Radargelenktes Feuer deutscher Kriegsschiffe im WWII

Begonnen von Matrose71, 09 August 2014, 17:08:26

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 6 Gäste betrachten dieses Thema.

Gabler

Moinmoin,

wie angedroht nachfolgend eine zeichnerische Rekonstruktion der speziellen OB-Anzeige des Vormars-FuMG 39 auf Gneisenau mit Beispieldarstellungen des Angriffs vom 22.02.1941 auf den Frachter Harlesden:

Sie dürfen diesen Dateianhang nicht ansehen.

Was sehen wir hier?

Die Darstellung ist im Maßstab 1:1 abgebildet, der Röhrendurchmesser betrug 100mmm. Dann sehen wir die grüne horizontale Zeitlinie des "A-Scopes", des weiteren die grüne vertikale Lichtmarke, die von hinten auf die Mattscheibe projiziert wurde und die man abschalten konnte.

Der horizontale Ausschnitt war auf 25km Breite bzw. Entfernung eingestellt, so daß ein Millimeter Breite auf dem Schirm 250m Länge in der Realität entsprach. Die Meßkette wurde bei Krautwig im Suchbetrieb auf eine Grundeinstellung von 150hm eingestellt. Dementsprechend liegt der dargestellte Bildausschnitt in einem Entfernungsbereich von 2,5km bis 27,5km (15km-12,5m bzw. 15km+12,5km). Der Anzeigebereich wurde also etwas nach fern erweitert, der unmittelbare Nahbereich bis 2,5km hingegen (als irrelevant) nach links herausgeschoben.

Dementsprechend lag auch das (direkte) Nullzeichen links außerhalb des Sichtbereichs. Es ist in der Zeichnung links des Bildschirms angedeutet. Von hier aus sind auch die Entfernungsangaben maßstäblich eingetragen. Das allererste Echozeichen der Harlesden auf 184hm hatte eine Höhe von 1-2mm und war bei einer angenommenen Impulsbreite von 300m auch nur etwa einen Millimeter breit. Ein kleiner Pips also nur, wie man hier sehen kann. Aber klar, wäre das Signal schon deutlich größer gewesen, hätte der Funkmesser wohl nicht aufgepasst! Was auch klar wird: Bei einer solchen Zeichengröße erübrigen sich Einstellbemühungen nach Echospitze, -flanke oder -Fußpunkt, zumindest bei dieser Entfernung. Ein weiterer Aspekt wird hierbei anschaulich: Bei einer solch kleinen Zeichengröße wird das Echo beim Einmessen mit Hilfe der Lichtmarke von dieser praktisch vollständig überdeckt! Genau deshalb war es erforderlich, die Lichtmarke abschaltbar zu machen, um durch Vergleich mit/ohne Lichtmarke die Einmessung auf ebendiese Nullmarke zu verbessern. Zum Vergleich nochmals eine "echte" Lichtmarke, die von Herrn Arthur Bauer vor etwa 10 Jahren rekonstruiert und wieder in Betrieb genommen wurde, siehe hier:

Sie dürfen diesen Dateianhang nicht ansehen.

Das Foto wurde durch den herabgeklappten Lupenrahmen, welcher die Vergrößerungslupe enthält, gemacht. Die Lichtmarke erscheint daher breiter und oberer sowie unterer Bereich der Röhre sind abgeschnitten. Die Beschreibung der Wiederinbetriebnahme findet sich hier:

https://www.cdvandt.org/exhibits-detais-17a.htm

Zurück zur Zeichnung: Die unterhalb der Zeitlinie angebrachte Strichplatte mit der Skalierung von -20hm bis +20hm war nicht ab Werk am OB-Gerät verbaut, sondern wurde von Dr. Krautwig nachträglich während der Unternehmung, also auf See angebracht. Sie diente der Aufschlagmessung, spielte aber zu diesem Zeitpunkt noch keine Rolle. Ich habe sie so ausgeführt wie im SAS-Handbuch skizziert. Hilfreich wäre sicherlich, im Nahbereich unter 5hm noch eine engere Sklalierung in 100m- oder sogar 50m-Schritten zur besseren Ablesung vorzunehmen, aber das wäre reine Spekulation.

Das Ziel wurde wie schon beschrieben laufend geortet. Der Fahrtüberschuß während der Annäherung sollte nur etwa 5 Meilen betragen, um sich möglichst nicht zu früh durch eine zu große Bugwelle zu verraten. Deshalb dauerte es eine Stunde, bis um 22:28 die Entfernung noch bei 50hm lag. Nun konnten zum ersten Mal zwei Spitzen erkannt werden. Dies ist in der unteren Darstellung festgehalten. Auch das Nullzeichen ist mit abnehmender Entfernung wieder in die Anzeige zurückgeschoben worden. Ob und wie die Höhe des Nullzeichens sich ändert, ist nicht nachvollziehbar, daher habe ich sie in derselben Größe belassen, da auch nicht weiter relevant. Zur besseren Erkennbarkeit der Spitzen wurde die Lichtmarke ausgeblendet. Zu diesem Zeitpunkt mußte die Senderleistung über die Anodenspannung schon dreimal reduziert werden, von 6kV auf 1,5kV, also auf ein Viertel. Dennoch nahm das Zielzeichen bereits die "halbe Skala" ein. Ich nehme an, er meinte damit die Hälfte der oberen Bildschirmhälfte, denn nur in diese Richtung wurde dieses Strahlsystem vertikal abgelenkt.

Fortsetzung folgt...

Thoddy

Wie gesagt Krautwig sagt:"da die EU (der Aufschläge) klein sind gegen die Zielentfernung wird der Einbau einer Zusatzeinrichtung vorgeschlagen,mit deren hilfe durch Umlegen eines Schalters für die Dauer der Aufschlagmessung der Maßstab in der Umgebung der Nullmarke STARK VERGRÖßERT wird
Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

Gabler

ja genau, darüber bin ich ja kürzlich gestolpert. Tatsächlich schreibt er ja korrekt, NUR der Maßstab wird vergrößert und nicht das gesamte Bild, wie etwa mit der vorgeblendeten Lupe. Die zuschaltbare "Zusatzeinrichtung" besteht aus dem zusätzlichen Ablenkverstärker und er schreibt selbst, daß damit der dargestellte Entfernungsausschnitt auf 5km vergrößert wird. Der Vergrößerungsfaktor ist als 5-fach. Das verwurste ich noch in einer weiteren Darstellung.

Gabler

Zwischenzeitlich habe ich auch über die Größe des Nullzeichens nachgedacht: In irgendeiner Quelle hieß es, das Nullzeichen sei stets größer als das Zielzeichen und in all den Prinzipdarstellungen ist es auch immer so dargestellt. Es scheint auch irgendwie logisch, denn sonst würde das Zielzeichen ja nicht bei Annäherung irgendwann im Nullzeichen verschwinden - sonst gäbe es ja gar keine Mindestreichweite, was gewiß nicht so ist. Schließlich liegt es noch irgendwie nahe, daß, wenn das Zielzeichen sich bei Annäherung vergrößert, auch das Nullzeichen sich vergrößert - ohne daß ich das im Moment argumentativ begründen könnte. Kurzum: Wahrscheinlich passt die Größe des Nullzeichens im Bild oben nicht so ganz, ich habe das bei der folgenden Darstellung geändert:

Sie dürfen diesen Dateianhang nicht ansehen.

Wenige Minuten nachdem das Ziel so wie in der ersten Zeichnung sich zeigte, nahm das Echozeichen um 22:35 bei 35hm bereits die "ganze Skala" ein, reichte also wohl bis an das obere Ende der Röhre, woraufhin die Anodenspannung erneut heruntergeregelt wurde, nun auf 1kV. Dann, um 22:39 war die Entfernung auf 26hm verringert und die Scheinwerfer wurden aufgeblendet, der Beschuß begann. Auf dem oberen Bild der zweiten Zeichnung habe ich in der oberen Darstellung diese Messung eingetragen. Auch hier war also "ganze Skala" ausgefüllt, das Zeichen reichte bis zum Bildschirmrand. Das Nullzeichen wanderte mit abnehmender Zielentfernung immer weiter nach rechts in Richtung Lichtmarke.

Ob die E von der Funkmessstelle auch an den Schußwertrechner telefonisch übermittelt wurde (und nicht nur an die Brücke), ist fraglich, auch wenn das Ziel vom optischen E-Messer erst bei 63hm erfasst wurde. Unklar auch, ob die Ausleuchtung für eine genaue optische Messung überhaupt ausgereicht hat. Jedoch waren auf solch geringe Gefechtsentfernung die optischen Basis-Geräte genauer als das Dete-Gerät, weshalb ich annehme, daß die Basisgeräte als E-Geber für die Artillerie verwendet wurden, allerspätestens sobald das Ziel angeleuchtet wurde.

In diesem Moment der Feuereröffnung oder kurz zuvor wurde die OB-Anzeige umgeschalten. Durch den Auslenkverstärker wurde das Ziel jetzt um das 5-fache verbreitert. Die Kontur des Zielzeichens war so besser erkennbar, die beiden erwähnten Spitzen auseinandergezogen. Infolge des vergrößerten Entfernungsmaßstabs sprang auch das Nullzeichen um den 5-fachen bisherigen Abstand des Zielzeichens wieder nach links und verschwand fast vollständig. All das ist in der unteren Abbildung dargestellt.

Krautwig berichtet weiterhin, daß sich das Höhenverhältnis der Spitzen zueinander im Zeitverlauf geändert hat, so daß man daraus zumindest eine Lageveränderung erkennen konnte. In welche Richtung oder gar um welchen Wert, erscheint mir jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht bestimmbar. Ich würde aber zumindest soweit gehen, daß die Silhouette eines Kriegsschiffs ein deutlich anderes Zeichen ergab als die eines Frachtschiffs. Man könnte also mit Hilfe entsprechender Versuche die Ziele zumindest grob voneinander unterscheiden. Jedoch ist zu bezweifeln, daß hierüber noch Erfahrungswerte gewonnen und dokumentiert wurden.

Ob die Aufschläge auf der vergrößerten Anzeige überhaupt zu erkennen waren, ist ebenso fraglich, denn der Artillerieangriff wurde durch die MA eingeleitet und deren Aufschläge waren wohl nicht zu sehen, offenbar auch nicht auf diese geringe Entfernung, andernfalls hätte er das vermutlich erwähnt. Ein hypothetisches Aufschlagzeichen ist zur Veranschaulichung gestrichelt links neben dem Zielzeichen angedeutet. Hier nun käme die unterhalb angebrachte Skala zum Tragen, die abgelesene E-Ablage bzw. der Entfernungsunterschied ("EU") läge in dem Fall bei "5 Hundert kurz".

Solange der Maßstab der Anzeige so vergrößert war, konnte die Meßkette nicht zur Entfernungsmessung verwendet werden, denn deren Teilung änderte sich nicht. Um nach einer Aufschlagmessung wieder die E messen zu können, mußte die Verstärkung also wieder ausgeschalten werden, vor der nächsten Aufschlagmessung dann wieder zugeschalten werden usw. Damit spätestens wird offenbar, daß eine einzige Röhrenanzeige für Entfernung, Peilung und auch noch Aufschlagmessung nicht praktikabel ist.

Ich spekuliere daher mal ins Blaue hinein: Da sich damit eine bedeutende Fehlerquelle bei der E-Messung eröffnete - zumal ab Bismarck die Meßkette als E-Geber direkt an den Schußwertrechner angeschlossen wurde - hat man bei der Gema diese Zusatzfunktion nicht für den OB-Einsatz übernommen, sondern stattdessen eine feste Ausschnittsvergrößerung für eine detaillierte Zielzeichendarstellung in die Übersichtsanzeige des NB-Geräts integriert - in Form einer zweiten Röhre. Dort konnte man nun  das Zielzeichen mit der Skala separat einmessen, und eventuell auch die Ablage (allerdings bislang nicht nachgewiesen), während die OB-Anzeige wiederum ausschließlich zur Zielmessung verwendet wurde. Das erscheint alles jedenfalls sehr sinnvoll. Eine Darstellung der vollständigen NB-Anzeige ist in Arbeit. Auch die Peilung wurde kurze Zeit später über die nachgerüsteteten Peilzusätze mit Hilfe der separaten PB-Röhre vom OB-Gerät getrennt. Dazu ev. später mehr.

Soviel von meiner Seite aus. Vorläufig  :-D

Grüße

Gabler

Thoddy

Im Trenckle ist die Rede von 10,5 cm geschossen deren Einschläge erkennbar waren. Vermutlich Batterie im Raum Stavanger.

Außerdem wurden mit Seetakts Luftminenabwürfe vermessen. Und dann Räumbote in die betroffene  Gegend geschickt.
Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

Impressum & Datenschutzerklärung