Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer

Begonnen von Urs Heßling, 21 Mai 2017, 14:04:23

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Mark Alt

Danke für die Antwort!

Nachgegugelt steht eine ausführliche Erklärung der Geschehnisse in Robert K. Massie's "Castles of Steel". Die Russen haben demnach nicht ein, sondern gleich drei Exemplare der SKM (Signalbuch der Kaiserlichen Marine) erbeutet. Was aber laut Marinearchiv Band 2 vom Jahre 1930 die schon früher kannten. (Woher?) Demnach war dieser Fund in sich selbst nicht entscheidend. Haben vielleicht die Russen gedacht, dass wenn sie schon 3 weitere Exemplare besitzen, eines von denen den Engländern aushändigen können?

Merkwürdig bei Massie sind diese Sätze:
Zitat,,The Russians now were in possession of one of the deepest secrets of the German navy. Recognizing its value, they notified their ally and set aside for the British the undamaged SKM, the one found in Habenicht's locker, which bore the serial number 151. They kept the waterlogged codebooks for themselves. As Churchill told the story later, ,,[When] the German light cruiser Magdeburg was wrecked in the Baltic, the body of a drowned German under-officer was picked up by the Russians a few hours later, and clasped in his bosom by arms rigid with death, were the cypher and signal books of the German Navy. (...) We lost no time in sending a ship and, late on an October afternoon, Prince Louis and I received from the hands of our loyal allies the sea-stained, priceless documents."

Über SKM No. 151 gibt es leider keine Fotos im Internet, wäre aber interessant zu sehen, wie weit sea-stained es ist. Scheint so, als ob die angeblichen Umstände des Auffindens die Fantasie des Erzählers allzu erfasst haben und sich eingebildet hat, das von dem krämpfigen Gegner entnommene Exemplar in seiner Hand halten zu dürfen. Immerhin klingt die ,,Story" mit so einem Hintergrund besser.

Das Buch wird von The National Archives in London aufbewahrt.

beck.Schulte

Über die "Funde" an deutschen Geheimunterlagen  ist in GB  seit 1956 mit der Biographie  über "Blinker"  Hall
reichlich was an Literatur erschienen. Aus D ist Rahns "Funkaufklärung" recht hilfreich. Leider ist es aber so, das 14-18 hierzulande ein Exotenthema ist ( siehe auch hier im Forum )  .  Der deutsche Marine Nachrichtendienst war recht erfolgreich. Besonders über seine Agenten in den Niederlanden. An Material jedenfalls ist in  Freiburg reichlich was vorhanden, nur an "Durcharbeitern" fehlt es.  :cry:

Thoddy

MDV 352 Heft 13 Der Einfluss der Funkaufklärung auf die Seekriegsführung in der Nordsee 1914 - 1918

https://drive.google.com/file/d/0B12aaMD-x_k_clVGS1U1TWNOdVU/view?usp=drivesdk
Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

beck.Schulte

#48
..zeigt eigentlich nur wie unwissend und hilflos man war. So z.B. hat sich wohl keiner gefragt, wie es den Briten über Jahre fast ein Mal die Woche gelang ohne Verlust mit ihren Minenlegern deutsche Sperren zu umgehen. Auch war ihnen bekannt was die Deutschen an britischen Sperren weg geräumt hatten. Wenn man die an den KTBs der Suchverbände angehängten Funkspruche liest, weis man warum. So blieb man lieber in D dabei a la FO Busch an den Grog trinkenden niederländischen Leuchtturmwärter zu glauben.
Eigentlich schade, dass in D keiner sich damit befasst.  :cry:

Zitat von: Mark Alt am 21 Mai 2018, 23:28:07Über SKM No. 151 gibt es leider keine Fotos im Internet, wäre aber interessant zu sehen, wie weit sea-stained es ist. [...]

Abbildungen sind in Heinz Höhnes Buch »Der Krieg im Dunkeln. Die Geschichte der deutsch-russischen Spionage« [Bertelsmann, München 1985, Sonderausgabe für Gondrom Verlag, Bindlach 1993] im Bildteil zwischen den Seiten 304 und 305, sowie (mit Faksimileabdruck einiger Seiten) bei Matti E. Mäkelä »Das Geheimnis der MAGDEBURG« [Bernard & Graefe, Koblenz 1984, S. 120 - 131] zu finden.

Das Signalbuch mit der Kontrollnummer 151 sieht demnach ziemlich unbeschädigt aus.

beck.Schulte

Tach Herr Götz!  :-D  Die aufgeführte Literatur stammt aus  "Vor Wende" Zeiten. In den 90zigern ist in russ. Fachzeitschriften reichlich Neues veröffentlicht. Dirk Nottelmann hat dies Material und neuere deutsche "Aktenfunde"  in einer Ausgabe des Hamburger Rundbriefes (?) veröffentlicht. Der Drops "Breslau" sollte damit gelutscht sein.  :roll:

Götz von Berlichingen

Tach, Herr Beck!  :-D

Zitat von: beck.Schulte am 22 Mai 2018, 19:55:40Der Drops "Breslau" sollte damit gelutscht sein.  :roll:

Ähm, Breslau oder Magdeburg??  :? :-D

Gruß
Thomas

beck.Schulte

Oh Mann ! Altersbedingte kaiserliche Verwirrung!      :roll:    Aber auch zur Breslau gibt es keine Fragen :angel: mehr ! Oder? 

Götz von Berlichingen

Nee Bernd, nach Deinem Buch nicht mehr...  :angel: :angel: :TU:)

Mark Alt

Zitat von: Götz von Berlichingen am 22 Mai 2018, 18:02:18
Das Signalbuch mit der Kontrollnummer 151 sieht demnach ziemlich unbeschädigt aus.

Danke fürs Nachsuchen. Interessante, aber keineswegs überraschende Information. Massie hat auch nicht ohne Grund so formuliert: ,,As Churchill told the story later, (...)"

Ist es irgendwo bestätigt, daß die Russen schon früher über den Inhalt des SKM im Klaren waren? Wann haben die Deutschen es dann entdeckt? Noch während des Krieges oder erst danach?

Urs Heßling

moin,

Zitat von: beck.Schulte am 22 Mai 2018, 09:47:52
..wie es den Briten über Jahre fast ein Mal die Woche gelang ohne Verlust mit ihren Minenlegern deutsche Sperren zu umgehen.
Das war aber mit den damaligen nautischen Hilfsmitteln bei Nacht auch bei Kenntnis der Lage der Sperren (und wer weiß, ob die Deutschen ganz richtig navigiert hatten ??) eine anerkennenswerte Leistung !

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

beck.Schulte

#56
Tach Urs! Jo, das war es. Wenn man so die KTB der Kleinverbände durchblättert, findet man oft böse Einträge der Art, dass die Maßnahmen bis zu 2 sm (!) daneben lagen.
Was nun die Geheimunterlagen angeht.
Die Russen sind wohl in der Lage den Vorgang zu klären ( wenn sie es nicht schon getan haben)
Wir können das nicht. Die Akten der Marine Spionage sind ( wohl) wech. Es sind aber reichlich Bestände der Überwachungsstellen vorhanden.
Es war bei den mir bekannten Fällen meist so, dass es bei Kleinkram scharf zu Sache ging, bei größtem ging man wohl davon aus, dass es nicht möglich sein. So, hab ich unter den Akten der Festung Geestemünde einen 53 Seiten (!) Vorgang in dem es darum ging, dass eines der Handbücher über die Leinen Dampfwinde (Minensuch) nicht mehr aufzufinden war. Übergabe per Schein.  Andererseits gab es aber auch auf der Feindseite kaum glaubhafte Vorfälle. Obwohl sie es heute nicht gerne hören, waren die Niederländer ( gegen Geld) die besten Zuträger. So dies: Bei einem Gefecht in der Nordsee wurde der Panzer eines brit. Großkampfschiffes  durchschlagen. Ca. 4-5 Wochen später lagen den Deutschen einige Original Trefferbilder vor. Dies belegt durch datierte Anschreiben an die Reichsleitung. Rückseitig mit Geheim Stempel und Abzug Nr. versehen. Den Klau haben die Briten wohl auch nicht bemerkt. Und so kann man sie heute noch in der betr. Akten in Freiburg bewundern. Die Fotos nicht die Briten  :-D

Mark Alt

#57
Schade daß wir es nicht bescheid wissen. Wenn aber die Russen den Inhalt des SKM schon früher hatten, dann waren sie doch nicht so ,,loyal allies" wie es Churchill sich wünschte.

Nun aber zurück zum eigentlichen Thema. Nathanial G. Ott schreibt in seinem Werk "Battlecruisers at Jutland: A Comparative Analysis of British and German Warship Design and its Impact on the Naval War" auf der Seite 21:

ZitatBeatty's perception was reinforced by a long-standing pre-war consensus amongst British admirals that fighting would be done at medium range, that is, from 9,000 to 10,000 yards. Only in 1912 had senior officers begun to push for longer-range gunnery practice. Even then, many within the Admiralty assumed that the German fleet would quickly the British fleet at high speed before turning to a parallel course, at which point the battle would continue at medium range. Indeed, Admiral Jellicoe issued the following directive for the entire fleet on 31 August 1914, some four weeks after the outbreak of war:
,,on a clear day and unless the enemy opens fire earlier 13.5-inch gun ships will open deliberate fire at 15,000 yards, 12-inch gun ships at 13,000 yards.... At extreme ranges fire should be by deliberate salvos until the enemy is hit or straddled; the rate of fire should then be increased, but ships should not employ rapid fire at ranges over 10,000 yards without occasional checks to a slower rate until they are certain they are hitting."


The tactical doctrine of the Royal Navy stipulated that capital ships were to move to closer ranges before opening fire. Beatty had experimented with firing at extreme range at Dogger Bank, without positive results. The negative experience at Dogger Bank reconfirmed for Beatty the value of holding fire until his ships were absolutely ready, or in this case, until his opponent had begun firing first.

Haben sich die Briten vor dem Kriege eine Auseinandersetzung nicht so vorgestellt, daß ihre Großkampfschiffe die größere Geschwindigkeit und Reichweite ihrer Kanonen ausnutzend die Deutschen bekämpfen? Als Admiral Fisher erfuhr, daß Beatty innerhalb der Reichweite der deutschen Geschütze hineinfuhr, nannte ihn Balaclava-Beatty und fühlte sich verraten. Wenn Beatty so ein Befehl von Jellicoe erhalten hat, dann kann man auch nicht alles auf Beatty schieben. Jellicoe war auch Schuld am Fehlschlag. Und andere Admiräle auch.

Was noch ,,Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer" betrifft:
Heute vor 77 Jahren früh am Morgen trafen die Bismarck und die Hood je im Begleit von einem Prinzen in der Dänemarkstraße aufeinander. Diese Straße führte die Briten, wie der dänische Weg schon ein Vierteljahrhundert zuvor auch, in eine spektakuläre Niederlage.

,,Something is rotten in the Strait of Denmark." – könnte man sagen.

delcyros

ZitatHaben sich die Briten vor dem Kriege eine Auseinandersetzung so vorgestellt, daß ihre Großkampfschiffe die größere Geschwindigkeit und Reichweite ihrer Kanonen ausnutzend die Deutschen bekämpfen. Als Admiral Fisher erfuhr, daß Beatty innerhalb der Reichweite der deutschen Geschütze hineinfuhr, nannte ihn Balaclava-Beatty und fühlte sich verraten. Wenn Beatty so ein Befehl von Jellicoe erhalten hat, dann kann man auch nicht alles auf Beatty schieben. Jellicoe war auch Schuld am Fehlschlag. Und andere Admiräle auch.

Die Textstelle kann nur bedingt für diese Interpretation herangezogen werden. Zwischen dem Zeitpunkt der Textstelle und dem Gefecht lag das Gefecht auf der Doggerbank, dass auch über große Entfernungen geführt wurde, und in derem Nachgang sich nochmal einiges an der Auffassung zur idealen Gefechtsentfernung auf britischer Seite geändert hat, insbesondere weil die Befürchtung im Raum stand, dass nur begrenzte Zeit vorhanden ist, bis der Gegner sich dem Feuer erfolgreich entziehen kann und dass entscheidende Wirkung auf große Entfernung nicht erwartet werden darf.

Mark Alt

Hallo Delcyros,

Doggerbank war voraus, das steht auch im Zitat. Den Befehl, dem Gegner näher zu kommen, hat Beatty ausgerechnet von Jellicoe bekommen. Deswegen dachte ich, Beatty war nicht alleine Schuld und ,,Mitschuld" hatte Jellicoe auch. Fisher war First Sea Lord von November 1914 bis 15. Mai 1915. Ist es möglich, daß er von der neuen Taktik nicht unterrichtet wurde und deswegen Beatty die Niederlage zuschrieb? Hat man vielleicht die Taktik nach seinem Abgang geändert?

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Noch zum Signalbuch - Churchill schreibt in seinem Werk:
Zitat,,[When] the German light cruiser Magdeburg was wrecked in the Baltic, the body of a drowned German under-officer was picked up by the Russians a few hours later, and clasped in his bosom by arms rigid with death, were the cypher and signal books of the German Navy....
Und einige Zeilen später:
Zitat,,We lost no time in sending a ship and, late on an October afternoon, Prince Louis and I received from the hands of our loyal allies these sea-stained, priceless documents."

Hier macht Churchill den Eindruck, daß es hier um mehrere Bücher geht, Signalbuch und Lösungsschlüssel. Die dann die Russen den Briten übergeben haben sollen.

In The National Archives in London wird das SKM aufbewahrt. Es hat die Bezeichnung ADM 137/4156 (Signal code book (Signalbuch der Kaiserlichen Marine (SKM) copy no 151) captured from cruiser MAGDEBURG, Aug 1914 by Russians and handed to Room 40, Oct 1914). Das nächste in der Reihe (ADM 137/4157) hat den Titel German Navy papers, destined for SCHARNHORST and GNEISNAU, found after sinking of German supply ship in Far East by HMS HAMPSHIRE on 11 Aug 1914 und das vorige 137/4155 beschäftigt sich mit U-Booten.

Daraus könnte man denken, daß nur dieses einzige Buch überreicht worden war. Das Chiffrebuch wird hier nicht erwähnt. Scheint so als ob die Russen nur dieses einzige Buch geliefert hätten.

Gruß

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