Vollbremsung Schlachtschiff

Begonnen von t-geronimo, 17 April 2006, 18:53:00

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Rymon

Hallo allerseits,

vor Jahren las ich mal in einem Buch über die Tirpitz, daß ein Notruder an Bord getestet wurde.

Weiß irgendwer etwas über dieses Ereignis und gibt es eventuell Bilder?

Liebe Grüße von

Stefan

Tyrsus

Nur so mal saublöd eingeworfen: Meine mich erinnern zu können, daß Mh-R in "Schlachtschiff Bismarck" schreibt, die Handsteuer- Umkuppelungsversuche wären ohnehin an im R- Maschinenraum pumpenden Seegang (ist ja an die 2m am Heck rauf- und runtergegangen...) und schließlich an klemmendem Schaltgestänge gescheitert...

Sollte es nicht auch -ohne allzu üblen Rudermurks zu verbrechen- möglich sein, kinetische Energie durch einfaches Hartruderlegen in Wellenspiel zu verwandeln? Es fährt wohl kaum einer mit einem 50.000tonner 30kn in engen Gewässern... noch nicht einmal im Krieg. Kann da als fast reiner Hypothetiker nur raten...

Bilde mir ein, irgendwo einmal etwas von hydraulisch abklappbaren Platten am hinteren Rumpfdrittel gelesen zu haben, deren einseitige Betätigung via Strömungsabriß etwas höhern Druck auf die Hülle praktizieren hätte und so als Notnagelruder wie Bremshilfe zu brauchen gewesen sein sollen...
Keine Ahnung, wo und im welchem Kontext, s' ist ein Jahrzehnt mindestens her...   Halte das auch nicht für sehr glaubhaft für die KM und möchte wetten, daß so etwas nie auf Tirpitz war.

Die B- Klasse scheint doch verflucht zu sein; kaum sagt man "Ruder", entsteigen die Geister ihren nassen Gräbern...

Gruß Tyrsus

P.S.: Kapitän Hans, ich bilde mir ein, daß ein ähnliches Klappensystem für Tanker im V/ULCC Bereich vorgeschlagen wurde, kann mir aber nicht vorstellen, daß etwas derart kapriziöses der ohnehin nicht unterbeschäftigten Crew zur Wartung angetan würde... vom Einbau in die Ballasttanks(neuerdings) ganz zu schweigen. Auch nur Chimäre?
"Dummheit, du siegst - und ich muß untergeh'n. Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergeblich" Schiller, Jungfrau v. Orleans

Captain Hans

Hallo Hastei und Tyrsus

Ich möchte noch etwas zum Notruder (Handruder) sagen.

Auf meinem Tanker gab so etwas auch. Da die Rudermaschienen hydraulisch waren. konnte man die Elektroantriebsmotoren abkuppeln. Dann gab es eine Handpumpe (hydraulisch), die die großen Hydrauliken steuerte)
Gemäß Germanischem Lloyd waren wir verpflichtet, dies auf hoher See auszuprobieren.
Also wir brauchten 10 Minuten, um das Ruder von Hart BB auf Hart Stb zu pumpen, aber natürlich bei gestopptem Schiff. (und zwei total erschöpfte Pumpleute)
Ich kann mir gut vorstellen, wie wir mit dem Notruder über den Atlantik geeiert wären.

Ich hab keine Ahnung, wie das auf der Bismarck funktionierte, kann mir aber nicht vorstellen, daß man bei hoher Geschwindigkeit damit gut steuern kann.


Noch etwas zum angehängten U-Boot:

Wenn ich richtig rechne, hätte die Bismarck wohl 16 - 20 Kn rückwärts laufen müssen, um ihren Verfolgern zu entkommen.
Bei der Geschwindigkeit hätte das U-Boot, sehr zur Freude der Besatzung, wohl gesurft, wenn nicht vorher die Halterung der Schlepptrosse (die es nicht gab) das U-Boot zerlegt hätte.

Den umgekehrten Fall, also wir wurden auf hoher See abgeschleppt, habe ich leider selbst kommandieren müssen.
Mein 90 000 Tonnen Turbinentanker trieb mit ausgebrannten Kesseln im Atlantik . (Ausgang Mona Passage Karibik).
Ein amerikanischer Hochseeschlepper (8000 PS) schleppte uns ca. 1000 sm nach Savannah bei Windstärken 4 -6.
Die Schlepptrosse war 3 km lang, hatte riesige Grasvorläufer (sehr dehnungsfähig, um die Schläge abzufangen).
Wir hatten beide Ankerketten von den Ankern abgeschäkelt, um daran das ganze Schleppgeschirr zu befestigen.
Die Schleppleine hing also auf unserer gigantischen Ankerwinde, zusätzlich wurden die goßen Kettenstopper angesetzt und weiterhin jeweils 2 weitere Drahtstopper, die wir mit dem Deck verschweißten.
Die Schleppgeschwindigkeit betrug 2 -4 kn. Wir mußten dauernd gegensteuern, damit unser Schiff bei loser Leine nicht quer schlug. Der Schlepper mußte dauernd aufpassen, daß er ausgerichtet war, wenn das Schleppgeschirr steif wurde, denn ein seitlicher Zug hätte ihn glatt zum Kentern gebracht.
Das Schleppgeschirr riß einmal auf hoher See, dann nochmal kurz vor der Küste. Wir trieben auf eine Sandbank, wo uns dann 10 Schlepper runter holten.
Um das Schleppgeschirr anzubringen, brauchten wir 36 Stunden.

Nach unserer Ankunft hatte die Ankerwinde das Backdeck um 1 Meter angehoben und die Kettenstopper baumelten an den Ketten. Der Schlepper mußte ebenfalls in die Werft, denn sein Schleppgeschirr hatte überall Risse.

Können Sie sich nun das U-Boot vorstellen, am Bug der Bismarck hängend, Bismarck rückwärts schleudernd davon brausend ohne Schleppgeschirr und Halterungen und dann noch bei dem Seegang und Wind. Das U-Boot hätte wie eine leere Dose an einer Leine hinter einem LKW mit besoffenem Fahrer ausgesehen.
Das Ganze ist für mich schwer vorstellbar und ich glaube diese Geschichte sollte ad. Akta gelegt werden.

Hydraulisch ausklappbare Platten auf Tanker kenne ich nicht, aber vielleicht möglich. Der Schiffbau treibt manchmal wunderbare theoretische Blüten, in der Praxis funktioniert vieles nicht. (Die See bestimmt, was geht)

Ich habe größte Hochachtung vor der Leistung der Besatzung der Bismarck, die zum größten Teil nicht einmal Seeleute waren.
Ich möchte auch ihre Leistung nicht dadurch geschmälert wissen, indem man wilde Theorien über das aufstellt, was sie hätten noch machen können und vor allen Dingen, Theorien, die nach meiner Meinung sich seemännisch gar nicht umsetzen ließen.
Ich hab mein Modell dieser Besatzung gewidmet.

Nichts für Ungut

Beste Grüße

Kapitän Hans



Beste Grüße

Kapitän Hans



,Nur wer sich ändert,bleibt sich treu"!!!
,,Nicht was du bist,ist das was dich ehrt,wie du bist,bestimmt den Wert"!!!

t-geronimo

Hach, unser Lieblings-Schiff mal wieder... :-D

Mal was zur U-Boot-Theorie:
Soweit ich weiß, war nicht die Rede davon, ein U-Boot vor BS zu binden, sondern als Kurs-Stabilisator dahinter!
Selbst wenn rechtzeitig ein U-Boot verfügbar gewesen wäre - daß das nicht funktionieren kann, darüber waren sich auch schon die SKL-Experten einig. Das brauchen wir nicht diskutieren.
Aber "wilde Theorien aufstellen" würde ich etwas differenzieren.
Die Idee, ein U-Boot in Schlepp zu nehmen, kam immerhin vom Schiff selber. Ich meine, Junack hat sie mitgebracht oder er sich später gefragt, ob wirklich alles versucht wurde, um BS zu retten - eben auch per U-Boot.
Insofern wurde diese Theorie auf dem Schiff aufgestellt, nicht außen.
Wenn schon Geschichte, dann ganz.

Ich finde, man muß vielmehr betrachten wofür diese Idee steht:
Nämlich für die Verzweiflung, die viele in sich trugen, auch wenn sie es nach außen oft nicht zeigten.
Sie spiegelt doch dieses sich an jeden noch so dünnen Strohhalm klammern wieder, das man als dem Tod gegenüberstehender hat.
Daß das nicht klappen konnte, war auch Leuten wie Junack klar. Aber wie man in solchen Situationen reagiert, kann man glaube ich so richtig erst beurteilen, wenn man selber so etwas schon miterlebt hat.
Da kommen dann, wenn alles wirklich rationale ausgeschöpft worden ist, auch schon mal etwas spinnerte Dinge als Hilfeschrei der Seele.

So sollte man die U-Boot-Idee betrachten, denke ich.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Captain Hans

Hallo Thorsten

So gesehen kann ich Dir nur vollkommen recht geben

Beste Grüße

Kapitän Hans
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Tyrsus

Steckbrief der Haupt- und Hilfsruderanlage "Bismarck"(und von sonst fast jedem größeren militärischen Pott in der ersten Hälfte des 20. Jhdts...): 

Ruderlegung mittels elektrisch angetriebener Schraubenschloßtransmission (Spindel mit zur Hälfte Rechts- und zur Hälfte Linksgewinde, daran liegende Spindelnüsse, an denen wiederum die Ruderpleuel sitzen. Bei Drehung bewegen sich die Nüsse aufeinander zu oder voneinander weg, ergibt dann Ruderlage). Die Umschaltkupplung mußte da freilich im R- Maschinenraum sitzen; die damit durch Fernwellen verbundenen Notruderräume mit Spakenrädern waren jeweilen achterlich der achteren 15.2cm Türme, deren Besatzungen auch die Rolle "Notruderlegen" ausüben mußte. In dieser Manier waren sie dann ja auch besetzt, bis man sich mit den übel verbogenen Kupplungsgestängen an den Rudermaschinen abfinden mußte...

Derartige Schraubenschloßtransmissionen sind relativ aufwändig in der Fertigung und deshalb wohl erheblich teurer als Hydraulik, haben aber den Vorteil exaktester Ansteuerbarkeit, relativ geringen Kraftaufwandes an der Spindelwelle und der Selbsthemmung bei Fortfall jedweder Betätigungskraft; das sollte also für bis zu 15kn ohne Probleme praktikabel gewesen sein. Auch kann hier eine Luftblase nicht annähernd so viel anrichten wie in Druckölsystemen...

Habe sie nur deswegen so erschöpfend geschildert, weil ich mir nicht sicher bin, ob sie nicht schon vor 60 Jahren in der zivilen Seefahrt vollkommen von hydraulischen Anlagen verdrängt worden sind.

Hoffe, nützlich gewesen zu sein...            Tyrsus
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Captain Hans

Hallo Thyrsus solche Anlagen kenne ich och von kleineren Schiffe. Alle anderen Schiffe hatten hydraulische Anlagen.

Habe nun endlich herausbekommen wie die Maschinenanlage der Bismarck auf Rückwärts funktionierte.
Wie ich mir schon gedacht habe, hatte sie Rückwärtsturbinen, die erst bei Wellenstillstand hochgefahren werden konnten, da es sonst Turbinensalat gegeben hätte.
Die vohandenen Wellenbremsen durften nicht zur Abbremsung der Wellen benutzt werden, denn sie dienten nur
zur Festsetzung der Wellen bei Reparaturen.
Nun kann man sich auch vorstellen wie schwierig es war, das Schiff mit den Schrauben zu steuern.
Wieviel Rückwärtsleistung sie wirklich hatte, weiß ich immer nocht, krieg ich aber noch raus.

Beste Grüße

Kapitän Hans
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Captain Hans

sorry hatte eine falsche Auskunft, denn die Bismarck hatte keine Rückwärtsturbinen !!!!!

Hier nun die Richtigstellung:
Die Mittel-und Backbordturbine waren baugleich, die Steuerbordturbine dagegen spiegelbildlich.
Bb. und Mittelschraube waren linksdrehend, der Stb. Propeller rechts drehend

Jeder auf eine dieser Welle arbeitende Tubinensatz bestand  aus:

Hochdruck-,Mittel und Niederdruckturbine.

Für die Rückwärtsfahrt ließen sich nur Hoch- und die Niederdruckturbine, die mit zusätzlichen Schaufelrädern ausgestattet waren, durch Aufbringen des Dampfdrucks auf diese Extrabeschaufelung konnte die Drehrichtung geändert werden. Natürlich erst nach Wellenstillstand.
Da die Rückwärtsbeschaufelung nicht die Drehzahlen der Vorausbeschafelungen brachte, und die Mitteldruckturbine
komplett fehlt, ist absolut klar, daß die Bismarck bei Rückwärtsfahrt nur eine sehr verminderte Leistung wie auf Voraus
hatte.
Wie schnell sie nun auf Rückwärts werden konnte bekomme ich noch raus.


Beste Grüße

Kapitän Hans
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winni

#53
Zitat von: Kapitän Hans am 05 Oktober 2008, 18:29:13
sorry hatte eine falsche Auskunft, denn die Bismarck hatte keine Rückwärtsturbinen !!!!!


Moin moin.

Also im Breyer/Koop "Schlachtschiff Bismarck eine Technikgeschichtliche Dokumentation" steht dazu folgendes.:
Zu jeden Turbinensatz gehörten:
-eine Hochdruckturbine mit einem Curtisrand und 4 Stufen,
-einer Mitteldruckturbine,doppelflutig mit 15 Stufen,
-eine Niederdruck-Rückwärtsturbine,ebenfalls doppelflutig,
-eine Hochdruck-Rückwärtsturbine (deren Curtisrand in einem eigenen Gehäuse an der Gegenseite der Antriebsseite der Mitteldruckturbine saß),und
-eine Niederdruckturbine mit neun Stufen und direkt über dem Kondensator angeortnet.
Eine Marschturbine hatte der Turbinensatz nicht. Rückwärtsfahrt 3x12000 WPS.


Gruß Günther.  :-)
Es sind immer die Abenteurer die große Dinge vollbringen.


Montesquieu.

Captain Hans

nach Günthers Bericht ist nun wohl auch klar, daß sie nie mit Rückwärts hätte entkommen können, denn sie hate ja auf Rückwärts nur ein Fünftel der Vorausleistung. Welche Geschwindigkeit sie damit erreichen konnte, weiß ich nicht, aber garantiert lag das unter 10 kn.

Beste Grüße

Kapitän Hans
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