Radargelenktes Feuer deutscher Kriegsschiffe im WWII

Begonnen von Matrose71, 09 August 2014, 17:08:26

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Gabler

Fortsetzung Frequenzschalter:

Im v.Kroge-Buch steht soweit ich es richtig erinnere, daß der Frequenzwahlschalter deswegen eingebaut wurde, weil sich nahe beieinander befindliche Geräte (also bspw. mehrere auf ein und demselben Schiff!) gegenseitig beeinflussen. Vorgesehen war bekanntlich seit 1936, daß alle schweren Einheiten der Kriegsmarine ab leichter Kreuzer aufwärts mindestens zwei Dete-Geräte erhalten sollten.

Bei gleicher Sender-Wellenlänge und gleicher Tastfrequenz konnte man die Signale des einen Geräts mit dem anderen Gerät empfangen. War bspw. ein Gerät als Rundsuchgerät eingesetzt und das zweite Gerät als Feuerleitgerät fest auf ein Ziel gerichtet und dabei dem Übersichtsgerät etwas zugewandt, so überstrich das Übersichtsgerät während seiner Drehung mit seiner Antennenkeule den Empfangsbereich der anderen Antenne. Auf dem Bildschirm des anderen Geräts zeichnete sich ein direktes Empfangssignal des ersten Geräts ab, das sich aufgrund der Drehbewegung der anderen Haube sehr schnell annäherte, dann vielleicht im Nullzeichen, also der Seeschlange verschwand und sich beim Weiterdrehen wiederum als sehr schnell sich entfernendes Signal zeigte. Dieser ungewollte Effekt erhielt vmtl. aufgrund der optischen Erscheinung den phantasievollen Namen "Waldheini" :-) Um ihn zu eliminieren, konnte mit dem Frequenzwahlschalter mit einem Gerät auf eine Ausweichtastfrequenz gegangen werden. So stand es glaube ich bei v.Kroge oder auch bei Dr. Röhrl, weiß nicht mehr genau.

Mit diesem Schalter also konnte Dr. Krautwig außerdem die Tastfrequenz so variieren, daß man auch ein Fernzeichen von einem Nahzeichen unterscheiden konnte. Wie er herausgefunden hatte, sprangen die Fernzeichen bei verminderter Tastfrequenz um den errechneten Entfernungsbetrag nach links. Bei den Nahzeichen innerhalb von 75km sollte sich die Position hingegen eigentlich nicht ändern, sie sollten also nicht springen. Tatsächlich war jedoch auch die Nullphase in geringem Maß frequenzabhängig, und so gab es auch bei den Nahzeichen einen leichten Sprung nach links, der jedoch deutlich kleiner ausfiel und daher wohl noch immer von den Fernzeichen unterschieden werden konnte. Um diesen "Nahzeichensprung" gänzlich zu elimieren, empfahl es sich, nach jeder Tastfrequenzänderung den Nullpunkt neu zu justieren, was aber etwas Zeitaufwand erforderte und offenbar nicht immer möglich war, wie im Bericht nachzulesen ist.

Damit zurück zur Gneisenau: Krautwig konnte den Überlagerungseffekt des "Waldheini" freilich nicht feststellen, weil zum Zeitpunkt der Unternehmung "Berlin" beide Schiffe noch je nur ein einzelnes Dete-Gerät eingebaut hatten, beide FuMG 39 auf dem Vormars mit provisorischer Haube, demnach also je ein FuMO 22 nach späterer Bezeichnung.

Was er aber auf Gneisenau feststellen konnte, war, wenn ein direktes Signal vom Schwesterschiff Scharnhorst empfangen wurde. Auch dies wird im Bericht sehr schön beschrieben und er nannte diesen Effekt den "Radfahrer". Auch hier wanderte das direkte Signal von SH offenbar recht schnell über den Bildschirm des Dete-Geräts auf GU, vermutlich mit dem Auswandern von SH selbst und/oder dazu überlagernd womöglich eine Drehbewegung der Dete-Haube von SH, wohl aber nicht mit einer Bewegungsumkehr des Waldheinis verbunden, so wie bei dem rotierenden eigenen Gerät oben beschrieben. Zumindest schreibt er davon nichts.

Wir fassen also zusammen für heute ;-)

Seeschlange:    Direktes Echosignal des eigenen Gerätes
Waldheini:        Direktes Echosignal mit Bewegungsumkehr eines anderen bordeigenen, sich drehenden Dete-Geräts
Radfahrer:        Direktes Echosignal wohl ohne Bewegungsumkehr eines anderen (im Idealfall befreundeten :-o ) Dete-Geräts

Grüße

Gabler


Gabler

Hallo Allerseits,

beim Schmökern in den Funkmessakten (Band I, Nara-Rolle 2111) habe ich weiteres zu den Erkenntnissen Dr. Krautwigs in seinem EMII-Bericht gefunden. Es gab noch einen weiteren ungewollten Nebeneffekt: Mehr oder minder per Zufall hat er entdeckt, daß es sogar möglich war, daß ein eigenes Sendesignal vom hinter der FuMO-Haube befindlichen vorderen Mast zuerst reflektiert, dann am Ziel erneut reflektiert und wiederum von der eigentlich abgewandten Antenne von Gneisenau empfangen werden konnte. Dummerweise befand sich ausgerechnet auf der selben Höhe wie die Seetakt-Antenne eine Querstange (Rahe) mit vertikalen Verstrebungen ("Fußpferd") am vorderen Mast und diente so als "Vorbande". Diese Spiegelung wird von ihm auf Seite 31 beschrieben:

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und in der Abbildung 17 des EM-II-Berichts (S. 272 d.A.)schematisch dargestellt:

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Auf der linken Zeichnung dargestellt die Vorderansicht des Masts mit der Querstange, rechts daneben eine Draufsicht mit Masts und FuMO-Haube. Darin eingezeichnet der am Mast reflektierte Verlauf der Funkwellen von der Antenne zum Ziel (Scharnhorst) und zurück.

Zum besseren Verständnis der Zeichnung von Krautwig eine Aufnahme der Funkmesshaube, wohl vom Januar 1940 in der Kieler Förde:

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klar abgrenzbar zu sehen die auf der optischen Haube aufgesetzte (behelfsmäßige) Funkmesshaube nach Vorbild Spee-Haube mit nach vorn abgesetztem Gehäuse für den Sender (rechts zwischen Haube und Antenne) und direkt davor auf Höhe der FuMO-Haube die fest angebrachte Antenne mit vorgesetzter Tarnung. Genau dahinter im Bild die Rahe mit den Verstrebungen in derselben Höhe. Das hierdurch reflektierte Fehlzeichen trat noch häufiger auf und war lt. Dr. Krautwig stets reproduzierbar. Dennoch erschien diese Erscheinung so ungewöhnlich, daß die Seekriegsleitung in Form des Marinegruppenkommandos Nord am 24.04.41 das NVK um eine "wissenschaftliche Überprüfung" gebeten hat:

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Bei dem Bericht handelt sich um einen Auszug aus dem KTB Gneisenau vom 08.02.41, 21.54Uhr. Das NVK bekräftigt in seiner Stellungnahme am 14.06.41 an MGK und OKM, daß es sich sehr wahrscheinlich um Reflexionen vom Mast oder Schornstein handeln würde, nicht jedoch von den Rauchgasen:

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Dieser Einschätzung schließt sich das OKM an und setzt alle wesentlichen Dienststellen in Kenntnis:

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Weiteres zu diesem Vorgang habe ich bisher nicht entdeckt, aber in der Folge wurde im Rahmen der funkmesstechnischen Modernisierung der Gneisenau ab September 1941 in Brest nicht nur das FuMG 39 im Vormars durch ein Seriengerät FuMG 40 (#80 mit TS6) und ein zweites FuMG 40 (#81) wie bereits ursprünglich geplant auf dem achteren Stand ebenso als aufgesetzte Haube eingerichtet - also  damit 2x FuMO 26, jedoch offenbar beide ohne Feinpeilzusatz. Es wurde außerdem die Seetaktantenne auf der Vormarshaube um etwa 1,8m nach unten versetzt um zukünftig das Auftreten solcher Fehlzeichen wie oben geschildert zu verhindern:

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Viel Gelegenheit, eine Verbesserung zu überprüfen, gab es nicht mehr. Die einzige noch verbliebene Feindfahrt der Gneisenau war der Kanaldurchbruch Anfang 1942. Kurz darauf erhielt sie in Kiel einen schweren Bombentreffer, der das Schiff letzten Endes bis Kriegsende außer Gefecht setzte. Auch der NVK-Mann Krautwig war beim Kanaldurchbruch nicht mehr an Bord, um zu testen. Er war bereits mit Bismarck untergegangen. Ob wohl im KTB etwas zu diesen Fehlzeichen vermerkt ist?

Grüße und frohes Schwitzen

Gabler

Gabler

Hallöchen nochmal,

auch wenn ich hier etwas zum Alleinunterhalter mutiere, so sieht man doch an den Leserzahlen, daß das Thema nach wie vor von Interesse zu sein scheint. Also fahre ich einfach fort mit den letzten gewonnenen Erkenntnissen aus dem Bericht. Daher noch einmal zurück zu dem Frequenzschalter für den Tastfrequenzgenerator. Als Veranschaulichung folgend nochmals die Aufnahme eines Z-Geräts von einem FuMG 40 der Gema-Gerätebeschreibung (Bilder eines FuMG 39 liegen nach wie vor nicht vor). Der Schalter ist mit der Nummer 120 bezeichnet:

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Wir wissen zudem aus der Gerätebeschreibung, daß bei den FuMG 39 der Frequenzgenerator ("Summer") noch im Bedienteil "R" eingebaut war, daher nehme ich an, daß auch der Frequenzschalter dort zu finden war. Wie schon weiter oben beschrieben war das ein Stufenschalter mit 5 verschiedenen Stellungen, die von 0 bis 4 durchnummeriert waren. Die standardmäßige Tastfrequenz von 2000Hz war auf Stufe 0 eingestellt und mit jeder Weiterschaltung wurde diese um etwa 20 Hz reduziert. Deshalb gab es durch Umschaltung auf eine niedrigere Tastfrequenz bei den Echozeichen auch ausschließlich einen Sprung nach links.

Beim FuMG 40 wurde das geändert. Der Schalter befand sich zum einen gemeinsam mit dem Summer im Gehäuse des Z-Geräts. Dann hatte er zwar nach wie vor 5 Schaltstellungen. Diese waren nun nicht mehr von 0 bis 4, sondern von 1 bis 5 durchnummeriert, was vielleicht noch nicht so bedeutsam erscheint:

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Jedoch lag die "Standardeinstellung" von 500Hz Tastfrequenz nun bei Stufe 3 in der Mitte und konnte nun entweder zweimal um je 3Hz verringert oder erhöht werden. In der Jagdschloßfibel (S.35) findet sich dazu eine Tabelle mit den Werten:

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Diese geänderte Einstellmöglichkeit der Tastfrequenz nach unten oder nach oben hatte den Vorteil, daß man ein (störendes) Fernzeichen nun sowohl nach links als auch nach rechts so verschieben konnte, bis es das Nahzeichen nicht mehr überdeckte.

Über die Veränderung der Tastfrequenz und die resultierenden Sprünge der Signale konnte Dr. Krautwig nach seinem Bericht während der Fahrt entlang der norwegischen Küste demnach ein Schiffsziel identifizieren, obwohl der gesamte landseitige Sektor des Dete-Geräts von starken Landechos überlagert war. Dieses Verfahren war auf SH wohl unbekannt wie er schreibt, daher glaube ich nicht, daß der Frequenzschalter für die Identifizierung von Nah-/Fernzeichen eingeführt wurde, denn dann hätte man dieses Verfahren auch auf SH beherrschen müssen/sollen.

Zusammenfassend kann man glaube ich sagen, daß man die auf dem Anzeigegerät erscheinenden Signale lesen lernen mußte. Bei richtiger Deutung konnte man nicht nur anhand der Bewegung indirekte Zeichen als Land-/See- oder Flugziel identifizieren, man konnte auch Nah- von Fernzeichen unterscheiden und man lernte auch, die Festzeichen von Seezeichen zu unterscheiden. Reichweiten und Genauigkeiten wurden ermittelt. Sogar die Silhouetten verschiedener Ziele ließen sich zumindest grob erkennen, auch die Reichweitenabhängigkeit vom Lagenwinkel. Verschiedene Fehlzeichen wurden identifiziert (direkte Zeichen von eigenen oder befreundeten Schiffen) und Abhilfe geschildert. Das Vorgehen bei einem Nachtangriff wurde nachvollziehbar beschrieben. Die "Lernkurve" war zu diesem Zeitpunkt extrem steil!

Ob diese Erfahrungen danach Verbreitung, gar Eingang in die Ausbildung gefunden haben, ist mir zwar nicht bekannt. Trotzdem ist dieser Bericht ein Zeugnis des wissenschaftlich-technischen Fortschritts in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der m.E.n. viel mehr Beachtung verdient hätte. Allein die Feststellung, daß  elektromagnetische Wellen sich über Hunderte von Kilometern ausbreiten und reflektiert werden können und dabei eben nicht in der Atmosphäre reflektiert werden, sondern sich offenbar auf einer gekrümmten Bahn entlang der Erdoberfläche bewegen, war m.W.n. eine völlig neue und bahnbrechende Erkenntnis!

Grüße Gabler

Leopard2A6EX

Ich lausche bzw lese stets mit! Großartige Arbeit wie immer von dir.. 💪

mhorgran


Gabler

Vielen Dank Ihr zwei für den Zuspruch! Zwischenzeitlich habe ich mich mit besagtem Nachtangriff noch etwas näher beschäftigt:

Am 22.02.41 haben die beiden Schiffe einen aufgelösten Geleitzug aufgespürt und an einem Tag insgesamt 5 Schiffe versenkt. Der Tag war so ereignisreich, daß es hierfür einen separaten Bericht als Anhang am Ende des KTBs (s. Bl. 133ff. d.A., RM_134_256) gab. Demnach gab es bereits morgens um halb 9 den ersten Kontakt und die Kämpfe zogen sich über den gesamten Tag hinweg bis in die Nacht. Scharnhorst erhielt die Weisung, sich um einen Tanker zu kümmern, während Gneisenau sich der Frachter annahm. Der erste Dampfer, "Kantara", wurde auf fast 40km Entfernung gesichtet, erhielt auf etwa 177hm einen Warnschuß und wurde, nachdem er gefunkt hatte, mit 4 Salven SA beschossen, woraufhin er Dampf abließ.

Dieses Dampfablassen ist eine Sicherheitsmaßnahme um ein Explodieren der Kessel zu verhindern. Also entweder wurde er bereits getroffen und hatte Wassereinbruch oder die Maßnahme erfolgte prophylaktisch, da er ohnehin keine Chance hatte zu entkommen.

Um 10:21 funkte er wieder und wurde nun auf 100hm mit MA beschossen und fing an zu brennen. Nach der Weisung der Flottenleitung wurde sodann auf geringe Entfernung (600m!) gegangen, um dem Dampfer möglichst mit Flak den Garaus zu machen, zunächst mit "geleitetem" Feuer, aber dann mit Einzelschüssen wegen des Mun-Verbrauchs. Die "Kantara" sank um 10:46.

Dieser Ablauf des Tagangriffs läßt darauf schließen, daß die Schusswerte wahrscheinlich (mit Ausnahme vielleicht der ersten 4 SA-Salven) optisch ermittelt wurden, da die Sicht gut und die Gefechtsentfernungen gering waren. Die konstant hohe Entfernungsgenauigkeit des EM-II-Geräts kam hierbei nicht zum Tragen.

Der zweite Dampfer kam um 11:36 in Sicht. Er drehte auf 310hm ab, begann auf 259hm zu funken und erhielt auf 219hm mit SA einen Schuß vor den Bug, woraufhin er beidrehte. Dann funkte er aber wieder und erhielt eine Turmsalve von der SA. Um 12:28 auf 130hm wieder Feuer frei für MA, die gut lag. Um 12:40 betrug der Abstand 1000m und die Flak begann zu schießen. Nebenbei wurde eine weitere Rauchwolke gemeldet. Der britische Dampfer "Trelawny" sank um 13:10.

Um 14:32 waren die Mastspitzen des dritten Dampfers in Sicht und nach schneller Annäherung um 15:00 auf 220hm wieder ein Warnschuß, jedoch ohne Reaktion. Um 15:04 funkte der Dampfer und GU gab auf 204hm einen zweiten Warnschuß ab. Nachdem er weiter funkte, wurde auf den Dampfer um 15:08 eine Turmsalve SA auf 172hm abgefeuert. Da der Dampfer weiterlief, hinhaltend funkte und nebelte, vermutete die Flottenführung ev. einen Hilfskreuzer mit Minen und Torpedos. Um 15:13 setzte bei 150hm zwar wieder die MA ein, GU staffelte jedoch sicherheitshalber ab und um 15:14 erhielt die SA Feuererlaubnis, woraufhin sofort ein Treffer im Maschinenraum erzielt wurde. Ob hierbei die Entfernung elektrisch genommen wurde, geht aus der Beschreibung nicht hervor, ist jedoch wahrscheinlich. 15:19 (SA) und 15:21 (MA) Feuer eingestellt, da Dampfer Schlagseite.

Nachdem zwischenzeitlich aufgrund gegnerischen Funkverkehrs das Bordflugzeug zur Aufklärung gestartet worden war, wurde der Dampfer ab 16:03 unter Flak-Beschuß genommen zwischen 900m und 500m. Er sank schließlich um 16:14. Es war der kanadische Dampfer "A.D. Huff".

Der Bordflieger hatte zwischenzeitlich in 50 Meilen Entfernung den britischen Dampfer "Harlesden" entdeckt und mit Bomben und MG bekämpft, nachdem dieser die Anweisungen des Fliegers mißachtet hatte, woraufhin der Dampfer das Feuer erwiderte und eine Warnmeldung per Funk abgab, die nicht gestört werden konnte. Außerdem schlug er eine Ausweichrichtung ein, weshalb Gneisenau ihn nicht mehr während des Tageslichts erreichte, was uns nun zu dem in dem Krautwig-Bericht beschriebenen Nachtangriff bringt:

Gemeinsam mit der inzwischen zurückgekehrten Scharnhorst, die um 13:44 den Tanker "Lustrous" versenkt hatte, machte man sich mit Zickzackkursen auf die Suche nach der "Harlesden". Um 21:20 wird mit dem FuMO das erste, 1-2mm große Echosignal auf 184hm festgestellt. Nach Weisung des Flottenchefs Lütjens sollte das abgeblendete Fahrzeug im Rahmen eines Feuerüberfalls vernichtet und dabei zuvor die Entfernung möglichst auf 20hm verringert werden. Gneisenau wurde sodann mit Hilfe seines FuMOs sicher auf den Gegner geführt. Im Laufe der Annäherung wurde das Zielzeichen auf dem Bildschirm immer größer (13mm, 50mm, ganze Skala), so daß über die Anodenspannung die Senderleistung verringert werden mußte, um das Signal im sichtbaren Bereich der Röhre zu behalten. Dies mußte mehrfach wiederholt werden, während sich die Entfernung peu a peu bis 22:28 auf 50hm verringerte. Nun wurden auch vordere und achtere Aufbauten der Harlesden auf dem Bildschirm identifiziert:

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Erst jetzt war das Ziel laut Dr. Krautwig auch auf der Brücke als Schatten erkennbar, wenngleich noch nicht meßbar. Es war auch nur erkannt worden, weil mit dem FuMO darauf hingewiesen worden war. Die Nacht war mondlos und bedeckt. Im KTB-Bericht heißt es, daß auf 63hm das erste Richtgerät das Ziel erfassen konnte. Die Brücke konnte das Ziel jedoch erst um 22:33 auf 41hm als langen flachen Schatten ausmachen. Um 22:39 (KTB: 22:40) dann wurde wie geplant auf einer Entfernung von 26hm (KTB 22hm) der Gegner mit Scheinwerfern angeleuchtet und mit MA und schwerer Flak unter Beschuss genommen. Der geringen Entfernung entsprechend lag das Feuer sofort sehr gut und es wurde vor allen Dingen in die Wasserlinie getroffen. Nach Überprüfung der Trefferwirkung nach 5 Minuten wurde erneut Feuererlaubnis für Einzelschüsse der Flak gegeben, aber um 22:53 wieder eingestellt, da das Schicksal des Dampfers besiegelt war. Die "Harlesden" aus London versank um 23:08.

https://www.tynebuiltships.co.uk/H-Ships/harlesden1932.html

Danach wurde fast zwei Stunden lang (!) nach den Überlebenden gesucht und 32 Mann der 41-köpfigen Besatzung gerettet. Der Feuerüberfall ohne vorherige Vorwarnung war gerechtfertigt, da sich das englische Schiff bereits zuvor bei der Begegnung mit dem Bordflugzeug feindselig verhalten hatte, anders als die ersten drei Schiffe, die lediglich versucht hatten zu funken und zu fliehen. Aber auch diese hätten gemäß Prisenordnung beidrehen, anhalten und den Weisungen des Kriegsschiffs vor allem über Funkstille Folge leisten müssen. Während es bei "Kantara", "Trelawny" und "Lustrous" keine Todesopfer gab, kamen bei "A D Huff" zwei Besatzungsangehörige ums Leben, bei "Harlesden" waren es 7. Trotzdem ist die geringe Zahl an Opfern bei diesen 5 Versenkungen ein Beweis dafür, daß es der Schiffsführung auch 1941 noch sehr wohl darum ging, unnötige Opfer bei den Besatzungen der Handelschiffe zu vermeiden. Zudem hatte man sich jedes Mal aufwendig um die Bergung der Schiffbrüchigen bemüht. Aber dies nur am Rande.

Zum Einsatz des EM-II-Geräts heißt es im KTB um 21:48 wörtlich: "Der Anlauf entwickelte sich schulmäßig. Die Unterlagen des EM-II-Geräts reichten völlig aus, um die gewünschte Anfangsentfernung von 20hm und einen Passierabstand von 17hm auf Millimeterpapier zu konstruieren und dann auch tatsächlich zu erreichen. Als Gegnerfahrt wird 9-10 sm ermittelt" - also aus den EM-II-Werten gekoppelt. Zuvor wurde auch schon der Gegnerkurs aus den EM-II-Werten gekoppelt.

Dieses Vorgehen beweist, daß schon das Vorseriengerät des FuMG 39 nicht nur wie vorgesehen als Entfernungsmessgerät für die Artillerie eingesetzt werden konnte, sondern daß es auch bereits als vollständiges und vor allem unabhängiges seetaktisches Beobachtungsgerät zum Zwecke der Ermittlung der Gegnerdaten und des eigenen Abfangkurses verwendet werden konnte und dies bei dunkler Nacht auf einer Entfernung von mehr als 18km gegen einen mittelgroßen Dampfer von 5.500 Tonnen, während das Ziel optisch erst auf etwas mehr als 6km Entfernung ausgemacht wurde.

Dr. Krautwig bemerkt dazu noch folgendes: "Es wäre eine genauere Richtungspeilung erwünscht. Jedoch lassen sich die Messfehler (+/- 2° maximal) durch laufende Messung herausmitteln." Das bedeutet, daß bei wiederholten Messungen und Mittelwertbildung der Messfehler sich noch deutlich reduzieren ließ. An anderer Stelle (S. 30) merkte er noch an, daß die Genauigkeit mit 2-3° zu ungenau zum Schießen wäre und fordert den Einbau des Zusatzgeräts (Feinpeilgeräts). Die Differenz läßt sich also auf die Verbesserung anhand Mittelwertbildung bei laufender Messung zurückführen. Zum Pendeln bzw. Wedeln der Antenne zur Peilverbesserung beim Maxiumverfahren kommen wir noch...


Grüße

Gabler

Leopard2A6EX

Sehr interessant wieder!

Eine offtopic-Frage: konnte das Funken der ersten 3 Dampfer (wirksam) gestört werden?

Gruß Frank

Gabler

Hallo Leopard,

lt. KTB: Ja - bis auf einen, und zwar von dem Frachter Trelawny um die Mittagszeit. Demnach hatte dieser gleich dreimal gefunkt (12:06, 12:24, 12:38). Harlesden meldete den (Wasser-)Flugzeugangriff ungestört um 16:27. Das war die zweite durchgekommene Funkmeldung. Außerdem gab es um 00:25 noch eine Meldung aus einem unbekannten in der Nähe stehenden Dampfer. aus der sich wohl ein hinreichend genauer Standort der deutschen Schiffe für den Gegner ergab und der Lütjens dazu veranlaßte, nach der Versenkung der Harlesden das Seegebiet der Nordatlantikrouten zu räumen und stattdessen zu versuchen, im Mittelatlantik die Afrika-Geleitzugroute abzugrasen.

Gruß Gabler

Leopard2A6EX


Gabler

Hallo Allerseits,

zu den Radarsignaturen der Handelschiffe:

Dr. Krautwig schreibt im Fall der Harlesden vom 22.02., daß die beiden diskreten Zacken in der Röhrenanzeige von den Aufbauten stammen. Schaut man sich allerdings die Seitenansicht des Schiffs an, so passt das nicht so richtig gut. In der Schiffsmitte befindet sich die Brücke und dahinter der Maschinenraum mit dem Schornstein. Am Heck dann noch niedrige Aufbauten. Auch wurde auf der Brücke von Gneisenau die Sichtung als langer flacher Schatten beschrieben. Am ehesten zur Signatur passen würden die beiden Masten, bzw. genauer: die beiden Ladekräne auf Vor- und Achterdeck. Anbei nochmal die Bilder und die dazugehörige Darstellung:

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Die Signatur war wohl erst auf einer Entfernung von 50hm erkennbar. Weiter vorn hatten wir bereits den Fall der "Chilian Reefer" vom 16.03.- also drei Wochen später - erörtert. Zum Vergleich nochmals deren Seitenansicht und die dazugehörige Darstellung:

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Hier heißt es, ein sicheres Zeichen sei ab 155hm erkennbar gewesen (Maximum 180hm. Als Vergleich: Harlesden 184hm, also auf praktisch dieselbe Entfernung). Zur Erkennbarkeit der Details schreibt er leider nichts.  Die Struktur der Aufbauten ist bei beiden Schiffen gleich: vorderer Ladekran - Brücke - Maschinenhaus mit Schornstein - achterer Ladekran - achtere Decksaufbauten, nur bei Chilian Reefer gedrungener, da der Dampfer wesentlich kleiner war (1800t / 5500t).

Während Dr. Krautwig aber in ersterem Fall die Darstellung den Aufbauten zuspricht, meint er im zweiten Fall, daß die (breiten) Spitzen von den Masten herrühren würden. Was die Breite der ausgeprägten Spitzen betrifft, so hätte ich das doch eher anders herum vermutetet: also eher große und breite Aufbauten im Vergleich zu hohen und schmalen Masten. Läßt sich leider derzeit nicht überprüfen ;-)

Allerdings wurde der Bericht über die Versenkung der Harlesden vom 22.02. früher (am 15.03.) verfasst, während die Ergänzungen (S. 43ff.) ab dem 10.03. später vorgenommen wurden - darin auch die Beschreibung über die Versenkung vom 16.03. Sicherlich hatte sich inzwischen der Erfahrungsschatz weiter vergrößert und vielleicht darauf fußend die Beurteilung Krautwigs über die Ursachen dieser charakteristischen Darstellungen geändert.

Grüße

Gabler

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