"Bismarck"-Klasse ihrer Zeit 20 Jahre voraus???

Begonnen von Stahl, 26 Dezember 2006, 16:21:40

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Scheer

Ich sehe das wie cpa.
Gerade wenn man durch Vertragswerke in Zwänge gebunden ist kann man sich eine Konzeptlosigkeit nicht leisten.
Meines Erschtens liegt der Fehler darin die Marinerüstung der Reichs- und Kriesmarine immer in Verbindung mit den späteren Gegner Großbritannien zu sehen. Ich sehe in dem Zeitraum des Bau´s und der Konstruktion von A - G eher ein reines Wettrüsten mit dem damaligen Erzfeind im Westen, mit Frankreich.
Unter den Bestimmungen des Versailler Vertrages und auch den späteren Lockerungen durch das dt.-brit- Flottenabkommen war zu keiner Zeit ein entscheidendes Gleichziehen mit GB möglich.
Isoliert man die Bauten von D bis G aber in einen reinen Vergleich mit Frankreich, so erscheinen die Schiffe gar nicht so sehr verkehrt.

Spee

@Scheer,

das mag in Hinsicht auf "F" und "G" noch einigermaßen passen, für "D" und "E" nicht.
"Gneisenau" und "Scharnhorst" waren so wie sie gebaut wurden nicht gewünscht. Einzig "D" als "verbessertes Panzerschiff" war als Lückenbüser noch akzeptabel, jede weitere Einheit Verschwendung von Ressourcen. Das "große Schiff" (später "F") war der Wunsch, als Gegenstück zur "Dunkerque".
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Thomas

Zitat von: Scheer am 28 Dezember 2006, 23:18:15
Meines Erschtens liegt der Fehler darin die Marinerüstung der Reichs- und Kriesmarine immer in Verbindung mit den späteren Gegner Großbritannien zu sehen. Ich sehe in dem Zeitraum des Bau´s und der Konstruktion von A - G eher ein reines Wettrüsten mit dem damaligen Erzfeind im Westen, mit Frankreich.

Hallo Scheer,

die Wendung gegen GB würde ich auf den April/Mai 1939 datieren, nach der britischen Beistandsverpflichtung gegenüber Polen. Dokumentiert in der Besprechung vom 23.5.1939 mit Hitler und der Wehrmachtsspitze. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Betrachtung auf den Osten fixiert, wobei man die polnisch-französischen Abkommen berücksichtigen muss.
Fraglich wäre, wie damit der Z-Plan korrespondiert. Vorsorge?
Fehlt es hier an einer Einbindung der Marinerüstung in die allgemeine strategische Sicht?

Grüße
Thomas

Scheer

@spee

Im Hinblick auf die Panzerung stellten D und E adäquate Antworten auf Dunkerque dar, mithin also durchaus von der Standfestigkeit her geeignet. In der Feuerkraft krankte es. Dies aber aus Gründen der Entwiklungszeit für die 38er und Aufgrund Hitlers Furcht es sich mit GB zu vergrätzen, wenn man gleich mit den 38ern auf die Pauke haut.

@cpa
Der Z-Plan könnte wirklich als eine Art Vorsorge für einen späteren Konflikt mit GB gewertet werden.
Hitler äusserte sich ja entsprechend, nachdem er die Z-Flotte für 44/45 benötigen würde.
Bis dahin glaubte er wohl GB ruhig zu halten.
Zuerst sollte es gegen Osten gehen, dafür brauchte er die Heeres und Luftwaffenrüstung, so maximal wie möglich.
Und dann, bei erfolgreichem Marsch gegen Osten, musste die Marine wachsen um die Seemacht GB die Stirn bieten zu können. Bis dahin musste die Marine sich nur auf Frankreich konzentrieren. Dafür reichte das, was man baute erst einmal.
In eine solche Stufen-Strategie passt die Marinerüstung bis 39 doch rein. 

Spee

Mal als kleine Stütze für die Überlegung, seit wann man auf deutscher Seite an eine Konfrontation mit Großbritannien dachte, die "Notiz für den Führer" von v. Ribbentrop vom 2.Januar 1937:

"Jeder Tag, an dem in Zukunft - ganz gleich, welche taktischen Zwischenspiele der Verständigung mit uns gesucht werden sollten - unsere politischen Erwägungen nicht grundsätzlich von dem Gedanken an England als unseren gefährlichsten Gegner bestimmt würden, wäre ein Gewinn für unsere Feinde."

V. Ribbentrop war sicher kein Mann, der gegen den Führer dachte und notierte.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Scheer

Zu diesem Zeitpunkt waren Sh und Gu bereits zu Wasser gelassen und konnten nicht mehr für diese Überlegungen berücksichtigt werden.
BS und TP waren bereits konstruiert und der Bau begonnen. Ein Stopp und eine Neuorientierung hätten schlicht Verschwendung von Zeit bedeutet. Diese Schiffe wurden im Bezug auf Frankreich bis 1940/41 dringend gebraucht.

Und dann ist da die Mentalität Hitlers zu berücksichtigen. Selbst wenn man ihm diese Überlegung vorlegte sah er in seiner "Verbohrtheit" diese aus seiner Sicht her als falsch an. Letztendlich hat er doch jede Lageeinschätzung als unsinnig abgetan, wenn sie nicht seiner eigenen entsprach.

Spee

#36
@Scheer,

das "D" und "E" resp. "Gneisenau" und "Scharnhorst" so gewünscht gewesen wären, widerspricht die Ausführung von A I von 1934:

"A I schlug daher vor: Weiterbau von "D" mit 2 Tripeltürmen, Einstellung des Baues von "E" ..."

Die Marineleitung wollte vollwertige Schiffe, wie sie am 3.4.1935 auch klar festlegte:

"Panzerschiff F wird ... mit einer Typverdrängung von 41.000t, 8-35cm durchkonstruiert."

Dabei wird deutlich erklärt, daß "Gneisenau" und "Scharnhorst" als zwar ausreichend gegen die "Dunkerque" angesehen werden, aber eben nicht der Wunsch der Marineleitung sind. Die Konstruktion von "F" wiederrum wird mit "Dunkerque" kaum in Verbindung gebracht (auch wenn sie im Hinterkopf schwebt und zu schlagen gilt), sondern nur der Wunsch, ein vollwertiges Schiff im Rahmen des Washingtoner Vertrages bauen zu können. Ein Bezug zu britischen oder französischen Neubauten kann ich bis jetzt nicht finden. Es wurde gebaut, weil man endlich bauen konnte.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Scheer

Ich will dir ja auch gar nicht widersprechen, das die Marineleitung diese Schiffe so wünschte wie sie wurden und das sie andere Konstruktionen befürworteten, aber die Entscheidung führte doch zur Sh und Gu.
Durch wen ? Und dann eben, warum ?

Spee

Bei Treue/Möller/Rahn steht:

"Der Chef der Marineleitung entschied daher am 1.4.35, die Panzerschiffe D und E seien mit 3 - 28cm Drillingstürmen zu bauen."

Kann ja nur Admiral Raeder gemeint sein. Dürfte wohl eine ebenso einsame Entscheidung wie die Entscheidung über den Bau der schweren Kreuzer gewesen sein.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

toppertino

@ lutscha

ZitatBesonders wird hier auch immer die "Tatsache" der Selbstversenkung hervorgehoben. Zahlreiche Schiffe (Bsp. Kirishima oder jap. Träger bei Midway) wurden nach Zertörung selbst versenkt, aber hier wird keine Diskussion daraus gemacht, dass sie vom Gegner versenkt worden sind

Ich weiß eigentlich nur das YORKTOWN selbstversenkt wurde.Aber die 4 Japaner???
KIRISHIMA ist wohl durch die Schäden untergegangen (Ari und tags darauf Bomben(?)).Zumindest laut "Versenkt im Pazifik".
Der Mythos BS kommt einfach daher das sie
1.)schon auf verlorenem Posten kämpfte als sie auslief ,
2.)von einer ganzen Flotte gejagt wurde ,
3.)dennoch aber den Stolz der Briten versenkte ,
4.)zum krüppel geschossen von einer Übermacht gestellt wurde und
5.)bei der ganzen Geschichte auf BEIDEN SEITEN Glück und Pech so dicht zusammenlagen das nicht mal mehr ein S...haar dazwischen passte (was dabei Glück u Pech war muß ich dir ja sicher nicht mehr erklären). :wink:

Und diese 5 Punkte sind in so kurzer Zeit nun mal keinem anderen Schiff widerfahren.Das wirst sogar du zugeben müssen.

mfg
Lebensende mit 3 Buchstaben: EHE!

Spee

@Topper,

"Krishima" wurde von den Japanern aufgegeben, d.h. selbstversenkt. Jetzt könnte man natürlich behaupten, daß der Beschuß der "Washington" die "Kirishima" überhaupt nicht versenkt hat und konnte, weil "Kirishima" so toll gebaut war. Das "Washington" "Kirishima" innerhalb kürzester Zeit in einen Haufen schwimmenden Schrott verwandelt hat, welcher den Japanern nicht wert war gerettet zu werden, kann man - wenn man denn will - einfach mal mißachten. Soweit mal meine Sicht zu Lutscha's Posting.

Die Reihenfolge deiner Liste ist etwas verdreht.

1.) Admiral Raeder war kein Hasardeur, der sein Flottenflaggschiff inklusive Flottenchef usw. zu einer Mission aussendet, die schon verloren ist, bevor sie beginnt. Die SKL hat die Chancen und Gefahren gesehen und "Rheinübung" sicher nicht als "verlorenen Posten" angesehen
2.) das "showship" bzw. den Stolz der Royal Navy versenkt
3.) von allen verfügbaren Einheiten gejagt
Rest paßt.

Ach ja, daß Thema "Propaganda" wurde hier auch mal erwähnt. Die Legende "Bismarck" ist eine britischen Legende, der Urheber heißt Winston Leonard Spencer Churchill. Während der Urheber aus der Versenkung eine Legende formte, sind der Lagebericht Admiral Raeders und die Ergänzungen von Admiral Aßmann ein Beispiel für die nüchterne, sachliche Betrachtung des Themas.
Durchaus mal für jeden Fan der "Bismarck" zu empfehlen.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Huszar

Mal sehn...

GB baut die Orion/KGV/IDs. Dtl antwortet mit Bayern
GB baut die QEs und Rs. Dtl antwortet mit den Mackenses
GB baut REfit und REpair. Dt Antwort Mackensen und Dtl
GB baut Hood. Dt Antwort?
GB baut Rodney. Dt Antwort?
GB baut die KGVs. Dt Antwort?


mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Thomas

#42
Zitat von: Spee am 28 Dezember 2006, 23:52:23
Ribbentrop vom 2.Januar 1937:
"Jeder Tag, an dem in Zukunft - ganz gleich, welche taktischen Zwischenspiele der Verständigung mit uns gesucht werden sollten - unsere politischen Erwägungen nicht grundsätzlich von dem Gedanken an England als unseren gefährlichsten Gegner bestimmt würden, wäre ein Gewinn für unsere Feinde."

Hallo,

Ribbentrop war zwar außenpolitischer Berater, aber in den Entscheidungswegen ein kleines Licht und höchstens Erfüllungsgehilfe. 1936-1938 war er Botschafter in London. Die Ziele Hitlers wurden in dieser Phase in anderen Kreisen offengelegt.

Zieht man das Hossbach-Protokoll heran, so nimmt Hitler am 5.11.1937 die "Hassgegner" GB und F zwar an, und erörtert dieses im kleinen Kreis (IMT XXV, S. 402). Bei aller Kritik an der Niederschrift wird aber der Inhalt wie folgt bestätigt (z.B. Aussagen von Neurath/damaliger Außenminister und Gesprächsteilnehmer wie Raeder, vor dem IMT):
1943/45 will Hitler die "Raumfrage" lösen. Feldmarschall von Blomberg und Generaloberst von Fritsch wiesen bei der Beurteilung der Lage wiederholt auf die Notwendigkeit hin, daß England und Frankreich nicht als Gegner auftreten dürften.
Zu den seitens des Feldmarschalls von Blomberg und des Generalobersten von Fritsch hinsichtlich des Verhaltens Englands und Frankreichs angestellten Überlegungen äußerte Hitler, dass er von der Nichtbeteiligung Englands über zeugt sei.
Diese Linie wurde bis Mai 1939 durchgehalten, als GB die Garantie für Polen abgab. Die Reaktion mit dem interessanten Schwenk kann man im Schmundt-Protokoll nachlesen (IMT XXXVII, S. 546):
"Der Führer zweifelt an der Möglichkeit einer friedlichen Auseinandersetzung mit England. Es ist notwendig sich auf die Auseinandersetzung vorzubereiten. England sieht in unserer Entwicklung die Fundierung einer Hegemonie, die England entkräften würde. England ist daher unser Feind und die Auseinandersetzung geht auf Leben und Tod."

Dass England dann doch nicht als Gegner auftreten werde und im letzten Moment kneifen würde, glaubte Hitler wahrscheinlich noch am 1.9.1939, wenn man die persönlichen Reaktionen auf das englische Ultimatum heranzieht. Gleiches hat er bis zum letzten Moment vor der Wehrmachtsführung behauptet.

In den Jahren vorher stand die "Einigung" mit GB in der Flottenfrage, die Kündigung des Locarno-Abkommens und damit des Pakt- und Sicherheitssystems mit den Westmächten 1936. Noch in 1939 gab es deutsche Bestrebungen und Verhandlungen, mit GB zu einer Abgrenzung von "Interessensphären" im Sinne territorialer Ansprüche zu kommen.

Interessant auch Hitlers Ausführungen zur Skagerrak-Schlacht:
"Wenn wir im Kriege zwei Panzerschiffe und zwei Kreuzer mehr gehabt hätten und die Skagerrak-Schlacht am Morgen begonnen hätte, dann wäre die britische Flotte geschlagen worden und England wäre in die Kniee gezwungen worden. Es hätte das Ende des Weltkrieges bedeutet. Früher genügte es nicht, die Flotte zu schlagen, man mußte landen, um England zu besiegen. England konnte sich selbst ernähren. Das ist heute nicht mehr möglich. Im Augenblick wo England von seiner Zufuhr abgeschnitten ist, ist es zur Kapitulation gezwungen. Die Lebensmittel- und Brennstoffzufuhr ist vom Schutz durch die Flotte abhängig."
(23.5.1939)

Hat Raeder hier nicht doch ein "Eigenleben" geführt, immer auf GB als Gegner fixiert? Immerhin haben auch die frühestens Norwegen-Überlegungen dieses Szenario als Hintergrund. Wann gab es eigentlich in den 30ern Kriegsspiele bei der Marine mit GB als Hauptgegner. Und der Z-Plan geht vom Zufuhrkrieg aus, siehe die Kreuzer-Entwürfe. Der Plan paßt aber nicht so ganz in die Umwelt, denn: wie soll der Zufuhrkrieg ohne Atlantikhäfen und ohne "Norwegen" organisiert werden? Durchbruch durch die Nordsee?

Das erscheint mir alles nicht schlüssig.

Grüße
Thomas

Hades

Zitat von: cpa95 am 29 Dezember 2006, 09:49:51
Hat Raeder hier nicht doch ein "Eigenleben" geführt, immer auf GB als Gegner fixiert?

Raeder war wahrscheinlich der einzige der aus der Geschichte der vergangenen ein Paar Hundert Jahre die richtigen Schlüsse gezogen hat. Hatte auch recht behalten.

Zitat von: cpa95
Und der Z-Plan geht vom Zufuhrkrieg aus, siehe die Kreuzer-Entwürfe. Der Plan paßt aber nicht so ganz in die Umwelt, denn: wie soll der Zufuhrkrieg ohne Atlantikhäfen und ohne "Norwegen" organisiert werden? Durchbruch durch die Nordsee?

genauso wie mit den Panzerschiffen und HSK.

Beim Z-Plan ist mir aber auch nicht eindeutig klar was man damit bezwecken wollte. Abgesehen davon, das es wirtschaftlich kaum realisierbar war.
Servus
Lothar

Huszar

@Hades:
kleine Berichtigung: war überhaupt nicht möglich.
Siehe unser letztjahriges Hausprojekt mit dem MA-Plan! Wir gingen davon aus, dass Dtl genausoviele Handelsschiffe baut, wie vorher, und Zieldatum war Herbst 1943 (für Stapelläufe) bzw sommer 1944 (für iDStellungen).
So gingen nur zwei grosse Schlachtschiffe, 3 Träger, etwa 15 winzige FlakKreuzer, und etwa 50 Zerstörer.

Z-Plan sehe ich eher als eine Studie, als einen Bauplan.

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

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