Transport Gefangener durch die Kriegsmarine

Begonnen von bettika61, 28 Juni 2016, 23:29:53

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Darius

Hallo zusammen,

evtl. wurde es hier schon mal eingestellt - konnte den Beitrag aber nicht mehr finden.

KTB des Marinebefehlshabers in den Niederlanden:
Zitat30.07.1944, Scheveningen:
In der Zeit vom 15.-21.07.1940 wurden über Dordrecht auf Binnenschiffen 2147 franz. und 911 engl. Kriegsgefangene nach Deutschland transportiert.
5126 Flamen wurden von Deutschland nach Antwerpen zurückgebracht.

 :MG:

Darius

bettika61

Hallo Darius,
danke für den Hinweis, diesen Transport kannte ich noch nicht  :MG:
Meintest Du 1944 oder 1940?
Zitat30.07.1944, Scheveningen:
In der Zeit vom 15.-21.07.1940

Für Mai 1940 hatten wir belgische Kriegsgefangene:
https://forum-marinearchiv.de/smf/index.php?topic=26430.msg369755#msg369755
Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

Darius

Hallo Beate,

korrekt ist 1940.
Danke für den Hinweis und den Link.


 :MG:

Darius

TW

Hallo Beate und alle Interessierte,
In der Datenbank "Flucht über die Ostsee" befinden sich inzwischen 16 Datensätze zum Thema "Transport von Häftlingen".
Im Suchfeld unter "Fahrten" das Wort "Häftlinge" eingeben.
Gruß, Thomas
Schönen Gruß aus Stuttgart
Thomas

TW

Zum Thema fand ich heute diesen interessanten (ULTRA-)Funkspruch:
ZIP/ZTPG/367984

FROM: C-in-C 'T'
TO: SEA DEFENCE COMMANDANT EAST PRUSSIA
TOO 1210 -- TOI: 1425/29/4/45

THE C-IN-C OF THE NAVY HAS FORBIDDEN THE TRANSPORT AWAY TO THE WEST
OF INMATES OF CONCENTRATION CAMPS, VOLONTARY ASSTSTANTS AND PRISONERS OF WAR.
INMATES OF CONCFNTRATION CAMPS ALRFADY EMBARKED ARE TO BE
DISEMBARKED AGAIN FORTHWITH.
Schönen Gruß aus Stuttgart
Thomas

bettika61

Zitat von: TW am 29 April 2025, 10:34:51Hallo Beate und alle Interessierte,
In der Datenbank "Flucht über die Ostsee" befinden sich inzwischen 16 Datensätze zum Thema "Transport von Häftlingen".
Im Suchfeld unter "Fahrten" das Wort "Häftlinge" eingeben.
Gruß, Thomas
Lieber Thomas,
Danke das Du dies bei Deiner Auswertung mit berücksichtigt. :MG:
Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

bettika61

Zitat von: TW am 05 Mai 2025, 18:20:53Zum Thema fand ich heute diesen interessanten (ULTRA-)Funkspruch:
ZIP/ZTPG/367984

FROM: C-in-C 'T'
TO: SEA DEFENCE COMMANDANT EAST PRUSSIA
TOO 1210 -- TOI: 1425/29/4/45

THE C-IN-C OF THE NAVY HAS FORBIDDEN THE TRANSPORT AWAY TO THE WEST
OF INMATES OF CONCENTRATION CAMPS, VOLONTARY ASSTSTANTS AND PRISONERS OF WAR.
INMATES OF CONCFNTRATION CAMPS ALRFADY EMBARKED ARE TO BE
DISEMBARKED AGAIN FORTHWITH.

Hallo Thomas,
Danke für die Erinnerung,und Dein interessieren Mitlesen,
  Mir war so, das dies schon mal Thema war  8-)
https://forum-marinearchiv.de/smf/index.php?msg=300925
Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

TW

#442
Zitat von: bettika61 am 08 August 2016, 15:12:58Wie ist dieser Funkspruch zu interpretieren?

Ja, das habe ich mich auch gefragt.
Ich habe überlegt, ob die Kriegsmarine angesichts der verheerenden (aus heutiger Sicht: aussichtslosen) militärischen Lage kalte Füße bekommen hat und schon mal daran dachte, sich den Siegermächten später als Wehrmachtsteil zu präsentieren, der mit Konzentrationslagern und Genozid nichts zu tun hatte. Aber Dönitz war anders gestrickt. Er war 100-prozentiger Nazi und hätte eher auf Ausreden wie "Gefangene vor den bolschewistischen Gewalttaten in Sicherheit bringen" gesetzt.

Ich stieß ja auf mehrere Funksprüche zu den verheerenden Zuständen auf dem Transportkahn "Ruth". Man vermutete eine Seuche, weil so viele Menschen sich übergaben und starben. "Dehydration", "Angst" und "Stress" gehörten damals noch nicht zur medizinischen Diagnostik und passten erst recht nicht ins wissenschaftliche Bild der militaristischen Nazi-Mediziner. Die vermutete Seuche wollte man aber gewiss nicht nach Westen einschleppen und daher die Aufforderung, den Transport aufzugeben.

Was aber sollte mit den überlebenden Häftlingen geschehen? Ein Zurück gab es nicht, eine Ausschiffung in Wismar, das als Zwischenstation angepeilt war, hätte bei den am Kai wartenden Flüchtlingen mit Sicherheit Ärger und Verzweiflung ausgelöst. Ich glaube, so furchtbar es klingt, dass in dem Funkspruch eine Ausschiffung auf hoher See empfohlen wurde.

Angesichts dieser Anordnung ist es eigentlich verwunderlich, dass der Transport dennoch fortgesetzt wurde.
Möglicherweise war Niemand vom Wachpersonal bereit, in den Laderaum hinabzusteigen und die Seeventile zu öffnen, um den Prahm mit den Gefangenen untergehen zu lassen. Man hätte sich und die Anderen mit der Seuche anstecken können, oder wäre von den Gefangenen umgebracht worden. Man konnte auch nicht die Gefangenen einzeln an Deck beordern und hinrichten, ohne dass dies unbemerkt geblieben wäre und unter Deck zu einem Streik geführt hätte. So gesehen war die Anordnung schlicht undurchführbar, und (vielleicht) deshalb wurde der Transport fortgesetzt.

Das sind alles furchtbare Überlegungen, aber ich denke, man muss sie sich schon einmal durch den Kopf gehen lassen.
Lieber Gruß, Thomas
Schönen Gruß aus Stuttgart
Thomas

Violoncello

Hallo Thomas,

zur Einordnung von #439 in Verbindung mit deinen Überlegungen zu #444:

1. Der Befehl ging an den Kommandanten der Seeverteidigung Ostpreußen. Die örtliche Zuständigkeit betraf  Ostpreußen, soweit es noch in deutscher Hand war. Der Befehl kann sich daher nur auf Schiffe im Hafen und auf Reede bezogen haben. Das Stabsquartier des Kommandanten der Seeverteidigung lag in Pillau. Pillau wurde am 25./26.4.1945 aufgegeben.

2. Der Inhalt des Befehls ist unter Berücksichtigung des unter 1. Geschriebenen m.E. unmissverständlich.

3. Zur militärischen Lage: Nach der Heereslage 28.4.1945 als Beitrag zum KTB Skl 29.4.1945 hatten die Sowjets auf der Nehrung mit Panzerunterstützung die Stellung des Balgaschen Tiefs durchbrochen. Schwere Kämpfe um den Zusammenhalt der Front fanden nördlich Danzigerhaken statt. An der Elbe hatten die Briten einen Brückenkopf über die Elbe gebildet.

4. Zur zeitlichen Einordnung des Funkspruchs: Nach dem KTB des OKW-WFSt rief Dönitz dort am 29.4.1945 11.00 Uhr an und informierte darüber, dass der Feind bei Lauenburg einen Brückenkopf über die Elbe gebildet habe.

Fazit: Die Fronten standen in Ost und West unmittelbar vor dem Zusammenbruch. Ich würde jetzt weiter nach einem Beleg dafür suchen, dass ab sofort nur noch deutsche Flüchtlinge nach dem Westen transportiert werden durften.

Viele Grüße

Violoncello

TW

Zitat von: Violoncello am 07 Mai 2025, 11:29:551. Der Befehl ging an den Kommandanten der Seeverteidigung Ostpreußen. Die örtliche Zuständigkeit betraf  Ostpreußen, soweit es noch in deutscher Hand war. Der Befehl kann sich daher nur auf Schiffe im Hafen und auf Reede bezogen haben. Das Stabsquartier des Kommandanten der Seeverteidigung lag in Pillau. Pillau wurde am 25./26.4.1945 aufgegeben.

Vielen Dank für Deine Einwendungen, Hartwig.
Willst Du mir sagen, dass der Häftlingstransport PREGEL mit RUTH nicht gemeint war?
Richtig: der Befehl ging an den Kommandanten der Seeverteidigung Ostpreußen. Er war aber am 29.4. sicher nicht mehr in Pillau erreichbar. Wohin der Stab zuvor verlegt hatte, weiß ich im Moment nicht. -- Der Transport von Stutthof nach Westen begann in der Weichselniederung. Das Terrain gehört zwar streng genommen zu Westpreußen. Aber Westpreußen war schon seit Ende März von der Roten Armee besetzt, und einen Seekommandanten Westpreußen gab es m.W. auch gar nicht. Ich denke daher, es wird schon Bezug genommen auf den PREGEL/RUTH-Transport, der da von "Ostland" nach Westen unterwegs war und den Verantwortlichen ganz offenbar unangenehm wurde.
Viele Grüße, Thomas

P.S. Ich muss aber einräumen, dass es, wenn meine Ausführungen richtig sind, sinnvoller gewesen wäre, den Seetransportchef der Wehrmacht anzusprechen.
Schönen Gruß aus Stuttgart
Thomas

Violoncello

Hallo Thomas,

zu deiner Frage: Nach meiner Einschätzung kann man auf Grund der TOI, des Datums, des Adressaten und des Inhalts des Fernschreibens einen konkreten Zuammenhang mit dem von dir genannten Transport wohl sicher ausschließen. In dem Funkspruch ist zudem kein konkretisierender Vorgang genannt. Zur Verifizierung wäre es erforderlich, den Befehl des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine und den Kreis der adressierten Behörden zu ermitteln. Ich würde auf die Hypothese setzen, dass der Befehl in genau der generell gefassten Form erlassen worden ist, unmittelbar nachdem der Reichsführer SS (zuständig für die Konzentrationslager) und Befehlshaber des Ersatzheeres (zuständig für die Bewachung der Kriegsgefangenlager), Heinrich Himmler, durch Hitler von allen Ämtern entbunden und per Haftbefehl zur Suche ausgeschrieben worden war. Dies dürfte noch am 28. oder 29.4. morgens geschehen sein.

Der Kommandant der Seeverteidigung Westpreußen hatte zuletzt seinen Sitz in Hela, ich bin mir aber nicht sicher, ob er zu dem hier interessierenden Zeitpunkt als Dienststelle noch bestanden hat.

Viele Grüße

Violoncello


TW

#446
Moin Hartwig
Deine Argumente sind sehr bedenkenswert, können mich dennoch nicht überzeugen. Auch wenn der PREGEL/RUTH-Transport nicht angesprochen wird, so könnte er Anlass für die generelle Anordnung gewesen sein. Denn dass Himmler aufgrund seiner Fühlungnahme zu den Westmächten von Hitler verstoßen wurde, bedeutet nicht zwingend, dass man die Anordnung, die Konzentrationslager zu räumen, für falsch hielt. "Todesmärsche" wurden meines Wissens nie widerrufen, Seetransporte zum Tode mit dieser Anweisung scheinbar schon, aber nicht wirklich. Ich vertrat ja die These einer "Ausschiffung auf hoher See".

Der Adressat des Funkspruchs (bin ja erst durch Deine Entgegnung so richtig darauf gestoßen) ist eigenartig. Erstens war der Seekommandant Ostpreußen am 29.4. nicht mehr in Pillau. Zweitens wäre er auch sonst nicht der richtige Ansprechpartner für generelle Anweisungen zu Transporten von KZ-Häftlingen gewesen. Das wäre wohl eher Engelhardt, der  Seetransportchef der Wehrmacht, gewesen. Was hat es mit dieser eigenartigen Adressierung auf sich?

Die Konzentrationslager im "Ostland" waren Ende April 1945 bereits geräumt, lange Zeit hatte Stutthof die Gefangenen aus weiter östlichen Lagern aufnehmen müssen. Die Entdeckung und Befreiung von Auschwitz hatte innerhalb des Deutschen Reiches zu keiner besonderen Erregung geführt. Warum also sollte Stutthof überhaupt (und im Grunde auch zu spät) noch aufgelöst werden? Ich sehe die Erklärung in der nationalsozialistischen Ideologie. Die Nationalsozialisten wollten das Vernichtungsprogramm trotz ihrer absehbaren Niederlage zu Ende bringen.

Ich sehe keinen Sinn darin, Todesmärsche zu gestatten und Todestransporte zu verbieten. Aus dem Lager Stutthof gab es keinen Landweg für eine Verlegung mehr. Der einzige Grund, einen Todestransport zu untersagen, lag meiner Meinung nach darin, dass er zu erheblichen Problemen führte. Genau das drohte dem PREGEL/RUTH-Transport.

Warum wurde der Funkspruch so generell abgefasst und nicht an Engelhardt adressiert? Ich verstehe es nicht. Der Seekommandant Ostpreußen war weder für den PREGEL/RUTH-Transport noch generell für Transporte von KZ-Häftlingen zuständig. Und aus Pillau gingen schon seit dem 26.4. keine Transporte mehr ab.

Viele Grüße, Thomas

P.S. Nochmal zur Anordnung: Verboten wurde der "TRANSPORT AWAY TO THE WEST", nicht "AWAY TO DEATH".
Schönen Gruß aus Stuttgart
Thomas

TW

#447
Nachschlag:

Ich habe das Gefühl, Dönitz wollte seinem "Spezi", KAdm Engelhardt, nicht bevormunden. Engelhardt war sein bester Mann, er hatte für die Ziviltransporte alles getan, was man tun konnte, ohne die Priorisierung der Wehrmachtsinteressen in Frage zu stellen. Hatte man mit der Adresse des Seekommandanten Ostpreußen eine "Deckadresse" geschaffen ?
Schönen Gruß aus Stuttgart
Thomas

Violoncello

Hallo Thomas,

ja, Anlass für den Funkspruch könnte der von dir genannte Transport sicherlich gewesen sein.

Der Befehl des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine dürfte durch Engelhardt ("C-in-C `T´") übermittelt worden sein. Dies hatte ich übersehen. Mutmaßlich gab es keinen weiteren Befehl aus dem OKM, denn Engelhardt war ja in der Seekriegsleitung Chef der Schiffahrtsabteilung (Skl/Adm Qu VI) und zusätzlich in Personalunion Seetransportchef der Wehrmacht.

Dies klärt den Sachverhalt, ohne in Spekulationen zu verfallen, letztlich aber auch nicht...

Viele Grüße

Violoncello
 

TW

Zitat von: Violoncello am 08 Mai 2025, 17:15:17Dies klärt den Sachverhalt, ohne in Spekulationen zu verfallen, letztlich aber auch nicht...

Ob C-in-C 'T' wirklich Engelhardt war, weiß ich nicht. Er meldete sich sonst stets als QU 6.
Aber Du hast Recht, Hartwig, wir sollten uns nicht (weiter) in Spekulationen verirren.
Schon meine Interpretation des Funkspruchs ist ja Auslegungssache.

(Gerade fällt mir ein, dass ich als Schüler bei Interpretationsaufgaben im Fach "Deutsch" immer ein mulmiges Gefühl hatte. Ich fragte mich jedesmal, was will der Lehrer nun hören? Irgendwie muss ich seine Textauslegung treffen.
Ein richtig festes Selbstvertrauen im meine Interpretationen habe ich nie entwickelt. Vielleicht ist das, aufs Leben hin betrachtet, keine so schlechte Sache. Interpretationen enden ja oft genug im Rechthaberstreit.)

Viele Grüße, Thomas
Schönen Gruß aus Stuttgart
Thomas

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