Enigma im MM

Begonnen von suhren564, 06 Mai 2014, 12:57:07

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suhren564

Hallo,

stimmt es eigentlich, daß der Enigma-Code der dtsch. U-Boote im Mittelmeer nicht geknackt wurde?
Gruß Ulf

Nie darf man so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.... 
Erich Kästner

Tostan

#1
Es stimmt.... Jeder deutsche Schlüsselkreis wurde "nicht geknackt" ... aber nur die wenigsten wurden "nie geknackt"

Zum Mittelmeer:
Chronik des Seekriegs Juni 1943
"Die im Mittelmeer eingesetzten dt. U-Boote erhalten einen separaten Schlüsselkreis, »Medusa«, dieser Code wird jedoch kurze Zeit später als »Turtle« / »Cockle« dechiffriert. "

Meines Wissens nach "nie geknackt" waren Rocket II / III(britischer Name, Schlüsselkreise der Reichsbahn) und "Außerheimische Gewässer"(Schlüsselkreis der Hilfskreuzer)

Bei der Enigma-Entschlüsselung ging es ja nicht um einen einmaligen Vorgang "Hurra, wir haben jetzt Triton geknackt, ab jetzt können wir immer alle Funksprüche der U-Boote im Atlantik lesen" sondern es musste täglich neu der Tagesschlüssel geknackt werden. Es gab also nicht "den Enigma-Code der dtsch. U-Boote im Mittelmeer" Sondern einen Schlüsselkreis und täglich wechselnde Schlüssel. Und gewisse Schlüsselkreise hatten bei der Entschlüsselung höhere Priorität als andere.

suhren564

Danke Tostan,

wie aber war der Stand der Decodierung bis Einführung von "Medusa"??

Gruß Ulf

Nie darf man so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.... 
Erich Kästner

Tostan

#3
Anfangs war es meines Wissens nach "Süd"(englisch "Porpoise") - der allgemeine Marineschlüsselkreis für Mittel- und Schwarzes Meer.  Dieser war ab August 1942 nicht mehr sicher(http://www.wlb-stuttgart.de/seekrieg/ksp/mittelmeer/rommel.htm) - aber da nutzten die U-Boote ihn schon nicht mehr. Ab Einführung Triton wurde dieser auch im Mittelmeer genutzt. Dessen "knacken" ist wohl am besten dokumentiert.

Bis 1941 gab es in der Marine im Wesentlichen nur drei Schlüsselkreise .... "Heimisch", "Außerheimisch" und "Süd" ... erst ab 1942 wurden diese immer weiter aufgespalten.

Edit: Die Enigma interessiert mich hauptsächlich aus Kryptographischer Sicht(Bin nun mal Informatiker von Beruf). Denn das ist ein Paradebeispiel was man alles falsch machen kann. Denn im Prinzip hatte die deutsche Führung schon recht - die Enigma war unknackbar! Nur wurden schon erste Designschwächen bei der Entwicklung verbaut. Weitere wurden durch die Dienstvorschriften "eingebaut". Und Faulheit bzw. missachten der Vorschriften gab der Enigma dann den Rest. Wäre dies alles nicht passiert - Man hätte ganz Amerika mit "Bomben" zubauen können und hätte doch keine chance gehabt, ständig zeitnah die Nachrichten zu entschlüsseln.



Tostan

Hier mal so ziemlich alle Funkschlussel der Marine:

http://www.wlb-stuttgart.de/seekrieg/ultra/keycodes.htm

Wie man sieht, gab es vor allem zu beginn des Krieges gar nicht so viele - und das war eines der größten Mankos. Neben der geringen Anzahl der Walzen(die KM hatte zwar schon 8, aber auch das ist zu wenig, schon in der Patentschrift zur Enigma(1918!) wurden 10 gleichzeitig verwendbare Walzen erwähnt!)

Aber der MND beharrte ja stur auf der Meinung, die Marine-Enigma wäre unknackbar, selbst als es Abwehr-Meldungen über Entschlüsselungen gab(10.08.43), selbst als das Heer meldete, die Enigma wäre nicht sicher(18.07.44) meinte der MND das wäre wohl beim Heer so weil da viel mehr Material als bei der Marine mit den selben Schlüssel verschlüsselt würde ... Die Marine ginge das alles nichts an, die Verschlüsselung wäre sicher. (Siehe Werner Rahn: "Der Einfluss der Funkaufklärung auf die deutsche Seekriegführung im Ersten und Zweiten Weltkrieg" in "Führung und Führungsmittel" - Potsdamer Schriften zur Militärgeschichte 14)

Erst ab ende 44 gab es Sonderschlüssel für einzelne U-Boote - etwas was schon am Anfang angebracht gewesen wäre. Zusätzlich Sonder-Schlüsselkreise für Einsatzgruppen, dazu regelmäßig wechselnde Walzen etc. pp.

suhren564

Danke nochmals Tostan  :MG:,

mich wunderte nur, daß die MM-Boote einen anderen Schlüssel als die Atlantikboote hatten und trotzdem durch die U 559 -Papiere der Tritonschlüssel geknackt wurde. Auf Grund deines Links bin ich jetzt eines Besseren belehrt.  top
Gruß Ulf

Nie darf man so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.... 
Erich Kästner

Tostan

Zitat von: suhren564 am 09 Mai 2014, 13:46:50
Danke nochmals Tostan  :MG:,

mich wunderte nur, daß die MM-Boote einen anderen Schlüssel als die Atlantikboote hatten und trotzdem durch die U 559 -Papiere der Tritonschlüssel geknackt wurde. Auf Grund deines Links bin ich jetzt eines Besseren belehrt.  top

Nicht mal nur die Papiere. Es war die Enigma-M4 die die Alliierten erstmals erbeuteten, und damit die beiden "neuen" Walzen beta und gamma sowie die neuen Umkehrwalzen b und c die damit den Alliierten in die Hände fielen. Damit war die komplette Verdrahtung der M4-Walzen bekannt und es mussten nur noch(durch den größeren Schlüsselraum) schnellere "Bomben" gebaut werden um zeitnah entschlüsseln zu können.
Erste Hinweise darauf wurden schon vorher bekannt, als Nachrichten sowohl mit M-3 als auch mit M-4 verschlüsselt gesendet wurden - eine Fahrlässigkeit die so nicht vorkommen darf, aber "sie wussten nicht was sie tun" -schon damit war das System kompromittiert bevor es überhaupt im echten Einsatz war.

Die erbeuteten Unterlagen waren vor allem die neuen Kurzschlüsselhefte(Kurzsignal und vor allem Wetterschlüssel) ... Denn mit den neuen Kurzschlüsseln hatte man wieder Vorlagen im Klartext zur Entzifferung.

Das zeigt, wie wichtig ein regelmäßiger Wechsel der Walzen und Kurzschlüssel gewesen wäre - etwas was absolut versäumt wurde.

Gerade Wetterschlüssel - Das Wetter ist nun mal nicht geheim. Damit kann man mit Kenntnis des Wetterkurzschlüssels und des Wetters am Ort der Klartext der regelmäßige Wettermeldung erraten werden und somit der Tagesschlüssel einfacher gebrochen werden. Gleichzeitig sind Wettermeldungen nicht so extrem geheim - wieso diese mit dem selben Schlüssel verschlüsseln wie "wichtige"(wichtig im sinne von: "Geheimhaltung der Nachrichten ist wichtig") Meldungen? Ein separater Schlüsselkreis wäre da sinnvoller gewesen.

Aber streng genommen waren diese Codebücher eine extra-Verschlüsselung um die Sendedauer(und damit die Peilgefahr) gering zu halten. Außerdem dachte man, dass man, indem man die Länge der Nachrichten beschränkt(anstelle eines ausführlichen Wetterberichtes ein standartisierter kurzer Code der dasselbe besagt), das brechen des Codes erschwert.  In wahrheit wurde damit das Gegenteil bewirkt - bei den kurzen standardisierten Nachrichten war der Klartext leichter zu erraten und damit das Brechen des Schlüssels einfacher - sobald man die Codebücher hatte.

Also gehörten sie nicht direkt zu Triton und es ist mir nicht bekannt ob auch nach Einführung von Medusa im Mittelmeer die selben Codebücher wie im Atlantik verwendet wurden.

Tostan

Noch mal ein Beispiel zur Bedeutung des Wettersignalhefts.

Durch die deutsche Gründlichkeit waren die Boote angehalten täglich zu festgesetzten Zeiten Wetterbeobachtungen zu senden. Diese Sendungen wurden in England empfangen. Durch die Urzeit lässt es sich erraten, dass das ein Wetterbericht ist. Nun schaut der Engländer auf den vermuteten Standort des Bootes und auf das Wetter dort. Da eigene Kräfte in der Nähe sind, kennt er das Wetter auch angemessen genau. Er schlägt also im Wettersignalheft nach und erstellt den selben Wetterbericht wie der deutsche U-Boot-Fahrer. Diesen Wetterbericht stellt er dann als Klartext an der Turing-Bombe ein. Geichzeitig stellt er den Empfangenen Funkspruch an der Turingbombe ein und startet diese. Die Bombe rattert nun alle möglichen Einstellungen der Enigma durch(die amerikanischen Hochgeschwindigkeitsbomben mit 52.000 Einstellungen pro Minute(2000 u/min mit je 26 Einstellungen)), bis der Funkspruch den eingestellten Klartext ergibt. Dann bleibt die Bombe stehen und der Bediener prüft mit anderen Funksprüchen, ob der Tagesschlüssel gefunden wurde oder ob es eine Fehlmeldung war.
War der Schlüssel gefunden mussten für den Tag und den Schüsselkreis die Funksprüche nur noch normal mit der Enigma entschlüsselt werden, wie es auch der reguläre Empfänger tut.

Gerade das Wettersignalheft war also extrem hilfreich bei der Entschlüsselung. Das Kurzsignalheft zwar auch, aber das half eher beim Verstehen der Nachrichten, da die Kurzsignale nicht so vorhersagbar waren.

Schorsch

Hallo Tostan!

Zitat von: Tostan am 08 Mai 2014, 20:46:16
(...)
Neben der geringen Anzahl der Walzen(die KM hatte zwar schon 8, aber auch das ist zu wenig, schon in der Patentschrift zur Enigma(1918!) wurden 10 gleichzeitig verwendbare Walzen erwähnt!
(...)
Was heißt hier, dass die Anzahl der gleichzeitig verwendeten Walzen die Verschlüsselungssicherheit erhöht hätte? Bei vier eingesetzten Walzen passiert es erst nach 254 = 390 625 Zeichen, bis sich die zuerst eingestellte Walzenstellung wiederholt hätte. Diese knapp 400 000 Buchstaben entsprechen etwa 100 DIN A4-Seiten Fließtext, imho mehr als genug, um handelsübliche Texte zu übertragen. Selbst bei nur drei Walzen hat man immer noch 15 625 Zeichen = 5 DIN A4-Seiten zur Verfügung, bis alle Walzenstellungen durchlaufen worden wären.

Das eigentliche Problem waren, neben der Verwendung einer Umkehrwalze, eher die schon erwähnten fehlerhaft geplanten Verhaltensmaßregeln (so z.B. auch noch die viel zu geringe Anzahl genutzter Funkfrequenzen) und schlichtes menschliches Versagen bei der Gestaltung der individuellen Schlüssel der Funksprüche, welche die Einbrüche in die Enigma-Codierungen ermöglichten.

Die angesprochene Patenschrift (--/>/> Klick!) geht übrigens bei der Erläuterung des Patentes von lediglich drei gleichzeitig eingesetzten Walzen aus, die Zahl von zehn Walzen wird lediglich in einem Rechenbeispiel erwähnt. Es ist dort nicht davon die Rede, dass diese simultan einzusetzen wären.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Tostan

Hallo Schorsch,

Zitat von: Schorsch am 09 Mai 2014, 16:17:40
Was heißt hier, dass die Anzahl der gleichzeitig verwendeten Walzen die Verschlüsselungssicherheit erhöht hätte? Bei vier eingesetzten Walzen passiert es erst nach 254 = 390 625 Zeichen, bis sich die zuerst eingestellte Walzenstellung wiederholt hätte. Diese knapp 400 000 Buchstaben entsprechen etwa 100 DIN A4-Seiten Fließtext, imho mehr als genug, um handelsübliche Texte zu übertragen. Selbst bei nur drei Walzen hat man immer noch 15 625 Zeichen = 5 DIN A4-Seiten zur Verfügung, bis alle Walzenstellungen durchlaufen worden wären.

Es geht nicht darum, ob alle Walzenstellungen durchlaufen werden, sondern es geht um die Möglichkeiten der Ausgangsstellung, also die Möglichkeiten die durchzuprobieren sind, bis der Tagesschlüssel sicher gefunden wird. Diese erhöht sich mit der Anzahl der Walzen signifikant. Dabei müssen die Walzen nicht gleichzeitig eingebaut sein, natürlich mach auch ein Walzentausch Sinn, wie er ja auch praktiziert wurde - Es gab aber halt insgesamt nur 8+2 Walzen. Hier wären radikal mehr sinnvoll - und regelmäßig getauscht(Hurra!!! Wir haben die fehlenden Walzenverdrahtungen - Mist, schon wieder neue Walzen die wir nicht kennen). Und natürlich solche üblen Fehler vermeiden wie Funkspruch mit neuen und alten Walzen verschlüsseln - in dem Fall sind die neuen Walzen schon "verbrannt". Aber selbst wenn nicht - mit jeder Walze mehr erhöht sich der aufwand für eine erfolgreiche Brute Force Attacke enorm.

Kryptographisch gehört die Walzenverdrahtung zum Schlüssel, nicht zum Algorithmus, und muss somit unbedingt geheim bleiben. Auch die KM hat nicht ausgeschlossen, dass funktionsfähige Enigmas mit Geheimunterlagen in Feindeshand gelangt sind - aber sie haben nicht bedacht dass ein Gerät wie die Bombe gebaut werden könnte, dass per Brute Force Attacke die Tagesschlüssel routiniert und zeitnah zu brechen sind(Bzw. sie sind von einem Schlüsselraum ausgegangen, der groß genug ist um brute force als sinnlos auszuschließen - dabei war der kryptographisch wirksame Schlüsselraum wesentlich kleiner).

Zitat von: Schorsch am 09 Mai 2014, 16:17:40
Die angesprochene Patenschrift (--/>/> Klick!) geht übrigens bei der Erläuterung des Patentes von lediglich drei gleichzeitig eingesetzten Walzen aus, die Zahl von zehn Walzen wird lediglich in einem Rechenbeispiel erwähnt. Es ist dort nicht davon die Rede, dass diese simultan einzusetzen wären.

Ich interpretiere den Satz in der Patentschrift so, dass Herr Scherbius eine Maschine mit 10 gleichzeitig betriebenen Walzen vorschlägt(...werden zweckmäßig mehrere Leitungszwischenträger hintereinandergeschaltet...) um den Schlüsselraum zu erhalten. Das drei Walzen-Beispiel wird nur für die Zeichnungen genommen. Vermutlich um sie nicht zu komplex zu gestalten - das Prinzip ist ja dasselbe ob nun drei oder zehn.
Das würde aber den Umbau aller vorhandenen Enigmas bedeuten, während Tauschwalzen einfacher zu handhaben und schneller auszutauschen sind. Der Effekt wäre in etwa der gleiche.

H.Bleichrodt

Sehr interessantes Thema,

bitte mehr davon  top

VG Alex
Auf Sehrohrtiefe !

Tostan

Zitat von: H.Bleichrodt am 09 Mai 2014, 17:21:56
bitte mehr davon

Gerne, da es gerade aktuell ist....

Zitat von: Tostan am 09 Mai 2014, 14:58:47Das Kurzsignalheft zwar auch, aber das half eher beim Verstehen der Nachrichten, da die Kurzsignale nicht so vorhersagbar waren.

Zum Kurzsignalheft: Wie bei dem Wetterschlüssel dienten die Kurzsignale dazu, die Nachrichten kurz zu halten. Zum einen um die Entschlüsselung zu erschweren, zum anderen um die Dauer des Funkspruches kurz zu halten und so ein einpeilen zu erschweren. Das  Kurzsignalheft der U-Boote war etwa 100 Seiten stark und enthielt häufig benötigte Phrasen und Meldungen als 4er Gruppen verschlüsselt. Beispiel: Signal AAAA bedeutet "Beabsichtige gemeldete Feindstreitkräfte anzugreifen"(aus Wikipedia).
Dieses Heft wurde jährlich aktualisiert.

Im Thread "Antarktis ohne mich"(http://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,21777.msg244029.html#msg244029) hat Thorsten gerade ein KTB-Auszug gepostet, wo man schön sieht, wie so was funktionierte.

Schiff 28 hat einen Kurzsignalspruch gesendet, welcher aus 12x4 Zeichen bestand. Dabei waren nur die 4er-Gruppen 2, 9 und 10 im Klartext(also Klartext, bevor der Spruch mit der Enigma verschlüsselt wurde!), und das wurde vorher angekündigt in Gruppen 2 und 8 (Die folgende(n zwei) Gruppen(n) ist/sind buchstabiert). Alle außer diesen 3 Gruppen wurden dem Kurzsignalheft übernommen(Auch die Gruppe 5 - die Zahl 77 wurde auch mit dem Kurzsignalheft in eine 4-Zeichen-Gruppe verschlüsselt).

So, 12x4=48 Zeichen Morsecode plus Kennung und Unterschrift lassen sich durch geübte Funker in weniger als einer Minute senden, eine sehr kurze Zeit um den Sender einzupeilen. Und Selbst wenn der Enigma-Code geknackt wird(was bei dem Spruch nicht passiert ist, "Außerheimische Gewässer" wurde nicht gebrochen) liest der Feind gerade mal "???? CHEF ???? ???? ???? ???? ???? ???? OHNE MICH  ???? ????". Nicht gerade sehr aufschlussreich. Daher war das erbeuten des aktuellen Kurzsignalhefts für die alliierte Aufklärung sehr wichtig.

Die Antwort der SKL erfolgte dann ohne Kurzsignale, da es wohl relativ egal war ob der Feind den Sender einpeilt oder nicht. - Und daher liest sich die Antwort wie hohe Literatur im Gegensatz zum sehr schroffen Spruch des Hilfskreuzers. .... Und bedingt durch die 4-Zeichen-Gruppen ist klar warum die Formulierung OHNE MICH gewählt wurde(die ja recht schroff klingt - aber selbst um das zu "entschärfen" gab es ja ein Kurzsignal mit der Bedeutung "Das folgende ist eine Bitte/ein Wunsch").


klaushh

Moin, moin!

Die technische Seite, Logik der Verschlüsselung, Wechsel der Frequenzen und der Schlüssel ist sicher die eine Seite.
Die andere -und sicher nicht minder wichtige Seite ist die Erbeutung von Geräten (neuhochdeutsch: Hardware) und schriftlichen Unterlagen. Und da habe ich den Eindruck, dass da nicht immer mit der nötigen Sorgfalt umgegangen worden ist. Wie ist es sonst zu erklären, dass der Gegner überhaupt z.B. Uboote entern und Material erbeuten konnte. Ist man da auf deutscher Seite nicht manchmal zu sorglos umgegangen?
Umgekehrt ist es manchmal ja auch den Deutschen gelungen von feindlichen Schiffen Gegenstände zu erbeuten. Aber es ist ja wohl ein Unterschied, ob ein relativ kleines (deutsches) Uboot zum Auftauchen gezwungen wurde, oder ob ein größerer feindlicher Frachter angehalten wurde.
Klar ist mir natürlich, dass das heute in der warmen Stube im Sessel sitzend leicht gesagt ist, während die Ubootmannschaft vor Ort andere Sorgen hatte.
Aber, dass es dem Gegner gelang, ein Uboot (U 505?) (mit Geheimunterlagen) zu erbeuten, halte ich gelinde gesagt für eine Katastrophe.

Gruß
klaushh

t-geronimo

Tja, ein guter Vorsatz war es vielleicht von den meisten Seeleuten, notfalls mit ihrem Leben dafür zu sorgen, dass so etwas nicht passiert.
Aber wenn dann die reale Lage eingetreten ist, wenn man erst der Gefahr ausgesetzt war, durch Wasserbomben in die ewige Tiefe geschickt zu werden und dann, nachdem das Auftauchen doch noch gelang, Beschuß stand und außerdem das Boot sehr schnell Wasser machte - dann war den meisten vermutlich (und völlig verständlicher Weise) das eigene Leben wohl doch am liebsten. Dann regierte nur noch das Adrenalin und der Überlebenswille im Gehirn und mancher war für rationale Gedanken wohl nicht mehr fähig und andere haben sich vielleicht auf andere verlassen beim Vernichten der Geheimsachen.

Aber wir drohen ins off-topic zu driften... ;)
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Schorsch

Hallo Tostan!

Zitat von: Tostan am 09 Mai 2014, 16:59:55
(...)
Es geht nicht darum, ob alle Walzenstellungen durchlaufen werden, sondern es geht um die Möglichkeiten der Ausgangsstellung, also die Möglichkeiten die durchzuprobieren sind, bis der Tagesschlüssel sicher gefunden wird. Diese erhöht sich mit der Anzahl der Walzen signifikant. Dabei müssen die Walzen nicht gleichzeitig eingebaut sein, natürlich mach auch ein Walzentausch Sinn, wie er ja auch praktiziert wurde - Es gab aber halt insgesamt nur 8+2 Walzen. Hier wären radikal mehr sinnvoll - und regelmäßig getauscht(Hurra!!! Wir haben die fehlenden Walzenverdrahtungen - Mist, schon wieder neue Walzen die wir nicht kennen). Und natürlich solche üblen Fehler vermeiden wie Funkspruch mit neuen und alten Walzen verschlüsseln - in dem Fall sind die neuen Walzen schon "verbrannt". Aber selbst wenn nicht - mit jeder Walze mehr erhöht sich der Aufwand für eine erfolgreiche Brute Force Attacke enorm.

Kryptographisch gehört die Walzenverdrahtung zum Schlüssel, nicht zum Algorithmus, und muss somit unbedingt geheim bleiben. Auch die KM hat nicht ausgeschlossen, dass funktionsfähige Enigmas mit Geheimunterlagen in Feindeshand gelangt sind - aber sie haben nicht bedacht dass ein Gerät wie die Bombe gebaut werden könnte, dass per Brute Force Attacke die Tagesschlüssel routiniert und zeitnah zu brechen sind(Bzw. sie sind von einem Schlüsselraum ausgegangen, der groß genug ist um brute force als sinnlos auszuschließen - dabei war der kryptographisch wirksame Schlüsselraum wesentlich kleiner).
(...)
Man muss bei den Forderungen, die man im Sinne der Verschlüsselungssicherheit erhebt, bedenken, dass bei deren Umsetzung, die Schwierigkeiten im Umgang mit dem System ebenfalls steigen. Insoweit muss beim Aufwand, den man betreiben möchte, auch irgendwann ein Schlusspunkt gesetzt werden, um die Handhabbarkeit nicht unzumutbar einzuschränken. Dazu folgendes Zitat aus Artur O. Bauer: ,,Funkpeilung als alliierte Waffe gegen deutsche U-Boote 1939 – 1945", S.37. Dort heißt es:
ZitatWie Bletchley Park überhaupt hinter die Geheimnisse der Enigma-Maschine kam, war lange Zeit in Nebel gehüllt. Da war natürlich die Erbeutung von Maschinen und deren Teilen (Walzen) und von Schlüsselmaterial (Einstellungen, Codetabellen usw.) bei verschiedenen Gelegenheiten – von Hardware und Software nach heutigem Sprachgebrauch -, aber das reicht zur Erklärung nicht aus. Denn von Haus aus war das Chiffriersystem so angelegt, dass es auch bei Aufdeckung einiger Betriebsdaten als ,,einbruchssicher" gelten konnte; dazu trug auch der häufige Wechsel der Schlüsselelemente bei. Wie man heute weiß, lagen die wesentlichen Schwächen der Enigma weniger im System selbst begründet als vielmehr in dessen Handhabung, im ,,human facto".
Genau mit durch des Nichtbeachten des ,,human factor", lieferte man das Material, die angesprochenen brute-force-Attacken überhaupt zu ermöglichen.

Zitat von: Tostan am 09 Mai 2014, 16:59:55
(...)
Ich interpretiere den Satz in der Patentschrift so, dass Herr Scherbius eine Maschine mit 10 gleichzeitig betriebenen Walzen vorschlägt(...werden zweckmäßig mehrere Leitungszwischenträger hintereinandergeschaltet...) um den Schlüsselraum zu erhalten. Das drei Walzen-Beispiel wird nur für die Zeichnungen genommen. Vermutlich um sie nicht zu komplex zu gestalten - das Prinzip ist ja dasselbe ob nun drei oder zehn.
Das würde aber den Umbau aller vorhandenen Enigmas bedeuten, während Tauschwalzen einfacher zu handhaben und schneller auszutauschen sind. Der Effekt wäre in etwa der gleiche.
Was Scherbius' Intensionen zur Walzenzahl in der Patentschrift anbelangt, ist zu sagen, dass keines der Systeme, die auf dessen Arbeitsprinzip beruhen, mit den erwähnten zehn Walzen tatsächlich ausgerüstet wurde. Man setzte zur Vergrößerung des Schlüsselraumes auf andere Maßnahmen (Steckerbrett, Walzenauswahl, Ringeinstellung), um die eigentlich nur für relativ kurze Zeiträume geheimzuhaltenden Funksprüche zu verschlüsseln. Ein Walzentausch mit zehn gleichzeitig benutzen Walzen würde bedingen, dass ein größerer Satz von ca. 30 Walzen mitgeführt werden müsste, aus denen dann die aktuell einzusetzenden auszuwählen wären. Das erscheint mir gerade vom Raumbedarf her zu aufwendig und zu störanfällig für ein System zu sein, das eher auf taktischer Ebene eingesetzt werden soll. Verzichtete man auf einen Walzenwechsel aufgrund der großen Anzahl schon eingebauter Walzen, sehe ich die Hauptgefahr in dem permanenten Vorhandensein eines unnötigen statischen Merkmals während der Verschlüsselung, während Scherbius' System ja gerade auf der fortlaufenden Änderung der Einstellungen durch das Rotieren der Walzen während des Kodierens beruht.

@t-geronimo: Ich hoffe, mit dem aktuellen Posting wieder in's on-topic-Fahrwasser gekommen zu sein. :wink:

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

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