Moral aus der Geschicht': Bin ich in der Verlegenheit, die Handlung oder Entscheidung - in unserem Falle – eines Japaners zu beurteilen: so überlege ich zuerst, was ich hier als Mensch (oder im Kriegsfalle meinetwegen als: [Marine]Soldat) tun würde (oder getan hätte) und dann als Akzidens: was kulturell/ideologisch/politisch/sozial/ethnisch etc. diese Handlung oder Entscheidung mitgefärbt haben mag.

Homo sum, humani nil a me alienum puto: Ich bin ein Mensch; nichts Menschliches dünke ich mir fremd! (Terenz). 
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Huszar

Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Ralf

Alex ist mir zuvor gekommen. Ich muss zugeben, einiges musste ich nachschlagen, aber ich denke, das hat sich wirklich gelohnt.
@Harold: Deinem Schulfreund bitte ein dickes Danke! Gib ihm bitte bei Gelegenheit ein Bierchen oä. aus, ich werde es Dir dann beim nächsten Treffen zurückgeben...

Schön finde ich die klare Trennung, die ihm sehr gut gelungen ist... So hat man es schön Häppchenweise! ;-)

Was mich dann doch wundert, bzw. womit ich nicht gerechnet hätte, ist, dass die Japaner scheinbar die gleichen Probleme haben/hatten, was Werte und dessen Überleben in der Gesellschaft heutzutage angehen, wie wir hier in Europa und/oder Deutschland...

Nochmals Danke. Dies hat mich wirklich ein riesiges Stück weiter gebracht!  :MG:
Gruß
Ralf
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,,Du kannst Dein Leben nicht verlängern und Du kannst es auch nicht verbreitern. Aber Du kannst es vertiefen!"
Gorch Fock

Spee

Auch wenn es offtopic ist, aber es paßt gedanklich. Krieger, Mentalität -> spartanisch!

http://www.apple.com/trailers/wb/300/hd/

(Sind ziemlich große Dateien, dauert etwas, aber die Qualität entschuldigt die Warterei allemal !! Mit Trailer 2 beginnen und laut anhören!!)
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

kalli

@Harold,

vielen Dank, dass Du uns den Beitrag von Wolfgang Herbert zur Verfügung gestellt hast. Ich habe ähnliche Gedanken zu diesem Thema gehabt. Leider war ich mir nicht sicher, ob ich sie so ausdrücken kann und ob dann bei so einem Thema nicht dann Mißverständnisse auftreten können. Deshalb herzlichen Dank an Herbert für diese Abhandlung.
Verkneifen kann ich mir 2 ausgeleierte Sprüche trotzdem nicht.
Die Umwelt formt den Menschen- und
Das Sein bestimmt das Bewußtsein ( wobei Herbert auch Beispiele für das Gegenteil geliefert hat ) so ist eben Dialektik :O/Y

Schöne Grüße nach Wien und Japan

kalli

Es sei mir bitte erlaubt, dass ich ein wenig abschweife. Wer sich mal mit der berühmten russischen Seele beschäftigen möchte, der sollte dieses Buch lesen.

http://www.amazon.de/Natashas-Dance-Cultural-History-Russia/dp/0140297960/sr=8-2/qid=1171050652/ref=sr_1_2/028-5284361-1241311?ie=UTF8&s=books-intl-de

Tut mir leid- ich bin ein Figes- Fan :-D

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