Sowjetisch / Russischer Flugkörper P-15 (Nato: SS-N-2 Styx) und Nachfolger

Begonnen von TomBorkum, 21 März 2014, 23:54:55

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TomBorkum

Hallo,

ob es in diesem Forum schon einmal gepostet wurde, weis ich nicht, darum bitte ich um Nachsicht, wenn dem so sein sollte.

Bei der Recherche zum meinen Raketenschnellboot Projekt 205 (OSA I Klasse) bin ich durch Zufall auf ein geniales Buch in Deutsch zur Hauptbewaffnung dieser Boote gestoßen:

Egbert Lemcke, Holger Neidel
Raketen über See
Die taktische Seezielrakete P-15 (Styx) im kalten und heißen Krieg
ISBN 978-3-89706-911-4

In diesem, über 300 Seiten starkem, Buch findest man alles Informationen zu Entwicklung, Testphase, Einsatz und Plattformen dieses Flugkörpers und seiner Abarten.

Viele GRüße
Tom

olpe

Zitat von: TomBorkum am 21 März 2014, 23:54:55
Egbert Lemcke, Holger Neidel
Raketen über See
Hallo,
... der zweitgenannte Autor Holger ("Hogo" :-)) ist Mitglied im Forum: @der erste
Grüsse
OLPE

2M3

Zitat von: olpe am 22 März 2014, 09:06:30
Zitat von: TomBorkum am 21 März 2014, 23:54:55
Egbert Lemcke, Holger Neidel
Raketen über See
Hallo,
... der zweitgenannte Autor Holger ("Hogo" :-)) ist Mitglied im Forum: @der erste
Grüsse
OLPE
... und hat einen Abschluss als Diplomingenieur in der Fachrichtung Raketenbewaffnung von Überwasserschiffen der Kaspischen Höheren Schule der vormals sowj. Seestreitkräfte in Baku sowie Bordpraxis als WO auf OSA-I-Booten und zuletzt als Kommandant auf einem Tarantul.

Mehr Sachkompetenz geht nicht. top

Gruss Frank

edit: RF
Flottenschule Parow 78-79, Ausbildung Ari-leicht, 25mm 2M3/M110 und 30mm AK-230, 79-82 Ari-Maat 1. MSR Abteilung/1. Flottille Peenemünde auf Proj. 89.2 MSR-lang/Kondor-II

TomBorkum

Nachdem ich mich nun durch dieses interessante Buch durchgehechelt habe, habe ich ein paar Verständnisfragen:

1) Bei den genannten Testreihen tauchen immer wieder Abweichungsangaben auf (z. B. 5 Meter hinter der Mitte, drei Meter über dem Ziel und ähnliches) die im anschließenden Kommentar als "Volltreffer" gewertet wurden. In welchem Zusammenhang ist das zu verstehen, insbesondere wenn das Ziel überflogen wird.

2) Wäre es möglich gewesen aus den Startern der OSA I - Klasse Raketen des Typs  P-15U zu starten? Eigentlich hätte man ja nur die Flügel ausklappen müssen, oder?  :MLL:

3) Wäre es möglich gewesen eine Rakete P-15U mit dem Raketenfeuerleitsystem der OSA-I - Klasse über eine größere Entfernung als 40 - 50 km zu steuern, oder wären dazu andere Hilfsmittel notwenig gewesen.

4) Im Buch wird die Zuverlässigkeit, Treffsicherheit und die extrem schlechte Abwehrmöglichkeit durch den Gegner des Flugkörpers gelobt. Insbesondere der letze Punkt wirft bei mir Fragen auf: War die Abwehrmöglichkeit nur Anfangs schlecht, weil man z. B. auf Rohrwaffen ausweichen musste oder war Sie über einen längeren Zeitraum schlecht. Wie sieht das heute mit Nachfolgemodellen aus? haben die Auch noch diese Vorteile, oder sind die Generischen Systeme im Punkt Abwehr besser geworden?

Wäre schön, wenn die Fragen geklärt werden könnten.

Viele Grüße
Tom

Big A

zu1:
Wenn der doch vergleichsweise große Sprengkopf nun in der Nähe (und das sind 3-5m) detoniert, dann hat man zumindest einen "Softkill", sprich, die Einheit ist nicht mehr in der Lage, ihren Auftrag auszuführen, weil z.B. wichtige Sensoren beschädigt werden.
("Hardkill " heißt entsprechend "unter Wasser treten")

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

der erste

Zitat von: TomBorkum am 27 März 2014, 00:08:02
Nachdem ich mich nun durch dieses interessante Buch durchgehechelt habe, habe ich ein paar Verständnisfragen:

1) Bei den genannten Testreihen tauchen immer wieder Abweichungsangaben auf (z. B. 5 Meter hinter der Mitte, drei Meter über dem Ziel und ähnliches) die im anschließenden Kommentar als "Volltreffer" gewertet wurden. In welchem Zusammenhang ist das zu verstehen, insbesondere wenn das Ziel überflogen wird.

2) Wäre es möglich gewesen aus den Startern der OSA I - Klasse Raketen des Typs  P-15U zu starten? Eigentlich hätte man ja nur die Flügel ausklappen müssen, oder?  :MLL:

3) Wäre es möglich gewesen eine Rakete P-15U mit dem Raketenfeuerleitsystem der OSA-I - Klasse über eine größere Entfernung als 40 - 50 km zu steuern, oder wären dazu andere Hilfsmittel notwenig gewesen.

4) Im Buch wird die Zuverlässigkeit, Treffsicherheit und die extrem schlechte Abwehrmöglichkeit durch den Gegner des Flugkörpers gelobt. Insbesondere der letze Punkt wirft bei mir Fragen auf: War die Abwehrmöglichkeit nur Anfangs schlecht, weil man z. B. auf Rohrwaffen ausweichen musste oder war Sie über einen längeren Zeitraum schlecht. Wie sieht das heute mit Nachfolgemodellen aus? haben die Auch noch diese Vorteile, oder sind die Generischen Systeme im Punkt Abwehr besser geworden?

Wäre schön, wenn die Fragen geklärt werden könnten.

Viele Grüße
Tom

Es wurde ja nicht immer auf richtige, ausgemusterte Schiffe geschossen, sondern auf Zielschiffe bzw. Boote bei denen man mit Hilfe von Reflektoren oder Wärmeimitatoren größere Ziele darstellt. Wenn man davon ausgeht, das immer die Mitte dieses Zieles angesteuert wird ist eine Abweichung von 3-5 m, auch in der Höhe, völlig normal. Die P-15 hatte Aufschlagzünder im Kopf und in den Flügeln. Zur Wirkung im Ziel kam ja nicht nur der Sprengstoff sondern auch noch Resttreibstoff mit zur Wirkung. Und oft reicht es ja aus, ein Schiff zu beschädigen, damit es seine Hauptaufgaben nicht mehr erfüllen kann. Es muss nicht immer versenkt werden. Anschließend werden Werftkapazitäten gebunden, andere Projekte werden zurückgestellt. Manchmal ist beschädigen besser als vernichten. Von der Gegnerseite aus betrachtet.
Die P-15U konnte natürlich aus dem Hangar der 205er Boote gestartet werden. In den letzten Jahren kamen auch in der VM immer mehr von diesen Raketen an. In der Raketentechnischen Abteilung wurden dann die Flügel aufgeklappt und an Bord verladen. Alles andere war ja identisch. Natürlich hätte man mit der Einrichtung an Bord auch weiter schießen können, aber die Reichweite der P-15 war ja nun mal nur ca. 40 km.
Es fiel selbst den Amerikaner schwer, als sie nach 1990 einige Raketen von der BRD geschenkt bekamen, diese abzuschießen. Bei den Erprobungen haben sie nämlich verwundert festgestellt, das sie es nie für möglich gehalten hätten, das man das Suchfenster so klein gestalten kann. Mit Rohrwaffen hat es auch nicht geklappt. Und das, obwohl sie es auch nur unter Polygonbedingungen gemacht haben, also sie wussten, wann, von wo und in welcher Höhe das Ding kommt. Und dann stell Dir das im Gefecht vor, wo nicht nur eine kommt und die auch noch aus verschiedenen Richtungen und Höhen. Aber warum sollte es ihnen anders gehen als uns, bei unseren Schießen. Gödde beschreibt das sehr gut in seinem Buch "Eine Eliteeinheit der NVA rüstet ab".

2M3

Zitat von: TomBorkum am 21 März 2014, 23:54:55
Hallo,

ob es in diesem Forum schon einmal gepostet wurde, weis ich nicht, darum bitte ich um Nachsicht, wenn dem so sein sollte.
Hallo Tom,

--> Hier hatten wir ein ähnliches Thema zum praktischen Einsatz der Styx schon mal am Wickel. Und dabei schilderte sogar ein Augen- und Ohrenzeuge der --> Seeschlacht von Latakia seine Eindrücke.

Und --> da lang gibt es bei Tante WIKI einen interessanten Bericht über den Schiessunfall mit einer P-15M, bei dem das sowjetische Raketenschiff "Musson" (Nanuchka-Klasse) der Pazifikflotte versenkt wurde.

Obwohl es sich dabei um einen Flugkörper mit Betonkopf, ohne Sprengladung, handelte, kann man in etwa die Zerstörungskraft einer Styx ermessen.

Gruss Frank
Flottenschule Parow 78-79, Ausbildung Ari-leicht, 25mm 2M3/M110 und 30mm AK-230, 79-82 Ari-Maat 1. MSR Abteilung/1. Flottille Peenemünde auf Proj. 89.2 MSR-lang/Kondor-II

TomBorkum

@ der erste
Danke für die ausführlichen Hinweise. So langsam beginne ich zu verstehen  :O/Y

Du schreibst, das die VM auch die P-15U von den Booten einsetzte, die hatte doch aber eine größere Reichweite. Wurde die dann genutzt und war die ursprungliche Elektronik dafür ausgelegt?

Gruß
Tom

Urs Heßling

moin, Holger,

Zitat von: der erste am 27 März 2014, 12:19:35
Und dann stell Dir das im Gefecht vor, wo nicht nur eine kommt und die auch noch aus verschiedenen Richtungen und Höhen.
Ich weiß, daß die Norweger an Bord ihrer Boote mit ihrer "Penguin" eine 6er-Salve mit verschiedenen Anflugwinkeln und -höhen gegen ein Ziel programmieren konnten  top

Äußerst unangenehm auf der "Empfangsseite"  :roll:

Für die P-15 ist mir das neu. War ein solches "Programmieren" bei "Euch" auch möglich ?

Dann noch nachträglich  :MG: :MG:

Zitat von: der erste am 27 März 2014, 12:19:35
Es fiel selbst den Amerikaner schwer, als sie nach 1990 einige Raketen von der BRD geschenkt bekamen, diese abzuschießen. Bei den Erprobungen haben sie nämlich verwundert festgestellt, das sie es nie für möglich gehalten hätten, das man das Suchfenster so klein gestalten kann. Mit Rohrwaffen hat es auch nicht geklappt.
P.S. Wir (Kdt'en S 142 mod 1980) haben damals auch geglaubt, einen (!) anfliegenden Styx (Radarrückstrahlfläche > 0,5 m2) mit der Kombination M 20 / 40 mm Bofors mit einer 50 %-igen Erfolgswahrscheinlichkeit bekämpfen zu können.
Wir ahnten nicht, daß nach Doktrin auf 1 Boot mehr als 1 FK geschossen werden sollte ..

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

der erste

Zitat von: TomBorkum am 27 März 2014, 19:46:04
@ der erste
Danke für die ausführlichen Hinweise. So langsam beginne ich zu verstehen  :O/Y

Du schreibst, das die VM auch die P-15U von den Booten einsetzte, die hatte doch aber eine größere Reichweite. Wurde die dann genutzt und war die ursprungliche Elektronik dafür ausgelegt?

Gruß
Tom

Nee, die P-15U hatte keine größere Reichweite, der einzige Unterschied bestand im abgeklappten Flügel. Aus diesem Grund hatte sie im inneren einen Luftbehälter und ein Messerscherventil mehr als die P-15. Die größere Reichweite hatte die P-15M (Exportbezeichnung P-21 und P-22). Die wiederum während der Erprobung von umgebauten RS Booten des Prj. 205 geschossen wurde.

der erste

Zitat von: Urs Heßling am 27 März 2014, 19:56:27
moin, Holger,

Zitat von: der erste am 27 März 2014, 12:19:35
Und dann stell Dir das im Gefecht vor, wo nicht nur eine kommt und die auch noch aus verschiedenen Richtungen und Höhen.
Ich weiß, daß die Norweger an Bord ihrer Boote mit ihrer "Penguin" eine 6er-Salve mit verschiedenen Anflugwinkeln und -höhen gegen ein Ziel programmieren konnten  top

Äußerst unangenehm auf der "Empfangsseite"  :roll:


Für die P-15 ist mir das neu. War ein solches "Programmieren" bei "Euch" auch möglich ?

Dann noch nachträglich  :MG: :MG:

Zitat von: der erste am 27 März 2014, 12:19:35
Es fiel selbst den Amerikaner schwer, als sie nach 1990 einige Raketen von der BRD geschenkt bekamen, diese abzuschießen. Bei den Erprobungen haben sie nämlich verwundert festgestellt, das sie es nie für möglich gehalten hätten, das man das Suchfenster so klein gestalten kann. Mit Rohrwaffen hat es auch nicht geklappt.
P.S. Wir (Kdt'en S 142 mod 1980) haben damals auch geglaubt, einen (!) anfliegenden Styx (Radarrückstrahlfläche > 0,5 m2) mit der Kombination M 20 / 40 mm Bofors mit einer 50 %-igen Erfolgswahrscheinlichkeit bekämpfen zu können.
Wir ahnten nicht, daß nach Doktrin auf 1 Boot mehr als 1 FK geschossen werden sollte ..

Gruß, Urs
Da hab ich mich vielleicht falsch ausgedrückt. Die verschiedenen Anflugrichtungen beziehen sich auf verschiedene Boote, die aus verschiedenen Richtungen angreifen. Die Flughöhen bei der P-15 waren 100, 200 und 300 m. Diese wurden aber in der RTA eingestellt und konnten an Bord nicht mehr verändert werden.  Bei der P-15M waren das dann 50 und 25 m und die konnte an Bord für jede Rakete individuell eingestellt werden.

olpe

Hallo,
unterstützend noch einige Bilder von verschiedenen Versionen der P-15 TERMIT:
Grüsse
OLPE

Urs Heßling

moin, Holger,

Zitat von: der erste am 27 März 2014, 21:01:29
Die Flughöhen bei der P-15 waren 100, 200 und 300 m. Diese wurden aber in der RTA eingestellt und konnten an Bord nicht mehr verändert werden.  Bei der P-15M waren das dann 50 und 25 m und die konnte an Bord für jede Rakete individuell eingestellt werden.
Wenn ich annehme, daß Ihr die Einstellungen der an Bord "gelieferten" P-15 kanntet
(Du wußtest also, im Starter Backbord achtern steckt ein P-15 mit Flughöhe 100 m) :
Gab's da eine Schußdoktrin wie z.B. ein FK mit Flughöhe 100 m gegen ein Schnellboot, mit 300 m gegen einen Zerstörer (oder umgekehrt) ?
.. und wie sah es mit den "Schußdoktrin"-Einstellungen der P-15M aus ?

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

der erste

Nee, diese Vorgaben gab es nicht. Man nahm immer die niedrigste Flughöhe. Es gab natürlich bestimmte Vorgaben, wie welche Ziele  zu bekämpfen sind. D.h. wie viele Raketen auf welches Ziel und aus welchen Richtungen. Dabei wurde aber auch berücksichtigt, welche anderen Träger, also eventuell Küstenraketen und Flieger, von wo und wann mit welchen Mitteln zum Einsatz gekommen wären. Das möchte ich hier aber nicht unbedingt erörtern.

Tostan

Hallo,

Zitat von: der erste am 27 März 2014, 12:19:35
Zitat von: TomBorkum am 27 März 2014, 00:08:02
4) Im Buch wird die Zuverlässigkeit, Treffsicherheit und die extrem schlechte Abwehrmöglichkeit durch den Gegner des Flugkörpers gelobt. Insbesondere der letze Punkt wirft bei mir Fragen auf: War die Abwehrmöglichkeit nur Anfangs schlecht, weil man z. B. auf Rohrwaffen ausweichen musste oder war Sie über einen längeren Zeitraum schlecht. Wie sieht das heute mit Nachfolgemodellen aus? haben die Auch noch diese Vorteile, oder sind die Generischen Systeme im Punkt Abwehr besser geworden?

Es fiel selbst den Amerikaner schwer, als sie nach 1990 einige Raketen von der BRD geschenkt bekamen, diese abzuschießen.

Und die heutigen Nachfolgemodelle sind noch wesentlich gefährlicher. Mindestens im Endanflug überschallschnell, tiefer fliegend und keine vorhersagbare Flugbahn.... Aber diese Flugkörper(P-800 / Klub) sind bei weitem nicht so gut dokumentiert wie die P-15/P-20. Auch gab es meines Wissens nach keine Tests unter Realbedingungen moderne Russische SZFK gegen moderne NATO-Luftabwehr...


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