Tirpitz-Theorien

Begonnen von maxim, 02 Juli 2025, 07:04:30

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beck.Schulte

Zu unser aller Entspannung und etwas wochenendliche Distanz zu Tirpitz / Fisher / Wilhelm II und ähnlichen Konsorten empfehle ich die Lektüre  von  Erskin Childers ,,Das Geheimnis der Sandbank"  Lohnt sich!  8-)

MarkusL

Zitat von: maxim am 22 August 2025, 16:53:44Gibt es ein Beispiel für eine erfolgreiche Landungsoperation im Ersten Weltkriegen, die auf einem verteidigten Bereich erfolgte und erfolgreich war, also erfolgreich einen Brückenkopf etablieren konnte?

Ja, gibt es, sogar im bewegten Bild
https://www.youtube.com/watch?v=gcw-94bDGDU
Gruß
Markus

maxim

#92
Ja - das Beispiel hatten wir schon. Die Ladung erfolgte kurz vor der Russischen Oktoberrevolution und damit in einem zusammenbrechenden Russischen Reich. Die Motivation der Verteidiger war entsprechend niedrig und schlecht organisiert.

Wie konnten eigentlich damals so viele russische Schiffe nach Norden entkommen? Lag das an den Minenfeldern oder warum wurden die Schiffe nicht abgefangen? Theoretisch hätte man ja westlich um die Inseln herum fahren können und nicht nur von Süden angreifen können.

/edit: Das Rätsel der Sandbank von Robert Erskine Childers ist schon ein interessanter Hinweis - ein Buch von 1903 über eine deutsche Invasion Großbritanniens... Zumindest einige sahen damals Deutschland schon als Bedrohung.

Da gibt es auch ein neueres Sachbuch zu dem Thema: Spectre of Invasion. The Royal Navy and the Defence of Britain's Coast, 1900–1918 von Steve R. Dunn. Ich habe es aber noch nicht gelesen.

MarkusL

Spannende Frage, ob Heeres- und Marineleitung der teilweise Auflösungszustand der russischen Streitkräfte bekannt war.
Konnte nicht widerstehen und habe mir den das Werk von Benjamin Miertzschke mittlerweile gegönnt.
Achtung Spoiler:
Quergelesen habe ich aus Zeitgründen erst einmal nur die Seiten 383 bis 437, von Türkei bis Ukraine.
Teilweise von erschreckender Aktualität. history repeats. Dabei auch Bulgarien, hatte ich maritim gar nicht auf dem Schirm.
Hinsichtlich der Ostsee sehr lesenswert. Kleine Ergänzung von meiner Seite. In Libau wurde sofort mit Arsenalinstandsetzung begonnen. Dock, je nach Quelle, 2 sogar für Nassau-Klasse (und damit auch von der Thann) verbreitert. Spätestens 1918 befand sich dann, mit Ausnahme von St. Petersburg/Petrograd, praktisch die gesamte Schiffbauindustrie des (ehemaligen) Zarenreiches unter deutscher Kontrolle.
Sehr lesenswert auch die Planungen des osmanischen (und praktisch in Staatspleite befindlichen) Verbündeten zum Flottenausbau. Ergänzend von meiner Seite als fun fact am Rande dazu natürlich die Bestellung eines 40.000t Schwimmdocks bei Blohm und Voss im Jahr 1917 für die Kaiserlich Osmanische Marine.
Freue mich auf die Komplettlektüre, allerdings erst im September.
Gruß
Markus

beck.Schulte

Sehr lesenswert auch die Planungen des osmanischen (und praktisch in Staatspleite befindlichen) Verbündeten zum Flottenausbau.
Na ja. War alles für die Zeit nach dem Endsieg und sollte von den Verlierern bezahlt werden. Ich habe vor Jahren den ,,Türkei-Vorgang" von B&V (SA Hamburg) durchgesehen. Es war der B&V Vertreter, der schon recht früh sehr zum Ärger von Krupp versuchte, sich die Nachkriegs-Bauaufträge zu sichern. Außer viel Papier wurde nix bewegt. Gleiches gilt für die Übergabe-Liste auf der GÖBEN, MOLTKE und reichlich Kreuzer, T & U-Boote standen. Alles auf dem Papier. Was aber schon anlief war die Offiziers-Ausbildung in der HSF. Einige der alten Herren habe ich noch 1969/70 angetroffen. Einer war ganz stolz darauf, dass er auf einem der B-Boote mit vor Skagerrak war. Jo dat dazu.

MarkusL

Ja, die Illusion the winner takes it all and the looser has to pay.
Allerdings, chapeau, da war Blohm und Voss durchaus geschäfstüchtig. Und correspondance en français
Etwas bizarr, aber damals Weltsprache.
Gruß
Markus

MarkusL

Ja, die Illusion the winner takes it all and the looser has to pay.
Allerdings, chapeau, da war Blohm und Voss durchaus geschäfstüchtig. Und correspondance en français
Etwas bizarr, aber damals Weltsprache.
Gruß
Markus

beck.Schulte

Die Geschichte der deutschen Waffen Lobby  im Osmanischen Reich ist schon lesenswert. Am Ende haben sie draufgezahlt bzw keinen Pfennig gesehen. Da waren die Briten besonders bei den Werften erfolgreicher und wäre der Welt der Frieden erhalten geblieben wäre sie wohl auch die, die ne Mark gemacht hätten. Das was B&V dann in Izmit als Großwerft plante war nix anderes, als was die Briten den Osmanen schon ihrerseits vertraglich zugesichert hatten. Aber ich verliere mich in ,,was wäre, wenn?" 

ede144

@maxim
Die Abriegelung der Ostsee und der Nordsee hätte auch keine weitreichenden Konsequenzen über die real im Ersten Weltkrieg existierenden gehabt. Im Endeffekt waren die Ausgänge im Ersten Weltkrieg sowieso abgeriegelt (zwischen Schottland und Norwegen bzw. im Kanal, Fernblockade). Im Deutsch-Französischen Krieg waren die Häfen durch die viel stärkere französische Marine blockiert (Nahblockade), was Frankreich jedoch nicht geholfen hat.

Natürlich hätte eine Abriegelung der Ostsee einen Einfluß auf den ersten Weltkrieg gehabt. Erstens würden die Erztransporte aus Schweden abgeschnitten werden, das wurde erwähnt. Zweitens wäre eine Versorgung Russlands durch die Ostsee möglich geworden. Was dass bedeutet, hat man dan in WK 2 gesehen. Dass sowas für die RN als Möglichkeit angesehen wurde, zeigte der Angriff auf Kopenhagen und die Überlegungen während des Krimkriegs St. Petersburg anzugreifen.
Das alles wurde durch HSF verhindert. Nach meiner Meinung war die HSF eine Entschuldigung, allerdings nicht die Ursache für den Kriegseintritt GB

maxim

Dazu hatte ich oben schon etwas geschrieben: Deutschland wäre als Reaktion wahrscheinlich in Dänemark einmarschiert und hätte die Eingänge der Ostsee befestigt. Selbst der Große Belt ist nicht sehr breit. Der Durchbruch durch befestigte Eingänge wäre für die Royal Navy jedes Mal sehr riskant und verlustreich gewesen und damit wäre es sehr schwer geworden, Flottenverbände in der Ostsee zu unterhalten - und eine Versorgung Russland wäre so wohl gar nicht möglich gewesen.

Sven L.

Zitat von: ede144 am 23 August 2025, 01:11:23@maxim
Die Abriegelung der Ostsee und der Nordsee hätte auch keine weitreichenden Konsequenzen über die real im Ersten Weltkrieg existierenden gehabt. Im Endeffekt waren die Ausgänge im Ersten Weltkrieg sowieso abgeriegelt (zwischen Schottland und Norwegen bzw. im Kanal, Fernblockade). Im Deutsch-Französischen Krieg waren die Häfen durch die viel stärkere französische Marine blockiert (Nahblockade), was Frankreich jedoch nicht geholfen hat.

Natürlich hätte eine Abriegelung der Ostsee einen Einfluß auf den ersten Weltkrieg gehabt. Erstens würden die Erztransporte aus Schweden abgeschnitten werden, das wurde erwähnt. Zweitens wäre eine Versorgung Russlands durch die Ostsee möglich geworden. Was dass bedeutet, hat man dan in WK 2 gesehen. Dass sowas für die RN als Möglichkeit angesehen wurde, zeigte der Angriff auf Kopenhagen und die Überlegungen während des Krimkriegs St. Petersburg anzugreifen.
Das alles wurde durch HSF verhindert. Nach meiner Meinung war die HSF eine Entschuldigung, allerdings nicht die Ursache für den Kriegseintritt GB
Hallo,

die beiden Fett markierten Stellen widersprechen sich aber gehörig.
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


_________________________________
Solange man seinen Gegner nicht bezwungen hat, läuft man Gefahr, selbst bezwungen zu werden.
Clausewitz - Vom Kriege

Thor

Hallo Sven,

Zitat von: Sven L. am 23 August 2025, 08:15:00
Zitat von: ede144 am 23 August 2025, 01:11:23@maxim
Die Abriegelung der Ostsee und der Nordsee hätte auch keine weitreichenden Konsequenzen über die real im Ersten Weltkrieg existierenden gehabt. Im Endeffekt waren die Ausgänge im Ersten Weltkrieg sowieso abgeriegelt (zwischen Schottland und Norwegen bzw. im Kanal, Fernblockade). Im Deutsch-Französischen Krieg waren die Häfen durch die viel stärkere französische Marine blockiert (Nahblockade), was Frankreich jedoch nicht geholfen hat.

Natürlich hätte eine Abriegelung der Ostsee einen Einfluß auf den ersten Weltkrieg gehabt. Erstens würden die Erztransporte aus Schweden abgeschnitten werden, das wurde erwähnt. Zweitens wäre eine Versorgung Russlands durch die Ostsee möglich geworden. Was dass bedeutet, hat man dan in WK 2 gesehen. Dass sowas für die RN als Möglichkeit angesehen wurde, zeigte der Angriff auf Kopenhagen und die Überlegungen während des Krimkriegs St. Petersburg anzugreifen.
Das alles wurde durch HSF verhindert. Nach meiner Meinung war die HSF eine Entschuldigung, allerdings nicht die Ursache für den Kriegseintritt GB
Hallo,

die beiden Fett markierten Stellen widersprechen sich aber gehörig.
der erste Absatz ist ein Zitat von Lars/maxim aus Beitrag #101 und der zweite Absatz dann die Antwort von Thomas/ede darauf  :wink:

Gruß
David
"Wooden ships with iron men beat iron ships with wooden men" - Zusammenfassung der Seeschlacht von Lissa (1866)

mhorgran

#102
Interessant ist tatsächlich mit welcher Nonchalance Aussagen eines ausgebildeten Offiziers und Militärhistorikers einfach weggewischt werden.
Auch wie historische Erfahrungen negiert werden. War die dänische Flotte, beim Entschluß der Briten zum Angriff auf Kopenhagen, aktuell eine Bedrohung? Nein. War die franz. Flotte in Mers-el-Kébir 1940 - aktuell - eine Bedrohung für die Briten? Nein.

Interessant ist auch wie Aussagen verfälscht werden um zu dem gewünschten Ergebnis zu kommen. Beispiele:
ZitatDie Behauptung, dass ohne Hochseeflotte Landungen in Deutschland erfolgt wären
Es gibt einen Unterschied das etwas erfolgt wäre und der Gefahr das dies erfolgen würde.
oder
ZitatNatürlich band die deutsche Marinerüstung Ressourcen - nicht nur Menschen, sondern insbesondere Geld und Industriekapazitäten.
Der Kontext und meine Aussage waren:
Zitat
ZitatDie deutsche Marinerüstung erreichte ja nicht nur das Ziel von Tirpitz nicht (Großbritannien daran zu hindern, sich an einem Krieg gegen Deutschland zu beteiligen), sondern band auch massiv Ressourcen, die die deutsche Armee schwächten, die in der damaligen Lage viel wichtiger war.
falsch. Das die deutsche Armee nicht im erforderlichen, im Vergleich mit Frankreich / Rußland, verstärkt wurde hatte nichts mit der Marinerüstung zu tun.
Diese Art Aussagen anderer zu verdrehen ist wie zu bewerten?


ZitatGibt es ein Beispiel für eine erfolgreiche Landungsoperation im Ersten Weltkriegen, die auf einem verteidigten Bereich erfolgte und erfolgreich war, also erfolgreich einen Brückenkopf etablieren konnte? Auch ohne Dreadnought-Schlachtschiffe hätte es Minen, U-Boote, Küstenartillerie etc. gegeben und sowohl Nord- als auch Ostsee eignen sich sehr gut für den Einsatz von verteidigten Minensperren. Und dann hätte es zumindest auf dem Festland noch das Heer gegeben, was jeder angelandeten Truppe überlegen gewesen wäre (während die strategische Signifikanz von Helgoland oder Borkum jetzt nicht dramatisch gewesen wäre, wenn sowieso niemand Marineoperationen geplant hätte).
Wie oben gesehen verstehst du die Zusammenhänge nicht.



ZitatErztransporte aus Schweden hätten tatsächlich durch die Royal Navy in der Ostsee bedroht werden können, wenn sie dort mit Schlachtflotte eingedrungen wären und es keine Schlachtflotte als Opposition gegeben hätte - aber dafür hätte sie eine dauerhafte Blockade in der Ostsee errichten müssen. Gestützt auf Basen in Russland? Die im Winter einfrieren? Mit der Bedrohung, dass deutsche Truppen in Dänemark einmarschieren und die Zugänge zur Ostsee befestigen (z.B. im Winter, wenn die Nutzung der östlichen Ostsee und der Stützpunkte in Russland schwierig war)?
Die Briten hätten also eine Schlachtflotte benötigt um die Erztransporte zu "bedrohen". Passend dazu:
ZitatDazu hatte ich oben schon etwas geschrieben: Deutschland wäre als Reaktion wahrscheinlich in Dänemark einmarschiert und hätte die Eingänge der Ostsee befestigt. Selbst der Große Belt ist nicht sehr breit. Der Durchbruch durch befestigte Eingänge wäre für die Royal Navy jedes Mal sehr riskant und verlustreich gewesen und damit wäre es sehr schwer geworden, Flottenverbände in der Ostsee zu unterhalten - und eine Versorgung Russland wäre so wohl gar nicht möglich gewesen.
Die Vorstellung das die Briten in die Ostsee eindringen OHNE auf die Idee zu kommen das sie das Nadelöhr nicht sichern (Großer Belt + Øresund / Seeland) sowie Basen in diesem Raum anzulegen ist schon - (wie soll ich sagen) "putzig".

Violoncello

Hallo Markus und Bernd,

zu #113 und #114:

Ein großes Dankeschön, Markus, dass du als dich als erster nach den bisherigen Stammtischgesprächen tatsächlich zum Thema äußerst. Es wäre schön, wenn du nach der Lektüre deine weiteren Eindrücke teilen würdest.
Bernd, danke für den Hinweis auf den "Türken-Vorgang" bei B&V.

Viele Grüße

Violoncello   

beck.Schulte

zur Entspannung mal ne kleine Episode am Rande: Als Mitte der 20ziger die YAVUZ wieder Dienstbereit gemacht werden sollte, ging der Auftrag an Frankreich (das Schwimmdock an Flender) , da bei der ,,Übergabe" 1918 kaum technischen Unterlagen am Bosporus verblieben, erbat die türkische Regierung von B&V  , gegen Vergütung,  um Lieferung der Konstruktion-Unterlagen. Empört lehnte Herr Blohm dies mit dem Hinweis, das man den Erbfeind nicht noch  behilflich sein würde, die Anfrage ab.. Quelle: B&V Archiv SA HH .  Dem hätte Tirpitz als DNVP-Vertreter im Reichstag  wohl zugestimmt. Womit wir wieder bei Thema bin!  8-)

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