Radargelenktes Feuer deutscher Kriegsschiffe im WWII

Begonnen von Matrose71, 09 August 2014, 17:08:26

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 6 Gäste betrachten dieses Thema.

Leopard2A6EX

Würde mich über eine "zusammenfassende" Einschätzung (soweit das bei der Menge möglich ist) deinerseits freuen.

Bin im KBismarck-Forum auch noch mal durch Dave Saxton's Beiträge gerrauscht. Ich oute mich durchaus als "Fan" von ihm - der hier gezeigte deutsche O-Ton von damals klingt aber etwas durchwachsener..

Gruß Frank

Thoddy

#226
Grundsätzlich:  Rolle 2177 erweitert die Reichweiten der Funkmessausrüstung gegenüber dem "Standardwerk" von Fritz Trenckle in einigen Fakten. z.B. Reichweiten Schiffe und landgestützte Anlagen, Genauigkeit bei Anwendung maximumpeilung, Datum Einführung der Feinpeilung

Stand der beschriebenen Technik ist meiner Meinung nach jedoch bestenfalls Ende 1940 Anfang 1941 (Scharnhorst/Gneisenau Atlantikunternehmung)

die Jahreszahlen der Rollenbeschreibung 1942/43  deutet im wesentlichen  daraufhin dass Zwischen Anfang 1941 bis 1943 kaum Entwicklung in der Ausrüstung deutsche r Schiffe mit Funkmess stattgefunden hat.

Es sieht für mich so aus als ob "nur" Seetakt/art -equipment mit TS1 Röhren und kleinen Spiegeln(nicht benannt) datenmäßig aufgeführt ist.
Nomenklatur ist "früh" (Fumo mit Jahreszahl)

Aber:
per 1943 hat Prinz Eugen Messreichweiten gegen Zerstörer von 30 km erreicht. 2177 meint dagegen Reichweite hier max 20 km.
Sichtbarkeit 28 cm Einschläge ca 18 km genannt im KTB Scharnhorst in Vorbereitung Nordmeerunternehmung Ende 1943.
von hochliegenden Landanlage vermutlich höher.
erreichte Funkmessreichweiten von Scharnhorst/Gneisenau gemäß Erfahrungsbericht Atlantik Unternehmung(1940/41)  teilweise höher als hier genannt.

Die Messkette hat eine Entfernungsanzeige mit Werteablesung alle 50 m. dem erfahrenen Operator ist es jedoch möglich ein nicht genau auf einem Ablesewert befindliche Mess-Zacke auf ca 25 m  zuzuordnen.

Spätere 368 MHz Geräte hatten eine Genauigkeit der Messkette von bis zu 10 m (unabhängig von Entfernung des Ziels Trenckle).
---------------------------------------
Verfahrensbedingt springen jedoch Seiten als auch Entfernungswerte auf Grund der Änderung von Reflexionsflächen wenn sich der Lagewinkel des Ziels ändert. (Dies ist jedoch auch für britische und US Radar anlagen aufgeführt.)  Dadurch ist teilweise der Input für die Seezielfeuerleitanlage nicht optimal

Grundsätzlich erfordern die 368 Mhz Geräte auch größere Antennenanlagen um eine ausreichende Bündelung des "Strahls" und damit genügend Rückstrahlenergie vom Ziel zu erreichen. dies vor allem auch mit Blick auf die verhältnismäßig geringen Sendeleistungen der Impulse.

Abhilfe wäre grundsätzlich der
-Übergang auf kürzere Wellenlänge/. --> kleinere Antennenspiegel, trotzdem bessere Strahlbündelung, erforderlich Rückstrahlflächen am Ziel für gleiche Empfangsenergie sind kleiner
-höher Impuls Sendeleistung -ermöglich größerer Zielzacken und kürzere Impulslängen (bessere Auflösung hinsichtlich mehrere eng zusammenstehender Ziele) (strapped Magnetrons).
-Signalkompression (es gibt deutsche Flak Feuerleit FuMG bei denen das vorhanden war. jedoch ist eine durchgehende Ausrüstung wegen des Technischen Aufwands nicht durchgeführt worden.

Zum Schluss als Fazit sozusagen das die deutsche Seite 1943 von einer spürbaren Unterlegenheit der eigenen Funkmesstechnik ausgeht
Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

Urs Heßling

Zitat von: Thoddy am 28 Februar 2023, 12:25:14
die Jahreszahlen der Rollenbeschreibung 1942/43  deutet im wesentlichen  daraufhin dass Zwischen Anfang 1941 bis 1943 kaum Entwicklung in der Ausrüstung deutsche r Schiffe mit Funkmess stattgefunden hat.
Ergänzung zu "kaum" : Versuchs-Einbau eines Lichtenstein-Geräts auf dem Schnellboot S 112 (nicht besonders erfolgreich)

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Leopard2A6EX

Danke Thoddy! Glaube es wird in der gesamten Rolle auch nicht einmalig die leistungsstärkere TS6 Röhre erwähnt oder?

Zum anderen wundert mich das ein Bericht die Genauigkeit mit Peilzusatz immer noch als ungenügend bezeichnet da 1/16 Grad in der Seite nicht erreicht wird. Spezielle SeeArt Geräte seien derzeit noch in der Entwicklung (auch Trenkle bezeichnet das so).

Während andere kurz und schmerzlos Geräte mit Peilgerät von SeeTakt zu SeeArt umklassifizieren (bei erwähnten 1/16 - 4/16 Grad Auflösung). Ohne den Zusatz für Artillerie nur bedingt brauchbar - nur bei einwandfrei geeichtem Gerät und erfahrener Bedienung so wie ich es verstanden habe. Das es prinzipiell möglich war zeigte doch dein Schießprotokoll von GS vs AS (Funkmess vs optisch) von Mitte/Ende 1939?

Laut GEMA wurden die Peilgeräte ab 1940 oder 41 (bin mir jetzt nicht sicher) serienmäßig ohne Auftrag der Marine verbaut wenn richtig erinnert.

Peter K.

Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Leopard2A6EX

Graf Spee vs Admiral Scheer. Nun gut es waren zwei Admiräle - hätte AGS vs AS schreiben müssen 🙈

Peter K.

GS für ADMIRAL GRAF SPEE war schon in Ordnung ...
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

olpe

Hallo,
vielen Dank für das Herausfischen der Funkmessdaten und die Kommentierung dazu.
Zu den unten angegebenen Röhrentypen TS1 und TS6 der GEMA hier Bilder:

TS1:


TS6:


Q Links: www.tubecollection.de

Soweit.
Grüsse
OLPE

fsimon

#233
Vielen Dank Frank für diese spannenden Dokumente und vielen Dank Thoddy für deine Einschätzungen.
Verstehe ich das richtig?
Das Dokument beschreibt Radare der Großkampschiife mit TS1 Röhren und Antennen mit 2 x 10 Dipolen, ausgehend von der Jahreszahl. Also sind dies Parameter, die für das FuMG39 G also FuMO 23 passen.
Wenn ich IMG_20230212_214600.jpg von Frank richtig lese,
dann ergeben sich für mich eine Reichweite von 30km gegen Schlachtschiffe für Bismarck für FuMO 23 ohne Peilung fein und 2/3 davon also 20km unter Nutzung Peilung fein.
Eine Winkelmessgenauigkeit von 1/16 Grad bis 2/16 Grad also 0.06 bis 0.12°. Diese Meßgenauigkeit ist aber erst ab 20km möglich. Außerhalb von 20km kann Peilung fein nicht genutz werden und die Peilgenauigkeit beträgt nur 1°. Die Entfernungsmessgenauigkeit wird mit +-25m angegeben.
Verstehe ich das richtig?

Thoddy

#234
die Daten sind richtig
mit der Einschränkung das sie wahrscheinlich maximal für FuMG 39/40 nach alter Lesart gelten (bis Stand Januar 1941). die 41er geräte sind FuMG 26/27 nach neuer Lesart mit größerer Antenne (mehr Dipole) und Leistungsfähigerer Triode.

Die Antennen mit mehr Dipolen besitzen eine Höhere Bündelung des abgestrahlten Signals. Dies bedeutet automatisch höhere Peilschärfe (genauigkeit) der Messung bereits im Max verfahren als auch eine Reichweitenerhöhung, da die Energiedichte Höher ist

Nochmal die Ende 1940er geräte
haben bei Aufstellung auf Schlachtschiff (30m Höhe)
Reichweite in der Regel von ca 30 km gegen Große Ziele und 20 km gegen  Zerstörer
bei Aufstellung in größerer Höhe(50 m -100m) Erhöhung Messreichweite gegen Schlachtschiffe bis 45 km und Zerstörer bis 35 km



leider sind Leistungsdetails der späteren System nicht "gut" kommuniziert, außer vielleicht von Prinz Eugen.
hier Auszug EM2 Protokoll vor Rheinübung. Hier sind jedoch kein max Reichweiten gegeben. sondern das was angefallen ist.
Fähre Sassnitz ist 1500 to Schiff.

in einem späteren KTB Eintrag Prinz Eugen wird die Reichweite gegen Zerstörer mit 30 km angegeben.

Ich schließe daraus, dass die kombinierte Wirkung größerer Antennen und leistungsfähigerer Triode Funkmess Reichweite um ca 50% gegen Zerstörer erhöht.




Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

Leopard2A6EX

Habe hier auch zum ersten Mal gelesen, dass der Peilzusatz die Reichweite auf 2/3 verringert. Frage: war dieser zu- und abschaltbar? Dass +20km mit Maximumpeilung gesucht werden konnte, im Falle eines Kontaktes unter 20km dann mittels Minimumpeilung Schießwerte generiert werden konnten?

Thoddy

Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

olpe

#237
Hallo,
Zitat von: Leopard2A6EX am 07 März 2023, 11:02:14
Habe hier auch zum ersten Mal gelesen, dass der Peilzusatz die Reichweite auf 2/3 verringert. Frage: war dieser zu- und abschaltbar?
... in der unten stehenden Geräteskizze aus ,,M-Dv-291-Funkmessgeraetekunde" nebst Bildern ist ein Umschalter am Bediengerät des Feinpeilzusatzes zu erkennen, welcher von ,,Grob-Peilung" auf ,,Fein-Peilung" umschaltet. Bei der Grob-Peilung kann durchaus von der einfachen Maximum-Peilung ausgegangen werden, bei der Fein-Peilung kam dann der Feinpeilzusatz der GEMA zur Anwendung. Hierbei handelt es sich um die Radattel-Peilung, eine Abart bzw. Verbesserung der Minimum-Peilung (auch Vergleichspeilverfahren bzw. später A/N-Peilung, speziell der Luftwaffe).

Den Reichweitenversatz erklärt [Trenkle] in ,,Die deutschen Funkmessverfahren bis 1945", S. 74 so:

Zitat:
,,Die Firma GEMA untersuchte daher Anfang Mai 1940 beim ,,Freya" (Werk Nr. 5) das ,,Minimumpeilverfahren", das erheblich bessere Peilgenauigkeiten lieferte. Hierbei wurden die linke und die rechte Hälfte der Empfangsantenne gegenphasig angeschlossen, so daß sich ein Doppelkeulendiagramm mit scharfer Nullstelle ergab. Das Ziel wurde ... im Empfangsminimum geführt, daher war die Peilreichweite etwas kleiner als die Auffaßreichweite (Erfassung des Ziels mit der linken oder der rechten Keule). Das Gerät soll auch bereits eine besondere Peilanzeigeröhre besessen haben, welche besser die direkte Leitung eines Jägers vom Funkmeßgerät aus ermöglichte. Das Minimum-Verfahren wurde weiterentwickelt zur s.g. ,,Radattelpeilung" (s. Marinegeräte), sie kam bei der Luftwaffe nicht zur Anwendung, weil Leutnant Diehl mit seiner Versuchsgruppe bis September 1940 das sogenannte ,,A/N-Peilverfahren" entwickelte.

Zitat Ende.

Q Bilder: Slg. OLPE; ,,M-Dv-291-Funkmessgeraetekunde"; cdvandt.org)

Soweit.
Grüsse
OLPE

Leopard2A6EX

Danke Thoddy und Olpe!

Tatsächlich da ist ein Schalter. Also kann man sagen dass sich die entsprechenden Seetakt Geräte selber einweisen konnten? Wurde ein Kontakt mittels Maximumpeilung während des Horizont absuchens festgestellt, konnte wenn die Entfernung genügend verringert war, der Peilgehilfe den Zusatz einschalten und das Ziel schließlich fixieren mittels Radattelpeilung?

fsimon

Hallo Leute,
das ist wirklich sehr interressant und lehrreich. Danke dafür.

Gruß
Frank

Impressum & Datenschutzerklärung