Radargelenktes Feuer deutscher Kriegsschiffe im WWII

Begonnen von Matrose71, 09 August 2014, 17:08:26

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AND1

Entscheidend war wohl auch das Datum im Dezemder 1943 Nordkap war die Scharnhorst den englische Seestreitkräften in Radartechnik weit unterlegen.

Ekki

Unterlegen mag sein, aber sicherlich ausgefallen nach einem Artillerietreffer von HMS NORFOLK gegen 09.30 Uhr

Leopard2A6EX

Ok da kann ich natürlich nicht mitreden. "Gerüchte" hatte ich schon eher mal gehört, dass auch die Deutschen alles oder einiges geknackt hatten und fleißig mithören konnten. Und diese Artikel schienen das zu bestätigen. Aber ich lerne wie immer gern dazu 😊

Scharnhorst's Handicap war wohl das weggeschossene FuMO26 am Hauptleitstand. In 30m Höhe hatte das auch die größte Reichweite wenn ich das richtig interpretiere.

Am achternen Leitstand war noch ein FuMO23 welches den Heckturm hinterher noch recht genau leitete? Und die Briten schossen Leuchtgranaten die ganze Zeit um optische Feuerleitung durchführen zu können. Nur für Torpedos oder auch Artillerie? Gab doch durchaus Zweifel das die britischen Typ271/284 komplett blindfeuerfähig waren.. ..soweit meine Erinnerungen aus Beiträgen in diesem Forum 😊 Berichtigt mich im Zweifelsfall!

Strandurlauber

#78
Moin,

Die folgenden Infos stammen aus Helmuth Giessler's
"Der Marine-Nachrichten- und -Ortungsdienst".
Es gibt sicher aktuelleres, umfassenderes und viel detaillierteres Material zu dem Thema.
Er beschreibt allgemein die Herangehensweise und auch die Auswirkungen dabei aufgetretener Fehleinschätzungen auf technische Entwicklung und Einsatzdoktrin.
Dem Kapitel Funkmeßortung (Radar) widmet er etwa 30 Seiten.

Die Weiterentwicklung der Schiffsartillerie und Torpedowaffe führte zu steigenden Forderungen an die Ortung, auch  unabhängig von der optischen Sicht.
1932/33, war bei der Nachrichtenmittelversuchsanstalt der Marine (NVA) :wink: ein Unterwasserortungsgerät in Erprobung (vgl. Sonar).
Darauf aufbauend wurden Überlegungen und Untersuchungen angestellt, ob dieses Prinzip auch bei elektromagnetischen Wellen angewandt werden konnte. Da die Haushaltsmittel der NVA sehr knapp waren, wurden finanzielle Unterstützungen  des Artilleriewaffenamtes und der Torpedoversuchsanstalt angenommen.
Der Laboratoriumsleiter der NVA, Dr. Kühnhold, ... versuchte sehr kurze elektromagnetische Wellen für eine Echolotung an der Luft" zu verwenden.
Bei der Fa. Julius Pintsch AG in Berlin" wurden zusammen mit Prof. Kohl  Röhren für Sender und Empfänger auf etwa 13,5 cm (!) Wellenlänge entwickelt. Damit wurden im Herbst 1933 Sende- und Empfangsversuche durchgeführt. Die Leistung der Röhren erwies sich aber als zu schwach, um zum Erfolg zu führen.
Dr. Kühnhold hatte sich zu der Zeit mit der führenden deutschen Funkfirma (Telefunken GmbH) in Verbindung gesetzt, sein Gedanke wurde dort leider nicht aufgegriffen.
In der Folge wurde mit Haushaltsmitteln der Marine die Firma Gema gegründet. Ihre Aufgabe war zusammen mit der NVA die Probleme der "Funk-Entfernungsmessung" zu unter. Als Tarnnamen wurde "Dete-Gerät", d.h. Dezimeter-Telephonie, verwendet.
Für erste Untersuchungen konnte Freiherr v. Willisen (einer der Geschäftsführer der Gema) einige Magnetrons aus Holland beschaffen. Beim ersten Sender wurde das Magnetron anodenseitig mit 1000 Hz moduliert, die Wellenlänge betrug bei 100 Watt Leistung 48cm. Es kam eine Yagi-Antenne zum Einsatz.
Damit konnte beim ersten Versuch, am 20.März 1934 in Kiel, keine Rückstrahlungen vom ca. 800 m entfernten Linienschiff "Hessen" festgestellt werden.
Erst die Verlegung des Empfängers außerhalb des direkten Strahlungsbereiches des Senders brachte ein Ergebnis und den Beweis für eine Ortungsmöglichkeit.
Dr.H. Rindfleisch von der NVA schlug vor, den Empfänger für die Dauer der Sendeimpulse zu sperren und Dr. Kühnhold verlangte Sender und Empfänger möglichst nahe  beieinander aufzustellen um an Bord mit einem Gerät auszukommen.
Im Herbst 1934 wurde nach Umbau und Verbesserung der Anlage, auf einem 12 m hohen Turm in Pelzerhaken (Versuchsgelände der NVA), an der Lübecker Bucht erneut Versuche unternommen.
Der Empfänger stand dabei noch 250 m vom Sender entfernt. Am 12. Oktober 1934 wurden Reflexionen von. Versuchsboot "Welle" (500 t) aus 3800 m Entfernung festgestellt, und bei dieser Gelegenheit wurden auch Reflexionen von einem durch den Sendestrahl fliegenden Flugzeug (eine W 34) bis auf 11 km beobachtet.
Allerdings war zu der Zeit noch keine richtige Entfernungsmessung möglich.
Anfangs wurde ein Gerät nach der Impulsmethode entwickelt, bei der ein Braun'sches Rohr zur Anzeige der Impulse diente. Parallel dazu wurde die Sperrung des Empfängers während der Sendeimpulse entwickelt.
Jetzt konnte der Sender unmittelbar neben den Empfänger aufgestellt werden. Damit wurden  Ende Oktober 1934 der Kreuzer "Königsberg" auf 7 km und ein Wasserflugzeug auf 15 km gemessen werden.
Die ersten Magnetrons waren noch sehr instabil, daher wurde das Rückkoppelungsverfahren angewendet, dass außerdem die gewünschte Impulshochtastung ermöglichte und das zur Sendung benutzte Rohr um ein Vielfaches (etwa 2000fach) der Nennleistung ausgestellt werden konnte.
Mit diesem Magnetronsender wurden im Juli 1935 die ersten Versuche an Bord des Versuchsbootes "Welle" durchgeführt.
Da die Tests sehr erfolgreich verliefen entschloss sich die NVA das neuartige Gerät erstmals den maßgeblichen Offizieren der Reichsmarine vorzuführen.
An dieser Vorführung am 26. September q935 in Pelzerhaken haben teilgenommen; der Ob.d.M.  Admiral Raeder, der Chef des Marinewaffenamtes, Viezeadmiral Witzel, der Flottenchef sowie eine Anzahl höherer Offiziere.
Das Gerät arbeitete mit Wellenlänge 50 cm, hatte ein von der Gema gebautes Magnetron mit Impulstastung (bei Folgefrequenz 2000 Hz = 2 Mikrosekunden Impulsbreite), und eine Leistung von 800 Watt. Als Sendeantenne diente ein Tannenbaumstrahler mit 10 Dipolpaaren vor einer Reflektorwand. Die Empangsantenne bestand d aus einem Tannenbaum mit 3 Dipolpaaren, ebenfalls vor einer Reflektorwand. Die Entfernungsmessung erfolgte mittels ein
er von der Gema entwickelten Messkette und als Anzeigeinstrument diente ein Braun'sches Rohr.
Gegen das "Welle" wurden nun eine Ortungsreichweite von 7 km (vorher 3 km) und gegen das Artillerieschulboot "Bremse" 8,5 kommt einer Seitenpeilgenauigkeit von +/- 0,2° und einer Entfernungsmeßgenauigkeit von +/- 150 m erzielt.

Es soll eine lebhafte Diskussion darüber gegeben haben, wie dieses Gerät  für die Artillerie und auch Torpedowaffe eingesetzt werden könne. Entscheidungen dazu wurden noch nicht getroffen, zumindest aber für die Weiterentwicklung erhebliche Mittel aus dem Haushalt der Marine bereitgestellt. Bis zur Einsatzreife und Erprobung an Bord, waren eine große Zahl von Verbesserungen erforderlich. Damals wurde von zahlreichen Offizieren und Technikern angezweifelt, ob das "komplizierte und empfindliche Braunsche Rohr" die Erschütterungen an Bord aushalten konnte.
Giessler schreibt, dass damals wohl keiner der beteiligten Offiziere das Vorstellungsvermögen hatte, was das (... sehen, auch bei Nacht und Nebel) für den Seekrieg bedeutete. Es war nicht mehr möglich, sich nach einer Gefechtsberührung bei Tage abzusetzen und dann bei Nacht neu aufzumarschieren um sich in günstige Position zu bringen. ...

Giessler geht dann kurz auf die britische Entwicklung ein.
Sir Robert Watson-Watt, seine Grundlagenforschung, sein Memorandum über Radar und dessen Möglichkeiten für Fliegerabwehr und Aufklärung und die daraufhin im Dezember 1935 durch die Regierung in Auftrag gegebenen ersten 5 Stationen der Küstenkette.
Und Zitat "Es ist interessant, daß in England derartige Geräte zuerst für die Abwehr von erwarteten Luftangriffen eingesetzt wurden. Bei uns war es das ursprüngliche Ziel, die Entfernung zu einem Seeziel unabhängig vom Wetter und auch bei Nebel zumessen. Diese geistige Einstellung ... dürfte vielleicht ein Grund dafür gewesen sein, die ... Bedeutung gerade für die Aufklärung nicht rechtzeitig erkannt zu haben." Und dieser Unterschied in der Auffassung wirkte sich dann seiner Meinung nach sehr nachteilig im Verlauf des Krieges auf deutscher Seite aus.

Fortsetzung folgt  :wink:

Gruß
Ulf

"Damn the torpedoes! Full speed ahead!" D. G.  Farragut

(1864 Battle of Mobile Bay; ... er wusste offenbar was USS Cairo auf dem Yazoo River zum Verhängnis wurde, aber auch dass die Minen schon längere Zeit im Wasser lagen und durchsickerndes Wasser in den Trimmtanks diese nach und nach absacken ließ ...)

Leopard2A6EX

Jup das sind die Anfänge - noch wesentlich ausführlicher im GEMAbuch nachzulesen.

Was genau ist eine Messkette? Taucht in dem Buch häufig auf der Begriff - erschließt sich mir aber nicht so recht.

Selbst dieses hier erwähnte frühe System hatte 0,2 Grad Genauigkeit in der Peilung. Berichte die den deutschen FuMO's die Feuerleitfähigkeit absprechen beziehen sich immer auf die mangelnde Peilgenauikeit. Auch Schmalenbach.

Zusätzlich installierte die GEMA ab Anfang 1941 bei allen FuMO's den Feinpeilzusatz. Serienmäßig ohne Anforderung der Marine. Und Anhand von Thoddy's KTB's ist ja ersichtlich das schon GS nach Funkmess schießen konnte (Vergleich zu Scheer) und GN&SH dies taten und PE auch.

Die Indizien scheinen immer mehr Richtung Pro-Funkmess zu gehen 😊

Strandurlauber

#80
Moin,

Ob Echolot / Sonar oder Radar, die Entfernung zum Meeresboden bzw. zum Zielobjekt wird durch Messung der Zeitdifferenz zwischen dem ausgesendeten Impuls und seinem Echo / Reflexion vom Zielobjekt ermittelt.
Dabei ist bei ersterem die Schallgeschwindigkeit im Wasser (mit ca. 1400 m/s ein mehrfaches der Schallgeschwindigkeit in Luft) und bei Radar die Ausbreitungsgeschwindigkeit von elektromagnetischen Wellen mit Lichtgeschwindigkeit (fast 300.000 km/s) bekannt.
Da diese Signale den Weg 2x, d.h. von Sender zum Ziel und von dort wieder zum Empfänger nehmen teilt man die Zeitdifferenz durch 2 und kann daraus die Entfernung errechnen oder mit einer Skala auf einem Ableseinstrument anzeigen bzw. ablesen.

Fiktives Beispiel Sonar: Ziel in 1400 m Entfernung, da braucht der Impuls jeweils eine 1s zum Ziel und das Echo von dort eine Weitere zurück. Also müsste mittels einer technischen Vorrichtung diese Zeitdifferenz von 2s gemessen werden und daraus kann die o.g. Entfernung errechnet/angezeigt werden.

Fiktives Beispiel Radar: Ziel in 15 km Entfernung, da braucht der Impuls nur 30 km / 300.000 km/s = 1/10.000 s oder 0,0001 s. Auch hier wird zunächst in einer Vorrichtung die Laufzeit des Signals gemessen und daraus die Entfernung errechnet.

Diese Vorrichtung ist hier als Messkette umschrieben und wie aus den Beispielen zu ersehen ist, hat Radar eine um ein Vielfaches kleinere Signallaufzeiten und benötigt damit wesentlich genauere und aufwendigere Messinstrumente oder eben Messketten.

PS wenn ich mich nicht vertan habe, müssten +/-0,2° seitliche Abweichung bei 7000 m Entfernung etwa +/- 25 m entsprechen.
PSS Sollte ich etwas unklar oder falsch wiedergeben, bitte berichtigen.

Gruß
Ulf



"Damn the torpedoes! Full speed ahead!" D. G.  Farragut

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Leopard2A6EX


mhorgran

Zitat von: Strandurlauber am 14 Juli 2022, 23:32:13
Gissler geht dann kurz auf die britische Entwicklung ein.
Sir Robert Watson-Watt, seine Grundlagenforschung, sein Memorandum über Radar und dessen Möglichkeiten für Fliegerabwehr und Aufklärung und die daraufhin im Dezember 1935 durch die Regierung in Auftrag gegebenen ersten 5 Stationen der Küstenkette.
Und Zitat "Es ist interessant, daß in England derartige Geräte zuerst für die Abwehr von erwarteten Luftangriffen eingesetzt wurden. Bei uns war es das ursprüngliche Ziel, die Entfernung zu einem Seeziel unabhängig vom Wetter und auch bei Nebel zumessen. Diese geistige Einstellung ... dürfte vielleicht ein Grund dafür gewesen sein, die ... Bedeutung gerade für die Aufklärung nicht rechtzeitig erkannt zu haben." Und dieser Unterschied in der Auffassung wirkte sich dann seiner Meinung nach sehr nachteilig im Verlauf des Krieges auf deutscher Seite aus.
Die britische Home Chain unterstand der RAF / Fightercommand. Und als Vergleich wird dann die deutsche Marine genommen? Paßt das auch nur ansatzweise? Ich denke nicht.
Als Vergleich für die Home Chain / RAF sollte man wohl die deutsche Luftwaffe nehmen. Und was finden wir da? Freya als Luftüberwachungsradar mit besseren Werten wie die Home Chain. Und wenn man sich die Verteilung ansieht. Die Home Chain war etwa 850 km lang und natürlich wurde nicht alles geschützt. Wie sollte eine "deutsche "Home Chain" aussehen, wie lang würde sie werden wenn die vitalen Bereiche geschützt werden sollen. Und die deutsche Taktik von mobilen Freya-Einheiten hatte immanente Vorteile vor dem dem komplett festgelegten Home Chain. Richtig ist, die RAF hatte bei der Jägerführung zu den einfliegenden Gegnerverbänden Entwicklungsfortschritte, diese waren aber nicht sonderlich groß.
"Wer an der Ukraine-Erzählung zweifelt, der gilt als Feind des Westens als Freund Russlands, als Gefahr für die Demokratie, wird diskreditiert, zensiert, eliminiert."
https://sciencefiles.org/2022/03/28/kriegsverbrechen-in-der-ukraine-von-den-angeblich-guten/

Strandurlauber

#83
Moin,

ich sehe es auch so, dass nur der Vergleich von Geräten der selben Teilstreitkraft  also entweder Marine oder Luftwaffe ein reelles Bild vermitteln würde, habe aber den Eindruck gewonnen das es Giessler darum garnicht geht (dazu fehlen die Details) sondern er nur die unterschiedlichen Ausgangssituation und Herangehensweise herausstellen will. Dazu kommt, dass vor über 50 Jahren als das Buch entstand, der Zugang zu Quellen nicht so umfassend wie heute war, er aber noch Gelegenheit hatte mit einigen Zeitzeugen selber zu sprechen.

Auf den nächsten Seiten beschreibt er die Entwicklungen ab 1935 bis Kriegsbeginn. Durch die bewilligten Mittel wurde das Versuchsprogramm erweitert und hatte folgende Ziele:
1. Bei dem für den Bordeinsatz vorgesehenen Gerät sollte das nicht besonders frequenzstabile Magnetron durch eine von der Gema zu entwickelnde Triode ersetzt werden und mit einer Wellenlänge von 50 cm arbeiten. Dazu wurde aus den USA  Muster besserer Senderöhren beschafft und nachgebaut.
2. Die Gema sollte ein Gerät für Impulsbetrieb auf Wellenlänge von 10 bis 14 cm vorbereiten.
3. Die Gema sollte ein 2. Versuchsgerät mit einer Wellenlänge von ca. 2 m entwickeln, da man sich nach Überlegungen über die besten Reglexionseigenschaften davon eine Vergrößerung der Auffaßreichweite versprach.
4. Die Entfernungsmeßgenauigkeit sollte durch Neuentwicklung eines Phasenschiebers als Messkette verbessert werden.
5. Die Seitenpeilgenauigkeit für das 50 cm Gerät sollte verbessert und für das 2 m Gerät auch eine Seitenpeilung entwickelt werden.

Im Frühjahr 1936 wurde das Versuchsmuster des neuen Gerätes mit 1,8 m in Pelzerhagen aufgebaut und hatte durch die Spezialtriode eine Impulsleistung von ca. 8 kW.
Damit wurden zwar keine Seeziele erfasst, dafür aber Landmarken auf der anderen Seite der Lübecker Bucht und ein Flugzeug (eine W 34) auf 28 km aufgefasst.
Nach weiteren Verbesserungen konnte eine Maschine selben Typs zunächst auf 40 km bald auf 80 km gemessen werden. Es handelte sich  um einen Vorläufer des späteren "Freya-Gerätes" von dem die Gema ca. 2000 Stück für Marine und Luftwaffe gebaut hat.
Mit Einbau eines Gegentaktsenders konnten im Herbst 1936 Flugzeuge in 3000 m Höhe auf etwa 90 km mit einer Genauigkeit von +/- 100 m gemessen werden.
Als es wenig später dem Chef des Nachrichtenverbindungsdienstes der Luftwaffe, General Martini, vorgeführt wurde erkannte dieser die Bedeutung für den Flugmeldedienst und bestellte 12 Geräte bei der Gema.
Die Entwicklung von Geräten mit der unter Ziffer 2 genannten Wellenlänge (10-14 cm) erbrachte keine brauchbaren Ergebnisse, da eine Steigerung der Leistung der Röhren nicht gelang. Es zeigte sich dabei, dass Reflexionen immer nur dann auftraten, wenn die optischen Gesetze erfüllt waren (dazu fuhr Versuchsboot "Welle" Kreise im Abstrahlungsbereich des Senders und hatte zwischen den Masten ein Drahtnetz gespannt). Da auch die Leistung des Magnetrons nicht gesteigert werden konnte wurden bei einem Versuch gegen Schiffe keine Reflexionen beobachtet werden. Die Entwicklungsarbeiten wurden daraufhin eingestellt.
(Erst später zeigte sich, dass dies eine schwerwiegende Fehlentscheidung war, als im Februar 1943 das erste Radargerät auf Basis von Zentimeterwellen aus einem in Rotterdam abgeschlossenen Bomber geborgen wurde. Noch wenige Wochen vorher hatten deutsche Wissenschaftler dem Generalbevollmächtigten für die technischen Nachrichtenmittel (GBN), General Martini, mitgeteilt, dass sich die Zentimeterwellen nicht für Funkmeßzwecke eignen würden, da die Reflexionen "spiegelnd" erfolgten ... Der Vorsprung der Alliierten durch den Einsatz von 9,1-cm Radar mit Panoramaanzeige war inzwischen so groß, daß er bis Kriegsende nicht mehr eingeholt wurde.)

1937 wurden die beiden Funkmeßgeräte-Typen weiter erprobt und dabei gewonnene Erfahrung führten zu stetigen  Verbesserungen. Die Gema fertigte weitere Geräte und stellte die Wellenlänge bei dem zur Bordverwendung  vorgesehenen Gerät auf 80 cm um, da dafür Röhren mit stärkerer Leistung verfügbar waren.
Im Juli 1937 wurde das erste Gerät auf dem Torpedoboot "G 10" der Torpedoschule eingebaut und während Nachtschießübungen erprobt.
Da die Torpedowaffe vorwiegend nachts eingesetzt werden sollte, war eine Nachtentfernungsmessung Voraussetzung für das neue Schießverfahren (Auswanderungsverfahren).
Neben einer besonders guten Nachtoptik wurde nun auch das neue Gerät eingesetzt und bewies seine Brauchbarkeit im gefechtsmäßigen Schießen bei dem die gemessenen  Entfernungen von 8 bis 9 km größer waren als die Nachtschußlaufstrecke der verwendeten Torpedos.
Etwa zeitgleich wurden weitere Geräte auf "Admiral Graf Spee", "Königsberg" und dem Versuchsschiff "Strahl", der NVA eingebaut.
Auf "Admiral Graf Spee"  war während des Einsatzes an der spanischen Küste der bisherige Leiter der NVA, Freg. Kapt. Kinast, erster Offizier, der die Erprobung tatkräftig unterstützte, zumal Personal der Gema  u.a. Frhr. v. Willisen, eingeschifft waren.
Die große rechteckige Antenne ("Matratze"), war über dem Vormast eingebaut. Bei Artillerieschießübungen traten anfangs Störungen an den Magnetrons und Röhren durch die Erschütterungen auf. Die bei den Schießanläufen gemessenen Entfernungen wurden laufend mit den optisch gemessenen verglichen und waren bis zur ersten Salve meist sehr genau. Dann trat häufig ein Ausfall der Röhren ein. Dies und die noch nicht ausreichende Genauigkeit der Seitenpeilung wurde von einigen, besonders den Referenten der Artillerie-Inspektion, zu einer abwertenden Beurteilung benutzt. In Diskussionen wurden diese "Kinderkrankheiten"  häufig zum Anlass genommen, die neuen Geräte ganz abzulehnen.
Die beiden Versuchsmuster wurden erstmalig beim Wehrmachtmanöver im Herbst 1937 im praktischen Einsatz erprobt und zeigten gegen über See anliegende Flugzeuge gute Ergebnisse. Außerdem wurde auf dem Versuchsschiff "Strahl" neben einem "Freya-Gerät" ein für den Bordeinsatz bestimmtes Gerät, später "Seetakt" genannt, eingebaut.
Mit den beiden wurden Seeziele auf 14 km, Luftziele auf 40 bis 60 km gemessen.

Im Juli 1938 wurde das inzwischen auf 2,4 m Wellenlänge umgestellt "Freya-Gerät" bei Eckernförde von der NVA der Spitze des Staates und der Wehrmacht als eine Entwicklung der Marine vorgeführt. Dabei wurden gegen eine Ju 52 Reichweiten bis zu 90 km erzielt. Danach wurde von höchster Stelle die Serienfertigung sowohl des "Freya-" sowie des ebenfalls gezeigten "Seetakt-Gerätes" angeordnet.
Der ursprüngliche recht große Auftrag der Luftwaffe wurde in  Verhandlungen zunächst auf 50 Anlagen beschränkt. Die Fertigungunterlagen für die Seezielanlage wurden Ende 1938 fertiggestellt und nach Untersuchung des gesamten Wellenbereiches als günstigste Wellenlängen für "Freya" 2,40 m und für "Seetakt" 80 cm bestimmt.

Anfang 1939 lief die Serienfertigung der "Freya-Geräte" an und die Borderprobung der "Seetakt-Geräte" wurde fortgesetzt.
Im Sommer des selben Jahres wurden 2 U-Boote (Anmerkung: Weiß jemand welche das waren?) zu Versuchszwecken mit je einem Funkmeßgerät ausgerüstet. Hierzu wurde der Antennenspiegel stark verkleinert, da dieser ausfahrbar und die Antennendurchführung druckfest gemacht werden mußten. Die Versuchsausführung war recht kompliziert und hat weder in der Konstrucktion noch in der Leistung überzeugt.
Der Führer der U-Boote hat daher im August entschieden, die U-Boote zunächst nur mit Unterwasserortungsgeräten (S-Gerät) auszurüsten, ohnehin war nur für eines von beiden Geräten Platz an Bord vorhanden.
Aufgrund dieser Entscheidung wurden alle Entwicklungsarbeiten dafür eingestellt. Das stellte sich später als ungünstig heraus, als die Boote zum Schutz vor Flugzeugen mit Funkmeßbeobachtungsgeräten ausgerüstet werden sollten. Da die Entwicklung der druckfesten Antennendurchführung neu anlaufen musste, wodurch es zu einer Verzögerungen von 6 Monaten kam.
Der Kriegsausbruch traf die Marine mitten im Aufbau und war so nicht erwartet worden, dass neben vielen anderen Maßnahmen keinerlei Vorbereitungen getroffen waren die Fertigung der Funkmeßgeräte zu beschleunigen. Die bereits ausgelieferten Geräte waren zudem noch nicht voll einsatzbereit.
Bis Ende 1939 waren ausgeliefert: 8 Freya- und 4 Seetakt-Geräte
(Im Jahr 1940 wurden ausgeliefert: 49 Freya- und 27 Seetakt-Geräte)

Der Ausbau der Gema (Anfangs weniger als 100 Personen, bei Kriegsbeginn ca. 1300) verlief zudem langsamer als erwartet, was neben den üblichen Anlaufschwierigkeiten auch der schleppenden Bereitstellung der Gelder und dem sehr bürokratischen Abschluss von Verträgen geschuldet war.

Im nächsten Kapitel geht Giessler auf die Zusammenarbeit mit der Luftwaffe ein, dazu dann beim nächsten Mal.

Gruß
Ulf




"Damn the torpedoes! Full speed ahead!" D. G.  Farragut

(1864 Battle of Mobile Bay; ... er wusste offenbar was USS Cairo auf dem Yazoo River zum Verhängnis wurde, aber auch dass die Minen schon längere Zeit im Wasser lagen und durchsickerndes Wasser in den Trimmtanks diese nach und nach absacken ließ ...)

Schorsch

Hallo Ulf!

Zitat von: Strandurlauber am 17 Juli 2022, 01:01:28
(...)
Anfang 1939 lief die Serienfertigung der "Freya-Geräte" an und die Borderprobung der "Seetakt-Geräte" wurde fortgesetzt.
Im Sommer des selben Jahres wurden 2 U-Boote (Anmerkung: Weiß jemand welche das waren?) zu Versuchszwecken mit je einem Funkmeßgerät ausgerüstet.
...die Boote, nach denen Du fragst, waren U 39 und U 41.

Mit freundliche Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Schorsch

#85
Hallo Frank!

Zitat von: Leopard2A6EX am 14 Juli 2022, 23:55:13
(...)
Was genau ist eine Messkette? Taucht in dem Buch häufig auf der Begriff - erschließt sich mir aber nicht so recht.
(...)
...eine schöne Erläuterung des Funktionsprinzips der Messkette der FREYA- und SEETAKT-Anlagen ist in W. Stanner: "Leitfaden der Funkortung", Elektron-Verlag G.m.b.H., Garmisch-Partenkirchen von 1953 zu finden. Auf den Seiten 112 bis 116 ist das Zusammenspiel der Baugruppen des Phasenschiebers ausführlich beschrieben.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Strandurlauber

Zitat von: Schorsch am 17 Juli 2022, 07:12:46
Hallo Ulf!
...
...die Boote, nach denen Du fragst, waren U 39 und U 41.

Mit freundliche Grüßen
Schorsch

Moin Schorsch,

danke für die Info. Hättest du evtl. noch die Quelle für mich?
Beides  IX A Boote - U 39 war im Juni 1939 von einem Übungseinsatz zurück nach Wilhelmshafen gekommen und U 41 wurde erst im April in Dienst gestellt, dazu beide auch frühe Kriegsverluste.


Gruß
Ulf
"Damn the torpedoes! Full speed ahead!" D. G.  Farragut

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Schorsch

Hallo Ulf!

Zitat von: Strandurlauber am 17 Juli 2022, 11:59:02
(...)
Hättest du evtl. noch die Quelle für mich?
(...)
Jepp! E. Möller: "Kurs Atlantik - Die deutsche U-Boot-Entwicklung bis 1945", Motorbuch Verlag, Stuttgart 1995, S. 177 und 178.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

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Leopard2A6EX


Strandurlauber

#89
Moin,

zunächst noch ein Dankeschön an Schorsch, das Buch merke ich mir mal vor ...

Da ich es bislang noch nicht erwähnt habe, Helmuth Giessler (zumindes ist das die Schreibweise im genannten Buch; er hat  übrigens zusammen mit einem Bordkameraden noch eines über die Scharnhorst geschrieben), bzw. Gießler, wie er sich lt. der im Vorwort abgedruckten Unterschrift selber schrieb, ist auch in der Crewliste im HMA zu finden. Er war u.a. Navigationsoffizier und von März 42 bis April 43 1.Offizier auf der "Scharnhorst", Chef der Entwicklungsabteilung OKM/NWa und als Kapt.z.S. ab Oktober 1944 bis Kriegsende Kommandant der "Nürnberg" (bei Whitley "Deutsche Kreuzer im 2. Weltkrieg" ist Helmuth Gressler vermerkt - offenbar ein Schreibfehler).

Bezüglich der Zusammenarbeit mit der Luftwaffe erwähnt er zunächst, dass nach den ersten positiven Ortungs-Versuchen mit einem Funkmeßgerät, die Luftwaffe unterrichtet wurde und wie bereits erwähnt General Martini nach der Vorführung 12 der "Freya-Geräte" bestellte. Dieser Auftrag wurde dann sogar noch vom technischen Amt erweitert, sodass 1938 bei der Gema die Zahl der für die Luftwaffe gefertigten Geräte sogar die der Marine übertraf.
Das technische Amt der Luftwaffe begegnete aber diesbezüglich der Marine nicht mit der gleichen Offenheit.
Erst bei einer Besprechung im RLM wurde im November 1938 beiläufig erwähnt, dass bei Lorenz und Telefunken Entwicklungsaufträge für Funkmeßgeräte mit Wellenlängen von 50 und 60 cm liefen.
(Bei Telefunken führte die Entwicklung zum Fla-Schießgerät "Würzburg" mit 52 cm Wellenlänge und bei Lorenz zu einem 60 cm Gerät, das jedoch nicht in die Fertigung ging.)
Der eigentliche Zweck der Besprechung war, dass Problem der Kennung von Flugzeugen und Schiffen bei der Entdeckung durch Funkmeßgeräte zu erörtern.
Für die Marine war das rechtzeitige Erkennen, ob anfliegende Maschinen Freund oder Feind war, von ganz entscheidender Bedeutung.
Im ersten Weltkrieg konnte dieses Problem noch mit "Erkennungs-Signalen" (ES) gelöst werden.
Bis in die Dreißiger Jahren bestanden diese immer noch in optischen Signalmitteln, wie einem Kennbuchstaben als Anruf und einem anderen Buchstaben als Antwort. Die Signale wurde mit Scheinwerfer oder Signallampe in Morsebuchstaben gegeben oder aus pyrotechnischen Mitteln, also verschiedenfarbigen Signalsternpatronen als Anruf und andersfarbigen als Antwort.
Vom Signaloffizier wurden die in den ES-Vorschriften aufgeführten, täglich wechselnden ES auf der Brücke in eine vorbereitete Tabelle eingetragen.
Nach dem Aufbau der Luftwaffe behalt man sich zunächst damit, dass diese die ES-Vorschriften der Marine erhielt und die gleichen Signale einführte.
Bei den immer schnelleren Flugzeugzeugen und vor allem der wachsenden Reichweite der Funkmeßgeräte war jedoch bald mir optischen Mitteln kein sicheres Erkennen von Freund oder Feind mehr möglich.
Man musste zu einem Funk-Kenngerät übergehen, also gleichzeitig mit dem Aussenden eines Funkmeßimpulses ein "Anruf-Impuls" abgestrahlt und vom Flugzeug empfangen werden, auf den dann mit einem anderen Impuls geantwortet wurde.
Zweckmäßigerweise sollte dies automatisch und auf der Frequenz des Funkmeßgerätes erfolgen, und bei den beiden bisherigen Frequenzen der Gema-Geräte wäre das auch leicht möglich gewesen.  Nachdem aber sich die Luftwaffe aber auf zwei anderen Frequenzen festgelegt hatte, war eine solche einfache Lösung nicht mehr möglich, da die Wellenlängen 240, 80, 60 und 50 cm zu weit auseinander lagen.
An Bord der Flugzeuge konnte nur ein Anrufempfänger eingebaut werden, vier waren nicht möglich.
Die Verhandlungen zwischen Marine und Luftwaffe erweisen sich als überaus schwierig und führten bis Kriegsende nicht zu einer befriedigenden Lösung.
Die Marine musste schon aus reiner Selbsterhaltung auf jedes Flugzeug, dass sich einem Schiff näherte und nicht rechtzeitig zu erkennen gab, ohne Warnung schießen. Leider sind während des Krieges (besonders zu Beginn - siehe zum Beispiel kürzlich dazu) eigene Flugzeuge wegen Fehlens oder nicht rechtzeitiger ES-Abgabe abgeschossen worden.
Es hat sehr lange gedauert, bis die Luftwaffe für diesen Zwang der Marine Verständnis zeigte.

Zumindest konnten Marine und Luftwaffe noch vor Kriegsbeginn eine Vereinbarung über einen ständigen, gegenseitigen Gedankenaustausch zu beiderseitigen Entwicklungszielen und -absichten vereinbarten.
Begonnen wurde die Zusammenarbeit mit dem o.g. Funkmeßgerät (Flak), dem "Würzburg-Gerät"
Die Anforderungen lauteten:
Entfernungsmessung von 1 bis 40 km mit Meßgenauigkeit +/- 25 m; Peilgenauigkeit für Seite und Höhe 1/16 Grad (d.h. bei 40 km ca. 44 m).
Die Meßwerte für bewegliche Ziele sollten mit gleichbleibender Genauigkeit über ein Weg/Geschwindigkeits-Getriebe ermittelt werden.
Für Winkelmessungen war eine Auswanderungsanzeige vorgesehen.

In der ersten Kriegszeit musste sich die Luftwaffe mit den wenigen aus Marinelieferungen abgezweigten "Freya-Geräten" behelfen, bis die ersten Geräte aus der eigenen Bestellung ausgeliefert wurden.

Über die anfänglichen Improvisationen und erste Kriegserfahrungen dann beim nächsten Mal.

Gruß
Ulf
"Damn the torpedoes! Full speed ahead!" D. G.  Farragut

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