Uhren an frz. Kriegsschiffen

Begonnen von rosenow, 29 Oktober 2009, 14:31:39

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

rosenow

Moin alle Zusammen!
Hier bei den schönen Bildern von Tsushima ist ein frz. Schlachtschiff Paris mit einem Ziffernblatt versehen und wie es auf dem zweiten Photo aussieht, sogar gleich mit mehreren.
Ist das ein Museumswitz oder welche Bedeutung haben diese Ziffernblätter?
Gruß Michael
mit freundlichen Gruß
Michael


,,Macht`s gut und denkt daran!
Es gibt drei Sorten von Menschen:
Die Lebenden.
Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

harold

Das war mal gar nicht so unüblich. Rangefinder-clocks, zu deutsch: optischer Signalapparat für Schussentfernung.

Vorerst - Kirchturmuhr mit zwölf Strichen ist das keine. Wenn du genau hinguckst, ist die Einteilung in zehn Striche.

Nachfolgenden oder vorfahrenden Einheiten ("in Schlachtlinie") wurde damit die gemessene Entfernung zum Gegner signalisiert (mit zwei Zeigern).
Ergänzend dazu gabs noch groß aufgemalte Skalen an den (überhöhten, darum besser sichtbaren) Türmen, um auch die jeweilige Lage zum Gegner zu signalisieren. Siehst du auch bei US-Einheiten aus dem Zeitraum so um 1920+.

Begründung: Sichtbehinderung der Entfernungsmessung durch Rauch, Aufschläge, Abschußqualm ... such dir was aus.
Da konnte man sich -so mindestens die Theorie- an anderen eigenen Einheiten orientieren.

Mit dem Zeitpunkt, als Kurzstrecken-Sprechfunk zwischen benachbarten Einheiten möglich wurde, verschwanden diese seltsamen Zifferblätter und Maß-Einteilungen an den Turmunterkanten.-

Wir hätten da übrigens noch so ein Kästchen mit Zifferblatt anzubieten: am Großmast von Bismarck/Tirpitz der Ruderlage-Anzeiger (ebenfalls auf Verbandsfahrt hin gemünzt).
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

t-geronimo

Das Ding nennt sich "range clock" und stammt aus der Zeit, wo Gefechte noch in Schlachtlinien ausgetragen wurden.
Damit wurde den Schiffen in der Linie, die das Ziel selbst nicht sehen konnten (v.a. durch Rauch von Schornsteinen und Geschützen) die Entfernung mitgeteilt.
Die Richtung wurde durch Markierungen an den Türmen übermittelt, sowit ich mich recht entsinne.

So konnten dann auch diejenigen Schiffe feuern, die das Ziel selbst nicht sahen.

Diese range clocks waren überall üblich. Auch britische und amerikanische Schiffe z.B. führten sie und die dt. meine ich auch.
Bei den US-BBs (den alten) sieht man die selbst im 2. WK noch manchmal, obwohl sie natürlich durch Radar obsolet wurden.


Ich verschubse mal in Waffensysteme und mache den Titel etwas klarer.  :MZ:


Harold hat schneller getippt.   :MG:
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

harold

Die Skalierung an den Türmen:



und eine etwas nähere Aufnahme des Zifferblatts:



Zum Verständnis von Schussrichtung, Erhöhung und Vorhalt sowie anderer Faktoren noch dieser wichtige Theorie-Artikel:

http://www.siprep.org/science/physics/images/lft060108.jpg
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

rosenow

Was es allles so gab, diese Zeit ist echt interessant. Vielen Dank herold und Thorsten, die theoretische Erklärung am Schluss trifft wohl voll und ganz zu.  :-D
Gruß Michael
mit freundlichen Gruß
Michael


,,Macht`s gut und denkt daran!
Es gibt drei Sorten von Menschen:
Die Lebenden.
Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

Gerome_73

War ein Ziffernblatt mit Einteilung 12 auch möglich? Ich meine so eine "Uhr" bei Straßbourg gesehen zu haben.

Grüße

Marco

harold

Gerome, da bringst du mich auf eine Spur:

Ich kenn auch ein Foto von "Lorraine" mit einer 12-er-Teilung.
Und auch bei "Strasbourg" und "Dunkerque" Ziffernblätter, die auch eindeutig von 1 - 12 durchnumeriert sind.

Dem werd ich mal nachgehen, ich hoffe, ich find dazu eine Erklärung!

(warum Frankreich, die "Mutter des metrischen Systems", eine duodezimale Teilung hatte? ... ei das interessiert mich gar sehr!)


4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

ufo

Der Thread rief in meinem Kopf doch glatt eine Frage wieder hervor, die vor fuenf Jahren im Forum.Schlachtschiff unbeantwortet blieb:  :roll:
Haben die Japaner diese Dinger auch benutzt oder war das eine Euro-Amerikanische Sache? Ich kenne kein Photo, welches ein Japanisches Schiff mit Range Clock zeigt, obwohl ihre Marine ja doch ueber Jahre an der Britischen entlangentwickelt wurde. Aber hatten die Japaner dann auch Big Ben am Dreibein?

Ufo 

t-geronimo

Friedman nennt die Dinger in "Naval Firepower" nicht range clocks, sondern concentration dials.

Danach mal kurz gegoogelt, finde ich keinen Hinweis auf japanische Vorrichtungen dieser Art.
Auch in oben genanntem Werk ist nichts darüber zu finden. Da schreibt Friedman nur lapidar: "concentration dials were adopted by other navies" - ohne sich da in Einzelheiten zu verlieren.
Aber kein einziges Bild japanischer Schiffe zeigt da was, während sie bei anderen oft sofort ins Auge springen.
Nur kommen die Japaner bei Friedman auch allgemein sehr kurz und der LaCroix ist mir jetzt zu dick zum durchblättern...


Und als Physiker, der der Mathematik nicht fern ist, weißt Du ja, das schon ein einziges Gegenbeispiel genügt... ;)
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

rosenow

Moin alle Sammen! Interessant, interessant, was man hier von euch liest.  :-)
In welchen Zeitraum  sind diese Entfernungsmesser-Uhren eingesetzt worden, da ich nirgends, außer an diesem frz. Kriegsschiff, diese Ziffernblätter finde, ebenso scheinen sich mir die Teilstrichbemalungen an den Türmen, von mir fern zu halten, ich kann nirgends etwas entdecken, habe schon , so glaube ich, alles bei Tsushima durchsucht.
Wo muss ich suchen, um solches zu entdecken?

Nun eine andere Frage:
Welche Bedeutung hat diese Ringe an den Kanonen der Admiral Uschakow?
Die folgenden Schiffe weisen diese Ringe nicht auf und Rangefinder-clocks, sowie Skala entdecke ich auch nicht.
Gruß Michael
Ich hoffe nicht zu nerven, bin halt hier noch nicht bewandert!
mit freundlichen Gruß
Michael


,,Macht`s gut und denkt daran!
Es gibt drei Sorten von Menschen:
Die Lebenden.
Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

kgvm

Es gab bei den Franzosen zwei Generationen der "Uhren".
Die erste, eingeführt in den zwanziger Jahren, hatte die Ziffern 0 - 9 (schwarz auf weißem Hintergrund) und diente zur Anzeige der Hunderter (man ging von der Annahme aus, daß die Kilometerentfernung auch den anderen Schiffen bekannt war).
Die zweite wurde in den dreißiger Jahren eingeführt (auf der "Bretagne" beispielsweise beim Umbau vom Juli 1932 bis November 1934). Jetzt waren es weiße Ziffern auf schwarzem Grund (vermutlich, um eine Verwechslung der beiden Typen zu vermeiden) mit einer 12-teiligen Einteilung (0 - 11 oder 1 - 12, ich suche noch ein Bild, wo die obere Zahl ablesbar ist).
Nicht ganz klar geworden ist mir bisher der Grund für diese Änderung, denn von "concentration de tir" (= Feuerkonzentration) habe ich auch schon bei der ersten Variante gelesen, sonst hätte ich einen Wechsel von einer Entfernungsanzeige auf eine Richtungsanzeige angenommen.

Thoddy

Zitat von: ufo am 29 Oktober 2009, 23:14:16
Der Thread rief in meinem Kopf doch glatt eine Frage wieder hervor, die vor fuenf Jahren im Forum.Schlachtschiff unbeantwortet blieb:  :roll:
Haben die Japaner diese Dinger auch benutzt ..
Ufo 

die Japaner dürften ebenso ein solches System genutzt haben sofern mich meine Erinnerung nicht täuscht
hat Nowikow Priboi in seinem Buch Tsushima erwähnt, das die Japaner ihre Schußdaten (im Zusammenhang mit den Wendemanövern) von Schiff zu Schiff übertragen haben sollen.
Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

t-geronimo

Ey, hier nervt keiner solange er nicht braunes Zeugs verbereitet!  :MZ:

Bei den Amerikanern findest Du die Uhren auch immer wieder.
Hier z.B. ist ein großes Fotoarchiv:  --/>/> Klick
Dort findest Du dann Fotos wie dieses: Klick
Auch die Markierungen an den Türmen findet man sowohl bei britischen als auch US-Schiffen. Im Friedman sind einige zu sehen, aber die darf ich nicht einstellen.

Einige Auszüge aus dem Friedman "Naval Firepower":
Demnach waren die Vorläufer der range clocks die range drums, die ab 1908/1909 eingeführt wurden. Das waren zylindrische Gebilde am Vormars, auf denen vier Zahlen gezeigt werden konnten. Auch range boards, also wohl eine Art Tafel, gab es.
Ab 1914 verschwanden diese Einrichtungen wieder. Warum, das schreibt Friedman nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, das sie zu schwer abzulesen waren.
Hier mal HMS Swiftsure mit range drum an der Front des Vormarses:  --/>/> Klick

Versuche mit Funk hauten zu dieser Zeit noch nicht hin wegen beschränkter Technik, die für wichtigeres wie Navigation usw. genutzt werden mußte.

Während des Ersten Weltkrieges kamen dann die range clocks oder auch concentration dials genannten "Uhren" auf, zusammen mit den Markierungen an den Türmen. Erst in GB, bald auch in den USA.
So um 1925 verschwanden dann in beiden Marinen die Turmmarkierungen wieder, während die Uhren noch eine Zeit lang blieben (aber wohl kaum noch benutzt wurden).
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

t-geronimo

Nachtrag:

Laut Jordan/Dumas wurden die concentration dials bei den Franzosen 1940 entfernt.

Mögen die unterschiedlichen Ziffernblätter etwas mit den stetig zunehmenden möglichen Gefechtsentfernungen zu tun haben?
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Gerome_73

In den Heften von Profile Morskie "Strasbourg" und "Dunkerque" sind Bilder mit den Uhren zu sehen. Bei Strasbourg sogar von 1941. Allerdings gibt es keine Quellenangabe zu den Fotos. Und ich weiß nicht, da es sich ja "nur" um ein Model-Heft handelt, wie gut die Recherche ist und ob die Aufnahme nicht von 1940 stammen könnte.


Gruß

Marco

Impressum & Datenschutzerklärung