Mein Weg zum Offizier der Schnellboote der Volksmarine

Begonnen von Eddy, 29 September 2013, 19:22:47

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Eddy

Heute ein kurzer Bericht, der eigentliche eine gefährliche Situation in der Ostsee beschreibt.
Im Buch von Dieter Flohr´s ,,Im Dienst der Volksmarine" wird dazu von B. Keppler ausführlich geschrieben. Ich gebe sie mal kurz mit meinen Worten wieder.

Es war vor meiner Zeit bei LTS, ich saß auf der Schulbank im 2. Studienjahr. Der Kalte Krieg schaukelte auf dem Zenit seines Daseins. So lief im Sommer 1971 ein amerikanischer Trägerverband in die mittlere Ostsee ein. Er bestand aus dem Flugzeugträger ,,INTREPID", den zwei Zerstörern ,,ROGERS" und ,,TAUSSIG" sowie der Fregatte ,,HARLEY". Kurz vor Bornholm machte der Verband kehrt und ging auf Gegenkurs Richtung Kiel.
Hier löste die Volksmarine für 2 LTS-Abteilungen a 10 Booten Gefechtsalarm aus, um einen Scheinangriff auf diesen Träger zu fahren. Als Führerboot wurde ein TS-Boot 206 (Shershen) eingesetzt. Bei den beiden LTS-Abteilungen war auch die Abteilung vom Kampfkern 1 dabei.
(Kampfkern 1 (KK 1) bedeutet, Bereitschaft am Südbug, Gefechtstorpedos an Bord und in kürzester Zeit einsatzklar.) Die zweite Abteilung lief mit dem TS-Boot vom Hafen Bug in Kiellinie durchs Fahrwasser bis zum Tonnenpaar A-1. Die Abteilung vom KK 1 lag bereits im Libben auf Warteposition. Die zweite Abteilung gesellte sich dazu. Das TS-Boot hatte die Funkmeßanlage im Einsatz, durch das günstige Wetter gab es Überreichweiten und so konnte der Verband schon auf 40 sm Entfernung ausgemacht und beobachtet werden. Als er sich zwischen Kap Arkona und Dornbusch (Hiddensee) befand wurde die Vorentfaltung und Ausgangsposition eingenommen. Nun muss man sich vorstellen, es handelte sich schließlich um 20 Boote, wovon 10 Gefechtstorpedos an Bord hatten, das heißt beim Angriff von 20 Booten sind das für einen ahnungslosen ,,Gegner" immerhin 40 Torpedos die da ins Wasser gehen können. Übrigens schreibt B. Keppler, er herrschte richtiges Torpedoangriffswetter, Sicht 3 sm, dunstig, Wind 3-4 Beaufort und See 2-3.
Es kam der Angriffsbefehl für diesen ,,Zangenangriff" der 20 Boote in 180°. Als Distanz werden 8 sm zum Ziel angegeben. Mit Höchstfahrt schossen alle Boote gleichzeitig bei einer Entfernung zum Ziel von 20-24 Kabeln. Das befohlene Zeichen des ,,Torpedoausstosses" war ein Stern weiß mit der Leuchtpistole. Theoretisch liefen nun 40 Torpedos auf den Träger zu, eingestellte Wassertiefe der Aale 2 m. Nach erfolgtem Schuss stoben die 20 Boote auseinander, um sich schnell vom ,,Gegner" zu lösen. Die Besatzung des Trägers hat sich sicher über diese Art der ,,Begrüßung" mit weißem Feuerwerk gewundert, Gott sei Dank.
Hätte der Kommandant des Trägers einen realen Angriff angenommen und Abwehrmaßnahmen eingeleitet, wäre es sehr schlimm ausgegangen. Mit Artillerie oder gestarteten Fliegern wären die Kleinen verloren gewesen. (Ende der Geschichte)

Bei dieser Gelegenheit gleich noch etwas zur Technik der LTS-Boote. Es waren ,,fahrende, bemannte Torpedorohre", denn der Bootskörper war völlig ungeschützt. Luftangriffe hätten nicht bekämpft werden können und nur Geschwindigkeit reicht eben nicht immer aus. Sicher waren die Boote hauptsächlich für den küstennahen Bereich gedacht aber hin und wieder ging es auch weiter hinaus.
Und was auch wichtig ist, es wurde mit dem ganzen Boot gezielt und dann der/die Torpedoschu(ü)ss(e) durch Fußpedale beim Kommandanten ausgelöst. Der Ausstoß der Torpedos nach achtern mit dem Gefechtskopf nach vorn erforderte eine hohe Geschwindigkeit > 36 kn, um ein tieferes Abtauchen der Torpedos in flachen Gewässern zu vermeiden. Diesen Ausstoß in serienreife beherrschte nur die Volksmarine mit ihren LTS- und KTS-Booten. Die Aale wurden mit Druckluft ausgestoßen, dabei wurde durch einen Hebel die Maschine des Aals gestartet, um nach dem Eintauchen ins Wasser sofort mit dem Marsch auf das Ziel anzulaufen. In den Trainings, die ich selbst miterlebt habe, wurden immer gute und sehr gute Ergebnisse erreicht. Es gab aber auch Versager unter den Aalen und Grundläufer, was meist Verlust der Torpedos bedeutete.
Diese Boote hatten keine Eisklasse und wurden deshalb im Winter in einer großen Halle aufgeslipt.
... geht gleich weiter
Eddy von der großen Insel

"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten!"

Eddy

Männer,
nun noch etwas zu den ,,Hydras". Ihr wisst sicher alle, dass dieses Boot drei bzw. vier Einsatzvarianten hatte. Dieses Holzboot, gebaut in der Berliner Yachtwerft, wurde über Land mit Spezialfahrzeugen nach Wolgst zur Peenewerft gebracht und ausgerüstet. Ein riesiger Aufwand. Die Bootskörper bestanden aus Mahagoniholz und mehrfach verleimtem Sperrholz. Wegen diesem Holzkörper mussten diese Boote wie auch der ,,Iltis" im Winter auf Slip aber zusätzlich auch noch im Sommer, um die Bootskörper auszutrocknen, sonst wären sie zu schwer geworden durch die Saugfähigkeit des Holzes.
Zur Technik: eigentlich alles wie ,,Iltis" nur der Maschinenraum hatte gleich hinter der Kanzel einen großen Zugang durch zwei klappbare Luken und die Torpedorohre lagen nicht oben auf. Die Kanzel hatte eine oberen Einstieg und einen seitlichen, die späteren Boote wieder nur obere Einstiege. Die Funkmessantenne, hier noch die KSA-3, wurde auch durch die TSR-333 ersetzt.
In der Bewaffnung waren unterschiedliche Varianten möglich.
Das Boot konnte als reine Torpedovariante mit drei Rohren gefahren werden, mit dem Mittelrohr und Minenablaufbahnen Stb. und Bb. je drei Minen KMD-500, mit dem Mittelrohr und Kampfschwimmern – Stb. und Bb. je acht Sitze oder auch möglich aber sehr wenig in Anwendung gebracht als Mannschaftstransportvariante mit 24 Sitzen (alle Rohre runter). Letzte Variante sollte dem Anlanden von Infanterie dienen. Wurde glaube ich nur ein oder zweimal praktiziert. Kampfschwimmer wurde bei etwa 24 kn abgesetzt, wer da nicht richtig abtauchte, oh weh.
Auch dieses Boot gegen Luftangriffe völlig schutzlos.
Bis bald
Eddy
Eddy von der großen Insel

"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten!"

Eddy

Zur Erleichterung des Verständnisses für das Fahrwasser, was von den Booten bewältigt werden musste, hier ein Seekartenausschnitt mit der alten Betonnung (Buchstaben und Zahlen).
Und als zweites Foto die Operationszone der Volksmarine (vielleicht schon gesehen).
Eddy
Eddy von der großen Insel

"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten!"

klaushh

Moin, moin!

Bei der im vorangegangenen Beitrag geteigten "Operationszone der Volksmarine" fällt mir auf:
Klare Abgrenzung zu Polen unter Berücksichtigung seiner Hoheitsgewässer.
Dagegen erstreckt sich die Operationszone großzügig auf Hoheitsgewässer der Bundesrepublik und Dänemarks, aber nicht auf Schweden.

Läßt das nicht "tief blicken"?

Gruß
klaushh

Eddy

Nee@klaushh,
nicht die Operationszone mit Seegrenzen verwechseln. Die O-Zone stellt hier nur dar, in welchem Bereich Einheiten der Volksmarine zum Einsatz gekommen sind unter Beachtung der Hoheitsgewässer. Vom Funkmess abgesehen. Zum östlichen Nachbar Polen war eigentlich ein fließender O-Zonen-Bereich, das heißt, die Volksmarine hatte in angezeigten Bereich die Verantwortung für Aufklärung und Begleitung, ging es das betreffende Fahrzeug weiter Richtung Ost, wurde an die PSK übergeben und diese übernahmen die Aufgabe bis zum Zuständigkeitsbereich der BRF. Und bitte nicht vergessen, die Volksmarine hatte die "Türen" der Ostsee in Verantwortung. Der Druck aus östlicher Richtung für korrektes und zuverlässiges Handeln war groß. (Die Frage nach dem WARUM braucht Ihr hier nicht zu stellen.)
Eddy
Eddy von der großen Insel

"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten!"

klaushh

Moin, moin!

@Eddy
Danke für die Antwort, die mich dennoch nicht befriedigt.
Du schreibst: "...Die O-Zone stellt hier nur dar, in welchem Bereich Einheiten der Volksmarine zum Einsatz gekommen sind...". Dabei sind mit "Einsatz" vermutlich nur Operationen in Friedenszeiten gemeint.
Nach der Karte umfaßt die O-Zone die ganze Lübecker Bucht bis unmittelbar an die Küste bis hinauf in Höhe Großenbrode und Fehmarn, und damit erstreckt sie sich ganz klar auf bundesrepublikanische Hoheitsgewässer. Und dort hat die VM doch wohl in Friedenszeiten nicht zu operieren.
Ähnlich sieht es bei den dänischen Hoheitsgewässern aus (z.B. bis unmittelbar vor Gedser).
Ich möchte nicht wissen, was passiert wäre, wenn die Bundesmarine in Friedenszeiten unmittelbar vor der Küste Mecklenburgs operiert hätte.

Gruß
klaushh

Eddy

@klaushh,
sieh Dir bitte die schwarzen Dreiecke auf der Karte an und dann erkennst Du einen Radius in der roten, gezackten Linie. Das sind die Bereiche der jeweiligen Küstenfunkmessstation und daraus wurde diese rote Linie entwicklet. Also hier wesentlich mehr Wasser als in Wirklichkeit befahren wurde. Die Hoheitsgewässer wurden beim Einsatz in See beachtet, manchmal von beiden Seiten auch nicht. Aber dazu gibt es sicher schon einige Stories hier im Forum.
Eddy
Eddy von der großen Insel

"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten!"

klaushh

Moin, moin!

@Eddy
Die rote Linie setzt sich also aus den Reichweiten der einzelnen "Küstenfunkmessstationen" zusammen und stellt nichts unbedingt die Grenze der "O.Zone" dar.
Dann bin ich ja wieder "beruhigt".

Gruß
klaushh

Eddy

RICHTIG!
Die Beschriftung der Karte ist etwas unsachlich, hatte aber keine andere. Entschuldigung.
Eddy
Eddy von der großen Insel

"Tradition pflegen heißt nicht Asche aufbewahren sondern eine Flamme am Leben erhalten!"

Trimmer

Reichweiten der einzelnen "Küstenfunkmessstationen " :? Da gestatte ich mir aber doch zumindest gewisse Zweifel . Soweit mir bekannt ist lagen die "Messweiten " je nach Typ der Station zwischen 100 und 300 km und selbstverständlich hatte man da die gesamte Lübecker Bucht "im Griff".

Gruß - Achim - Trimmer
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

RonnyM

Ich vermute auch, dass die rot eingezeichneten Kreise nur imaginär sind. Die erreichten 40 sm bei Überreichweiten waren wohl auf die Boote bezogen. Wenn ich da an die Station Arkona denke mit ca. 40 m Höhe über Boden - da kommt Achim schon ganz nahe.

Ich war ja von 67-71 in Hörnum. Bei Überreichweiten hatte ich Fehmarn mit der Mecklenburger Bucht voll im Blick. :-D

Grüße Ronny
...keen Tähn im Muul,
over La Paloma fleuten...

Rudergänger

Hallo,

durch die Berichte von Eddy über den Stützpunkt Bug aufmerksam geworden, habe ich die Gelegenheit wahrgenommen bei meinen diesjährigen Rügen Aufenthalt Dranske zu besuchen.
Ein Termin mit Eddy war schnell abgesprochen, und so trafen wir uns im Heimatmuseum Dranske.
Ein kleines aber feines Museum über die doch sehr wechselvollen Geschichte dieses Teils von Rügen.
Bei einen Rundgang war Eddy der kompetente Führer durch das Museum. Das Museum ist jeden Interessierten Rügen Besucher zu empfehlen. Im Anhang zwei Fotos das Luftbild ist während eines Rügen Rundfluges entstanden. Die Rundflüge werden vom Flugplatz Güttin angeboten.
Eddy vielen Dank für die Möglichkeit, dass wir uns in Dranske treffen konnten. Dir und dem Museum weiterhin viel Erfolg bei Eurer Arbeit der Erforschung der Geschichte dieses Teils von Rügen.

Gruß
Harald

FAUN

Zitat:

"Zu den Motoren:

M503A ist ein Reihensternmotor, 42 Zylinder, 4000 PS und wurde auf den Booten 206 (Shershen) und 205 (OSA) gefahren" 

Leider erst jetzt auf diesen Bericht aufmerksam geworden. Das Menschliche wurde ja bereits erörtert, aber das Sachliche muß noch weiter erwähnt werden. 42 Zylinder-Sternmotor, eigentlich sollte einen motormäßig wenig überraschen, dieser tut es dann doch. Hier hätte ich, auch wenn Eddy keine Erfahrung damit hat, gerne mehr von gelesen.


Albatros

Zitat von: FAUN am 19 August 2014, 16:56:48
Zitat:

"Zu den Motoren:

M503A ist ein Reihensternmotor, 42 Zylinder, 4000 PS und wurde auf den Booten 206 (Shershen) und 205 (OSA) gefahren" 

Leider erst jetzt auf diesen Bericht aufmerksam geworden. Das Menschliche wurde ja bereits erörtert, aber das Sachliche muß noch weiter erwähnt werden. 42 Zylinder-Sternmotor, eigentlich sollte einen motormäßig wenig überraschen, dieser tut es dann doch. Hier hätte ich, auch wenn Eddy keine Erfahrung damit hat, gerne mehr von gelesen.

Hier ist zumindest ein Foto vom Motor
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wassergek%C3%BChlter_42-Zylinder_Sternmotor.jpg

Und ein kleiner Bericht
http://www.technische-sammlung-hochhut.de/schnellbootmotor-42-zylinder.html

:MG:

Manfred

Teddy Suhren

#44
Hai

Technikmuseum Sinsheim.
Gruß
Jörg

WoWs Nick: Teddy191

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