Das leidvolle Schiffsleben der "Gorch Fock I "

Begonnen von halina, 11 September 2014, 19:09:17

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halina

Als Ersatz für das auf tragischerweise untergegangene Schulschiff der Reichsmarine , die "NIOBE" im Jahr 1932 , wurde 1933
die bei B & V gebaute 82 m lange und mit einer Konstruktionsverdrämgung von ca. 1.400 t die " GORCH FOCK I " in Dienst
gestellt als Ausbildungsschiff für die Kadetten der Reichsmarine .  Ab Mitte 1935 dann unter der Reichskriegsflagge fahrend ,
nach Kriegsbeginn nur noch wenige Ausbildungsfahrten abwechselnd mit Verwendung als Marine-Wohnschiff in den Häfen
Kiel und Swinemünde . Nach der Hebung 1947 wurde das Schiff in Stralsund repariert und am 15.6. 1951 von der Marine
der UdSSR unter dem Namem "Tovarishsh" (weiter Towarisch) in Dienst gestellt und in Cherson am Dnjepr stationiert .
Wegen des guten Seeverhaltens gewann der Dreimatschoner 1974 und 1976 die " Operation Sail " .
Nach Auflösung der SU ging dann die Towarisch 1991 in den Besitz der Ukraine über , doch das relativ grosse Schiff war wohl für die Kadettenausbildung der kleinen Marine nicht ausgelastet , so dass bis 1997 überwiegend Charterfahrten für
Ship-Lover angeboten wurden , wobei auch Rostock angelaufen wurde . Da von der ukrainischen Regierung für eine nun
notwendige Überholung des Schiffes keine finanziellen Mittel bereigestellt werden konnten , musste man nach Sponsoren
suchen die sich angeblich aus GB angeboten hatten das Schiff wieder auf Vordermann zu bringen , doch in den Häfen der
Ostküste angekommen wurde diese Hoffnung zerschlagen .  Im Herbst 1999 kam nun Hilfe von der " Tall-Ship Friends e.V."
die den Segler nach Wilhelmshaven überführte , wo es dann für 4 lange Jahre der Liegehafen wurde . In dieser Zeit konnten dann zunächst die notwendigsten Sicherungsmassnahmen und auch einige Reparaturarbeiten durchgeführt werden , doch für die an Bord gebliebene Notbesatzung mit dem Kapitän begann eine ungewisse Zukunft , da von der Ukr.
keinerlei finanzielle Unterstützung ankam . Aus der Bevölkerung und von hilfreichen Sponsoren wurde die Besatzung gut
versorgt und auch die Crew war aktiv , so konnte das Schiff für 5 DM besichtigt werden , dazu bekam man auch noch
eine gutschmeckende Ukrainische - Borscht-Suppe ,  die ich 2001 genüsslich zu mir nahm .
Da der Wilhelmshavener Stadtsäckel wie immer fast leer war , erbarmte sich die "Tall-Ship Friends" und erwarb das Schiff
im Oktober 2003 von den ukrainischen Behörden und transportierte das nun nicht mehr seefähige Schiff mit der Condock V
von Wilhelmshaven nach Stralsund , hier wurde nun die Towarisch bis 2010 mit Hilfe von Sponsoren gründlich erneuert und in einen seefähigen Zustand versetzt , ab November 2003 war es nun auch wieder  die alte "GORCH FOCK I" mit Stralsund
als Heimathafen . Hier liegt der Schoner nun zunächst als Museumsschiff und steht der Öffentlichkeit auch für Besuche und
gesellschaftliche Ausrichtungen zur Verfügung .
Der nächste Schritt wird sein , eine Seezulassung für Fahrten auf der Ostsee zu erreichen , wegen der grossen Länge von
über 55 meter kann es nicht als Traditionsschiff zugelassen werden , also Daumendrücken ist angesagt .
                                                                                                                                                                       :MG:  halina
Noch einige Fotos im Anhang :

Bild # 1 Die " Condock V " mit der Towarisch an Bord auf der Fahrt von Wilhelmshaven nach Stralsund im Oktober 2013
                                         Urheber: Klugschnacker    ( gemeinfrei )

Bild # 2 " Gorch Fock " in der Volkswerft von Stralsund liegend am Tag der Wiedertaufe , den 29.11. 2003
                                    Urheber : Klugschnacker , Lizenz :  CC-BY-SA 3.0 de

Bild # 3  Der Steuerstand der GF mit Steuerrad , Maschinentelegraph und den Kompass-Säulen .
                                    Foto vom 5.5.2006 , Urheber: Sven Wolter , Lizenz: CC-BY-SA 3.0 de

Bild # 4  Die Gorch Fock von 1933 an der Pier in Stralsund ,Foto vom 17.9. 2009 Author: Polarstern , Lizenz: CC-BY-SA 3.0
              ein toller Anblick , mal wieder ein schönes Schiff vor dem Schneidbrenner gerettet .

Bild # 5  Der Schoner wieder klar zum Auslaufen im Stralsunder Hafen , Foto vom 15.6.2013, Klugschnacker ,  "    "    "
" Man muss nicht unbedingt das Licht des Anderen ausblasen , um das eigene Licht leuchten
zu lassen"
                      Phil Borman

smutje505

Hallo Günter Hier ein Ausschnitt aus der OZ v.03.09.2014(Bild 5 -nichts mit wieder klar zum Auslaufen)

Stralsund
Gutachten: ,,Gorch Fock" ist in schlechtem Zustand
Laut einem beauftragten Schiffsexperten ist es kaum möglich, die Bark wieder seetüchtig zu machen. Die Kosten würden weit über einem identischen Neubau liegen.

Stralsund. Der geplante Kauf der Gorch Fock durch die Hansestadt Stralsund droht zu einer kostspieligen Angelegenheit zu werden. Dies geht aus dem von Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU) beauftragten Gutachten hervor, in dem geprüft worden ist, ob eine Übernahme des Traditionsseglers sinnvoll sein könnte.

Demnach verlangt allein der Verein ,,Tall Ship Friends", dem das Segelschulschiff seit 2003 gehört, laut vorliegendem Kaufvertragsentwurf einen Preis von knapp einer Million Euro, obwohl der Materialwert der Gorch Fock dem Gutachten zufolge maximal 416 000 Euro beträgt. Hinzu käme aber der ideelle Wert, den sich die Gorch Fock in den vergangenen zehn Jahren als feste Größe in der Stralsunder Kulturlandschaft erarbeitet hätte. Dieser könne jedoch in Zahlen nicht ermittelt werden, heißt es in dem Gutachten.

Neben dem Kaufpreis müsste das 81 Jahre alte Schiff nach Angaben der Gutachter für mindestens 3,4 Millionen Euro saniert werden, womit sich die Gesamtkosten für Erwerb und Instandsetzung auf knapp 4,4 Millionen Euro belaufen. Dafür seien aber lediglich Maßnahmen realisierbar, um die Schwimmfähigkeit des Schiffes während der nächsten Jahre zu erhalten. Soll es wieder seetüchtig gemacht werden, würde dies weitere Ausgaben in Höhe von etwa 1,5 Millionen Euro bedeuten.

Pikant: Weil die Gorch Fock in den vergangenen Jahren im Innern baulich zu sehr verändert worden ist, wurde ihr der Status als Denkmal aberkannt. Auf zusätzliche Denkmalschutz-Fördermöglichkeiten kann Badrow also nicht hoffen.

Bei der Landesregierung hat die Stadt zwar für Kauf und Reparatur des Segelschiffes Zuschüsse in Höhe von 90 Prozent der Kosten beantragt, sich aber bei der Gesamtsumme von 4,4Millionen Euro um 675 000 Euro verschätzt, die Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) noch einmal drauflegen müsste, sollte er dem Förderantrag zustimmen. Aus der Stadtkasse würden in diesem Fall 435 000 Euro fließen, um die Gorch Fock zu kaufen und wieder flottzumachen.

halina

Moin Hartmut ,     

Eine recht seltsame und unlogische Vorgehensweise , zuerst investiert man hohe Beträge für den Umbau des Schiffes mit
neuen Dieselaggregaten mit dem Ziel den Segler wieder seetüchtig zu machen und erst danach lässt man ein Gutachten
erstellen wegen der beantragten Seezulassung , in diesem Fall sollte man einen 2. Gutachter bestellen , denn wenn die
Schäden so umfangreich zu Buche schlagen , hätte die Werft bestimmt mit Ihrer Kompetenz auf die noch vorhandenen
Mängel bereits hingewiesen , wahrscheinlich gibt es hier einen Interessenkonflikt .
                                                                                                                                                                  Gruss  Günter
                                                                                                                                                             
" Man muss nicht unbedingt das Licht des Anderen ausblasen , um das eigene Licht leuchten
zu lassen"
                      Phil Borman

Urs Heßling

moin, Günter,

Zitat von: halina am 11 September 2014, 19:09:17
Wegen des guten Seeverhaltens gewann der Dreimatschoner 1974 und 1976 die " Operation Sail " .
1) Die (Dreimast)Bark, bitte !  Ein Schoner sieht doch etwas anders aus.
2) Als ich im Jahre 1978 als Segeloffizier auf die "Gorch Fock (II)" kam, wurde über die Siege der "Towarish" nur gegrinst :-D
Die "Bordversion" war, daß es 1974 Vorgaben aus dem politischen Raum gab, das Schiff gewinnen zu lassen, siehe http://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php?topic=16579.0
Bei der Operation Sail 1976 verdienten sich die sowjetischen Schiffe die (Bord-)Spitznamen "Motorwisch" und "Dieselstern" ... ein Schelm, wer Arges dabei denkt  :-D

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

halina

#4
Moin Urs ,

Danke für Deine Berichtigung , es mag sein dass es für die Sail 74 eine Absprache gab , aber doch wohl nicht auch 1976 ,
ich möchte annehmen dass die GF I  ein guter Segler war mit ähnlichen Eigenschaften wie die GF II .
Die Bezeichnung "Dieselstern" mag darauf zurückzuführen sein , dass der Bordnetz-Diesel mit grosser Lautstärke lief und
somit die Besatzungen der Nachbarschiffe um ihren Schlaf gebracht wurden . Während seines Aufenthaltes in WHV musste
daher das Schiff am äussersten Ende des Bonte-Kais festmachen , um nicht die dortigen Anwohner zu stören .
                                                                                                                                                                             Gruss  halina

P.S. Dann war wohl Dein damaliger Kommandant Kpt.z.S. Horst-Helmut Wind , unter senem Kommando wurden 11
       Ausbildungsfahrten mit der GF II absolviert .
" Man muss nicht unbedingt das Licht des Anderen ausblasen , um das eigene Licht leuchten
zu lassen"
                      Phil Borman

Bugsierstefan

Moin Forum,

mit Interesse las ich diesen Thread und konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Als erstes, eine Dreimastbark, so wie Urs es schon schrieb!
Danach musste ich schon ein wenig die Stirn runzeln, das liegt aber nicht! an Günter(halina)!
Ich habe es miterlebt, was es bedeutet, einen solch alten und heruntergefahrenen Segler wieder flott zu machen. Auch bei unserem Schiff, die Rickmer Rickmers waren diese Ideen, nämlich evtl. wieder als Museumsschiff zu segeln, durchaus vorhanden. Doch da war nach der Untersuchung durch Fachkräfte, ich meine vom GL, Schluss, denn z. B. nach der Röntgen, sowie auch der endoskopischen Untersuchung der Masten hatte man diese nur noch für einen stationären Museumsauflieger für gut befunden, aber nicht, um auf See den Belastungen noch standzuhalten. War damals auch so ziemlich das erste, was nach dem Einlaufen der RR gemacht wurde. Danach fiel auch sofort die Entscheidung, die RR nur noch als Museumsschiff (Hafenlieger) fertigzustellen. Denn die Kosten für eine neue "Bemastung" usw. waren schon damals utopisch und das Thema war vom Tisch.
Warum schaut man nicht mal bei anderen Museumsschiffen vorbei und tauscht sich da aus?

Viele Grüße!

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