Dr. Benjamin Miertzschke "Deutsche Marinepolitik im Ersten Weltkrieg"

Begonnen von mhorgran, 30 Juni 2025, 20:58:26

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Big A

ZitatIm übrigen finde ich es aufschlußreich wie die Realität im deutschen Hochschulbereich und Forschung (und Medien9 völlig falsch eingeschätzt wird.
Da wird es dann ja sicher kompetente oder sich für kompetent haltende Menschen geben, die die Realität uns richtig darstellen können.

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

TW

Zitat von: mhorgran am 02 Juli 2025, 13:23:201.) "jedwedem Gegner" (allerdings ohne GB - siehe nächster Satz)
und
2.) "Als dann aber Großbritannien als möglicher Gegner in den Fokus kam ..." dann akzeptierte Tirpitz eine 2:3 Unterlegenheit (gegenüber GB).

Dein Einwand hat mich dazu bewegt, noch einmal Forstmeiers Aufsatz "Der Tirpitzsche Flottenbau im Urteil der Historiker" (1972) zu lesen, denn ich glaube nicht, dass die Phrase "jedweder Gegner" Großbritannien auszunehmen gedachte. Schon in der Tirpitz-Denkschrift vom 15. Juni 1897 wird nämlich von England als dem gegenwärtig "gefährlichsten Feind" gesprochen.
In den Fokus geriet England allerdings erst 1904 mit Abschluss der englisch-französischen Entente. Nun wurde es mit dem 3:2 Verhältnis gegen die gebündelte Seemacht der Entente schwierig, und 2:3 würde es womöglich auch tun.
Schönen Gruß aus Stuttgart
Thomas

maxim

In der Rezension steht:
ZitatWer jedoch hätte, gegenüber seinen vielen Kritikern, die realistische Möglichkeit eines angeblich weiterhin angestrebten < totrüstens >, angesichts der realen technischen und pekuniären Verhältnisse, besser beurteilen können, denn der oberste Flottenbauer?
Auch wenn "totrüsten" hier in Anführungszeichen steht, ist schon genau gemeint, dass Großbritannien gezwungen würde, zu viele Ressourcen in die Rüstung zu stecken.

Das Argument, dass Tirpitz es besser gewusst hätte und deshalb diese Idee nicht gehabt haben könnte, finde ich aber schwach. Welcher Aspekt von Tirpitz Risikotheorie stellte sich den als realistisch heraus? Das es keine Ladung in der Ostsee gab?


Zitat von: beck.Schulte am 02 Juli 2025, 07:22:20Gegenüber anderen Wissenschaftlern, nicht gegenüber dem Staat!... da habe ich wohl die letzten 50 Jahre geschlafen.
Ging in den 50ziger mit Fischer los, dann das Rumgereiere betr. "Der Falsche Krieg" usw usw.
Der Klassiker für mich war eine Radiosendung mit zwei (!) Historikern der Uni Mainz betr. der deutschen Ausgabe von Ferguson. Da man ihm nicht fachlich beikommen konnte war ihr Fazit das, dass eine deutsche Ausgabe nur Wasser auf die Mühlen der ,,Falschen" sei.  Und heute? Nicht viel anders.
Hmm, also Anekdoten, die dazu nur aufwendig zu überprüfen sind (keine genaue Quellenangabe) dürften auch für Historiker kein akzeptabler Qualitätsstandard sein. Aus einer Anekdote dann ein derart krasses Urteil über Geschichtswissenschaft in Deutschland zu fällen, finde ich nicht überzeugend.

Ich arbeite seit 25 Jahren an Universitäten bzw. außeruniversitären Einreichung (nicht in der Geschichtswissenschaft). Die Einstellung von Professoren hängt von der Bewertung durch andere Professoren ab. Und nicht von irgendwelchen anderen Instanzen. Das wäre ein unzulässiger Eingriff in die wissenschaftliche Autonomie, den es so maximal vielleicht in der Theologie (mit Sonderrechten der Kirchen) geben kann.

Die Wissenschaft unterliegt in Deutschland keinen politischen Vorgaben. Es gibt nur Vorgaben für die Verwaltung (z.B. das Verbot des Genderns durch einige Landesregierungen), aber aber keine für die Forschung selbst (also hier auch kein Verbot des Genderns). Wer etwas anderes behauptet, sollte schon sehr gute Argumente haben - und nicht nur eine Anekdote, die dazu auch nichts ausgesagt hat.

TW

Zitat von: maxim am 02 Juli 2025, 16:55:24Welcher Aspekt von Tirpitz Risikotheorie stellte sich denn als realistisch heraus? Dass es keine Landung in der Ostsee gab?

Dass es keine Landung an der Pommernküste gab, ist Nottelmanns Argument. Meinerseits kein Einwand.
Ich möchte einen weiteren Gedanken hinzufügen: die Risikotheorie 2:3 fußte auf dem Gedanken, dass Deutschlands Flotte immerhin so stark wäre, dass England einen Angriff nicht unternehmen würde, weil die eigene Flotte dabei zu großen Schaden nehmen könnte. Nun, so ist es ja schließlich auch gekommen.
Schönen Gruß aus Stuttgart
Thomas

maxim

Wenn man "Angriff" nur als Landungsunternehmen definiert, dann ist es nicht dazu gekommen. Wenn man als "Angriff" den Einsatz der britischen Flotte gegen Deutschland definiert, dann ist es dazu gekommen. Wenn man "Angriff" als Kriegsbeteiligung definiert, dann ist es natürlich dazu gekommen. Die britische Kriegsbeteiligung im Ersten Weltkrieg war essentiell für die Entente (nicht die Beteiligung der Marine, sondern der Armee und Industrie). Um was ging es Tirpitz? Ich hatte es immer so verstanden, dass Tirpitz mit der Hochrüstung der Flotte die Beteiligung Großbritanniens (oder irgendeiner anderen maritimen Macht) an einem Krieg gegen Deutschland verhindern wollte.

Wurde das Landungsunternehmen wegen der deutschen Flotte nicht durchgeführt? Gibt es hierzu Studien in britischen Archiven?

Wie viele deutsche Truppen wurden in Reserve gehalten, falls es doch zu einer Landung kommt (im neutralen Dänemark oder in der Ostsee)?

beck.Schulte

#20
Hmm, also Anekdoten, die dazu nur aufwendig zu überprüfen sind (keine genaue Quellenangabe) dürften auch für Historiker kein akzeptabler Qualitätsstandard sein. Aus einer Anekdote dann ein derart krasses Urteil über Geschichtswissenschaft in Deutschland zu fällen, finde ich nicht überzeugend.
So,so Habe ich mir also alles zusammengelogen?  Keine Anekdote, sondern ein reales Beispiel. Der Unterschied ist bekannt?
Quelle:  Deutschlandfunk ,,Das Historische Buch"   Moderator:   German Werth
Sendzeit: ca. 1995     Uhrzeit: gegen 16Uhr (kam von der Arbeit  hörte es im Autoradio)

Reicht das aus, oder überzeugt
Sie nur ein Nachforschungsantrag beim Sender , mein lieber Herr Lars S.?



mhorgran

ZitatAuch wenn "totrüsten" hier in Anführungszeichen steht, ist schon genau gemeint, dass Großbritannien gezwungen würde, zu viele Ressourcen in die Rüstung zu stecken.
soso, maxim kann also die gedanken des rezentienten und die von alfred tirpitz lesen.

ZitatDas Argument, dass Tirpitz es besser gewusst hätte und deshalb diese Idee nicht gehabt haben könnte, finde ich aber schwach.
das widerspricht sich. wenn tirpitz es besser gewußt hat müßte er VORHER die idee gehabt haben. ber eine weltmacht mit zig verbündeten / "kolonien" marinetechnisch totrüsten zu wollen ist allerdings eine brilliante idee.

ZitatWelcher Aspekt von Tirpitz Risikotheorie stellte sich den als realistisch heraus? Das es keine Ladung in der Ostsee gab?
ohne Hochseeflotte
mögliche Wegnahme von Helgoland,mögliche Wegnahme von Borkum => damit enge Sperrung der deutschen Bucht, Bedrohung der gesamten deutschen Nordseeküste
mögliche Öffnung des Kattegats mit
Landung in der Ostsee = Sperrung der Ostsee => Wegfall der wichtigen Erzlieferungen aus Finnland, Verbindungsaufnahme mit Rußland, Bedrohung der gesamten Ostseeküste.
=> Auswirkungen mindestens auf Dänemark, Holland, Norwegen, Schweden aber auch auf zig andere weiter entfernte Staaten.

ZitatWurde das Landungsunternehmen wegen der deutschen Flotte nicht durchgeführt? Gibt es hierzu Studien in britischen Archiven?
ja, gibt es. Buchtip: Alfred von Tirpitz in seiner Zeit Seiten 403/404.

ZitatHmm, also Anekdoten, die dazu nur aufwendig zu überprüfen sind (keine genaue Quellenangabe) dürften auch für Historiker kein akzeptabler Qualitätsstandard sein. Aus einer Anekdote dann ein derart krasses Urteil über Geschichtswissenschaft in Deutschland zu fällen, finde ich nicht überzeugend.
jetzt muß also, in diesem fall zumindest, ein post schon einen für "Historiker kein akzeptabler Qualitätsstandard" haben. Wo sind denn diese Qualitätsstandarts bei deinen posts?

Vielleicht ist das nur eine anekdote von vielen. Nein, das kann ja gar nicht sein, denn wir wissen, an unseren unis ist alles supi.
naja, zumindest für eine idiologie und deren nachläufer.
es kommen zwar immer wieder berichte und erzählungen rein das vieles im argen liegt, aber das sind sicherlich alles querdenker, naaaazis und putinfans.

t-geronimo

#22
Und wieder ruck zuck angezicke statt sachlicher Diskussion selbst wenn man nicht einer Meinung ist.
Thema dicht und da mhorgran sich wieder besonders hervortut allerletzte Verwarnung.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

t-geronimo

So, nachdem nun etwas Ruhe eingekehrt ist öffne ich das Thema wieder.

Ich ermahne aber alle Teilnehmer eng beim Thema zu bleiben und nicht persönlich zu werden!
Gruß, Thorsten

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(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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B.M.

Ahoi!

Ich habe gesehen, dass mein Buch hier im Forum besprochen wurde. Da die Debatte allerdings schnell aus dem Ruder lief und viele Fragen unbeantwortet blieben, habe ich dies zum Anlass genommen, mich mal persönlich hier zu Wort zu melden.

Zunächst ist mir aufgefallen, dass tatsächlich niemand hier das Buch bisher gelesen zu haben scheint. Die Debatte bezog sich überwiegend auf Informationen aus zweiter Hand aus der Amazon-Rezension. Tatsächlich wurde die Wendung ,,totrüsten" von mir überhaupt nirgends verwendet, sondern geht auf den Rezensenten zurück. Jedoch kann ich sagen, dass ich mich über diese Rezension insgesamt sehr gefreut habe. Der Verfasser zeigt, dass er sich mit meinem Buch intensiv beschäftigt hat und würdigt es gar als neues ,,Standardwerk". Dass er nicht in allen Punkten zustimmen kann, ist dabei sein gutes Recht. Über einige meiner Interpretationen kann man sicherlich debattieren und solch eine Dissertation soll ja auch zur Debatte einladen, solange es sachlich bleibt. Die ,,»gestrige« Attitüde bundesrepublikanischer Geschichtsschreibung" sehe ich durchaus als Bestätigung, da die Arbeit von mir bewusst als ,,antirevisionistische" Studie gegenüber der jüngeren Literatur gedacht war, welche eher die angeblich defensive Ausrichtung des Flottenbaus und seine ,,Normalität" im damaligen internationalen Kontext betont. Die Anspielung im Titel auf das bekannte Buch von Prof. Berghahn lässt ja schon erkennen, wie diese Arbeit einzuordnen ist.
Etwas irritiert hat mich in diesem Zusammenhang die auch hier im Forum kolportierte Unterstellung, die Ergebnisse der Arbeit seien ,,von oben" diktiert worden. Es mag sein, dass einige der hier Anwesenden an anderen Lehrstühlen und zu anderen Zeiten entsprechend negative Erfahrungen gemacht haben. Was Prof. Epkenhans und Prof. Neitzel betrifft, so sind diese jedoch der Freiheit von Wissenschaft und Forschung verpflichtet und dies schließt insbesondere eine ergebnisoffene Arbeitsweise ein. Was im Buch präsentiert wird, ist schlichtweg die möglichst objektive Darstellung des Archivmaterials in mühevoller ,,Puzzlearbeit" und die daraus für mich ableitbaren Schlussfolgerungen.

Doch jetzt zur Frage: Worum geht es eigentlich in ,,Das Erbe des Tirpitz-Plans"? In der Studie betrachte ich die deutsche Marinepolitik während des Ersten Weltkrieges. Hierzu gehören der Flottenbau, die Strategieentwicklung und die Kriegszielpolitik. Dabei komme ich zu folgenden Ergebnissen:
1) Das Flottengesetz verschwand während des Krieges mitnichten, wie lange angenommen, in der Bedeutungslosigkeit. In den ersten Kriegsmonaten (bis Frühjahr 1915) sah die Marine den Krieg sogar als ,,goldene Gelegenheit", um in der Flottenstärke mit Großbritannien gleichzuziehen, wobei ich den Standpunkt vertrete, dass dies von Anfang an Tirpitz' Ziel gewesen ist. Nur war es vor allem im Zeitraum 1908-1914 aus finanziellen und politischen Gründen immer unwahrscheinlicher geworden. Um die Jahreswende 1915/16 machte die Reichsleitung dem Vorhaben jedoch einen Strich durch die Rechnung. Tirpitz wurde dann bekanntermaßen zum Rücktritt genötigt. Sein Nachfolger Capelle arbeitete anschließend an einem neuen Flottengesetz, das zur Umsetzung in der Nachkriegszeit vorgesehen war. Er plante, die Sollstärke von 60 auf 40 Großkampfschiffe zu reduzieren, jedoch mit erheblich stärkeren Schiffen (,,Überlegenheitsdoktrin" in technischen Parametern). Überdies zeige ich auf, dass das Reichsmarineamt bis in den Herbst 1918 (bis Scheer bzw. die SKL die Leitung übernahmen) den U-Bootbau bewusst beschränkte, um die Flottenpläne nicht zu gefährden.
2) Die Kaiserliche Marine war in Strategiefragen keineswegs, wie lange Zeit geglaubt, unbelehrbar, sondern zog aus ihrer Lage im Krieg sehr schnell die folgerichtigen Schlüsse. Bereits in den ersten Kriegsmonaten wurde den Seeoffizieren klar, dass eine zukünftige Seekriegführung sich auf den Atlantik ausdehnen musste, um Großbritannien gefährlich zu werden. An die Stelle der rangierten Schlacht in der Nordsee, oder zumindest als deren strategische Ergänzung, sollte der Einsatz von ,,Kampfgruppen" (Schlachtkreuzer bzw. schnelle Großkampfschiffe mit Kreuzer- und Zerstörerschirm) auf den Ozeanen treten. Hierdurch sollten die britischen Versorgungswege gestört, die britische Flotte aufgerieben (Diversionsprinzip) und eine eventuelle Entscheidungsschlacht vorbereitet werden. Ähnlich den Ideen, die Raeder später in der Kriegsmarine verfolgen sollte. Im Übrigen kommt Tirpitz dabei gar nicht so schlecht weg, nur waren andere Marineoffiziere eben noch progressiver.
3) Zur Umsetzung dieser Strategie war es natürlich sinnvoll, weitere Meereszugänge zu erhalten. Entsprechende Kriegszielpläne sind ja schon länger bekannt, werden von mir aber erstmals umfassend und zusammenhängend ausgewertet. Die Marine plante u.a. den Bau einer Flottenbasis in Belgien, Eroberung französischer Häfen, Stützpunkte am Nordmeer (Finnland), in der Türkei und an der Adria, hinzu sollten im Idealfall noch Inseln, z.B. Faröer und Teile der Azoren, kommen. Durch Marinekonventionen mit den Verbündeten sollten Stützpunkte und Rohstoffe gesichert sowie Vasallenmarinen aufgebaut werden. Dies alles geschah mit dem Ziel eines ,,Zweiten Punischen Krieges" gegen Großbritannien/USA.

Die Marinepläne werden von mir nicht isoliert betrachtet, sondern immer auch in Relation zur Haltung der Reichs- und Heeresleitung sowie der öffentlichen Stimmung analysiert. Hier komme ich zu dem Ergebnis, dass die politischen und militärischen Führungsstellen des Kaiserreichs keineswegs (wie einst von Fischer postuliert) eine einheitliche Weltmachtpolitik verfolgten, sondern die Ziele der Marine jenen der anderen Ressorts entgegenstanden. Sowohl die Reichsleitung als auch die OHL sahen in Zukunft Russland als den gefährlichsten Gegner. Mit Großbritannien und den USA wollte man sich dagegen verständigen. Im Gegensatz zur Marine, welche ein Bündnis mit Russland und Japan gegen die Briten und Amerikaner anstrebte. Die Marine wurde dadurch immer mehr zu einer eigenen politischen Kraft, welche gegen die offizielle Reichsleitung intrigierte und mit der OHL um politischen Einfluss rang. Des Weiteren zeige ich auf, wie die Marinepläne von einer mächtigen Interessengruppe aus Schwer- und Leichtindustrie, Reederei und Exporthandel sowie einflussreichen Teilen der ostelbischen Aristokratie unterstützt wurden, also mitnichten nur das Produkt von ,,Ressortegoismus" waren. Das alles konnte aber nicht verhindern, dass das öffentliche und parlamentarische Interesse an der Flotte während des Krieges stetig abnahm. Angesichts dieser innenpolitischen Schwierigkeiten (von den außenpolitischen Faktoren gar nicht zu reden) erscheint es mir letztlich auch zweifelhaft, ob die Pläne der Marine realisierbar gewesen wären.

Zur Quellengrundlage der Arbeit ist hinzuzufügen, dass diese hauptsächlich auf Originalquellen aus dem Bundesarchiv-Militärarchiv, sowie aus der Reichskanzlei, dem Auswärtigen Amt, diversen Firmenarchiven und Privatnachlässen beruht. Ich habe für diese Arbeit über 20.000 Seiten an Originaldokumenten ausgewertet und noch weitaus mehr durchgesehen.

Wer Interesse an dem Buch hat, der kann sich übrigens auf der Verlagswebseite kostenlos die Einleitung herunterladen:

https://brill.com/display/title/71088?language=de&srsltid=AfmBOorBjB6kRDBzKaWioJfbIPv_6qSNSHCxC8Di7vuFCHSOCZRypuYP

Wer mehr zur Strategieentwicklung lesen möchte, dem kann ich auch meinen Aufsatz in der Militärgeschichtlichen Zeitschrift (Nov. 2023) empfehlen.

https://www.degruyterbrill.com/journal/key/mgzs/82/2/html

Ich hoffe, dies hat ein wenig Klarheit über die Inhalte des Buches bringen können. Zur Beantwortung weiterer inhaltlicher Fragen bin ich gern bereit!
B.M.

Big A

Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

TW

Moin Bernhard,
Ich tue mich schwer mit einem Autor über sein Buch zu diskutieren, das ich bislang nicht gekauft (100 Euro sind ja kein Pappenstiel) und gelesen habe. Ich beschränke mich also darauf, ein paar Fragen zu stellen.

Zitat von: B.M. am 11 August 2025, 14:21:57In den ersten Kriegsmonaten (bis Frühjahr 1915) sah die Marine den Krieg sogar als "goldene Gelegenheit", um in der Flottenstärke mit Großbritannien gleichzuziehen, wobei ich den Standpunkt vertrete, dass dies von Anfang an Tirpitz' Ziel gewesen ist. Nur war es vor allem im Zeitraum 1908-1914 aus finanziellen und politischen Gründen immer unwahrscheinlicher geworden.

Die sprachliche Wendung, es sei "von Anfang an" Tirpitz' Ziel, bedeutet nach meinem Verständnis, dass Tirpitz es nicht nur am Anfang seiner Karriere verfolgte, sondern im Grunde seines Herzens nie davon abließ, obwohl die Realisierung bis 1914 immer unwahrscheinlicher wurde. Ich weiß nicht, aus welchen Quellen es stammt, aber irgendwo her kam einmal die Aussage, Tirpitz habe (bis zum Kriegsbeginn) die Ansicht vertreten, bis 1930 könne ein Gleichstand mit der Flottenstärke Großbritanniens erreicht werden. Alle Historiker, die ich gefragt habe, haben mir aber entgegnet, eine solche Idee habe Tirpitz, spätestens ab 1904 (Dreadnought-Sprung), nicht verfolgt, das sei völlig aus der Luft gegriffen.

Frage: Sind Sie beim Quellenstudium auf so eine Notiz von Tirpitz selbst gestoßen? Ist die Zuweisung einer solchen Aussage ("Gleichstand bis 1930 erreichbar") zu Tirpitz' Gedankenwelt totaler Quatsch?
Schönen Gruß aus Stuttgart
Thomas

Violoncello

Hallo Herr Miertzschke,
 
herzlichen Dank für Ihren Beitrag. Er stimuliert, Ihr Buch zu lesen - und Weihnachten steht ja vor der Tür.

Mit besten Grüßen

Violoncello

mhorgran

ZitatTatsächlich wurde die Wendung ,,totrüsten" von mir überhaupt nirgends verwendet, sondern geht auf den Rezensenten zurück.
Der Rezensent hatte aber das Wort "totrüsten" aber auch in Anführungsstriche gesetzt. Niemand hat irgendwo behauptet das sie das verwendet hätten.

Zitat1) Das Flottengesetz verschwand während des Krieges mitnichten, wie lange angenommen, in der Bedeutungslosigkeit. In den ersten Kriegsmonaten (bis Frühjahr 1915) sah die Marine den Krieg sogar als ,,goldene Gelegenheit", um in der Flottenstärke mit Großbritannien gleichzuziehen, wobei ich den Standpunkt vertrete, dass dies von Anfang an Tirpitz' Ziel gewesen ist.
nur zu meinem Verständnis.
Großbritanien muß weltweit sein Empire schützen, gerade eine Flotte ist da wohl sehr wichtig. Wenn nun ein Land, ein Gegner - laut manchen Autoren (zb. Helmut Roewer, Wolfgang Effenberger, Willy Wimmer) die Eliten in GB das Deutsche Reich so, im engeren Umfeld aufrüstet und bei der - wichtigen - Flotte gleichziehen möchte und wirtschaftlich stärker als das Hauptland dieses Empires ist. Wie könnte man das nennen? "totrüsten"?
Und ja, es wäre doch sehr interessant, ob es zu ihrem Standpunkt, das das gleichziehen in der Flottenstärke von Anfang an das Ziel von Tirpitz gewesen ist, auch Belege gibt oder einfach nur ihre Meinung.

maxim

Für die weltweiten Einsätze brauchte die Royal Navy aber nicht die Schlachtflotte, sondern Kreuzer, Sloops und Kanonenboote. Das mit dem Gleichziehen bezieht sich nur auf die Schlachtflotte.

In der Reaktion auf das deutsche Aufrüsten wurde auch primär die britische Schlachtflotte (spätere Grand Fleet) gestärkt - auf Kosten sowohl von Verbänden, die außerhalb der britischen Gewässern stationiert waren, als auch auf Kosten von Schiffstypen, die für weltweite Einsätze optimiert waren (ein Nebeneffekt ist z.B., dass es bei der Royal Navy nach dem Ersten Weltkrieg einen eklatanten Mangel an modernen Kreuzern mit größerer Reichweite und guter Seetüchtigkeit gab, da vor und während des Kriegs überwiegend Kreuzer für den Einsatz in der Nordsee gebaut wurden). Im gleichen Zusammenhang muss man die politische Einigung mit Frankreich und Russland sehen, die Großbritannien ebenso eine Fokussierung auf die Nordsee erlaubte.

1898, also zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Flottengesetz, war diese Einigung mit Frankreich und Russland ebenso wenig abzusehen, wie die Entwicklung der Dreadnought und die dadurch massiv erhöhten Kosten des Schlachtschiffbaus.

Das angedeutete Argument, dass es nicht Tirpitz Ziel gewesen sein könnte, weil es nicht realistisch wäre, macht keinen Sinn. Das geht davon aus, dass Tirpitz irgendwie ein unfehlbares Genie gewesen sein müsste und deshalb solche Fehler nicht machen könnte. Tirpitz scheiterte mit seinem Ziel - aber umso interessanter ist, dass Miertzschke ja anscheinend genügend Belege gefunden hat, dass er sogar noch während des Kriegs an dem Ziel festgehalten hat (als es noch unrealistischer war). Die Belege dürften wohl in dem Buch enthalten sein...

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