Matapan

Begonnen von Thomas, 22 März 2006, 21:18:37

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Thomas

Hallo,

zurück zu Matapan - Vorgeschichte:

Am 16.3. abends meldeten 2 He111 der II./KG26 die Torpedierung von 2 britischen Schlachtschiffen zwischen 19.00 und 19.17. Hieraus wurde von Achsenseite auf eine wesentliche Veränderung des Kräfteverhältnisses geschlossen. Insbesondere die SKL drängte auf einen sofortigen Vorstoß gegen die erkannten britischen Versorgungstransporte Richtung Griechenland.

Am 24.3. waren Flugzeuge des X.FliegerK 100 sm nördlich Marsa Matruh beim Angriff auf einen britischen Schiffsverband auf 3 Schlachtschiffe gestoßen, die verspätete Bildauswertung erbrachte diese Erkenntnis aber erst am 27.3.1941. Somit war erkanntermaßen kein weiteres britisches BB außer Gefecht gesetzt worden (außer der Torpedierung von Malaya kurz vorher).

Die italienische Flotte war bereits ab 26.3. in See und vereinigte Kreuzer und Schlachtschiffe am 27.3. südlich der Messina-Straße. Die Luftsicherung sollte am 27.3. das X.FliegerK aus Sizilien übernehmen, ab dem 28.3. die italienische Luftwaffe vom Dodekannes aus. Wegen führungs- und nachrichtentechnischer Mängel kam es nicht zur Zusammenarbeit zwischen der Flotte und den beiden Luftwaffen, vielmehr wurden die Schiffe bereits 75 sm östlich Sizilien durch ein britisches Flugbott aufgefaßt, was das X.FliegerK trotz der Jägersicherung nicht verhindert hatte. Admiral Jachino tappte währenddessen über die Absichten von Cunnigham im Dunkeln. Am 28.3. gelang dann Flugzeugen der FORMIDABLE sowie von Malemes/Kreta aus die folgenschwere Torpedierung der VITTORIO VENETO und der POLA.

Der Ansatz von 16 Ju88 am 29.3., die britische Flotte beim Rückmarsch auf Alexandria abzufangen, schlug fehl. Die italienische Flotte sah die Hauptschuld im Versagen der Luftwaffen, Operationen außerhalb des wirksamen Luftschirmes von 110 sm wurden untersagt.

Grüße
Thomas

EDIT: Roskill standen die britischen Akten offen, war das dort nicht verzeichnet oder durfte es nicht veröffentlicht werden?

P.S. Obiges nach: Gundelach, Die deutsche Luftwaffe im Mittelmeer 1940-1945, Band I, S. 112 ff.

Mario

die ENIGMA-Geschichte wurde erst ab 1974 durch das Buch von Winterbotham: >The Ultra Secret< weithin bekannt. Vorher gab es zwar schon in Polen 1967 und in Frankreich 1973 erste Veröffentlichungen zu diesem Thema, aber sie wurden noch wenig beachtet. Roskill schrieb seine Bücher Jahre vorher.

Peter K.

... wobei die Ausführungen von Winterbotham (1974) gerade im Zusammenhang mit Matapan gelinde gesagt "irreführend" sind! Gleiches gilt übrigens auch für die Arbeiten von Cave-Brown (1977) und Lewin (1978)!
Dazu im Laufe des Tages (hoffenlich) noch mehr ....

Grüße
Peter K.
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Thomas

Hallo Mario:

Roskill erwähnt korrekt, dass Kenntnisse über die beabsichtigte italienische Flottenoperation vorhanden waren. Er unterschlägt, woher diese Kenntnisse stammen.
Und er hatte die britischen Kriegsakten verfügbar. Soweit die britische Seite.

Die Fehllei(s)tungen auf Seite der Achse hatte ich oben mit Gundelach skizziert. Das reicht dann für die Niederlage, der Rest ist eine Arbeitsleistung der britischen Flotte vor Ort.

Grüße
Thomas :wink:

Peter K.

Nun, bei einer korrekten taktischen Führung hätten die italienischen Verluste NICHT in dieser Höhe ausfallen müssen - trotz des praktischen Totalausfalls der Luftsicherung!
Ich hoffe, das noch heute in einem ausführlicheren Posting präzisieren zu können!

Grüße
Peter K.
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Mario

Den Italiener war doch bekannt, daß sie von überlegenen Kräften der Royal Navy verfolgt werden, inclusive Schlachtschiffen. Wieso schickt man dann wertvolle Kreuzer zur Sicherung eines einzigen Kreuzers zurück ??? Wenn, dann hätte man maximal zwei Zerstörer riskieren dürfen.

@cpa95
Um Roskill zu verstehen, muß man sich die Struktur der Weitergabe von Ultra-Informationen ansehen. Wenn Bletchley-Park Informationen aus entzifferten Funksprüchen gewonnen hatte, dann wurden diese an einen Verbindungsoffizier in den betreffenden Stäben weitergeleitet, aber niemals an die Armee/Marine direkt.
Nun saß also in Alexandria solch ein Geheimdienstmitarbeiter und informierte Admiral Cunningham vertraulich über die Pläne der italienischen Marine. Gleichzeitig wachte besagter Offizier darüber, daß diese Infos erst dann operativ verwendet werden durften, wenn sie aufgrund anderer Aufklärung verfügbar werden konnten. In diesem speziellen Fall durfte z.B. kein Alarm gegeben werden, bevor nicht die Italiener durch ein U-Boot oder Aufklärungsflugzeug gemeldet wurde. Folglich mußte erst ein Flugzeug auf den Anmarschkurs der Italiener angesetzt werden. Diese Aufklärungsmeldung wurd dann natürlich auch in die offiziellen Akten eingetragen, nicht jedoch die wahre Quelle der Info.

Es galt der Grundsatz, daß >Ultra< mit allen Mitteln geschützt werden mußte. Es war z.B. allen Leuten, die etwas über >Ultra< wußten strengstens untersagt, sich in eine Situation zu begeben, wo sie möglicherweise in Gefangenschaft geraten könnten. Ultra-Infos durften niemals verwendet werden, wenn sie nicht auch durch eine andere Aufklärung hätten gewonnen werden können, selbst wenn dadurch hohe Verluste entstanden wären.

Thomas

Hallo,

na dann ist einiges klar. Zum Mittelmeer im weiteren:

1. am 15.12.40 wurde durch ULTRA die Verlegung des X.FliegerK nach Süditalien erkannt.
2. Am 10.1.41 wurde die Stärke mit 96 Bomber und 25 Zerstörer angegeben. Die Meldungen wurden erst weitergegeben, nachdem sie auch aus anderen Quellen erkannt waren.
3. Am 24.3. wurde die ULTRA-Meldung über die deutsch-italienische Luftwaffen- und Marineoperation generiert. Am 25.3. wurden alle Bf110-Zerstörer von Libyen nach Palermo für eine "Spezielle Operation" geordert (D-3). Am 26.3. wurde eine Nachricht über Luftoperationen gegen britische Flugstützpunkte und gegen Konvois in der Ägäis aufgefangen.
4. Die britische Flotte war bereits unter Ausnutzung von ULTRA-Infos lange in See.

nach: Corelli Barnett, Engage the enemy more closely, RN in the Sec-WW, S. 317 ff.

Mario

Eben gerade ist mir beim Betrachten einer Karte dieser Seeschlacht etwas aufgefallen.
19.30 Uhr erfolgte der Luftangriff auf die Pola, die den Kreuzer seines Antriebes beraubte. Aber erst um 21.00 Uhr kehrten die drei anderen schweren ital. Kreuzer um, nachdem sie ca. 40 sm weitergelaufen waren. Warum geschah dies ausgerechnet um diese späte Zeit ??? Es muß irgendetwas vorgefallen sein. Womöglich eine (fehlerhafte) Aufklärungsmeldung oder eine falsche Schlussfolgerung zu dieser späten Stunde ??? Weiß jemand Genaueres ???   Vieleicht unser Antonio ???

Huszar

Hallo,

Soweit ich weiss, erfuhr Iachino erst spät von dem Treffer auf der Pola.

Auch nahm er an, dass die in ca. 110 km Entfernung gesichtete Flotte die engl leichten Kreuzer sind, mit denen sich die Italiener schon rumgeprügelt hatten.


mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Thomas

Hallo,

nach Playfair, Mediterranean, Band II, S. 69,  sieht das so aus, als hätte sich Jachino aufgrund der schlechten Aufklärung, der schlechten Sicht abends über die Nähe der britischen Schlachtflotte getäuscht, von der er erst am frühen Nachmittag überhaupt Informationen bekommen hat. Sein Befehl soll in der Annahme getroffen worden sein, dass die brit. Schlachtschiffe weiter entfernt sind (also höchsten die Kreuzer in der Nähe sind). In dieser Annhame habe er ZARA und FIUME detachiert mit den Begleitzerstörern, da POLA immer noch gestoppt lag und VENETO anscheinend im sicheren Abmarsch begriffen war.
Jachino hat erst um 22.28 die Anwesenheit der brit. Schlachtschiffe in der Nähe bemerkt, als das Artilleriefeuer 45 km hinter ihm gesichtet wurde. Im gleichen Moment sei ihm die Tragweite seiner Fehlentscheidung bewußt geworden.

Grüße
Thomas

Mario

woher hast die die Angabe 45 km. (oder sm ???)
das würde überhaupt nicht zu den Zeitangaben passen. 20.30 kam der Befehl für die ital. Kreuzer, zu wenden. 22.25 wurde diese von den Briten gesichtet, als sie gerade in der Nähe der Pola eintrafen. Bei einer Differenzgeschwindigkeit von über 40 knoten muß die Vittorio Veneto gut 60 - 80 sm entfernt gewesen sein. Die Zeitangaben stammen von Roskill: "Royal Navy".  Gibt es noch andere Zeitangaben, die etwas genauer sind ???

Thomas

Hallo,

Zeit- und Entfernungsangaben sind von Playfair (1956). Der ablaufende VENETO-Verband soll das Mündungsfeuer in der Nacht gesehen haben. Es soll sich um die FIUME-ZARA-Gruppe gehandelt haben, die ins Gefecht eintrat, bei 20.53 Ost/35.20 Nord
Die Abendsicht gegen 20.00 soll ansonsten 2,5sm betragen haben. VENETO soll noch rd. 12 kn um 17.45 gelaufen sein.

Sorry: 45 SM! Entfernung Mündungsfeuer. Gab es zurück hängende Einheiten (Zerstörer?).

Grüße
Thomas

toppertino

Aaaalso,ich hab da noch ne andere Quelle: Kap Matapan 1941 Minuten der wahrheit ;Bernd Loose ;Marinekalender der DDR 1982.

Darin war man der Meinung das die italienischen Verluste weitaus geringer hätten ausfallen können wenn die zur Hilfe eilende Kampfgruppe ZARA-FIUME etwas wachsamer gewesen wären.Die Kampfgruppe wurde nämlich nicht durch überlegenes Radar entdeckt sondern durch das gute alte Nachtglas.Also waren die Chancen einander zu entdecken 50:50."Die entscheidende Begegnung zwischen den britischen Schlachtschiffen und Cattaneos Kreuzern war keineswegs ein geplantes Zusammentreffen SEHENDER Engländer mit BLINDEN Italienern gewesen,sondern hat sich aus ganz profaner optischer Seeraumbeobachtung mittels Nachtgläsern und den reaktionsschnellen Folgeentscheidungen Cunninghams entwickelt."
Die italienische Kampfmoral ließ wohl sehr zu wünschen übrig wie das folgende Beispiel beweist: Die gestoppt ligende POLA sollte von britischen Kommandos geentert werden "...als nach ein paar Artilleriesalven keinerlei Aktivitäten des Gegners (POLA) folgten,entschloss sich Mack den Kreuzer zu entern.Um 3.25Uhr stürmte das britische Kommando an Bord der POLA - keinerlei Gegenwehr.Dafür stolperte man auf den dunklen Decks über leere Chiantiflaschen..."
"Die fehlende Motivationl der Italiener,... gipfelt schließlich in der desolaten Moral der POLA Besatzung,die angesichts des totalen Energieausfalls auf ihrem Schiff lieber die Getränklasten plünderte,als sich konsequent um die Herstellung einer Notstromversorgung zu bemühen..."

So,das wars erstmal,denn ich habe keine lust mehr mehrere Buchseiten Text abzutippen.Falls jemand noch freien Webspace hat kann ich ihm den Artikel gerne schicken.
PS: Mich würde mal interessieren was Antonio dazu sagt.Eine so miese Kampfmoral kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

mfg
Lebensende mit 3 Buchstaben: EHE!

Spee

@Toppertino,

naja, bischen Propaganda in dem Artikel.
Erstens, die Briten hatte die Italiener sehr wohl schon lange auf dem Radar und damit waren sie deutlich im Vorteil. Es ist immer noch ein Unterschied, ob ich weiß das jemand kommt und woher, oder ich völlig im Dunkeln tappe.

Zum Thema "Kampfmoral" mal die Aussage von Stefano Sappino, den ich darauf angeschrieben hatte:

The torpedo with any evidence exploded below the Pola's hull (no water column, typical of a on side hit was observed).
Almost all of the boiler rooms were immediately flooded, with the exception of the stern one. All the vapor tubes were destroyed. The large amount of smoke (high temperature vapor) was, on a first time, taken for a large fire, so the ready to use ammo for the 100 mm guns were thrown at sea. The Pola stayed without engines and electric power, but not in danger of sinking.
Pola asked for towing (the subsequent Matapan tragedy is, I believe, well known, even if the British account still are largely inaccurate about what happened on the Italian ships). Attempts were made to put in service again the remaining boilers, but only one was in condition to be fired again (with sea water), and the pressure was not enough to start the turbines. In the meanwhile, all was set up in order to abandon ship, with the destruction of the secret documents.
The majority of the crew was on the main deck, as the lower levels were full of smoke and small fires, awaiting for the tow.
In this condition, the Pola saw black silhouttes in the dark, and believing they were the Italian cruiser division in help, fire a Very signal.
They were the British division, on the place exactly at the same time of the other Italian ships.
The Italian ships were destroyed (but not all sunk, the RN Zara was scuttled by her own crew), with the Pola crew looking at the drama.
Pola Commander gave the order to scuttle the ship and abandon her. The crew started to jump at sea, not in perfect order, given the circumstances. Pola started to sunk very slowly (as her damaged status would not allow to fully open the openings at sea, probably some hours would had been needed) but people at sea started to suffer and dying for the strong cold, and many of the were recovered again on board. They were rescued with strong alcoholics and covered with blankets. This was what the British crews saw when closing the doomed ship.
So you can judge yourself if the British account are close to the truth (rolling bottles on the deck, drunk and naked sailors and so on)... two further torpedoes were needed to sink the RN Pola; even so, she sunk slowly.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

toppertino

Aha.Also wars doch nicht sooooo schlimm um die Kampfmoral bestellt,wie es in meiner Quelle umschrieben ist.
Dennoch war die ZARA-FIUME-Kampfgruppe nicht wirklich wachsam,denn sie hatten die gleichen Chancen die Briten mit Nachtgläsern zu entdecken (und ihnen eine böse Überraschung zu bereiten).Ein Mix aus 20,3er Granaten und Torpedos hätte auf die kurze Entfernung auch für ein Schlachtschiff gefährlich werden können.

mfg
Lebensende mit 3 Buchstaben: EHE!

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