Stolpersteine für Marinesoldaten von M 612

Begonnen von lafet944, 12 Mai 2025, 10:11:51

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lafet944

Für die vor 80 Jahren hingerichteten Marinesoldaten werden heute in Flensburg Stolpersteine verlegt:

https://www.nordschleswiger.dk/de/nordschleswig-daenemark-deutschland-suedschleswig/kriegsverbrechen-alsensund-stolpersteine-fuer-elf

Sie wurden noch nach der Kapitulation der Wehrmacht, vor der vollständigen Entwaffnung, hingerichtet. Es ist zu hoffen, dass auf diese Weise der sinnlose Tod der jungen Männer nicht vergessen wird.

 :MG:

Urs Heßling

#1
moin,

wenn ich solche Wortbedeutungsverdrehungen lese, wird mir immer ganz übel.

Die genannten Soldaten haben nicht nur einen "Kriegsbefehl" (was soll das sein ?) verweigert, sie sind während Fahrt in See unter Androhung von Waffengewalt gegen den Kommandanten vorgegangen, siehe M 612

Das war Meuterei, ein Verbrechen, das in Kriegszeiten in jeder Truppe der Welt unter Androhung der Todesstrafe stand.

Der Begriff "Ermordung" (d.h., ein Verbrechen) trifft nicht zu. Es gab ein Gerichtsverfahren, dem die Hinrichtungen folgten. Die Überlegung, daß eine solche Strafe zu diesem Zeitpunkt zu hart war, ist nachzuvollziehen, aber ein Kriegsverbrechen - oder überhaupt nur ein Verbrechen - war die Hinrichtung nicht.

Es ging bei dem angeblichen "Kriegsbefehl" oder "Durchhaltebefehl" nicht um eine Angriffshandlung oder einen Waffeneinsatz (!), sondern darum, möglichst viele Soldaten (Kameraden!) vor der sowjetischen Kriegsgefangenschaft zu bewahren, mit der Möglichkeit, dieses Schicksal selbst zu erleiden. Die Meuterer wollten nicht "keinen Krieg mehr", sie wollten dieses Risiko nicht eingehen. Dafür gibt es einen Begriff ...

Aber es ist wohl - leider - inzwischen journalistische Praxis, mit solchen unzu- aber das Gemüt treffenden Schlagworten Aufmerksamkeit und Bedauern zu erregen und eine Haltung zu erzeugen, die sich unbegründet gegen das Militär richtet.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Hägar

Einen vergleichbaren Fall mit allerdings glimpflichem Ausgang schildert
H.Constabel: Hol nieder Flagge! - Ereignisse um ein Standgericht, Mai 1945 (hg. v. DSM, Bremerhaven). Hamburg: Convent, 2001.
Beachtenswert dort die Wendung in der juristischen Einordnung je nach Perspektive.

Gruß - Hägar

lafet944

Zitat von: Urs Heßling am 12 Mai 2025, 11:04:58moin,

wenn ich solche Wortbedeutungsverdrehungen lese, wird mir immer ganz übel.

Die genannten Soldaten haben nicht nur einen "Kriegsbefehl" (was soll das sein ?) verweigert, sie sind während Fahrt in See unter Androhung von Waffengewalt gegen den Kommandanten vorgegangen, siehe M 612

Das war Meuterei, ein Verbrechen, das in Kriegszeiten in jeder Truppe der Welt unter Androhung der Todesstrafe stand.

Der Begriff "Ermordung" (d.h., ein Verbrechen) trifft nicht zu. Es gab ein Gerichtsverfahren, dem die Hinrichtungen folgten. Die Überlegung, daß eine solche Strafe zu diesem Zeitpunkt zu hart war, ist nachzuvollziehen, aber ein Kriegsverbrechen - oder überhaupt nur ein Verbrechen - war die Hinrichtung nicht.

Es ging bei dem angeblichen "Kriegsbefehl" oder "Durchhaltebefehl" nicht um eine Angriffshandlung oder einen Waffeneinsatz (!), sondern darum, möglichst viele Soldaten (Kameraden!) vor der sowjetischen Kriegsgefangenschaft zu bewahren, mit der Möglichkeit, dieses Schicksal selbst zu erleiden. Die Meuterer wollten nicht "keinen Krieg mehr", sie wollten dieses Risiko nicht eingehen. Dafür gibt es einen Begriff ...

Aber es ist wohl - leider - inzwischen journalistische Praxis, mit solchen unzu- aber das Gemüt treffenden Schlagworten Aufmerksamkeit und Bedauern zu erregen und eine Haltung zu erzeugen, die sich unbegründet gegen das Militär richtet.

Gruß, Urs

Hallo,

ich glaube man ist sich heute einig darin, dass alle Handlungen, die während eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges stattfinden, als per se verbrecherisch gelten. Insofern spielt es wohl keine große Rolle, welchem genauen Zweck der befohlene Kriegseinsatz gedient hätte, den Matrosen stand das moralische Recht zur Verweigerung zu.
V. Stauffenberg würde ja wohl auch keiner mit einer Begründung aus dem zivilen Strafrecht als Mörder bezeichnen wollen.

Rechtsauffassungen ändern sich, ist ja auch zu sehen an der Bewertung der Beteiligung an der deutschen Vernichtungsmaschinerie. Die Lagersekretärin galt vor Jahrzehnten noch wasserdicht als un- bis minderbelastet, heute als Beihelferin zum Mord.


Viele Grüße

Urs Heßling

#4
moin,

Zitat von: lafet944 am 12 Mai 2025, 13:11:35ich glaube man ist sich heute einig darin, dass alle Handlungen, die während eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges stattfinden, als per se verbrecherisch gelten. Insofern spielt es wohl keine große Rolle, welchem genauen Zweck der befohlene Kriegseinsatz gedient hätte, den Matrosen stand das moralische Recht zur Verweigerung zu.
Da sind wir unterschiedlicher Meinung.

"Alle Handlungen" ... das wären ja auch die des Verteidigers ?

Um es noch einmal ganz deutlich zu machen :
- Ich glaube nicht, daß man sich heute in dieser Meinung einig ist, und
- ich bin der Überzeugung, daß, wenn es so wäre, diese Meinung fragwürdig wäre.

Wenn während eines solchen Krieges ein Rettungseinsatz, z.B. für abgestürzte Piloten, befohlen und durchgeführt würde, wäre das "verbrecherisch" ?

Diese Verallgemeinerung halte ich nicht für tragfähig.

In dem von Dir angeführten Fall "Stauffenberg-Attentat" käme dann wohl der übergesetzliche entschuldigende Notstand in Betracht.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

mhorgran

@Urs Heßling

Dann schreib das doch an die Zeitung + dem Autor. Hier sich im Forum drüber aufzuregen bringt gar nichts. Wobei ich dir bei beiden Posts vollumfänglich zustimme.

bettika61

Zitat von: lafet944 am 12 Mai 2025, 10:11:51Für die vor 80 Jahren hingerichteten Marinesoldaten werden heute in Flensburg Stolpersteine verlegt:

https://www.nordschleswiger.dk/de/nordschleswig-daenemark-deutschland-suedschleswig/kriegsverbrechen-alsensund-stolpersteine-fuer-elf

Sie wurden noch nach der Kapitulation der Wehrmacht, vor der vollständigen Entwaffnung, hingerichtet. Es ist zu hoffen, dass auf diese Weise der sinnlose Tod der jungen Männer nicht vergessen wird.

 :MG:
Hallo,
Was diese Stolpersteine so besonders macht ist  der Ort ,die Marinesportschule ,damaliger Sitz der Reichsregierung unter Dönitz, der diese unnötigen Todesurteile zu verantworten hatte.
Ich verweise auch auf den Gedenkstein in Sonderburg https://forum-marinearchiv.de/smf/index.php?topic=33703.0#msg382140
Und die Worte von Carsten Friis.
ZitatDeutschland übernehme Verantwortung für die Verbrechen der NS-Zeit und das gelte in den vergangenen Jahren auch vermehrt für Verbrechen an der eigenen Bevölkerung, so wie es im Mai 1945 in Sonderburg geschehen sei, sagte der Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland, Carsten Friis.

Die elf Soldaten seien hingerichtet worden, weil sie nicht mehr an einem verbrecherischen Krieg teilnehmen wollten, und ihr Freiheitsdrang wurde ihnen zum Verhängnis. Die Hinrichtung sei eine Absurdität, die das Grauen des Krieges nur zu deutlich zeigte, meinte Friis.

,,Am Unrecht gegen diese elf jungen Soldaten können wir nichts ändern, aber wir können dafür sorgen, dass ihre Namen nicht vergessen werden, und wir können den elf Toten ihre Menschenwürde zurückgeben, die ihnen am 4. Mai 1945 genommen wurde", so Friis.
:MG:
Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

mhorgran

Zitat von: bettika61 am 12 Mai 2025, 17:56:07
Zitat von: lafet944 am 12 Mai 2025, 10:11:51Und die Worte von Carsten Friis.
ZitatDeutschland übernehme Verantwortung für die Verbrechen der NS-Zeit und das gelte in den vergangenen Jahren auch vermehrt für Verbrechen an der eigenen Bevölkerung, so wie es im Mai 1945 in Sonderburg geschehen sei, sagte der Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland, Carsten Friis.

Die elf Soldaten seien hingerichtet worden, weil sie nicht mehr an einem verbrecherischen Krieg teilnehmen wollten, und ihr Freiheitsdrang wurde ihnen zum Verhängnis. Die Hinrichtung sei eine Absurdität, die das Grauen des Krieges nur zu deutlich zeigte, meinte Friis.

,,Am Unrecht gegen diese elf jungen Soldaten können wir nichts ändern, aber wir können dafür sorgen, dass ihre Namen nicht vergessen werden, und wir können den elf Toten ihre Menschenwürde zurückgeben, die ihnen am 4. Mai 1945 genommen wurde", so Friis.
:MG:
die soldaten WAREN im Krieg und der Krieg war beendet. Es ging um die Rettung von Kameraden und Zivilisten. dieses verdrehen der tatsachen ist nichts anderes als erbärmlich. aber jeder wie er will.

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