U-Boote Typ XXIII

Begonnen von Barrett, 01 April 2008, 00:21:51

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Schorsch

Hallo Vitali,

es hat diesmal leider etwas länger gedauert. Es war ja auch viel nachzuschlagen und zu überlegen...

ZitatEs ist, wahrscheinlich nicht patriotisch, aber aus vielen Gründen sind Die deutschen U-Boot-typen für mich interessanter, als sowjetisch. XXIII Typ interessiere ich mich, weil er, im Vergleich XXI Typ weniger bekannt ist.
Das hat doch nichts mit fehlendem Patriotismus zu tun, die deutschen Uboote (XXI-er und XXIII-er) waren zu ihrer Zeit eben High-Tech und so etwas verdient durchaus ein gerüttelt Maß an Beachtung.

ZitatNoch eine Frage - warum muss man Schnorchelkopfes bekleben?
Ich hoffe, dass ich Deine Frage richtig verstanden habe und entsprechend beantworten kann. Das beliebteste Material beim Schiffbau in den Zeiten des Zweiten Weltkrieges war Stahl und deshalb nehme ich an, dass auch die Schnorchel der deutschen Uboote aus diesem Material bestanden. Metall ist aber ein guter Reflektor für elektromagnetische Wellen und damit auch für Radarstrahlung. Der Einsatz von hochbelastbaren, nichtleitenden Kunststoffen (z.B. GFK, CFK), die bei der heutigen Stealth-Technologie verwendet werden, setzte für einzelne(!) Bauteile von Flugzeugen und Booten erst in den 1940-er Jahren ein, war also für den Bau von Schnorcheln noch in weiter Ferne.
Somit musste die Reflexion der Radarstrahlen am Schnorchelkopf über aufgeklebte Absorptionsmatten herabgesetzt werden (vergleiche Alberich). In diesen Absorptionsmatten wurde ein großer Teil der eingestrahlte Radarenergie in Wärme umgewandelt bzw. in unterschiedliche Richtungen gestreut. Für den Schnorchelkopf des Typs XXI habe ich in der Literatur eine Ortungsreichweite von 5 km durch ein cm-Radar gefunden. Wahrscheinlich lagen die Werte bei den XXIII-ern in einem vergleichbaren Rahmen.

ZitatUnd wie oft die Flugzeugen, die auch noch mit Radar ausgerüstet sind, entdeckten U-Bootschnorchel oder U-Bootsehrohr?
Bei der Frage muss ich passen. Mir steht leider keine Literatur zur Verfügung, in der Aussagen über erfolgte Ortungen gemacht werden.

ZitatIch meine, wenn Dönitz die wahrhaften Ergebnisse der Angriffe von den Torpedos T V  und FAT  kennen würde, er sein hätte von diesen Torpedos losgesagt und ist zu ,,normalen" G7e und G7a zurückgekehrt.
Das ist meiner Meinung nach zu kurz gefasst. Sicher wurden z.B. die Ergebnisse des T V überschätzt und manche Explosion im Kielwasser und die eine oder andere getroffene Geräuschboje als versenkter Eskorter gemeldet, insgesamt aber hätten die G7a (T I) und G7e (T II und T III) wahrscheinlich noch nicht einmal die Trefferraten der Zaunkönige (z.B. 77 Treffer bei insgesamt 464 Schüssen gegen Sicherungsfahrzeuge, entspricht 16,6%) erreicht. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass (nur) knapp 15% aller T V-Schüsse durch Maßnahmen des Gegners ("Foxer" oder flacheingestellte Wabos) abgewehrt wurden. Der entscheidende Grund für die Überschätzung waren gehorchte Nah- und Enddetonierer (ca. 51%).
Eigentlich stellen T V und die Programmsteuerungen FAT und LUT ja auch nur Zwischenstationen einer fortlaufenden Entwicklung dar. So war 1944 schon ein Nachfolgemodell für die Zaunkönige in der Erprobung (T XI mit Steuerung Geier) und es gab auch schon drahtgelenkte Torpedos (T X ,,Spinne", auf der Basis des G 7e, u. a. geplant für den Einsatz auf Kleinst-Ubooten). Die Entwicklung gipfelte im drahtgelenkten akustischen Torpedo Lerche (Gerät 48), für den im Spätherbst 1944 die ersten Probeschüsse von U 2503 (Typ XXI) durchaus erfolgreich abgegeben wurden.

ZitatUnd noch eine Frage - wie ist Deine Meinung über diesen XXIII Typ?
Welchen siehst Du bei dieser U-Boote starke und schwache Punkte?
Mit diesen Fragen begeben wir uns jetzt auf das weite, spekulative Feld des "Was wäre gewesen, wenn...?" Ich beginne 'mal mit den Fakten:

Vorteile: hohe Unterwassergeschwindigkeit von 12,5 kn für 2 Stunden,
            bis 4 kn nahezu völlig geräuschlose Unterwasserfahrt,
            UW-Reichweite von maximal 220sm bei 2,5 kn,
            hohe Schnorchelgeschwindigkeit von ca. 10 kn,
            max. UW-Geschwindigkeit am Schnorchel übertrifft mögliche Überwassergeschwindigkeit,
            außerordentlich gute Fahrstabilität und Wendigkeit unter Wasser,
            geringer Ortungsquerschnitt aufgrund der kleinen Abmessungen,
            Möglichkeit, im Flachwasser zu operieren mit entsprechend schlechten Sonarbedingungen für die ASW-Kräfte des Gegners,
            Alarmtauchzeit von 14 s,
            Sektionsbau für kurze Fertigungszeiten und die Möglichkeit schneller Änderungen (Oelfken-Schuss)

Nachteile: geringe Zahl gefechtsbereiter Torpedos,
              geringes Reservedeplacement von nur 10,5%, d.h. bei der Übernahme von Wasser über das Turmluk oder bei Lecks verliert das Boot sehr
              schnell seine Schwimmfähigkeit (Das war z.B. Ursache der Verluste von U 2331 am 10.10.44 oder U-HAI (ex U 2365) am 14.09.66),
              keine aktiven Ortungseinrichtungen (weder Sonar noch Radar),
              relativ großer Fahrtwiderstand durch die unnötig voluminöse Turmverkleidung und die Vielzahl der Flutschlitze
              umständliche Torpedoübernahme mit Notwendigkeit einer besonderen Ladebühne und achterlastiger Trimmung im Hafen
              äußerst geringes Platzangebot für die Besatzung (z.B. 10 Kojen für 14 Mann im einzigen Wohnraum im Vorschiff)

Insgesamt ist den Konstrukteuren aber ein ganz ordentlicher Wurf gelungen. Die neun durchgeführten Feindfahrten von XXIII-er-Booten ab Februar 1945 bis Kriegsende, die ohne eigene Verluste insgesamt 4 Versenkungen in den stark überwachten Gewässern der englischen Ostküste erbrachten, zeigen meiner Meinung nach das große Potential dieses Uboottyps.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch


'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Barrett

Hallo Schorsch,
Viele Danke für die Antwort

Zitat von: Schorsch am 01 April 2008, 05:19:09
Das hat doch nichts mit fehlendem Patriotismus zu tun, die deutschen Uboote (XXI-er und XXIII-er) waren zu ihrer Zeit eben High-Tech und so etwas verdient durchaus ein gerüttelt Maß an Beachtung.


Ganz richtig. Verhältnismäßig fehlendem Patriotismus habe ich natürlich gespasst. Die deutschen U-boote zu ihrer Zeit waren bedeutend interessanter in den Vergleich mit anderen U-booten.

Zitat von: Barrett am 07 April 2008, 18:33:41
Noch eine Frage - warum muss man Schnorchelkopfes bekleben? Und wie oft die Flugzeugen, die auch noch mit Radar ausgerüstet sind, entdeckten   U-Bootschnorchel oder U-Bootsehrohr?


Zitat von: Schorsch am 01 April 2008, 05:19:09
Bei der Frage muss ich passen. Mir steht leider keine Literatur zur Verfügung, in der Aussagen über erfolgte Ortungen gemacht werden.


Meine beide Fragen sind untereinander verbunden. Wenn wenig Tatsachen, wenn die Flugzeugen, die auch noch mit Radar ausgerüstet sind, entdeckten U-Bootschnorchel, warum muss man Schnorchelkopfes bekleben waren? BdU-Operationsabteilung glaubte lange, dass die Flugzeugen mögen keine Radar mitzuführen
Und jetzt wird es angenommen, was die Flugzeugen Schnorchelkopfes entdecken können?

Zitat von: Schorsch am 01 April 2008, 05:19:09
Für den Schnorchelkopf des Typs XXI habe ich in der Literatur eine Ortungsreichweite von 5 km durch ein cm-Radar gefunden.


Es war Flugzeugradar oder Schiffradar? Schnorchelkopf war beklebte oder nicht?

Zitat von: Barrett am 07 April 2008, 18:33:41
Ich meine, wenn Dönitz die wahrhaften Ergebnisse der Аngriffe von den Torpedos T V  und FAT  kennen würde, er sein hätte von diesen Torpedos losgesagt und ist zu „normalen“ G7e und G7a zurückgekehrt.


Ich habe es gefragt, weil 4 verkürzte gewöhnlichen Torpedos auf 23 sein können nützlicher wären, als 2 FAT.
Obwohl es auch aus dem Gebiet der Fantasien

Zitat von: Schorsch am 01 April 2008, 05:19:09
keine aktiven Ortungseinrichtungen (weder Sonar noch Radar)


Ich weiß, dass deutschen U-bootcrew aktiven Ortungseinrichtungen hassten.
Höher ich schrieb schon, dass seiner Radar für das U-boot (die bei Küste operiert) die Gefahr vorstellt.
Die Frage - warum wurde Horchgerät Typ Balkon nicht verwendet? (wie auf 21 Serien)
23 war zu sehr klein?

Zitat von: Schorsch am 01 April 2008, 05:19:09
Ich beginne ’mal mit den Fakten.


Bei mir hat sich ungefähr ähnlich List ergeben
Noch die Nachteil:
Das Boot hatte eins Dieselmotor, eins Marschelektromotor, eins Wall, eins Steuerrad.
Es ist die Wahrscheinlichkeit des Bruches eines jeden dieser Elemente groß. Was weiter?

Zitat von: Schorsch am 01 April 2008, 05:19:09
Die neun durchgeführten Feindfahrten von XXIII-er-Booten ab Februar 1945 bis Kriegsende, die ohne eigene Verluste insgesamt 4 Versenkungen in den stark überwachten Gewässern der englischen Ostküste erbrachten, zeigen meiner Meinung nach das große Potential dieses Uboottyps.


Aber oft rechneten die Engländer, dass die Schiff auf den Minen umgekommen sind.
Wenn die Boote mehr intensiver verwendet würden, wäre die Jagd auf sie bedeutend stärker.
Obwohl es auch aus dem spekulative Feld des " Was wäre gewesen, wenn...? "

Mit freundlichen Grüßen
Vitali

Schorsch

#17
Hallo Vitali,

Du kannst einem ja ganz schön zusetzen. Aber ich nehme die Herausforderung an.  :-D

ZitatBdU-Operationsabteilung glaubte lange, dass die Flugzeugen mögen keine Radar mitzuführen
Und jetzt wird es angenommen, was die Flugzeugen Schnorchelkopfes entdecken können?
Nun ja, ab Sommer 42 gab es zunehmend Meldungen über nächtliche Angriffe auf Uboote, besonders in des Biskaya. Zum Einsatz kam dabei auf den Flugzeugen das Anti Surface Vessel Radar ASV Mark II (200 +/- 15 MHz, 1,5m Wellenlänge). Als Folge wurde das FuMB1 ,,Metox" (Arbeitsbereich 113-484 MHz) entwickelt, das ab Sommer '42 einsatzbereit war. Das heißt aber, der Radareinsatz durch die Engländer war bekannt. Allerdings hinkten die deutschen Entwickler dann auch mit den Nachfolgern des ,,Metox" den Engländern stets hinterher, da diese längst auf Frequenzbereiche ausgewichen waren, in denen die deutschen FuMB nutzlos waren.
Ab dem Frühjahr '43 wurde auf den Flugzeugen des Coastel Command das ASV Mark III (3 GHz, 10 cm Wellenlänge) eingesetzt. Dieses Gerät war der Nachfolger des H2S (oder deutsch ,,Rotterdam"-Gerät), das aus einem am 2.2.43 bei Rotterdam abgeschossenem Stirling-Bomber geborgen wurde. Allerdings nahm man auf deutscher Seite zunächst an, dass das Rotterdam-Gerät zu Navigationszwecken diente. Erst etwa ein Jahr später erkannte man dessen wahren Einsatzzweck. Das ASV Mark III führte dazu, das im Mai 1943 jedes Boot, das die Biskaya durchquerte, mindestens einmal angegriffen wurde. Einen schlagenderen Beweis für den Einsatz von Radar auf Flugzeugen konnte es kaum geben und wurde folgerichtig auch nicht ignoriert.

ZitatEs war Flugzeugradar oder Schiffradar? Schnorchelkopf war beklebte oder nicht?
Eine konkrete Trägerplattform wird nicht angegeben, nur die Wellenlänge des Radars im cm-Bereich. Ist aber auch eigentlich egal, denn eine Anlage, die von einem Flugzeug getragen werden kann, hat auch im Mast eines Zerstörers Platz. Das Ortungsziel war ein beklebter Schnorchel eines XXI-ers, der zur standardmäßigen Ausrüstung dieser Boote gehörte.

ZitatDie Frage - warum wurde Horchgerät Typ Balkon nicht verwendet? (wie auf 21 Serien)
Auf den XXIII-ern kam ein verkleinertes Balkon-GHG mit je 11 Empfängern backbord und steuerbords zum Einsatz(vgl. Item 46 auf Abbildung S.46 und die Fotos S. 70 oben und S.121 oben). Die großen XXI-er fuhren ein GHG mit zweimal 24 Empfängern.

ZitatDas Boot hatte eins Dieselmotor, eins Marschelektromotor, eins Wall, eins Steuerrad.
Es ist die Wahrscheinlichkeit des Bruches eines jeden dieser Elemente groß. Was weiter?
Du magst mit Deinen Bedenken recht haben, eine gewisse Redundanz bei solchen Systemen ist schon wünschenswert. Allerdings waren die Boote nun einmal sehr klein. Des weiteren siehe auch Rössler, S. 157, erster Absatz: ,,Wegen der erreichten Zuverlässigkeit der Dieselmotoren konnte es wegen des vorgesehenen kleinen Fahrbereiches gewagt werden, mit nur einem Motor auszukommen." Bei den E-Motoren sind es ja übrigens zwei, die Hauptmaschine und der Schleichmotor. Und was den Rest betrifft: ,,No risk, no fun!" :|

Mit dem >>eins Wall<< konnte ich leider nichts anfangen, vielleicht versuchst Du es mit einer Umschreibung.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch

'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

rosenow

Jetzt erst gelesen, aber sehr interessant, Danke für die aufschlussreiche Befragung Vitali.
Tolle Erklärungen Schorsch, vielen Dank!
Insgesamt, ein tolles Interview!  :TU:) :=D>

Eine Frage hätte ich auch noch:
Die Typen XXI und XXIII stellten ja nur eine Zwischenlösung dar, um überhaupt schnell neue Typen in den Seekrieg werfen zu können.
Der Typ XVII ( Prototyp V80) hatte doch schon 1943 eine taugliche Erprobung hinter sich und galt als nicht ortbar durch seine gute schlüpfrige Form und seiner guten Schraubenform, die keine Verwirbelungen, wie herkömmlichen Typen aufwiesen und somit für seine Tarnung beitrugen und obendrein noch eine Geschwindigkeit von 26 kn für den Zeitraum des Angriffs und Rückzugs.
Abgesehen von der schwierigen Herstellung des Treibstoffes, nun meine Frage: Warum hat man diesen Typ nicht den Vorrang gegeben?
mit freundlichen Gruß
Michael


,,Macht`s gut und denkt daran!
Es gibt drei Sorten von Menschen:
Die Lebenden.
Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

Schorsch

Hallo Michael,

wegen der Begriffsverwirrung in Deiner Frage (V 80 als Prototyp des Typs XVII), hole ich zur Beantwortung etwas weiter aus und "skizziere" nachfolgend (nur) die Entwicklung der kleinen Waltertypen.

Hellmut Walter hatte am 15.03.1934 bereits einen ersten Entwurf für ein schnelles U-Boot im Konstruktions-Amt vorgelegt (423/459 cbm, 21,5/28 kn, 50 t T-Stoff, 2 BTR, 4 Torpedos). Dieser Entwurf wurde als Typ V bezeichnet, fand allerdings zu Gunsten der konventionellen Typen II, VII und IX beim Aufbau der deutschen U-Boot-Flotte keine Berücksichtigung.
Walter ließ nicht locker und konstruierte auf eigene Rechnung ein Versuchsboot VB 60 (66,25 t Verdrängung), das 1938 beim K-Amt vorgelegt wurde. Dieser Typ sollte bis Mai 1939 seine Fertigkonstruktion erfahren, bis September 1939 war ein Bau geplant, der aber nicht ausgeführt wurde.
Ein etwas vergrößerter Typ V 80 (73,24 cbm/76,00 cbm, Lüa 22,05 m, Breite 2,1 m, 2000 PS, 20 t Treibstoff) wurde dann ab 1939 bei der Germaniawerft gebaut und hatte seinen Stapellauf am 19.04.1940. Die Versuche wurden ab Sommer 1940 in der Schlei-Mündung aufgenommen, wurde ab 1941 nach Hela verlegt und erzielte dort am 08.07.1942 als größte Geschwindigkeit 26,5 kn unter Wasser. Bei diesem Boot wurde nur die Energie ausgenutzt, die beim Zersetzen des Wasserstoffperoxids frei wird (kaltes Walterverfahren).
Im Frühjahr 1940 hält der Chef des K-Amtes Adm. Fuchs einen Vortrag beim OKM, bei dem ein 500 t-Boot mit Walter-Antrieb in vier bis fünf Jahren in Aussicht gestellt wird, ein 330 t-Boot (konv. Antriebsanlage + 2 x 2000 PS-Walter-Turbinen für 25 kn uW, 2 BTR) könnte mit einer Entwicklungszeit von zwei Jahren geschaffen werden. Wegen der befürchteten Störung des angelaufenen Serienbaus sprach sich der Chef des K-Amtes gegen diese Sonderkonstruktion aus. Deshalb wird das 330 t-Boot, Bezeichnung V 300, zunächst bei GW nur konstruiert, der Bau soll erst nach erfolgreicher Erprobung der V 80 gestartet werden. Ab dem 01.04.40 wurde die Durchkonstruktion des 330 t-Entwurfs in Zusammenarbeit mit dem Walterwerk begonnen. Allerdings wurde dieser Entwurf aber mit zunehmender Entwicklungsdauer immer größer, während die Turbinenleistung nicht gesteigert werden konnte. Die dritte Ausführung vom 16.09.40 hatte schließlich eine Verdrängung von 610 cbm unter Wasser, die erreichbare Unterwassergeschwindigkeit war von 25 kn auf 19 kn gesunken. Ein zusätzliches Problem des V 300-Entwurfs ist, dass er als Tauchboot mit Walter-Zusatzantrieb entworfen ist, während Walter ein reines Unterseeboot anstrebt.
Aus diesem Grund wird von der Firma Walter parallel zur V 300 noch ein eigener 220 t-Entwurf (P 477) ausgearbeitet, der mit der für die V 300 vorgesehenen Turbinenanlage wieder 26 kn unter Wasser erreichen sollte. Dieser Typ-Entwurf wurde letztendlich zur Grundlage der nachfolgend beschriebenen kleinen Walterboote.
Bei einer Vorführung der V 80 im November 1941 gelang es Walter, Raeder auf die neue Antriebsart aufmerksam zu machen und der veranlasste das K-Amt, dem Bau von jeweils zwei mittelgroßen, atlantikfähigen Versuchsbooten bei Blohm & Voss und bei der Germaniawerft zuzustimmen, die sich in ihrer Ausführung an den Entwurf P 477 anlehnen sollten. Allerdings wird auch hier wieder vom K-Amt die Störung des Serienbaus der anderen U-Boot-Typen angesprochen.
Inzwischen war am 18.02.1942 der Bauauftrag für die V 300 (U 791) an GW erteilt worden, mit der Fertigstellung rechnete man am 11.11.1944. Dieses Boot sollte eine ,,heiße" Walteranlage erhalten, d.h. der freigesetzte Sauerstoff sollte noch zur Verbrennung von Diesel genutzt werden und mit der höheren Energieausbeute eine noch leistungsfähigere Turbinen ermöglichen, die auch die Grundlage des Antriebs für die nachfolgenden Boote werden sollte.
Blohm & Voss erhielt am 19.06.42 den Bauauftrag für seine beiden Versuchsbauten des Typs Wa 201 (U 793 und U 793). Diese Boote waren etwas größer als der Walter-Entwurf P 477. Die Kiellegung erfolgte am 01.12.1942. Durch Lieferschwierigkeiten bei diversen Bauteilen, notwendige Veränderungen am Bootsentwurf und den großen Luftangriff auf Hamburg am 24.06.43 kam U 792 erst am 28.09.1943 zu Wasser, die Indienststellung erfolgte am 16.11.1943. Bei der UAK-Erprobung wurden offenbar, dass die Dimensionierung der Ruderanlage verbesserungsbedürftig war. U 793 hatte am 29.09.1943 seinen Stapelhub, wurde aber erst am 24.04.1944 in Dienst gestellt, da man die Testergebnisse von U 792 abwarten wollte. Gleichzeitig wurde entschieden, dieses Boot hauptsächlich zu Ausbildungszwecken zu nutzen und deshalb nur eine Turbine einzubauen, die aber immer noch unter Wasser eine Geschwindigkeit von 20 kn ermöglichen sollte.
Die Germaniawerft wurde am 07.08.1942 mit dem Bau seiner Boote (U 794 und U 795) vom Typ WK 202 beauftragt, nachdem der Auftrag für das Boot U 791 des Typs V 300 wegen des fehlenden Entwicklungspotentials am 15.07.1942 noch vor der Kiellegung annulliert worden war. Bei GW hielt man sich stärker an die Vorgaben des Walterentwurfs und erhielt ein kleineres, völligeres Boot. U 794 wurde am 01.02.1943, U 795 am 08.02.43 auf Kiel gelegt. Der Stapelhub von U 794 erfolgte am 07.10.1943, die Indienststellung am 14.11.1943. U 795 kam am 21.03.1944 ins Wasser, das Datum der Indienststellung war der 22.04.1944. Auch bei diesem Boot war die Antriebsanlage auf eine Turbine reduziert und die beiden TR entfernt worden.
Als die ersten vier Walterboote noch in der Erprobung waren, wurde am 04.01.1943 eine Serie von je 12 Booten des Typs XVII B bei Blohm & Voss, bzw. des Typs VXII G bei der Germaniawerft in Auftrag gegeben. Diese Typen stellten jeweils frontfähige Weiterentwicklungen der Typen Wa 201 bzw. WK 202 dar. Mit der Fertigstellung des ersten B & V-Bootes wurde am 15.04.1944 gerechnet. Monatlich sollte dann ein weiteres Boot abgeliefert werden. Die GW-Boote sollten vom 01.07.1944 bis zum 20.03.1945 abgeliefert werden. Der Kriegsverlauf ließ aber diese Pläne schnell zu Makulatur werden, z.B. sollten drei Boote des Typs XVII B (U 1405 bis 1407) am 05.08.1943 und am 18.09.1943 noch einmal zwei Boote (U 1408 und U 1409) auf Kiel gelegt werden. Mit der Fertigstellung der Boot wurde zunächst für Januar/Februar 1944 gerechnet. Der Kriegsverlauf verzögerte die Kiellegung aber um etwa zwei Monate. Die Bauaufträge für alle anderen Walter-Boote waren inzwischen am 22.07.1944 annulliert worden. Weiterhin rückten die angefangenen Boote in der Prioritätenliste hinter die Fertigung des Typs XXI, so dass ihr Bau nur noch schleppend voranging. Um den Lieferengpässen bei den Turbinen zu begegnen, wurde beschlossen, nur noch eine Turbine zu installieren, was zusätzliche Änderungen in der Konstruktion nach sich zog. U 1405 konnte schließlich am 01.12.44 ins Wasser gesetzt werden, die KM übernahm es am 21.12.1944. U 1406 hatte seinen Stapelhub am 02.01.1945 und wurde am 08.02.1945 in Dienst gestellt. Das letzte Boot, U 1407, wurde Ende Februar 1945 zu Wasser gelassen und am 29.03.1945 offiziell in die KM eingegliedert. Die Boote U 1408 und U 1409 wurden am 08.04.1945 durch einen Luftangriff auf ihren Bauplätzen zerstört.

Alles in allem wieder eine Geschichte von verpassten Gelegenheiten, wie man sie häufig in der deutschen Rüstungsgeschichte des zweiten Weltkriegs beobachten kann. Eine treffende Beschreibung des Verhaltens der maßgeblichen Stellen der KM steckt imho in diesen Worten: ,,Wir konnten keinen neuen Zaun um unseren Hühnerstall bauen, da wir pausenlos beschäftigt waren, unsere Hühner wieder einzufangen." Allerdings war auch die Beschaffung des T-Stoffes kein geringes Problem, wenn man bedenkt, dass ein von B & V geschaffener Turbinenprüfstand zur Einsparung von T-Stoff extra mit konventionellen Dampfkesseln ausgerüstet wurde. Wie man unter diesen Umständen eine ganze Flotte von Walter-Booten betreiben und auch noch den Bedarf der Luftwaffe hätte decken wollen, stand völlig in den Sternen.
Dass die Walterboote akustisch schwer zu orten waren, lag übrigens nicht in ihrer Form begründet, sondern in der Kohlendioxidschleppe, die sie beim Turbinenbetrieb hinter sich herzogen.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Reiner

Danke Schorsch!!

Einfach super, Deine Erklärungen  :MG: :MG:

Gruß
Reiner

Barrett

#21
Hallo rosenow!

Dieses Thema für mich ist wie früher interessant.
Plante, den Artikel zu schreiben, aber … die Krise läßt wenig Zeit …   :cry:


Hallo Schorsch!

Ich hoffe, Du hast ein wenig erholt?  :-D
Man kann die neuen Fragen aufgeben?

Mit freundlichen Grüßen
Vitali

rosenow

Vielen Dank Schorsch, sehr Detailreich erklärt, viele Neuigkeiten für mich dabei. Warum schreibst du eigentlich kein Buch?  So in etwa  "Wissen Veranschaulicht, im Detail erklärt" 
top
Gruß und Danke!


Für mich auch immer interessant, Barrett, vor allem wenn Menschen wie Schorsch dabei sind, die auch vor langen Texten keine Scheu zeigen.
mit freundlichen Gruß
Michael


,,Macht`s gut und denkt daran!
Es gibt drei Sorten von Menschen:
Die Lebenden.
Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

Schorsch

@ Reiner: Vielen Dank für die Blumen!

@ Vitali: Ich habe ja lange nichts mehr von Dir gehört. Deshalb war die Erholung auch sehr ausgiebig. Wenn Du neue Fragen hast, dann ruhig heraus damit!

@ Michael: Die Bücher, die Du ansprichst, sind ja eigentlich alle schon geschrieben. Ich versuche nun bloß noch, denjenigen, die keinen Zugriff darauf haben, deren Inhalte zugänglich zu machen. Einen Punkt möchte ich übrigens noch hervorheben. Ein langer Text wie der obige verlangt natürlich auch nach Lesern, die sich damit auseinandersetzen. Das positive Feedback hier im Forum zeigt, dass es in dieser Runde solche Leser gibt und so wird meines Bleibens/Schreibens hier sicher noch länger sein.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

rosenow

Das freut mich Schorsch  top und da du Barrett zugestimmt hast, habe ich gleich noch zwei kleine Fragen.
Kohlendioxidschleppe?
Hat die Form des Bootes, dies nicht begünstigt?
mit freundlichen Gruß
Michael


,,Macht`s gut und denkt daran!
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Die Lebenden.
Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

Schorsch

Hallo Michael,

der kalte Walterantrieb nutzt als Energie lediglich die bei der katalytischen Zersetzung von Wasserstoffperoxid freiwerdende Wärme. Als Endprodukte entstehen dabei Wasser(dampf) und Sauerstoff. Beim heißen Walterverfahren wird der freigewordene Sauerstoff noch dazu genutzt, in einer Brennkammer zusätzlich Diesel zu verbrennen. Die freiwerdende Verbrennungswärme verdampft Wasser, das gleichzeitig zusätzlich noch mit in die Brennkammer eingespritzt wird. So entsteht ein hocherhitztes Wasserdampf-Kohlendioxid-Gemisch, das die Turbine antreibt. Ein der Turbine nachgeschalteter Kondensator wandelt den Dampf wieder in Wasser um, das erneut in der Brennkammer verdampft werden kann. Das bei der Verbrennung entstandene Kohlendioxid muss jedoch aus dem Kreislauf und dem Boot entfernt werden. Dazu wird es vom Kondensat abgeschieden und nach außenbords geleitet. Um keine Blasenbahn wie ein G 7a zu erzeugen, erfolgt die Abgabe des Kohlendioxids sehr fein verteilt und diese Bläschen stellen die erwähnte Kohlendioxidschleppe dar. Da das ausgestoßene Gas sehr gut wasserlöslich ist, erreichen (fast) keine Bläschen die Wasseroberfläche. Die erzielte Schalldämpfung der Bootsgeräusche ist damit sozusagen nur ein angenehmer Nebeneffekt des Walterverfahrens. Der Bootsform selbst liegt der Gedanke der Geräuscharmut nicht zugrunde, hier waren hauptsächlich hydrodynamische Gründe maßgeblich.

Allerdings datieren aus der zweiten Hälfte des Jahres 1944 Entwürfe für Elektro-U-Boote, bei denen über die Bootsform eine ASDIC-Ortung erschwert werden sollte. Horizontal eintreffende Schallimpulse sollten durch Kanten seitlich am Boot nach oben bzw. unten reflektiert werden. Auch der Turmumbau wurde so ausgeführt, dass senkrechte Seitenflächen vermieden wurden. Die Entwürfe trugen die Bootsbezeichnung XXIX GK und XXIX H. Es wurden jedoch keine Schleppversuch mit diesen Bootsformen durchgeführt.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

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rosenow

Vielen Dank Schorsch, echt Klasse erklärt!  :=D>  So mag ich Erklärungen gerne.
mit freundlichen Gruß
Michael


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Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

Barrett

Hallo Schorsch.

Ich habe nächsten neuen Fragen:

1 Frage. Нatte das U-Boote Typ XXIII Enigma?
2 Frage. Fritz Köhl/Eberhard Rössler in seinem Buch schreiben auf der Seite 35:
«…Am 18. April gegen 12 Uhr war die Ostseite des Warngebietes erreicht und der Gegner im GHG immer noch zu hören. Möglicherweise versuchte er, das Boot „auszuhungern". Doch der Typ XXIII hatte einen „längeren Atem" als der Uboottyp VII C, bei dem diese Methode meist erfolgreich war….»

Welche Vorteile der Typ XXIII einen „ längeren Atem " erlaubten, zu haben?

Mit freundlichen Grüßen
Vitali

Schorsch

Hallo Vitali,

einige konkrete Antworten habe ich finden können, einiges kann ich nur schlussfolgern.

zu 1. Ich habe bisher weder eine Bestätigung, dass sich eine Enigma-Schlüsselmaschine an Bord befand, noch eine definitive Aussage, dass keine vorhanden war. Allerdings zeigt ein Vergleich der Einrichtungen der Funkräume der Typen XXI und XXIII, dass die kleinen Boote weder einen Geheimschrank oder diverse Zusatzgeräte für den Schlüssel M in ihrem Funkschapp hatten. Für die großen Boote werden solche Einrichtungen aber nachgewiesen. Ich vermute aus diesem Grund, dass keine Schlüsselmaschine bei den kleinen Booten an Bord war. Unterstützt wird diese Meinung von der Tatsache, dass zu Beginn des Krieges deutsche Boote, die vor der englischen Küste Minen legen sollten, bei ihren Flachwasserunternehmungen befehlsgemäß keine Enigma an Bord hatten, um im Verlustfalle eine Bergung von Verschlüsselungsunterlagen durch die Royal Navy mit Sicherheit auszuschließen.

Zu 2. Der Typ XXIII hatte 200 l Sauerstoff (4 Flaschen zu 50 l) unter einem Druck von 150 atü an Bord. Damit sollen die 14 Mann Besatzung eine Zeitdauer von 70 Stunden autark sein können. Das entspricht einem Sauerstoffverbrauch von ca. 0,357 l pro Mann und Stunde. Die Fahrtstrecke von 215 sm bei 2,5 kn bedeutet eine Fahrtdauer von 86 h Schleichfahrt. Hier besteht also zumindest in der Größenordnung eine Übereinstimmung.
Der Typ VII C hatte 10 Flaschen zu 50 l Sauerstoff an Bord. Ein Speicherdruck von 150 atü ist anzunehmen. Bei 45 Mann Besatzung und dem oben errechneten Sauerstoffverbrauch würden 31 Stunden Autarkie möglich sein. Der Fahrtbereich von 120 sm bei 2 kn lässt auf 60 h Schleichfahrt schließen. Aus den Zahlen ist zu folgern, dass der Typ XXIII damit eine um 50 bis 100 % größere Unterwasserausdauer im Vergleich zum Typ VII C hat. Interessant wären noch Daten zur Entfernung des Kohlendioxids aus der Atemluft gewesen. Allerdings habe ich für den Typ VII C keine Angaben finden können, so dass dieser Vergleich entfallen muss.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

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Trimmer

Hallo Schorsch - Habe zwar nach langem Suchen auch noch nichts gefunden aber ich denke doch das eine Chiffriermaschine mit an Bord war.Frage der Verbindungsaufnahme Senden/Empfangen.Klartext werden sie ja wohl nicht gesendet haben und eine Verschlüsslung per Hand... :?

Gruss vom Trimmer-Achim 
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

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